Teil 11
Als Stella fertig war, atmete sie tief durch. Sie hatte das Gefühl, dass alles viel leichter wurde, nachdem sie es Carla erzählt hatte. Diese hatte Stella schweigend und mit größter Aufmerksamkeit zugehört und war fassungslos. Wie konnte man einem so wundervollen Menschen nur so etwas antun?
„Stella, das ist ja wirklich schrecklich!“
„Ich habe diese Geschichte noch kaum einem Menschen erzählt.“
Carla lächelte Stella aufmunternd an. „Was hälst Du von einem Trosttee?“
„Sehr gerne.“
Carla ging zu dem Schrank, an dem sie am Vortag die Unmassen an Tee verstaut hatte, nahm eine Sorte, suchte zwei Tassen und schaltete den Wasserkocher an.
Stella setzte sich aufs Sofa und Carla nahm neben ihr Platz. Die beiden unterhielten sich noch eine ganze Weile über ihr bisheriges Leben und Familien. Carla erklärte Stella die Situation um Sophia und Stella war einmal mehr beeindruckt, was Carla alles unter einen Hut bringen konnte.
„Aber Du vermisst die Kleine doch sicher?“
„Ja und wie! Noch vier Tage, dann hab ich sie endlich wieder, auch wenn ich weiß, dass es wahrscheinlich ganz gut ist, wenn sie auch mal länger zu ihrem Vater kann als nur ein oder zwei Tage.“
„Ich finde es toll, dass Du das so siehst. Sag mal, hast Du auch Hunger?“
„Und wie.“
„Gut, aber heute lass ich Dich nicht an den Herd, auch wenn Dein Essen gestern wirklich lecker war- Ich lade Dich auf ne Pizza ein oder magst Du keine?“ Stella war sich plötzlich nicht sicher, ob es angemessen war, einer Gräfin eine Pizza als Abendessen vorzuschlagen.
„Mmmh, ich liebe Pizza, nur ich kriege sie viel zu selten.“ gab Carla zur Antwort.
„Eigentlich würde zu der Pizza noch ein DVD Abend passen, aber der Fernseher ist noch nicht angebracht…“
„Meinst Du nicht, wir kriegen das hin?“
„Doch, ich habe ihn in der alten Wohnung auch angebracht, aber ich weiß nicht, ob ich die Bohrmaschine halten kann.“
„Und das traust Du der Gräfin nicht zu?“ Carla lachte.
„Gut, Du hast es so gewollt!“ Stella hinkte davon und kam mit einem großen, schweren Koffer zurück. Sie bat Carla den Fernseher an die Wand zu halten, um die Löcher anzuzeichnen. Anschließend steckte sie den Bohrer in die Steckdose und drückte ihn Carla in die Hand. Dieser war nun etwas mulmig vor ihrer eigenen Courage, setzte aber tapfer an der Markierung an. Nachdem sie den Bohrer gestartet hatte, rutschte sie direkt ein paar Zentimeter nach links. „Mist, es tut mir leid, was machen wir denn jetzt?“ Carla sah Stella mit großen Augen voller Verzweiflung an. „Kein Problem, ich finde ohnehin der Fernseher müsste noch ein Stück nach links.“ Lächelnd versetzte Stella die Markierungen und sah Carla erwartungsvoll an.
Carla: „Was? Du denkst doch nicht, dass ich jetzt noch mal Deine Wand verschandele?“
„Komm schon, ich helfe Dir auch. Setz noch mal an.“
Carla justierte den Bohrer auf die Markierung, während Stella von hinten an sie herantrat und dem Bohrer Stabilität gab, indem sie ihre Arme um Carla herum auf den Griff legte. Carla war überrascht von dieser plötzlichen Annäherung und sie konnte Stellas Atem in ihrem Nacken spüren. Stella merkte erst, als sie den Bohrer bereits festhielt, dass sie ihren ganzen Körper an Carlas Rücken presste und sie wurde direkt rot, was Carla aber zum Glück nicht sehen konnte. Diese genoss Stellas Nähe und hatte Mühe sich auf den Bohrer zu konzentrieren. Schließlich fasste sie sich ein Herz und kurze Zeit später waren die zwei Löcher gebohrt. Carla senkte den Bohrer langsam und drehte sich in Stellas Arm um. Sie lächelte stolz und sah Stella direkt in die Augen. Stella strahlte noch immer errötet und sagte: „Herzlichen Glückwunsch Gräfin, Sie haben soeben ihre ersten Löcher gebohrt.“ Beide mussten losprusten und die immense Spannung, die sich gerade bei beiden aufgestaut hatte, löste sich ein wenig. Stella lies Carla los und bestellte die Pizza, während Carla, motiviert von ihrem Erfolgserlebnis, die Dübel in die Wand steckte. Nach ein paar weiteren Handgriffen hängten beide gemeinsam den Fernseher auf und Stella schloss noch schnell den DVD Player an. Geschafft ließ sich Stella auf die Couch plumpsen, das Ganze hatte ihren Fuß doch sehr angestrengt. Sie verzog ein wenig das Gesicht. Carla sah das und setzte sich sofort zu Stella aufs Sofa, nahm deren Fuß auf ihren Schoß und wickelte den Verband ab.
„Lass doch, es tut schon gar nicht mehr so weh!“ protestierte Stella, die unter den erneuten Berührungen von Carla wieder eine Gänsehaut erhielt.
„Kommt nicht in Frage, ich hab nicht aufgepasst, ich hätte Dich abhalten müssen, jetzt hast Du Deinen Fuß überanstrengt!“
Carla untersuchte vorsichtig Stellas Fuß. Der Bluterguss vom Vortag war ein Stück zurückgegangen. Sie streichelte ganz vorsichtig über Stellas Fuß und bemerkte nicht, wie sich deren Härchen aufstellten. Sie war selbst zu sehr damit beschäftigt zu verbergen, was das Gefühl von Stellas Haut in ihr auslöste. Carla war sich plötzlich sicher. Das war mehr als Freundschaft, was sie seit nun mehr als 24 Stunden empfand. Mit jedem Moment, den sie gemeinsam mit dieser Frau verbrachte, war sie ein bisschen mehr faszinierter und sie sehnte sich immer mehr danach ihr Nahe zu sein. Sie wollte wissen was sie dachte, was sie fühlte, was in ihr vorging – einfach alles.
Gedankenverloren strich Carla Stella direkt über den Bluterguss.
„Aua“ entfuhr es Stella.
„Oh, entschuldige, das war ungeschickt von mir. Jetzt hast Du sogar eine Gänsehaut bekommen, das tut mir leid, ist es arg schlimm?“
Wenn Du wüsstest, dachte Stella…
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