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 Betreff des Beitrags: Re: Die Quadratur des Kreises
BeitragVerfasst: 09.06.2012, 20:56 
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Danke, maddy :danke: ! Ja, an Kalinda kommt man irgendwie nicht vorbei, weder als Figur noch als Zuschauer :wink: .

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 Betreff des Beitrags:
Verfasst: 09.06.2012, 20:56 


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 Betreff des Beitrags: Re: Die Quadratur des Kreises
BeitragVerfasst: 09.06.2012, 20:58 
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So, hat ja alles gut geklappt mit dem Schlaaaaaaand :spitze: , und jetzt ist sogar noch Zeit, den nächsten Abschnitt zu posten, bevor es ins Bett geht. Was soll ich sagen, ganz langsam geht es in die richtige Richtung. Stetes Wasser höhlt den Stein...






Um Kalinda von der Klinik nach Hause fahren zu können, musste Alicia einen schon lange feststehenden Termin mit Eli Gold verlegen, was diesen dermaßen missmutig stimmte, dass er sich prompt bei Diane beschwerte. Dort traf er allerdings auf wenig Verständnis, denn Diane war es ein echtes Anliegen, dass Kalinda sicher nach Hause gebracht würde, und so musste Eli sich wohl oder übel mit den Gegebenheiten abfinden. Trotzdem ließ er es sich nicht nehmen, mürrisch über die Flure zu wandern und jeden wissen zu lassen, wie vernachlässigt er sich fühlte.

Er tat Alicia fast ein bisschen leid, als sie nach ihrem Autoschlüssel griff, aber heute hieß es, Prioritäten zu setzen, und ihre Priorität war nicht Eli Gold. „Kalindas Sicherheit sollte dir auch am Herzen liegen“, ermahnte sie ihn, als sie auf dem Weg zum Fahrstuhl an seinem Büro vorbeikam. Aber er sah nicht einmal auf.

Alicia war fest entschlossen, sich durch seine Griesgrämigkeit nicht den Tag verderben zu lassen, und sie beeilte sich, auf direktem Wege zum Parkdeck zu gelangen, ehe er es sich anders überlegte und hinter ihr herkommen würde. Sie legte ihre Aktentasche auf den Rücksitz, als sie in ihren Wagen stieg, denn der Kofferraum war bis zum Anschlag gefüllt, da sie am Vorabend noch Berge von Lebensmitteln und Hygieneartikeln eingekauft hatte, damit Kalinda mindestens eine Woche lang nicht aus dem Haus gehen musste. Natürlich würde sie es trotzdem tun, aber zumindest würde sie nicht auf Hilfe angewiesen sein.

Um diese Uhrzeit war der Chicagoer Verkehr eingermaßen auszuhalten, und Alicia kam in Rekordzeit im Northwestern Hospital an. Wie immer war die Parkplatzsituation angespannt, als sie auf das Klinikgelände fuhr, doch zu ihrem Glück gelang es ihr, sich vor einem jungen Cabrioletfahrer in eine Parklücke zu zwängen. Dieser stieg sofort wütend aus seinem Fahrzeug und bedachte Alicia mit einem Schwall von Schimpfwörtern, von denen Alicia manche noch nie gehört hatte. Sie tat gut daran, dem zornigen Mann keinerlei Beachtung zu schenken, als sie sich zu Kalindas Gebäude aufmachte. Ihre betonte Ruhe schien ihn allerdings noch mehr zu provozieren, und er verfolgte sie bis zum Haupteingang, bevor er endlich abdrehte. Manche Leute hatten einfach zu viel Freizeit.

Als Alicia das Gebäude betrat, saß Kalinda schon neben der Pforte auf einer Bank und las in einem Magazin. Augenscheinlich konnte sie es nicht erwarten, diesen sterilen Ort endlich zu verlassen, denn ihr Gesicht leuchtete, als sie Alicia durch die Tür kommen sah. Und sie verzog auch nur leicht die Mundwinkel, als sie wenige Minuten später entdeckte, was sich alles in Alicias Auto befand, und enthielt sich jeden Kommentars.

Während der Fahrt zu Kalindas Wohnung stellte Alicia leise das Radio an, da Kalinda in Gedanken zu sein schien und Alicia sie nicht bedrängen wollte. Erst als sie in Kalindas Straße einbogen, brach Alicia das Schweigen und kündigte an, Kalinda in deren Wohnung zu begleiten. Noch ehe sie protestieren konnte, stellte Alicia klar, dass sie keine Widerworte duldete, denn sie beabsichtigte, die Wohnung so zu präparieren, dass Kalinda dort für längere Zeit allein zurecht kommen würde. Zu ihrer Überraschung fügte Kalinda sich ihrem Wunsch und setzte sich in der Wohnung auf einen Sessel, während Alicia ihre mitgebrachten Utensilien in Küche, Bad und Schlafzimmer verstaute.

Schon lange vorher hatte Alicia sich Gedanken darüber gemacht, welche Handgriffe mit einer verletzten Schulter problematisch sein würden, und so benötigte sie nicht länger als zwanzig Minuten, um alles so herzurichten, wie Kalinda es brauchte. Deren aufmerksame Augen verfolgten jede ihrer Bewegungen und Alicias gute Vorbereitung entging ihnen nicht.

„Melde dich, wenn was ist“, ermahnte Alicia Kalinda noch einmal, als alles so war, wie sie es sich vorgestellt hatte. „Egal, ob es wichtig oder unwichtig ist, okay?“

„Okay.“ Kalinda erhob sich aus ihrem Sessel, um sie zur Tür zu geleiten.

„Gute Besserung und pass gut auf dich auf“, sagte Alicia mit einem aufmunternden Lächeln und spürte fast ein bisschen Wehmut dabei.

„Danke für alles, Alicia.“ Kalindas Stimme klang ein wenig belegt. „Du hast so viel für mich getan…“

„Ach was.“ Alicia winkte ab. „Nichts, was du nicht auch getan hättest“, sagte sie und lächelte, als Kalinda darauf nichts erwiderte. Sie wussten beide, dass sie recht hatte.



* * *



Alicia stellte erstaunt fest, wie schnell der Mensch sich an kleine Alltagsrituale gewöhnen konnte. Ihr fehlten die täglichen Krankenbesuche, und obwohl Will und Diane ihr einen Auftrag nach dem anderen auf den Schreibtisch legten, wusste Alicia manchmal nichts mit sich anzufangen. Mehrfach am Tag war sie versucht, Kalinda zu Hause anzurufen, aber sie steckte jedes Mal ihr Handy wieder zurück in ihre Handtasche. Sie wollte Kalinda unbedingt die Zeit lassen, die sie brauchte. Ihr war klar, dass die Kollegin um ihre Autonomie kämpfte, und außerdem war sie Kalinda durch ihre regemäßigen Besuche garantiert zu nahe gekommen. Es überraschte sie keineswegs, dass Kalinda sich über eine Woche lang nicht meldete.

Nichtsdestotrotz plagten Alicia in den ersten Nächten Alpträume, schließlich war nicht hundertprozentig auszuschließen, dass Kalinda wieder bedroht würde. Erst nachdem Cary Alicia berichtete, dass er mit Kalinda telefoniert hatte, konnte sie nachts wieder besser schlafen. Kalinda war in Sicherheit, es ging ihr gut, und sie nahm bewusst keinen Kontakt auf. Trotzdem kam Alicia nicht umhin zu merken, wie sehr sie ihre wiedergewonnene Freundin vermisste.

Nach zehn Tagen hielt sie es schließlich nicht mehr aus und wählte Kalindas Nummer.

„Alicia? Was gibt’s?“ Kalindas Stimme klang sachlich, als erwartete sie, dass Alicia einen Fall mit ihr besprechen wollte.

„Eigentlich nichts Besonderes.“ Alicia entschied sich spontan, alle Erkundigungen nach ihrem Befinden fallen zu lassen. „Fällt dir die Decke schon auf den Kopf?“, fragte sie stattdessen.

„Ein bisschen.“

Das war garantiert gelogen, aber Alicia ging geflissentlich darüber hinweg. „Was hältst du davon, wenn ich dich nach der Arbeit abhole?“, schlug sie vor. „Und dann fahren wir gemeinsam in eine Bar deiner Wahl?“

Für ein paar Sekunden war Stille in der Leitung, und Alicia konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Es passierte selten, dass sie Kalinda zu überraschen vermochte. „Ja, das können wir tun“, sagte Kalinda nach einer Weile. „Wann hast du Zeit?“

„Gegen acht Uhr?“

„Okay, gut.“

„Dann sehen wir uns nachher?“

„Ja, bis später.“

Kalindas Stimme klang irgendwie ungewöhnlich, und Alicia musste über sich selbst den Kopf schütteln, als sie ihr Handy zurück in ihre Tasche legte. Wieso fühlte es sich an, als hätte sie gerade ein Date abgemacht? Sie bekam keine Gelegenheit, weiter darüber nachdenken, denn David Lee betrat, wie immer ohne anzuklopfen, ihr Büro und verlangte ihre Anwesenheit in einer Scheidungsangelegenheit. Sein Gespräch mit einem scheidungswilligen Ehepaar war in eine Welle von gegenseitigen Schuldvorwürfen ausgeartet, und David erhoffte sich von Alicias Anwesenheit eine Beruhigung der Situation.

In der Tat gelang es Alicia, die aufgebrachten Ehepartner wieder an einen Tisch zu bringen, aber das ganze Szenario kostete sie fast zwei Stunden, und den Rest des Tages musste sie der verlorenen Zeit hinterher rennen. Jeder in der Kanzlei hasste die Tatsache, dass man sich David Lee niemals widersetzen durfte. Er brachte so viel Geld für Lockhart & Gardner, dass er sich alles erlauben konnte, und das nutzte er schamlos aus.

Immerhin verging der Arbeitstag nun wie im Fluge, und erst als Alicia zu Hause vor ihrem Kleiderschrank stand, kam die Nervosität vom Telefonat wieder zurück. Es ist nur Kalinda, versuchte sie sich zu sagen, aber aus irgendeinem Grunde brachte das nicht den gewünschten Effekt. Möglicherweise lag es auch daran, dass sie sich nicht sicher war, wie Kalinda ihr gegenübertreten würde. Ihre Wortkargheit am Telefon hatte sich angefühlt wie ein schlechtes Omen.

Alicia entschied sich für das rote Kostüm, das sie am Wochenende aus der Reinigung geholt hatte und begab sich ins Bad, um frischen Lippenstift aufzusetzen. Und wenn sie sich zurückzieht, dann ist das eben so, sagte sie ihrem Spiegelbild im Stillen. Und das Spiegelbild nickte zustimmend. Schlimmer als das Desaster im letzten Jahr konnte es sowieso nicht werden, und das hatten sie auch überlebt.



* * *



Als Kalinda die Wohnungstür öffnete, wirkte sie zwar etwas angespannt, aber keineswegs kühl oder abweisend, wie Alicia befürchtet hatte. Wie immer waren ihre Räume makellos sauber und aufgeräumt, und Alicia schoss sofort die Frage durch den Kopf, wie man eine Wohnung mit einer verwundeten Schulter in so einem Zustand halten konnte. Sie beschloss aber, der Sache nicht weiter nachzugehen, sondern vielmehr herauszufinden, warum Kalinda keine Anstalten machte, ihre Jacke anzuziehen.

Es dauerte eine Weile, bis ihr der Grund dafür dämmerte, denn inzwischen hatte Alicia sich so an den Anblick gewöhnt, dass ihr gar nicht mehr auffiel, wenn Kalinda ihr Haar offen trug. Doch für diese war es offenbar nach wie vor eine Notlösung, mit der sie sich nicht in der Öffentlichkeit blicken lassen wollte. „Möchtest du, dass ich dir schnell die Haare hochstecke?“, fragte Alicia deshalb, mit Betonung auf dem Wort schnell.

Nicht im Entferntesten hätte sie damit gerechnet, dass Kalinda sich einverstanden erklären würde, doch genau das tat sie. Also holte Alicia eine Haarnadel aus dem Bad und stellte sich hinter sie. Ehe Kalinda es sich anders überlegen konnte, fasste Alicia in das dichte Haar und umfasste es mit beiden Händen. Es fühlte sich weich und voll an zwischen ihren Fingern und Alicia spürte für den Bruchteil einer Sekunde den Impuls, die Fertigung des Knotens noch ein wenig in die Länge zu ziehen. Um ihr Zögern zu überspielen, beeilte sie sich umso mehr, mit raschen Handgriffen einen Knoten zu formen und ihn so festzuhalten, dass Kalinda selbst ihre Haarnadel dort befestigen konnte.

„Fertig“, sagte Alicia und trat im selben Moment einen Schritt zurück.

„Dann können wir gehen?“ Kalinda drehte sich zu ihr um und lächelte.

„Wo immer du hinmöchtest.“

Kalinda entschied sich für die Signature Lounge, eine exquisite Bar, die für ihre erlesenen Cocktails bekannt war und außerdem einer Szene angehörte, in der weder Alicia noch Kalinda verkehrten. Alicia war jeder Ort recht, solange Kalinda sich dort wohl fühlen würde, und so ließ sie sich von Kalinda geduldig durch die Straßen von Chicago lotsen.

Wer hätte gedacht, dass sie irgendwann wieder mit Kalinda in einem Auto sitzen würde, um mit ihr gemeinsam zu einer Bar zu fahren. Vielleicht, weil Alicia noch vor wenigen Wochen nicht zu hoffen gewagt hatte, dass sie diese Gelegenheit jemals wieder haben würde, spürte sie deutlicher als sonst Kalindas Gegenwart neben sich. Es war ein gutes, ein angenehmes Gefühl, aber dennoch in seiner Intensität irritierend, und Alicia verfluchte innerlich Owen dafür, ihr unsinnige Flausen in den Kopf gesetzt zu haben, die sie dazu verleiteten, ständig ihre Beziehung zu Kalinda zu hinterfragen.

Glücklicherweise verhielt Kalinda sich völlig normal, und spätestens als sie an der Theke der Signature Lounge saßen, entspannte sich auch Alicia. Die Tequilas taten ihr Übriges, und so dauerte es nicht lange, bis sie mit Kalinda lebhaft über alles plauderte, was ihr gerade durch den Kopf ging. Schon seit Ewigkeiten hatte Alicia sich nicht mehr so gut amüsiert, und gerade deshalb blieb ihr das Lachen im Halse stecken, als sie hinter ihrem Rücken eine allzu bekannte Stimme vernahm.

„Was ist los?“ Kalinda wurde ernst und sah an Alicia vorbei, um die Quelle von deren Unmut ausfindig zu machen.

„Das fehlt mir gerade noch“, murmelte Alicia und weigerte sich, hinter sich zu schauen. Dafür war es eh zu spät, denn schon klopfte ihr jemand von hinten auf die Schulter.

„Alicia, was tust du denn hier?“ Owen trat vor Alicia, um sie in die Arme zu nehmen.

„Dasselbe wie du wahrscheinlich. Hallo Owen.“ Alicia erwiderte seine Umarmung und scannte nebenbei den Raum nach einem smarten Mann mittleren Alters, der sich als Owens Partner anbot. Mit seinen Birkenstockschuhen war Owen ein auffälliger Fremdkörper in der edlen Cocktailbar, und der einzige Grund, der ihn hierher verschlagen haben konnte, musste ein anderer Mann sein.

„Bruce, komm doch mal her!“, rief Owen quer durch die Bar. „Ich habe gerade meine Schwester getroffen.“

Ein schlanker Mann im schwarzen Armani Anzug näherte sich ihnen. „Bruce Greenstone“, stellte er sich vor, als er Alicia die Hand entgegenhielt. „Owen hat mir schon viel von Ihnen erzählt.“

Alicia schaute misstrauisch zu Owen, der inzwischen Kalinda entdeckt hatte. „Und Sie sind…?“, fragte er neugierig, während er seinen Arm um Alicia legte.

„Kalinda.“

Alicia verdrehte die Augen, als Owen mit bedeutungsschwangerem Blick zu ihr sah, bevor er sich wieder an Kalinda wandte. „Oh. Ja. Ka-lin-da…“, sagte er gedehnt und musterte sie von oben bis unten. „Von Ihnen hat mir Alicia auch schon viel erzählt...“ Alicia betete im Stillen, dass Owen sich heute nicht so daneben benehmen würde, wie es sonst seine Art war, und tatsächlich setzte er eine ernste Miene auf. „Meine Güte, ich plaudere hier“, schalt er sich selbst. „Wie geht es Ihnen denn? Ich habe meine Schwester noch nie so besorgt gesehen.“

Kalinda lächelte höflich, während Alicia auf ihre Schuhe blickte und Owen auf den Jupiter wünschte. „Es geht mir gut, danke“, antwortete sie freundlich.

„Das ist schön zu hören“, sagte Owen vergnügt. „Wir bleiben übrigens nicht lange“, erklärte er. „Wir kommen nur gerade aus dem Theater und wollten nicht gleich nach Hause gehen.“

„Sie wollen sicher für sich sein, nicht wahr?“, fragte Bruce taktvoll, obwohl nicht ganz klar war, ob er vielleicht lieber selbst mit Owen unter sich sein wollte.

Alicia setzte gerade zur Antwort an, doch Kalinda kam ihr zuvor. „Ja, das ist richtig“, sagte sie mit charmantem Lächeln. „Wir haben noch Arbeitsthemen zu besprechen.“

„Danach sieht’s auch aus“, murmelte Owen mit Blick auf die ausgetrunkenen Tequila Gläser. „Dann wünsche ich den Damen noch einen schönen Abend.“

„Danke, das wünschen wir den Herren auch.“ Alicia deutete mit einer Handbewegung an, dass Owen sich verziehen sollte. „Wir lieben uns“, versicherte sie Bruce, als dieser verwirrt zwischen ihr und Owen hin und her schaute. „Keine Sorge.“

„Da siehst du’s“, lachte Owen. „Wenigstens einer, der mich liebt.“ Grinsend zog er mit Bruce ab und begab sich mit ihm an das andere Ende der Bar.

„Dein Bruder ist schwul?“, fragte Kalinda amüsiert, als die beiden außer Hörweite waren.

Alicia war schon leicht schwindelig von den vielen Tequilas, und sie drehte ihren Körper mit großer Sorgfalt zur Theke zurück. „Ich könnte jetzt zwei Jahre warten, bis ich dir eine Antwort darauf gebe“, sagte sie spitz und schaute dem Barkeeper dabei zu, wie er die nächsten zwei Gläser einschenkte.

Kalinda lachte, und stieß mit ihr an. „Es ist gar nicht nötig, dass du antwortest“, meinte sie gleichmütig, als sie ausgetrunken hatten.

„Aha, Miss Sharma ist wieder im Einsatz.“ Alicia verzog das Gesicht von dem Biss in die Limone. „Na gut, wenn du es unbedingt wissen willst. Owen ist schwul, solange er denken kann. Das behauptet er zumindest.“

„Ist es etwas Ernstes?“ Kalinda wies mit dem Daumen zum anderen Ende der Theke, wo sich Owen und Bruce vermutlich noch aufhielten. Es standen zu viele Leute dazwischen, um zu sehen, ob sie dort geblieben waren oder sich an einen der Tische gesetzt hatten.

Alicia beschäftigte sich damit, die kleinen Gläser vor sich übereinander zu stapeln. Mit ihrer Feinmotorik stand es nicht mehr zum Besten, aber sie schaffte es noch mühelos. „Ist dir schon mal aufgefallen, dass du dir Fragen herausnimmst, die du selbst nicht beantwortest?“, fragte sie und bereute sogleich die Schärfe in ihrem Tonfall.

„Was willst du denn wissen?“, fragte Kalinda, nicht im Mindesten beeindruckt.

„Was ich wissen will?“ Alicia stellte die Gläser wieder zurück auf den Tisch und ordnete sie in einer Reihe nebeneinander an. Das war eine sehr gute Frage. Was war es, was sie von Kalinda hören wollte? Wollte sie, dass sie die Verwirrung in ihrem Kopf auflöste, die seit dem Gespräch mit Owen nie mehr gänzlich verschwunden war? Wollte sie Beweise gegen seine Theorie sammeln? Oder gar welche dafür? „Ich will wissen, ob es für dich schon mal etwas Ernstes gab“, antwortete sie und versuchte, dabei so neutral wie möglich zu klingen.

„Warum?“

„Weil ich es wissen will.“

Kalinda nickte, als ob das eine Erklärung gewesen wäre und bestellte noch zwei Gläser Tequila. „Das sollten dann die letzten sein“, sagte sie verschmitzt.

Alicia spürte, wie Kalinda sich in sich zurückzog. Sie konnte förmlich sehen, wie ihre inneren Mauern hochfuhren, aber diesmal war es ihr egal. „Was ist so schlimm daran, es zu sagen?“, hakte sie nach.

„Nichts.“ Kalinda schwieg eine Weile. „Ja, ich kenne das“, sagte sie dann und lächelte dem Barkeeper zu, als dieser ihr die neue Bestellung hinschob. Er zwinkerte ihr zu, und Alicia wusste, dass Kalinda am Ende des Abends seine Handynummer auf der anderen Seite der Rechnung vorfinden würde.

„Und? Was hast du gemacht?“

„Nichts.“

„Wieso nichts?“

Kalinda wandte sich ihr wieder zu, und Alicia war überrascht, wie müde sie auf einmal wirkte. „Weil es keine Bedeutung für mich hat.“

„Wie kann etwas Ernstes keine Bedeutung haben?“ Alicia runzelte die Stirn. Sie wusste genau, was Kalinda meinte, aber sie wollte, dass sie es selbst aussprach und merkte, wie widersinnig es sich anhörte.

„Ich will keine Verpflichtungen eingehen, die ich nicht einlösen kann.“ Kalinda sprach langsam und vorsichtig, so als fürchtete sie, dass man ihr das Wort im Munde umdrehen könnte. „Schon gar nicht gegenüber jemandem, der mir wichtig ist.“

Alicia sah nachdenklich zu einem Paar, das hinter Kalinda am Tresen stand. Die beiden waren in eine innige Umarmung versunken und schienen die Welt um sich herum gar nicht mehr wahrzunehmen. Noch nie hatte Alicia Kalinda sagen hören, dass ihr etwas oder jemand wichtig sein könnte, und ihr war bewusst, wie dünn das Eis war, auf dem sie sich bewegte. „Glaubst du nicht, dass dir etwas entgeht?“, fragte sie vorsichtig.

„Mag sein.“

„Und all die gebrochen Herzen, die du zurücklässt? Machen dir die nichts aus?“

„Herzen heilen wieder.“ Kalinda lächelte. „Außerdem verspreche ich nie, was ich nicht halten kann.“

„Aber was ist, wenn…“ Alicia merkte, dass sie eindeutig zu viel Alkohol getrunken hatte, um solch eine Unterhaltung zu führen. Sie fühlte nur noch eine vage Kontrolle über das, was sie sagte. „Was ist, wenn du das Herz eines Menschen brichst, mit dem es dir ernst ist?“

„Auch das wird heilen.“

Alicia seufzte und stützte ihren Kopf in ihre Hände. „Vielleicht brichst du irgendwann dein eigenes“, murmelte sie.

Erst nach einer Weile merkte sie, dass Kalinda nicht antwortete, und als sie zu ihr schaute, sah sie, dass sie regungslos auf ihrem Barhocker saß und auf den Tresen starrte. Vermutlich war es die Wirkung der Tequlias, denn Alicia hatte noch nie gesehen, dass Kalinda um ihre Fassung rang.

Ohne nachzudenken, legte Alicia ihre Hand auf Kalindas Rücken und strich sanft über den weichen Stoff ihrer Bluse. Sie konnte die schmalen Schulterblätter unter ihrer Hand spüren, die Wirbelsäule und den BH, und sie fragte sich unwillkürlich, wie viele Menschen diesen wohl schon geöffnet hatten. In Ihrem Kopf blitzte ein Bild von Peter und Kalinda auf, und sie schob es sofort wieder zur Seite. Sie war durch mit dem Thema. Und sie wollte nicht, dass Kalinda einen so hohen Preis für ihre Freiheit bezahlte.

Kalinda schaute sie nicht an, aber sie protestierte auch nicht, und so ließ Alicia ihre Hand liegen, wo sie war. Schließlich löste sich eine Träne und tropfte still auf den Tresen. Kalinda senkte ihren Kopf und schloss für einen kurzen Moment die Augen, bevor sie ihr Gesicht Alicia zuwandte.

Im Nachhinein konnte Alicia nicht sagen, was es gewesen war und woher es gekommen war, aber als sie Kalindas Blick begegnete, überkam sie ein unerklärlicher Drang, sich zu ihr hinüberzubeugen und die dunklen Lippen zu küssen. Zart und behutsam, wie nur Liebende es können.

Kalindas Gesichtsausdruck verriet, dass sie die Veränderung wahrgenommen hatte, und Alicia fand in ihren Augen dasselbe Verlangen, das diese in ihren sah. „Es ist schon spät“, sagte Kalinda sanft. „Und du musst morgen früh aufstehen, Alicia.“

Alicia nickte verwirrt. „Ich bin eh schon betrunken“, murmelte sie und nahm ihre Hand von Kalindas Rücken, um ihr Portemonnaie aus der Handtasche zu holen.

Aber Kalinda war schneller und fasste nach ihrer Handtasche, bevor Alicia sie hochheben konnte. „Du bist eingeladen“, befahl sie, wieder in voller Kalinda-Manier. „Mein Gehalt ist wesentlich höher als deines.“

„Das ist nur eine Frage der Zeit“, drohte Alicia lachend. Sie war froh, dass der intime Moment vorüber war und wenigstens Kalinda ihre Kontrolle wiederzuhaben schien. „Für heute nehme ich dankend an.“

Während Kalinda zahlte, sah sich Alicia noch einmal nach ihrem Bruder um, doch Owen und Bruce schienen die Bar verlassen zu haben. „Warum haben wir uns eigentlich kein Taxi genommen?“, fragte Alicia, als sie aus dem Gebäude traten. „Ich werde morgen mit Zachs Auto zur Arbeit fahren müssen.“

Kalinda klopfte ihr mit ihrem gesunden Arm tröstend auf den Rücken. „Nächstes Mal sind wir schlauer“, sagte sie und bestellte per Handy zwei Taxis.

Alicia lehnte sich erleichtert gegen ihren Wagen. Für Kalinda würde es also trotz allem ein nächstes Mal geben. Das war gut zu wissen, denn sie selbst wollte unbedingt ein nächstes Mal.






To be continued....

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Zuletzt geändert von kimlegaspi am 30.06.2012, 17:36, insgesamt 5-mal geändert.

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BeitragVerfasst: 10.06.2012, 19:26 
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ich bin sehr gespannt auf die Fortsetzung

:bigsuper: :danke: :hüpf2: :klatsch:


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BeitragVerfasst: 10.06.2012, 19:28 
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Dito.
Kalinda gefällt mir von Teil zu Teil besser.
Bin sehr gespannt wie die beiden bei ihrer nächsten Begegnung miteinander umgehen.


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 Betreff des Beitrags: Re: Die Quadratur des Kreises
BeitragVerfasst: 10.06.2012, 20:04 
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kimlegaspi hat geschrieben:
„Was willst du denn wissen?“, fragte Kalinda, nicht im Mindesten beeindruckt.
[/i]


ohhhh, da würden mir auch ein paar Fragen einfallen .... :wink: die banalste davon wäre, ob der Kellner tatsächlich seine Telefonnummer auf die Rückseite der Rechnung geschrieben hat? :mrgreen:


LG


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BeitragVerfasst: 11.06.2012, 17:17 
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Zitat:
ich bin sehr gespannt auf die Fortsetzung



Hallo maddy!

Ja, jetzt wird's langsam ein bisschen brenzlig - für beide :pfeif: . Danke fürs Lesen :knuff: !


Zitat:
Dito.
Kalinda gefällt mir von Teil zu Teil besser.
Bin sehr gespannt wie die beiden bei ihrer nächsten Begegnung miteinander umgehen.



Hallo Trinity!

Schön, das freut mich. Kalinda ist einfach große klasse. Die Gute wird's noch schwer haben. Da sind die Schusswunden ein Klacks gegen :shock: .



Zitat:
ohhhh, da würden mir auch ein paar Fragen einfallen .... die banalste davon wäre, ob der Kellner tatsächlich seine Telefonnummer auf die Rückseite der Rechnung geschrieben hat?




Hallo tiefgang!

Ha :mrgreen: ! Auf jeden Fall ist das passiert. Alicia hat's nur nicht mehr mitgekriegt, weil sie gerade nach ihrem Bruder Ausschau gehalten hat. Sie hat übrigens auch nicht mitbekommen, dass Kalinda die Rechnung in den Papierkorb auf den Parkplatz geschmissen hat... Danke fürs Lesen!

:danke:

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BeitragVerfasst: 12.06.2012, 18:07 
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Alicia wachte am nächsten Morgen mit so unangenehmen Kopfschmerzen auf, dass sie sich entschied, Zach sein Auto zu überlassen und mit öffentlichen Verkehrsmitteln in die Kanzlei zu fahren. Glücklicherweise war für diesen Tag weder eine Anhörung noch ein Gerichtsprozess angesetzt, jedenfalls nicht, soweit es Alicia betraf, sodass sie einem langweiligen Schreibtischtag entgegensah. Ihren hämmernden Kopfschmerzen zum Trotz stürzte Alicia sich in die Arbeit. Es tat gut, über eintönigen Gesetzestexten zu brüten und stumpfe Mahnungen zu verfassen, denn die Routine gab ihr das Gefühl, dass in ihrem Leben alles in Ordnung war. Sie konnte und sie wollte nicht mehr über den gestrigen Abend mit Kalinda nachdenken. Sie wollte grauen, wohltuenden Alltag.

Und genau dafür sorgte Alicia. Schon immer hatte sie bei Lockhart & Gardner sehr viel gearbeitet, doch neuerdings verbrachte sie so viel Zeit im Büro, dass das sensible Gleichgewicht ihres Lebens als alleinerziehende, berufstätige Mutter des Öfteren empfindlich gestört wurde. Allerdings waren Zach und Grace selbst so viel unterwegs, dass Alicia auf keinen Fall zu Hause sitzen und vor sich hin grübeln wollte. Deshalb war sie morgens meist eine der ersten in der Kanzlei und abends, gemeinsam mit Diane und Will, eine der letzten. Innerhalb von einer Woche hatte sie alle Vorgänge abgearbeitet, die sich auf ihrem Schreibtisch angesammelt hatten, und klopfte am Freitagnachmittag bei Will an, um zu fragen, ob er nicht einen weiteren Fall für sie hätte. Ihrem Chef war Alicias Arbeitswut nicht entgangen, und er hielt es für angezeigt, sich zu erkundigen, ob mit ihr alles in Ordnung sei. „Du weißt, dass du mich immer ansprechen kannst, wenn irgendetwas los ist, nicht wahr?“, sagte er ernst und lehnte sich in seinem Schreibtischstuhl zurück.

„Es ist alles bestens, Will, wirklich“, versicherte Alicia lächelnd. „Mal abgesehen von Graces Schulleistungen. Ich dachte immer, dass Zach derjenige sein würde, bei dem es mal schwierig wird. Und nun ist es Grace…“

„Es können nicht alle Menschen so gut in der Schule sein wie du es warst, Alicia“, sagte er schmunzelnd.

„Du meinst, ich mache mir zu viel Sorgen?“

„Ist nicht in jeder in ihrem Alter schlecht in der Schule?“ Er rückte seine Krawatte zurecht. „Sieh doch mich an, ich habe es schließlich auch zu etwas gebracht.“

„Das lässt sich nicht leugnen.“ Alicia erhob sich lachend.

„Na bitte.“ Er nahm eine Akte von seinem Schreibtisch und drückte sie ihr in die Hand. „Das sind die Unterlagen für den Lewitzky-Prozess“, erklärte er. „Du kannst sie schon mal durchgehen, bevor ich sie Kalinda gebe.“

Alicia spürte, wie ihr Herz einen Schlag aussetzte. „Wann ist denn ihr erster Arbeitstag?“, erkundigte sie sich, während sie geschäftig in der Lewitzky-Akte blätterte.

„Ihre Krankschreibung läuft heute aus, und sie hat mir vorhin bestätigt, dass sie eine Verlängerung nicht für notwendig hält.“ Er winkte eine Mitarbeiterin herein, die an sein Büro geklopft hatte. „Sie behauptet, sie sei vollständig wiederhergestellt.“

„Du bist froh, wenn du sie wiederhast“, stellte Alicia lächelnd fest.

Er nickte. „Oh ja. Wir sind wohl alle froh, wenn wir sie wiederhaben.“



* * *



In der Tat schien bei Lockhart & Gardner jeder aufzuatmen, als Kalinda Sharma am Montagmorgen aus dem Fahrstuhl stieg und sich zu ihrem Büro aufmachte. Ihre selbstverständliche Art, mit der sie Dinge zu erledigen pflegte, täuschte darüber hinweg, wie viel sie für die Kanzlei tat und wie oft sie für einzelne Mitarbeitern kleinere Aufträge ausführte, ohne dass andere es mitbekamen. Erst durch ihre lange Auszeit hatte sich bemerkbar gemacht, wie sehr sie an allen Enden und Ecken fehlte, und nicht umsonst war Kalindas Schreibtisch am Tag ihrer Rückkehr mit Blumensträußen und Glückwunschkarten überfüllt.

Alicia hatte von ihrem Büro aus gesehen, wie ein Mitarbeiter nach dem anderen in Kalindas Büro getreten war und Blumen oder eine Karte auf deren Schreibtisch gelegt hatte. Sie selbst hatte auch einen Strauß mit Rosen und eine Karte dazugestellt. Der größte Blumenstrauß kam von Will und Diane, ein gestaffeltes Gesteck mit Strelizien und orangen Lilien, das, wie Alicia fand, wunderbar zu Kalindas Persönlichkeit passte. Allerdings war sie sich, nachdem sich der Tisch immer mehr füllte, nicht mehr so sicher, ob Kalinda sich über die wertschätzende Geste ihrer Kollegen freuen würde, oder ob sie es als eindeutiges Zeichen nehmen würde, dass sie schon viel zu lange bei Lockhart & Gardner arbeitete.

Tatsächlich schien Kalinda zu zögern, als sie an diesem Morgen in ihrem Büro ankam, und Alicia fürchtete schon, sie würde auf dem Absatz kehrt machen. Aber dann trat sie doch näher und begann, die Karten zu lesen, und Alicia schaute diskret zurück auf ihren Bildschirm, um sie nicht dabei zu beobachten.

Seit ihrem Abend in der Signature Lounge hatte Alicia nicht mehr mit Kalinda gesprochen, und wenn sie ehrlich war, erleichterte es sie, dass sie sich nun im normalen Arbeitskontext wiedersahen. Will hatte gleich für 9 Uhr ein Meeting angekündigt, weil er über den Lewitzky-Fall sprechen wollte, und im Konferenzraum setzte Alicia sich neben Kalinda (alles andere wäre unnatürlich gewesen) an den Tisch. Kalinda grüßte sie freundlich wie immer, und da wusste Alicia, dass zwischen ihnen alles okay war.

Will informierte alle Anwesenden, dass der Lewitzky-Fall die Kanzlei die nächsten Wochen in Atem halten würde, da er den Beginn der Verhandlung absichtlich mit einigen Tricks in die Länge gezogen hatte, bis Kalinda wieder zurück war und die Ermittlungen aufnehmen konnte. Bernd Lewitzky war der Besitzer eines der größten Telekommunikationsunternehmen in den Vereinigten Staaten, und ihm wurde die Veruntreuung von Geldern vorgeworfen. Obwohl der Vorwurf durchaus der Wahrheit entsprechen konnte, war die Beweislage schwach, und Will hegte den Verdacht, dass die Staatsanwaltschaft lediglich Anklage erhoben hatte, um sich die Möglichkeit zu verschaffen, seinen Mandanten näher unter die Lupe zu nehmen. Seit mehreren Jahren gab es ein unbestätigtes Gerücht, dass Bernd Lewitzky in Waffengeschäfte verwickelt war, und Will wollte, dass Kalinda zunächst ermittelte, wie viel die Staatsanwaltschaft wusste und was ihr eigentliches Ziel war, bevor die Gerichtsverhandlung begann.

Alicia lag weder daran, einen Multimillionär zu verteidigen, der im Verdacht stand, Gelder zu veruntreuen, um sich noch mehr zu bereichern, noch war sie scharf darauf, jemanden zu schützen, der möglicherweise in den Waffenhandel involviert war. Doch wenn sie etwas in den letzten drei Jahren gelernt hatte, dann war es, dass sie ihre eigene Moral oft weit nach hinten zu stellen hatte, wenn Diane und Will sich für die Übernahme eines Falles entschieden hatten. Allerdings würde sie in der nächsten Zeit eng mit Kalinda zusammenarbeiten, und allein das war eine gute Motivation, sich näher in den Fall einzuarbeiten.

Es war erstaunlich, wie schnell Alicia und Kalinda in ihre alte Routine zurückfanden. Beide arbeiteten hochkonzentriert an dem Fall, weil sie wussten, dass es der Kanzlei sehr viel Geld einbringen würden, sofern alles gut lief, auf der anderen Seite jedoch ihr Ruf stark angegriffen würde, wenn der Vorwurf des Waffenhandels sich bewahrheiten sollte. Oft saßen sie bis spät abends in Alicias Büro und grübelten über Namen und Orten, die Kalinda herausgefunden hatte, und manchmal, wenn sie früher Schluss machten, saßen sie noch unten in der Bar des Kanzleigebäudes und ließen gemeinsam den Abend ausklingen.

Fast fühlte es sich an wie früher, wenn nicht etwas Entscheidendes anders gewesen wäre. Zwar benahm Kalinda sich ihr gegenüber wie eh und je, doch wer sich verändert hatte, war Alicia. Ihr fielen zunehmend Dinge auf, die sie bisher für selbstverständlich genommen hatte, und je mehr sie darauf achtete, desto erstaunter war sie darüber, wie sie diese Dinge über Jahre hinweg hatte übersehen können. Zum Beispiel war es schon immer so gewesen, dass Kalinda zu wissen schien, wenn Alicia sie brauchte und sich wie ein ungerufener Flaschengeist vor ihrem Büro materialisierte. Wie auch immer Kalinda das fertigbrachte, es war nun einmal ihre Art oder vielleicht auch manchmal Zufall, und auf jeden Fall war Alicia immer davon ausgegangen, dass es jedem Mitarbeiter mit ihr so ging.

Nun aber stellte sie fest, dass Kalinda keineswegs für jeden Kollegen jederzeit ein offenes Ohr hatte, geschweige denn immer und überall ihre Hilfe anbot, ohne darum gebeten zu werden. Es war ein Privileg, dass allein ihr, Alicia, zukam, und es schien eine stillschweigende Übereinkunft in der Kanzlei zu herrschen, dass dies in Ordnung war, jedenfalls solange Kalinda zuverlässig alle Aufträge ausführte, die sie bekam, und das tat sie wie gehabt in gewohnt perfekter Art und Weise.

Und obwohl Alicia es offiziell nie zugeben würde, musste sie sich eingestehen, dass sie dieses Privileg genoss. Dass jemand, der so begehrt und bewundert war wie Kalinda ausgerechnet ihr den Vorzug gab, war Balsam für ihr angeschlagenes Ego. Alicia versuchte, sich zu revanchieren, wo sie konnte, und irgendwann wurde ihr bewusst, dass auch ein Teil ihrer Aufmerksamkeit permanent für Kalinda reserviert war. Wahrscheinlich war sie die letzte, der das auffiel, denn für die Kollegen war es selbstverständlich, Kalinda zu fragen, wenn Alicia nicht an ihrem Platz war, und sich bei Alicia zu erkundigen, wenn Kalinda nicht vor Ort war.

Doch das allein war es nicht, was sich so viel anders anfühlte als früher. Viel einschneidender war, dass Alicia verstanden hatte, was Kalinda ihr in der Nacht in der Signature Lounge gesagt hatte, oder vielmehr, was sie ihr nicht gesagt hatte. Und Alicia hatte auch keineswegs vergessen, wie sie selbst darauf reagiert hatte. Dieses Wissen machte eine Verbundenheit auf einer Ebene, über die sie nie sprachen und die sie auch nie berührten. Die stille Übereinkunft, dass die Dinge waren, wie sie waren und nie anders sein würden, machte es möglich, dass sie wieder einen guten Weg der Zusammenarbeit fanden, bzw. nicht nur einen guten, sondern einen außerordentlich effektiven. Und schon bald waren Alicia und Kalinda wieder Dianes und Wills favorisiertes Team.

Bis zu dem Abend, an dem Alicia Florricks Welt komplett aus den Fugen geriet.





To be continued...



(P.S.: Vorschau auf den nächsten Teil: Kalinda zeigt Alicia, wo's lang geht:)

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Zuletzt geändert von kimlegaspi am 14.06.2012, 18:25, insgesamt 4-mal geändert.

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BeitragVerfasst: 12.06.2012, 20:30 
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kimlegaspi hat geschrieben:
(P.S.: Vorschau auf den nächsten Teil: Kalinda zeigt Alicia, wo's lang geht:)

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boaahhhh, ist das spannend. Tröstlich, dass Kalinda anscheinend den richtigen Weg weiß um Alicias komplett aus den Fugen geratene Welt wieder zusammenzufügen.
Wunderschön wie du dieses Traumpärchen beschreibst. :liebe2:


LG


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BeitragVerfasst: 12.06.2012, 21:48 
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grandios..obwohl die Beiden ja so rein optisch und auch vom Charakter her gar net so zueinander passen, bin ich sehr sehr gespannt, wie es zwischen Alicia und Kalinda weiter geht..Wobei ich ja in der Serie immer eine gewisse Spannung zwischen den Beiden vermutet habe..Dis war aber unterschwellig, glaub ich..;)

:bigsuper: :danke: :hüpf2: :knuff:


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... Bis zu dem Abend, an dem Alicia Florricks Welt komplett aus den Fugen geriet.

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BeitragVerfasst: 13.06.2012, 18:56 
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Zitat:
grandios..obwohl die Beiden ja so rein optisch und auch vom Charakter her gar net so zueinander passen, bin ich sehr sehr gespannt, wie es zwischen Alicia und Kalinda weiter geht..Wobei ich ja in der Serie immer eine gewisse Spannung zwischen den Beiden vermutet habe..Dis war aber unterschwellig, glaub ich..;)



Hi maddy! :huhu:


Ich persönlich finde, dass Alicia und Kalinda charakterlich sehr gut zueinander passen. Auf den ersten Blick allerdings überhaupt nicht, und vielleicht sogar auf den zweiten auch nicht, aber auf den dritten haben sie etwas, wo sie sich tatsächlich sehr ähnlich sind und eigentlich perfekt füreinander sind (finde ich jedenfalls, aber das sollte ja niemanden hier überraschen :mrgreen: ).

:danke:

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BeitragVerfasst: 13.06.2012, 19:00 
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Zitat:
Tröstlich, dass Kalinda anscheinend den richtigen Weg weiß um Alicias komplett aus den
Fugen geratene Welt wieder zusammenzufügen.



Hi tiefgang!

Kalinda weiß ja oft, wo's langgeht (auch wenn niemand mehr durchblickt), aber ob sie auch auf diesem Gebiet Alicia etwas voraus hat, werden wir sehen :pfeif: ....

:danke:

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BeitragVerfasst: 14.06.2012, 07:07 
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Kapitel 3



Alicia hatte Betriebsfeiern noch nie besonders gemocht, denn sie sah wenig Sinn darin, mit Leuten Zeit zu verbringen, die sowieso den ganzen Tag um sie herum waren. Trotzdem begrüßte sie Dianes und Wills Anliegen, etwas für das Klima in der Kanzlei zu tun und die Möglichkeit für Gespräche zu schaffen, die sonst aus Zeitgründen selten zustande kamen. Doch ob sie die halbjährlichen Feiern der Kanzlei nun mochte oder nicht, spielte letztlich keine Rolle. Es wurde erwartet, dass sie kam.

Die Betriebsfeiern fanden gewöhnlich in einem exquisiten Lokal mit Tanzfläche statt, das von Lockhart & Gardner komplett gemietet wurde, und dieser Tradition blieben sie auch an diesem Abend treu. Das Restaurant, das diesmal ausgesucht worden war, wartete mit einem üppigen, äußerst delikaten Buffet auf, das auf sehr gute Resonanz stieß. Ab 21 Uhr lockte dann eine von Will organisierte Live-Band die Gäste auf die Tanzfläche und leitete damit den formloseren Part der Veranstaltung ein.

Alicia hatte sich nach dem Essen mit Kalinda an den Tresen der Bar gesetzt und diskutierte mit ihr über die Zeugenvernehmung von Bernd Lewitzky, die am Vormittag stattgefunden hatte. „Es war deutlich, dass er versucht hat, etwas zu vertuschen, als der Richter ihn auf seine Häuser in Ft. Lauderdale ansprach“, sagte sie nachdenklich. „Hältst du es für möglich, dass er Kontakte zu Lemond Bishop hat?“

Kalinda stellte ihre Bierflasche zurück auf den Tresen. „Ich war heute Nachmittag auf Bishops Farm, um das zu überprüfen“, sagte sie.

„Du warst auf Bishops Farm?“ Alicias Augen weiteten sich vor Schreck. „Bist du des Wahnsinns? Wenn der mal wieder Lust hat, jemanden umbringen zu lassen, stehst du auf Platz Eins seiner Liste!“

Kalinda zuckte mit den Schultern. „Ich habe ihm etwas gebracht, was er haben wollte. Insofern war es sicher.“

„Beim größten Drogendealer Chicagos ist niemand sicher.“ Alicia hatte Mühe, ihren Ärger herunterzuschlucken. Wie konnte Kalinda sich in eine derart gefährliche Situation begeben? „Nicht einmal seine eigene Ehefrau, wie du weißt.“

Kalinda legte ihre Hand auf Alicias Arm. „Ich weiß, was ich tue, Alicia. Ich hatte eine Information, von der ich wusste, dass er dafür dankbar sein würde. Und ohne, dass er es wusste, konnte ich an seiner Reaktion sehen, ob er Verbindungen zu Lewitzky hat.“

„Und? Hat er?“ Alicia nahm sich vor, morgen mit Will zu sprechen. Noch einmal würde sie Kalinda nicht allein zu Lemond Bishop fahren lassen, so viel stand fest.

„Ja.“

"Was?" Alicia hob abrupt den Kopf. „Und jetzt?“

„Jetzt wird’s brenzlig.“

„Das darf doch nicht wahr sein“, stöhnte Alicia. „Veruntreuung von Geldern, Drogenhandel, Waffenhandel, der Mann ist ein wandelnder Gesetzesbruch. Wie soll ich den verteidigen?“

„Indem du eng an der Anklage bleibst.“ Kalinda nippte an ihrem Bier. „Weißt du, ob Peter mit dem Richter Kontakt aufgenommen hat?“

„Ich glaube nicht. Der Richter ist neu, und Peter ist wirklich bemüht, keine krummen Sachen mehr zu machen…“ Alicia verstummte, als Cary zu ihnen an die Bar trat. „Hey Cary“, begrüßte sie ihn und schmunzelte, als sie die Schweißperlen auf seiner Stirn sah. „Wills Band heizt ganz schön ein, wie ich sehe.“

Er grinste und wischte sich mit einem Taschentuch den Schweiß von der Stirn. „Ihr glaubt wohl, ihr könnt euch drücken, was? Aber daraus wird nichts.“ Mit einer eleganten Bewegung hielt er Kalinda seine Hand entgegen. „Darf ich um diesen Tanz bitten, Miss Sharma?“

Kalinda legte ihre linke Hand in seine und zog mit der rechten an seiner Krawatte, bis ihre Gesichter auf Augenhöhe waren. „Das ist eine Rumba, Mr. Agos. Bist du sicher, dass dir das nicht eine Nummer zu groß ist?“

„Die Rumba ist Mr. Agos‘ Spezialität“, antwortete er mit lateinamerikanischem Akzent und nahm seine Krawatte wieder in Besitz.

„Aha.“ Kalinda rutschte elegant von ihrem Barhocker und ließ sich von Cary auf die Tanzfläche führen.

Alicia beobachtete, wie er den Arm um Kalinda legte und ihr dabei etwas zuflüsterte. Sie hob verwundert die Augenbrauen und warf ihm einen entrüsteten Blick zu. Es gab keinen Zweifel, dass aus dem kleinen Cary, der Kalinda früher wie ein Hündchen hinterher gelaufen war, ein erwachsener, selbstbewusster Mann geworden war. Damals, als er bei Lockhart & Gardner angefangen hatte, war er Kalinda fast lästig gewesen, doch inzwischen war viel geschehen, und die beiden hatten sich so oft gegenseitig unterstützt (und auch ausgetrickst), dass Kalinda ihn längst respektierte und auch sehr zu mögen schien.

Alicia stützte sich mit ihrem Ellenbogen auf dem Tresen ab, nippte ab und zu an ihrem Bier, und beobachtete das Treiben auf der Tanzfläche. Sie hatte Kalinda noch nie tanzen sehen und sie war fasziniert von der Schönheit ihrer Bewegungen. Geschmeidig, mit der Anmut einer Katze, bewegte sie sich über die Tanzfläche, und Cary führte sie mit viel Geschick durch enge Pässe hindurch. Sie gaben ein schönes Paar ab, Cary und Kalinda, und hatten offensichtlich keinerlei Mühe, sich musikalisch aufeinander einzustellen. Cary beugte sich immer wieder zu Kalindas Ohr und flüsterte etwas, und an Kalindas Reaktion konnte Alicia sehen, dass die beiden zweifellos flirteten.

„Hi Alicia.“ Diane nahm auf dem Barhocker Platz, auf dem Kalinda gesessen hatte. „Was denkst du zu Lewitzkys Aussage?“, fragte sie und bestellte sich einen Gin Tonic.

Alicia lächelte. „Um ehrlich zu sein, kommt mir der Prozess vor wie ein einziges Minenfeld.“

„Hat Kalinda noch etwas herausbekommen?“

„Sie hat heute mit Lemond Bishop gesprochen.“

Diane seufzte. „Na, das wird ja immer schöner. Ich habe Will gleich gesagt, wir sollten die Finger von dem Fall lassen, aber er wollte Lewitzky unbedingt haben.“ Sie nahm einen Schluck von ihrem Gin Tonic. „Gleich am Montag früh setzen wir uns nochmal zu viert zusammen und besprechen, wie wir weiter verfahren.“

„Okay“, nickte Alicia und trank geistesabwesend ihr Bier.

Diane folgte ihrem Blick auf die Tanzfläche. „Sie ist wieder die Alte“, lächelte Diane. „Das tut gut zu sehen.“

Alicia war sich nicht sicher, ob sie Diane zustimmen sollte. Kalinda tanzte inzwischen allein, aber selbst einem Blinden konnte nicht entgehen, dass die Familienanwältin Lea Aspin permanent in ihrer Nähe tanzte. Die beiden hatten an mehreren Fällen zusammen gearbeitet, und Alicia hatte schon manches Mal den Eindruck gehabt, dass zwischen den beiden etwas lief. Kalinda tanzte in die Musik versunken und schien ihre Umgebung zu ignorieren, aber Alicia wusste, dass sie Lea längst wahrgenommen hatte. Das gehörte zum Spiel. Tatsächlich sprach Lea sie nun an, und Kalinda ließ es zu, dass sie ihre Hand auf ihre Schulter legte, um ihr etwas zu erzählen.

„Komm Alicia, wir sollten hier nicht herumsitzen wie zwei alte Damen im Central Park.“ Diane trank ihren Gin Tonic aus und stieg von ihrem Barhocker. „Noch geht der Band nicht die Puste aus.“

Während Alicia noch zögerte, stand plötzlich Will vor ihr, um sie aufzufordern. Seinem Chef gab man keinen Korb und einem Freund schon gar nicht, und so ließ Alicia sich von ihm bereitwillig auf die Tanzfläche führen. Zur Zeit ihrer Affäre hatten sie des Öfteren getanzt, einfach so, und Alicia überkam sofort ein vertrautes Gefühl, als sie in Wills Armen über das Packet fegte. Will war ein hervorragender Tänzer, und es tat gut, in Bewegung zu kommen und die Anspannung von sich abzuschütteln. Leichter wurde Alicia allerdings nicht dadurch. Sie war beunruhigt und erschrocken über ihre Resonanz auf Kalindas Verhalten. Warum war sie auf einmal eifersüchtig? So war Kalinda nun einmal, und bisher hatte sie das noch nie gestört. Sie wusste doch, dass Kalinda flirtete, und auch, dass es ihr nichts bedeutete. Seit wann hegte sie Besitzansprüche?

So sehr Alicia auch mit ihrem Verstand dagegen ankämpfte, das dumpfe Gefühl in ihrer Magengrube wollte nicht verschwinden. Was wollten all diese Menschen von Kalinda? Die hatten doch gar keine Ahnung. Die wussten doch gar nicht, wer Kalinda war. Bildete sich irgendjemand hier ein, dass er ihr etwas bedeutete? Hatte einer von ihnen ihr das Leben gerettet? Nein, sie hatte ihr das Leben gerettet. Sie war es, die Kalinda etwas bedeutete. Warum also war sie die einzige Person, mit der Kalinda nicht flirtete?

Alicia beobachtete, wie Lea und Kalinda von der Tanzfläche gingen und gemeinsam den Raum verließen. Ihr wurde körperlich übel bei der Vorstellung, was als nächstes passieren würde, und sie bat Will nach dem nächsten Stück um eine Pause. „Ist dir nicht gut?“, fragte er besorgt. „Du siehst ganz bleich aus, Alicia.“

„Es geht schon“, wehrte sie ab. „Wahrscheinlich ist es nur der Alkohol.“

„Kann ich etwas für dich tun?“, fragte er, als er sie von der Tanzfläche begleitete. „Vielleicht solltest du dich eine Weile an die Luft begeben.“

Alicia nickte und lehnte sich an die Theke.

„Soll ich dich begleiten?“

„Nein, danke, es geht gleich wieder besser.“ Alicia wusste, dass sie Sauerstoff brauchte, aber sie hatte Sorge, draußen auf Kalinda und Lea zu treffen. Während sie sich zum Ausgang des Saales aufmachte, ging sie innerlich die alkoholischen Getränke durch, die sie zu sich genommen hatte. Zwei Gläser Weißwein zum Essen und später zwei Flaschen Bier. Am Alkohol konnte es also nicht liegen, dass ihr so seltsam zumute war.

Der kürzeste Weg nach draußen war die Tür zum Hinterhof, und Alicia atmete tief durch, als sie sich an die Rückwand des Restaurants lehnte. Die kühle Nachtluft tat ihr gut, und sie schloss für einen Moment die Augen, als der Wind sanft um ihre erhitzten Schläfen fuhr. Vielleicht war heute einfach nicht ihr Tag. Vielleicht sollte sie einfach nach Hause gehen, eine kalte Dusche nehmen und sich in ihr weiches Bett fallen lassen.

Alicia hob den Kopf, als sie neben sich Schritte vernahm. Sie kannte das Geräusch der Stiefel nur zu gut und drehte sich zu Kalinda um. „Wo ist Lea?“, fragte sie rau.

„Sie ist auf der Toilette, um sich frisch zu machen.“ Kalinda trat näher an Alicia heran. „Bist du in Ordnung, Alicia?“

„Habt ihr…?“ Alicia vollendete den Satz nicht, weil sie merkte, wie albern er war.

Kalinda blieb vor ihr stehen und forschte in ihrem Gesicht, um zu verstehen, was mit ihr los war. Das Raumlicht von drinnen warf nur einen schwachen Schein auf ihre Gestalt, aber Alicia konnte sehen, dass Kalinda beunruhigt war. „Haben wir was…?“, fragte sie zurück.

Alicia wusste nicht, ob es Ärger, Neugierde oder Hilflosigkeit war, was sie dazu verleitete, alle inneren Warnsignale in den Wind zu schlagen und sich zu Kalinda hinab zu beugen und sie zu küssen. Erst als sie den Kontakt mit Kalindas weichen Lippen spürte, merkte sie, was sie tat und wich erschrocken zurück. „Es tut mir leid“, stotterte sie und sah Kalinda entgeistert an.

Kalinda sagte nichts. Sie stieß sich nur mit dem Rücken von der Wand ab und ging an Alicia vorbei zum Hintereingang. „Es geht nicht, mir ist etwas dazwischen gekommen“, hörte Alicia sie sagen, als Kalinda im Eingang Lea begegnete. Dann waren die beiden im Gebäude verschwunden.

Alicia ließ sich gegen die Wand fallen, an der Kalinda eben gelehnt hatte. Was um Himmels Willen war über sie gekommen? Gerade hatte sich ihre Freundschaft wieder eingerenkt, und nun machte sie alles kaputt. War sie noch bei Trost? Sie hatte noch nie einen Menschen so überfahren, und eine Frau schon gar nicht. Was wäre passiert, wenn Kalinda sie zurückgeküsst hätte? Wie weit wäre sie gegangen? Was wollte sie denn von Kalinda? Ihre Finger tasteten über die brennende Stelle, wo eben noch Kalindas Lippen gewesen waren, und sie kniff die Augen zusammen, als sie merkte, dass ihr ganzer Körper glühte. Alicia befahl sich selbst, sich zusammenzureißen. Sie würde mit Kalinda reden müssen. So bald wie möglich. Und dann würden sie sehen, ob das, was sie heute angerichtet hatte, jemals wieder zu kitten sein würde.






To be continued....

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Zuletzt geändert von kimlegaspi am 30.06.2012, 17:37, insgesamt 9-mal geändert.

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