So, der Besuch ist weg und jetzt geht's weiter im Text . Eigentlich wollte ich den nächsten Teil gleich auch noch mit posten, aber dieser Abschnitt ist schon lang genug, so dass ich es gelassen habe. Also, Fortetzung folgt bestimmt...Kapitel 4Da Alicia ihr Fahrzeug in der Nähe von Forrest Creek zurückgelassen hatte, beschloss sie, ihre Werkstatt anzurufen, um zu veranlassen, dass ihr Wagen von dort abgeschleppt würde. Nachdem sie geregelt hatte, dass sie ihn nach Dienstschluss bei ihrer Werkstatt abholen konnte, verließ Alicia ihre Wohnung und fuhr mit der U-Bahn zurück zu Lockhart & Gardner. Es war laut und stickig in den Wagons, und Alicia ertappte sich dabei, wie sie so ziemlich jeden Passanten verdächtigte, ein Verbündeter von Kalindas Ehemann zu sein. Dieser würde bestimmt nicht tatenlos zusehen, wie seine Frau auf seine Leute schoss, und wahrscheinlich traf er längst Vorbereitungen, um ein weiteres Mal zuzuschlagen. Alicia hielt es für dringend notwendig, mit Kalinda über ihr weiteres Vorgehen zu sprechen, doch diese hatte bisher noch nicht auf ihre Anrufe reagiert. Vermutlich hatte sie sich Kalindas fehlende Reaktion selbst zuzuschreiben, aber Alicia hoffte wider besseren Wissens, dass Kalindas Schweigen mit dem 14 Uhr-Termin zusammenhing, zu dem Alicia sie nun doch nicht hatte begleiten können.
Bei Lockhart & Gardner war sie kaum aus dem Fahrstuhl gestiegen, da winkte Will ihr von seinem Büro aus zu. Er hatte Besuch von zwei unbekannten Männern, und Alicia fürchtete, dass es erneut um die Lewitzky-Sache ging. Widerstrebend legte sie ihren Mantel ab und begab sich über den Flur zu ihrem Chef.
„Alicia, gut dass du kommst“, begrüßte Will sie, als sie in sein Büro betrat. „Dies sind Mr. Smith und Mister Cox von der Kriminalpolizei. Sie würden sich gern mit dir unterhalten.“
„Guten Tag, meine Herren. Was kann ich für Sie tun?“ Alicia reichte den Männern höflich die Hand, während sie innerlich damit beschäftigt war, sich aus der Situation einen Reim zu machen. Dieser Besuch konnte unmöglich etwas mit Lewitzky zu tun haben. Hatte Kalinda etwa die Polizei eingeschaltet? Das machte überhaupt keinen Sinn. Aber wenn sie es nicht gewesen war, wer dann?
„Es geht um Miss Sharma“, erläuterte der Mann, der sich als Mr. Cox vorgestellt hatte. „Wir haben zu dem Fall noch ein paar Fragen an Sie.“
„Gern.“ Alicia nickte Will zu und führte die beiden Polizisten in ihr Büro. „Wie kann ich Ihnen helfen?“, fragte sie und bot ihnen zwei Stühle an.
„Wir haben inzwischen die beiden Toten identifiziert“, erklärte Mr. Smith. „Der eine ist Harry Smooth, ein gebürtiger Kanadier, der andere ist Donald Oyster aus Chicago.“ Er zückte sein Notizbuch. „Kommt Ihnen einer der Namen bekannt vor?“
Die beiden Männer hatten nicht überlebt? Alicia versuchte, sich ihren Schock nicht anmerken zu lassen. Wurde Kalinda womöglich wegen Mordes gesucht? „Ich habe von beiden Männern noch nie gehört“, antwortete sie betont ruhig. „Gibt es bereits Erkenntnisse, wie die beiden zu Tode gekommen sind?“
„Nach der bisherigen Beweislage gehen wir davon aus, dass die Männer sich gegenseitig erschossen haben“, erklärte Mr. Smith. „Harry Smooth war vermutlich derjenige, der die Schüsse auf Ihre Kollegin Miss Sharma abgegeben hat, denn die beiden Kugeln stammten aus seiner Waffe.“
Alicia schwieg irritiert. Schüsse auf Miss Sharma? „Und inwiefern glauben Sie, dass ich Ihnen diesbezüglich weiterhelfen kann?“, fragte sie vorsichtig.
Mr. Cox räusperte sich. „Mrs. Florrick, ist Ihnen ein Motiv bekannt, das zu der Entführung ihrer Kollegin geführt haben könnte?“
Jetzt begriff Alicia. Die Männer waren gar nicht wegen des Vorfalls auf der Farm hier sondern wegen des Schusswechsels in der Lagerhalle. „Mr. Cox“, sagte sie und trat einen Schritt auf den Polizisten zu. „Ihnen ist sicher bekannt, dass Miss Sharma in dieser Kanzlei als Ermittlerin angestellt ist. Bei dieser Tätigkeit bleiben Feinde nicht aus.“
„Ja, das ist mir klar“, nickte er. „Ist Ihnen da jemand Spezielles in Erinnerung?“
Alicia lächelte. „Lockhart & Gardner ist eine Kanzlei mit mehreren hundert Mitarbeitern. Es entzieht sich meiner Kenntnis, für wen Miss Sharma jeweils Aufträge erledigt.“
„Aber Sie haben Miss Sharma kürzlich anwaltlich vertreten in einer steuerlichen Angelegenheit, richtig?“, warf Mr. Smith ein.
„Ja, das ist richtig“, antworte Alicia in sachlichem Tonfall. „Und ehe Sie weiterfragen, Gentlemen, darf ich Sie daran erinnern, dass ich in dieser Angelegenheit der Schweigepflicht unterliege.“
Mr. Smith tauschte einen Blick mit seinem Kollegen aus. „Wir haben Grund zu der Annahme, dass Miss Sharma uns gegenüber Informationen zurückhält“, sagte er. „Haben Sie vielleicht eine Idee, was sie gesagt oder getan haben könnte, das Harry Smooth und Donald Oyster dazu verleitete, sich gegenseitig zu erschießen?“
„Bei allem Respekt, meine Herren.“ Alicia ging an ihren Schreibtisch und schlug eine Akte auf, um den Polizisten deutlich zu machen, dass sie Wichtigeres zu tun hatte, als sich mit ihnen zu unterhalten. „Wenn Sie an einen Container gefesselt auf ihren Tod warten, würden Sie da nicht auch alle möglichen Dinge anstellen, um sich aus dieser Lage zu befreien? Wer weiß, vielleicht hat Miss Sharma ihre Entführer einfach provoziert? So etwas kann sie gut.“
„Sie denken nicht, dass Miss Sharma über Informationen verfügte, die sie gezielt eingesetzt hat?“
„Kann sein, kann auch nicht sein.“ Alicia zuckte mit den Schultern. „Ich kann Ihnen in dieser Angelegenheit leider nicht weiterhelfen. Es ist wohl wirklich besser, wenn Sie Miss Sharma selbst fragen.“
„Okay.“ Mr. Smith machte sich eine Notiz. „Eine letzte Frage noch, Mrs. Florrick.“ Er fuhr sich durch sein schütteres Haar. „Fällt Ihnen ein Grund dafür ein, warum Miss Sharma ein Interesse daran haben könnte, dass die Ermittlungen eingestellt werden?“
Alicia überlegte eine Weile. „Ja“, sagte sie dann. „Sie werden selbst wissen, dass ein Ermittler seine Informationen von zahlreichen Quellen bezieht. Dazu gehören zum Beispiel auch Polizisten.“ Sie lächelte. „Wenn man in diesem Beruf nicht loyal bleibt, ist man schnell weg vom Fenster. Falls irgendeine ihrer Quellen indirekt oder auch direkt mit der Entführung zu tun haben sollte, wird sie diese unter Umständen decken. Diese Sachlagen sind Ihnen ja nicht unbekannt…“
Die Augen von Mr. Smith verengten sich zu kleinen Schlitzen. „Wollen Sie damit sagen, dass Polizisten in die Entführung involviert sind?“
„Ich will gar nichts sagen…“ Alicia unterbrach sich, als ihr Handy eine eingegangene SMS meldete. „Entschuldigen Sie bitte einen Moment.“ Sie drückte hastig auf die Nachricht, als sie sah, wer der Absender war.
Bin für ein paar Tage nicht erreichbar. Achte darauf, dass du nie allein bist, weder zu Hause noch auf der Straße, bis ich mich wieder melde. Kalinda.„Schlechte Nachrichten?“, erkundigte sich Mr. Cox.
„Nichts Wichtiges.“ Alicia steckte ihr Handy wieder ein und erhob sich. „Es tut mir leid, dass ich Ihnen so wenig sagen kann. Wenn mir noch irgendetwas einfällt, werde ich mich bei Ihnen melden.“
Alicia wollte die Tür für die Polizisten öffnen, doch Mr. Cox stellte sich ihr in den Weg. „Mr. Gardner sagte uns, dass Sie soeben mit Miss Sharma einen Außentermin wahrgenommen haben?“
„Ja, das ist richtig.“
„Und wo ist Miss Sharma jetzt?“
„Hören Sie, ich bin nicht Miss Sharmas Terminkalender.“ Alicia wurde langsam ungeduldig. „Wenn Sie etwas von ihr wissen wollen, dann bestellen Sie sie in Ihre Dienststelle. Dort ist sie sowieso des Öfteren, schließlich arbeitet sie fast täglich mit Ihren Kollegen zusammen.“
Alicia atmete tief durch, als die Polizisten sich von ihr verabschiedeten. Sie überlegte, ob sie Kalinda eine warnende SMS schicken sollte, aber sie war sich nicht sicher, ob diese ihre Nachricht erhalten würde. Sicher trug sie ihr Handy nicht mehr bei sich, um zu verhindern darüber geortet zu werden.
„Was ist denn mit deiner Hand los?“, fragte Will, als er an ihre Bürotür klopfte. „Bist du gestürzt?“
„Ja, so kann man das sagen.“ Alicia bat ihn herein.
Er nahm sich einen Stuhl und setzte sich neben ihren Schreibtisch. „Gibt es etwas, was ich wissen müsste?“, fragte er ernst.
„In welcher Angelegenheit?“
„Kalinda hat mich vorhin angerufen und auf unbestimmte Zeit unbezahlten Urlaub eingereicht.“ Er warf einen Blick auf Alicias Bildschirmschoner, der in kurzen Abständen Fotos von ihren Kindern einblendete. „Erst die Entführung, dann die erneute Kündigung, nun der spontane Urlaub. Meinst du nicht, dass sie uns langsam eine Erklärung schuldig ist?“
„Das kann ich nicht beurteilen, Will.“
„Weißt du denn, worum es geht?“
„Ich glaube, du wendest dich an die Falsche“, entgegnete sie lächelnd und klickte auf ihre Maus, um den Bildschirmschoner zu stoppen.
Er nickte und sah auf seine Schuhe. „Wir möchten Kalinda ungern verlieren“, sagte er bedächtig. „Aber wir brauchen eine Ermittlerin, auf die wir uns jederzeit verlassen können. Das war bisher immer hundertprozentig der Fall, aber in letzter Zeit…“
„Ich glaube, die Kanzlei hat nichts zu befürchten“, sagte Alicia schnell. „Kalinda hasst halbe Sachen genauso sehr wie du. Entweder sie wird gehen, und dann wird sie für immer gehen, oder sie bekommt geklärt, was immer sie klären muss, und dann wird sie Lockhart & Gardner wieder voll und ganz zur Verfügung stehen.“
„Danke Alicia.“ Er erhob sich und legte kurz seine Hand auf ihre Schulter. „Das war es, was ich wissen wollte. Und wenn wir irgendetwas für Kalinda tun können, soll sie Bescheid sagen, okay?“
Alicia nickte erleichtert. Obwohl Will offenbar davon ausging, dass Alicia wusste, wo Kalinda sich aufhielt, erwartete er keine näheren Auskünfte über die Umstände. Er war selbst sehr verschwiegen, was persönliche Schwierigkeiten anging, und da hielt er es wohl für wenig fair, von anderen zu verlangen, dass sie mit offenen Karten spielten.
Sobald Will den Raum verlassen hatte, holte Alicia ihr Handy aus der Tasche und schickte Kalinda eine SMS. Wahrscheinlich würde sie erst in einigen Tagen in der Lage sein, diese zu lesen, aber Alicia hielt es trotzdem für wichtig, dass Kalinda über den Besuch der Polizei informiert war.
P.S. Sie scheinen nicht zu wissen, für wen Smooth und Oyster gearbeitet haben, fügte sie am Schluss hinzu und schickte die Nachricht ab. Kalinda würde sich bestimmt melden, sobald sie in der Lage dazu war, und dann würden sie einiges zu besprechen haben.
* * *
Zwei Wochen später hatte Alicia noch immer keine Antwort von Kalinda erhalten, und sie ging davon aus, dass Kalinda sich längst nicht mehr in Chicago aufhielt. Doch ob sie lediglich die Stadt verlassen hatte, oder nach Kanada oder gar Indien gereist war, ließ sich schwer sagen. Mit jedem Tag, den Kalinda sich nicht meldete, machte Alicia sich größere Sorgen. Sie wusste zwar nicht, was Kalinda sich vorgenommen hatte, aber ihr war klar, dass es mit einem hohen Risiko verbunden sein musste, zumal sie Alicia aufgefordert hatte, nicht ohne Begleitung aus dem Haus zu gehen.
Alicia hasste es, wenn Dinge ungeklärt waren, und zurzeit waren ihr deutlich zu viele Unbekannte im Spiel. Wo auch immer Kalinda sich aufhielt, Alicia wollte nicht tatenlos zusehen, wie sie von einem Ort zum nächsten flüchtete, und deswegen sprach sie Peter direkt an, als sie ihn am Wochenende mit den Kindern besuchte. „Erinnerst du dich, dass du mir mal erzählt hast, wie du früher Dinge getan hast, die im Graubereich zwischen legal und illegal gelegen haben?“, fragte sie ihn nach dem Abendessen, als die Kinder sich zum Wii-Spielen zurückgezogen hatten.
Peter hörte auf, die Teller zusammen zu räumen und richtete sich auf. „Du weißt, dass ich mich bemühe, diese Graubereiche zu meiden, nicht wahr?“
Oh ja, Alicia konnte ihm ansehen, wie sehr er sich von ihr wünschte, dass sie ihm das glaubte. Aber was sollte sie dazu sagen? Natürlich nahm sie sein Bemühen wahr, doch sie ging nicht davon aus, dass er seine neue Strategie lange durchhalten würde. Schon stießen seine Versuche, sich gerade und ohne Tricks im Job zu halten, an ihre Grenzen, und wenn er wirklich der Governor von Illinois werden wollte, war ein Rückfall in gewohnte Bahnen zweifellos vorhersehbar. „Als du Leela Tahiri zu einer neuen Identität verholfen hast, war das auch einer dieser Graubereiche?“, fragte sie, während sie die leeren Nachtischschüsseln in die Küche brachte.
Er folgte ihr in die Küche. „Wieso interessiert dich das?“
Alicia merkte, wie unangenehm ihm das Thema war, aber darauf konnte sie keine Rücksicht nehmen. „War es das oder nicht?“, wiederholte sie ihre Frage.
Peter stellte sich zu ihr an die Spülmaschine und räumte die Teller ein. „Alicia, ich verstehe, dass du immer noch verletzt bist, aber findest du nicht, dass wir endlich nach vorn schauen sollten?“
„Darum geht es mir gar nicht, Peter“, erwiderte sie ruhig. „Ich frage weder unseretwegen noch meinetwegen, sondern weil Kalinda vor einiger Zeit entführt wurde und die Polizei deswegen ermittelt.“ Sie schloss die Spülmaschine und begleitete Peter zurück ins Esszimmer. „Die Entführung ist glimpflich ausgegangen, doch die Ermittlungen dauern noch an.“
„Steckt ihr Ehemann dahinter?“, fragte Peter und setzte sich wieder an den Tisch.
„Ja, es scheint so“, bestätigte Alicia. Sie war erstaunt, dass Kalinda ihm den wahren Grund für ihren Identitätswechsel mitgeteilt hatte. „Die Polizei hat bisher noch keine Verbindung zu Leela gezogen, aber wenn sie weiter ermittelt, könnte das unter Umständen unangenehm für dich werden.“
„Ich verstehe.“ Peter war sichtlich beunruhigt. Er stützte seine Ellenbogen auf den Tisch und sah nachdenklich auf seine gefalteten Hände. „Weiß Eli davon?“
„Nein, ich wollte zunächst mit dir sprechen.“
„Das ist gut“, nickte er. „Eli betont mir ein wenig zu oft, dass er noch nicht sicher ist, ob er wirklich mein Kampagnen-Manager bleiben wird.“
„Niemand bei Lockhart & Gardner weiß davon“, versicherte Alicia. „Mit Ausnahme von Cary Agos.“
„Cary?“ Peter hob den Kopf. „Wieso ausgerechnet Cary?“
„Das ist eine lange Geschichte, die jetzt keine Rolle spielt“, erklärte Alicia. „Die Frage ist vielmehr, was jetzt zu tun ist.“
„Der Identitätswechsel selbst war legal“, betonte Peter. „Aber ich habe ein paar Leuten in entscheidenden Positionen auf die Sprünge geholfen, damit die Sache schnell über die Bühne gehen konnte. Und das hieß in dem Fall...“ Er zögerte. "... dass ich Wissen ausgenutzt habe."
„Und außerdem wird es nicht gut aussehen, wenn herauskommt, dass Kalinda anschließend für dich gearbeitet hat“, ergänzte Alicia. Sie schluckte den Zusatz herunter, was Kalinda sonst noch für ihn getan hatte, denn sie wollte sich nie wieder auf diese Ebene begeben. Peter hatte verstanden, was sie meinte, und das war die Hauptsache.
Peter tippte nervös mit dem Finger auf die Tischdecke, während er überlegte. „Ich wundere mich, dass der Vorgang noch nicht auf meinem Schreibtisch gelandet ist“, sagte er. „Dann könnte ich beurteilen, ob eine Einstellung des Verfahrens begründbar wäre.“
„Das würde Kalinda nicht viel nützen“, wandte Alicia ein.
Er hielt inne. „Um wessen Kopf geht’s hier denn?“, fragte er, und Alicia merkte, dass sie ihn verletzt hatte.
„Nicht nur um dich, Peter.“ Sie beugte sich näher zu ihm. „Wenn du etwas unternimmst, um deinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen, dann ziehe wenigstens ihren gleich mit heraus.“
„Ich verstehe dich nicht, Alicia“, sagte er ärgerlich. „Kalinda muss doch daran gelegen sein, dass das Verfahren eingestellt wird.“
Alicia entschied sich für einen Strategiewechsel und setzte sich zu ihm an den Tisch. „Peter, du hast Kalinda einst sehr geholfen“, sagte sie und schenkte ihm und sich ein Glas Wein ein. „Aber nun hat ihr Ehemann sie doch gefunden. Und leider bin ich daran nicht unschuldig.“
„Inwiefern?“, fragte er überrascht.
„Die Details unterliegen der Vertraulichkeit“, antwortete sie. „Aber ich kann dir so viel sagen, dass ich ihrem Ehemann unwissentlich eine Spur zu ihr gegeben habe, und mir liegt viel daran, dass sie bei uns in der Kanzlei angestellt bleiben kann. Schließlich war sie einmal meine beste Freundin, bevor…“ Sie unterbrach sich und sah schweigend auf die Tischdecke.
„Was kann ich tun?“, fragte Peter. „Mit einer Verfahrenseinstellung wäre Kalinda nicht geholfen?“
Alicia nahm einen Schluck von ihrem Wein, bevor sie antwortete. „Kalinda selbst glaubt sehr wohl, dass ihr damit geholfen wäre, denn dadurch würde weder zu Leela Tahiri noch zu ihrem Ehemann eine Verbindung gezogen werden. Kurzfristig ist das sicher eine Erleichterung. Ich glaube aber, dass Kalinda sich den Rest ihres Lebens auf der Flucht vor ihrem Mann befinden wird, wenn alles bleibt, wie es ist.“
„Weißt du, warum sie verhindern möchte, dass er ins Gefängnis kommt?“
Alicia schüttelte den Kopf. „Sie hat es mir gegenüber mit ihrer Familie begründet, aber wirklich logisch erscheint mir das nicht. Da spielen sicher noch andere Dinge eine Rolle, von denen ich nichts weiß. Aber was immer es auch ist, für Kalinda scheint es in jedem Fall das Beste zu sein, wenn ihr Ehemann zwar auf freiem Fuß ist, aber keinen Zugriff auf sie hat.“
Peter lehnte sich zurück und lachte leise. „Ich hätte nie gedacht, dass ausgerechnet du mich um so etwas bitten würdest“, sagte er kopfschüttelnd. „Du warst für mich immer der Inbegriff für Anständigkeit.“
Alicia lächelte. „Ich mache einen Unterschied, ob es um Macht, Geld und die eigene Karriere geht, oder um das Leben eines Menschen.“
„Okay…“, sagte er, nun wieder ernst. „Du willst also, dass ich meine Beziehungen nutze, um Kalindas Ehemann von ihr fern zu halten und dass ich außerdem das Verfahren einstelle?“
„Langfristig hilft dir das auch“, nickte sie. „Denn wenn die Sache aus der Welt ist, brauchst auch du diesbezüglich nichts mehr zu befürchten.“
„Es war nur eine Nacht“, sagte er leise. „Nur einmal. Sie trifft keine Schuld. Ich war… ich weiß, ich bin vom rechten Weg abgekommen, ich…“
„Peter, ich will nichts davon hören“, unterbrach sie ihn und verstummte, als sie merkte, dass ihre Worte heftiger ausgefallen waren, als sie beabsichtig hatte. „Bitte lass das“, fügte sie leiser hinzu.
Er wollte etwas sagen, aber hielt sich zurück, als Alicias Handy klingelte. Während sie nach ihrem Blackberry griff, gab er ihr ein Zeichen, dass er sich ins Wohnzimmer zurückziehen würde.
Unbekannter Teilnehmer stand auf Alicias Handy, aber ihr Herz klopfte laut, als sie die Stimme am anderen Ende erkannte. „Ich bin’s. Kannst du reden?“ Kalinda klang gehetzt, aber Alicia war so froh, sie zu hören, dass es ihr schwerfiel, sie nicht sofort mit Fragen zu bombardieren.
„Ja“, antwortete sie, als sie die Tür zum Wohnzimmer geschlossen hatte. „Wo bist du?“
„Nicht in Chicago.“
„Ist alles in Ordnung?“ Alicia blieb am Esszimmertisch stehen. Sie war zu aufgeregt, um sich zu setzen. „Bist du in Sicherheit?“
„Ich habe noch ein paar Dinge zu erledigen.“ Im Hintergrund waren laute Stimmen und Motorengeräusche zu hören. Es klang, als ob Kalinda von einem öffentlichen Telefon anrief. „Achtest du darauf, nicht allein zu sein?“
„Ja.“
Es entstand eine Pause, und Alicia schloss für einen Moment die Augen. Ihr lagen so viele Worte auf der Zunge.
Pass auf dich auf, Kalinda… Bleib nicht mehr so lange fort, wir brauchen dich hier… Lass uns nochmal in Ruhe reden… Du fehlst mir... Aber nichts davon sprach sie aus. „Gibt es irgendetwas, was ich tun kann?“, fragte sie stattdessen.
„Nein, ich wollte nur wissen, ob bei dir alles okay ist.“
„Weißt du schon, wann du zurückkommen kannst?“
Kalinda schwieg eine Weile. „Nicht in den nächsten zwei Wochen“, sagte sie dann.
„Kommst du überhaupt zurück?“ Alicia musste diese Frage einfach stellen, und sie spürte, wie ihr Magen sich zusammenkrampfte, als Kalinda zögerte.
„Ich weiß es noch nicht“, antwortete sie.
„Kalinda, bitte…“ Alicia biss sich auf die Lippen. „Gib nicht auf, was du hier hast.“
„Ich muss Schluss machen, Alicia.“ Hinter Kalinda waren laute Stimmen zu vernehmen. Alicia hatte den Eindruck, dass sie Englisch sprachen, aber sie war sich nicht sicher. „Ich melde mich wieder.“
„Wann?“
„Bald.“
Alicia hörte ein Klicken in der Leitung und dann war Stille. Seufzend legte sie ihr Handy zur Seite und ließ sich auf einen Esszimmerstuhl fallen. In ihr waren so viele widersprüchliche Gefühle, dass sie Mühe hatte, sich wieder zu sortieren. Sie war so froh, dass Kalinda sich endlich gemeldet hatte, aber wenn Peter nicht schnellstmöglich handelte, würde sie sie vielleicht nie wiedersehen.
Peter sah Alicia prüfend an, als sie sich zu ihm ins Wohnzimmer gesellte. „Was ist denn los?“, fragte er besorgt.
„Unerfreuliche Dinge“, antwortete sie ausweichend und setzte sich zu ihm aufs Sofa. „Hast du schon eine Idee, wie du Kalindas Ehemann von ihr fernhalten könntest?“, kam sie auf ihr ursprüngliches Thema zurück.
„Ich brauche Informationen über ihn, die ich gegen ihn verwenden kann.“ Peter nahm einen Schluck von seinem Wein. „Kannst du Kalinda fragen, ob sie etwas für mich hat?“
Alicia schüttelte den Kopf. „Ich kann Kalinda gar nichts fragen, weil sie untertauchen musste.“
„Sie ist untergetaucht?“ Peter hob die Augenbrauen. „Und wie soll ich dann wissen, womit ich diesem Mr. Tahiri beikommen kann?“
Alicia schwieg nachdenklich. Ob sie Blake Calamar kontaktieren sollte, oder vielleicht die F.B.I.-Agentin Lana Delaney? Beide würden vermutlich rasch etwas Nützliches herausbekommen, doch Alicia wusste nur zu gut, dass Kalinda Recherchen in ihrem Privatleben sehr übelnehmen würde. Wenn sie Kalinda wirklich helfen wollte und das wollte sie, dann konnte dies nicht über den Umweg Dritter gehen. „Vielleicht sorgst du erst einmal dafür, dass das Verfahren eingestellt wird, Peter“, schlug sie vor. „Und ich versuche, mit Kalinda zu sprechen, sobald sie sich meldet.“
Er wiegte zweifelnd mit dem Kopf. „Glaubst du, dass Kalinda recht ist, was du vorhast? So wie ich sie kenne, möchte sie nicht in jemandes Schuld stehen und in meiner am wenigsten.“
„Sie wird doch wohl bestimmt etwas finden, um sich revanchieren zu können“, entgegnete Alicia unbeirrt. „Beispielsweise ist sie auf überraschende Verbindungen zwischen Lewitzky und Bishop gestoßen, welche die Staatsanwaltschaft sehr interessieren könnten...“
„Ach tatsächlich?“ Er lachte, aber wurde sofort wieder ernst. „Ich wünschte, du hättest damals so um mich gekämpft“, sagte er mit Bedauern in der Stimme.
Alicia trank den letzten Schluck Wein aus ihrem Glas. „Reicht es dir nicht, dass ich für den Governor-Wahlkampf an deiner Seite bin?“
„Doch.“ Er griff nach ihrer Hand und drückte sie. „Jedenfalls fürs Erste.“
Alicia erhob sich, als er ihren Handrücken küsste. „Es ist spät“, sagte sie. „Und Grace hat morgen Vormittag ein Fußballspiel.“
Er seufzte. „Wann werden wir endlich einmal wieder in Ruhe auf dem Sofa sitzen und ein Glas Wein zusammen trinken können?“
Sie lehnte sich in den Türrahmen und lächelte ihm besänftigend zu. „Wir sind auf einem guten Weg, Peter.“
To be continued...