Kapitel 46: Schatten der Vergangenheit
als ansgar in ihr kam, brachen bei victoria die dämme. ihr rollten die tränen übers gesicht, sie konnte sie nicht stoppen. ansgar bemerkte es sofort. „hey, was ist mir dir?“ fragte er besorgt. „ach, ich – es ist wegen thomas“, schluchzte victoria nun. ansgar, der schlecht frauen weinen sehen konnte wirkte etwas verlegen und zugleich besorgt. „ich kann mir vorstellen, wie dir zumute ist“, sagte er. „es ist sicher nicht leicht für dich, aber glaubst du nicht, dass es besser ist, wenn die wahrheit jetzt raus ist? im moment ist es vielleicht schlimm, aber auf dauer kannst du nur dann einen neuanfang wagen, wenn du mit offenen karten spielst“, überlegte ansgar. victoria sah ihn etwas verständnislos an. “aber was da passiert ist, das war einfach zu heftig. ich meine, thomas hat uns beim sex erwischt. so hätte er es nicht erfahren dürfen.“ victoria rollten immer noch die tränen über die wangen. „hör auf zu weinen, sonst heul ich gleich mit“, sagte ansgar etwas unbeholfen. „wie soll es denn jetzt weitergehen?“ schluchzte sie von neuem. „ich meine, ich kann doch nicht einfach wieder nach hause gehen.“ „nein, das kannst du nicht“, gab ansgar zu. „du kannst selbstverständlich hier bleiben, das ist dir ja klar, oder?“ sagte er dann schnell. victoria nickte. „danke, aber ich muss das erstmal in ordnung bringen“, meinte sie.
ansgar sah sie etwas irritiert an. „was willst du da jetzt noch in ordnung bringen?“ fragte er. „victoria, dein mann hat uns beim sex gesehen, du kannst nicht einfach hingehen und sagen „es ist nicht wonach es aussieht". bisher hat er vielleicht eine ahnung gehabt aber es nicht wirklich gewusst, und es ist auch ein unterschied, ob du es ihm gesagt hast oder ob er es mit eigenen augen gesehen hat.“ ansgar machte eine pause, um zu sehen, ob seine worte victoria erreichten. „victoria, dein mann muss erstmal damit klarkommen was passiert ist – und du auch.“
victoria wusste, dass ansgar recht hatte. sie konnte nicht nach hause. zumindest erstmal nicht. und es gab auch keine erklärung oder entschuldigung dafür, was sie getan hatte. es war unverzeihlich. vielleicht, wenn sie es thomas rechtzeitig gebeichtet hätte, vielleicht hätte er es noch in ansätzen verstehen können, aber so hatte sie ihm das schlimmste angetan, was ein partner dem anderen antun konnte. „du hast recht“, sagte sie dann zu ansgar. „aber ich kann doch nicht einfach hierbleiben, das geht doch nicht?“ gab sie zu bedenken. „warum nicht?“, fragte er und fügte dann leiser hinzu: „ich würd mich freuen.“ „ich habe ja nicht mal etwas anzuziehen und überhaupt nichts von meinen sachen“, jammerte victoria und fing fast wieder an zu weinen. „ähm, das ist doch kein problem, du kannst doch deine sachen holen, wenn dein mann auf der arbeit ist, oder wir schicken den fahrer hin.“ für ansgar war die sache einfach. „deine töchter wohnen ja schliesslich auch so gut wie hier, warum nicht auch du?“ „das ist es ja gerade, was soll ich denn dana und marlene sagen?“ warf victoria ein. „die wahrheit?“ fragte ansgar rhetorisch. „sie werden es eh erfahren.“
ansgar fasste victoria an den schultern, drehte sie so, dass sie ihn ansehen musste. „victoria, ich weiss, dass es sehr schwer für dich ist, aber glaub mir, es musste etwas passieren, vielleicht war das auch alles ganz gut so.“ so wie er das sagte, horchte victoria auf. sie hatte eine komische ahnung, dass ansgar nicht ganz unbeteiligt gewesen war daran, dass thomas noch mal nach hause kam. „hast – hast du etwas damit zu tun?“, fragte sie direkt. „hast du thomas nach hause geschickt oder das so eingefädelt, dass er uns zusammen sieht?“ ansgar schien ehrlich überrascht davon, dass sie ihm so etwas zutraute. „wie kommst du darauf? denkst du das von mir?“ fragte er ein wenig beleidigt. „deine aktion mit dem usb stick ist noch nicht allzu lange her“, gab victoria zu bedenken. "und dann war da noch dein satz mit der allerletzten chance. hatte es etwas damit zu tun?" ansgar zögerte einen moment. „ich habe nichts damit zu tun", sagte er dann. "ich weiss nicht, warum dein mann um die zeit nach hause gekommen ist., wirklich, nicht, das musst du mir glauben.“ victoria glaubte ihm. sie seufzte, und dann sagte sie: „ich kann nicht mehr ändern was passiert ist, und vielleicht hast du ja recht, und es ist besser so.“ ihr stimme klang noch nicht ganz überzeugt, aber victoria fühlte sich ein wenig besser. „weiss du, was das schlimme ist?“, fragte sie ihn. „dass ich totale angst habe, dass ich den grössten fehler meines lebens begangen habe.“
er sah sie durchdringend an. „indem du dich auf mich eingelassen hast?“ victoria sah die verletztheit in ansgars augen und sagte schnell: „das meine ich nicht. oder doch, das meine ich. ja, ich habe mich in dich verliebt, und ja, ich möchte am liebsten jede sekunde bei dir sein, aber ich weiss nicht, ob du das selbe empfindest. all die dinge, die über dich gesagt werden, alles, was ich über deine beziehung zu lydia gehört habe, das macht es für mich alles nicht leichter. ansgar, ein leben mit dir, hier auf dem schloss, das ist was völlig anderes, als mein leben so wie ich es bisher geführt habe. verstehst du das?“ sie sah ihn etwas hilflos an. ansgar nickte. „ich verstehe dich, und ich kann dir auch keine garantie geben für irgendetwas, aber ich weiss, was ich empfinde, und das hab ich nicht nur so dahergesagt. du bist die frau, die ich mir an meiner seite wünsche, du bist die frau, mit der ich mein leben teilen möchte. ich habe schlechte erfahrungen gemacht, das weisst du. du musst mich so nehmen wie ich bin, du wirst mich niemals ändern oder die seite in mir ausblenden, die intrigant und machthungrig ist. das ist ein teil von mir. wenn du bereit bist, diesen teil von mir zu akzeptieren und mit ihm zu leben, dann bin ich der beste mann für dich den du dir wünschen kannst, victoria.“
seine ehrlichen worte berührten victoria. sie wusste, dass er es ernst meinte, und nein, sie wollte ihn nicht ändern. das konnte sie gar nicht. diesen fehler würde sie nicht begehen. da victoria nichts antwortete fuhr ansgar weiter fort: „es gibt nicht viele dinge in meinem leben auf die ich stolz bin, victoria. und es gibt auch nicht viele dinge, die mir etwas bedeuten, aber auf meine kinder bin ich stolz, und sie bedeuten mir alles. alle drei.“ er machte eine kleine pause, weil er an nick denken musste, den er erst einmal gesehen hatte. „und ich würde niemals wieder die frau, die ich liebe, verletzen wollen, aber ich weiss, dass ich es in der vergangenheit getan habe. nathalie, meine erste frau habe ich zum alkohol getrieben als sie sich solche vorhaltungen machte, als unser sohn hannes für tot erklärt wurde, und bei lydia habe ich auch fehler gemacht…“ was war mit deiner ersten frau?“ fuhr victoria dazwischen. ansgar schaute sie überrascht an, er hatte gedacht, sie wüsste davon. „du weisst es nicht?“ fragte er. „nein, erzähl es mir, bitte.“ bat sie.
ansgar holte tief luft, aber dann berichtete er victoria die ganze geschichte von hannes verschwinden und nathalies alkoholsucht. als er fertig war, sah victoria ihn lange an. „das ist heftig, was du da mitgemacht hast“, sagte sie dann. „ich kann nachfühlen, wie es dir gegangen ist.“ er sah sie verwundert an. „keine vorhaltungen, kein entsetzen?“ sie schüttelte den kopf. „nein. ich werde mir nicht anmassen, mir ein urteil darüber zu erlauben. du kannst mir jederzeit aus deiner vergangenheit erzählen, und ich werde dir zuhören, und versuchen, dich zu verstehen. ich habe dich vor 20 jahren kennengelernt und auch wenn ich 18 jahre nichts von dir gehört habe, so warst du sehr oft in meinen gedanken. ich habe mich oft gefragt, was wäre gewesen, wenn wir damals zusammengekommen wären. ich weiss nicht, ob du ein mann bist, mit dem man ein leben lang zusammenbleiben kann, aber ich möchte es versuchen, auch wenn ich mir noch nicht vorstellen kann, wie ich hier zusammen mit dir auf königsbrunn leben kann, wie ich damit leben kann, dass alle wissen, dass wir zusammen sind. ich weiss nicht, wie ich den anderen aus deiner familie gegenübertreten soll, aber….“
ansgar unterbrach sie indem er sie zu sich heranzog und sie küsste. „mach dir bitte keine sorgen, das wird sich alles regeln“, versprach er. sie sah ihn an, und als sie in sein gesicht sah, sah, wie er sie ansah mit offenem, warmherzigen blick, da wusste sie, dass sie ihm glauben schenken konnte. ihr fiel der satz wieder ein, den er ihr auf dem rückflug von zürich nach düsseldorf gesagt hatte: „mit mir musst du keine angst haben, vor nichts und niemandem“, und in diesem moment wusste, sie dass es stimmte. egal, was die zukunft bringen würde, mit ansgar an ihrer seite war sie sicher, das fühlte sie einfach.
Fortsetzung folgt..
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