45. Aber am Ende…
„Denk noch einmal darüber nach, Bradley! Ich glaube nicht, dass es so eine gute Idee ist.“ Marlene flehte fast schon. Sie hatte Angst, einfach nur Angst. Von wegen Kriegerin. Von wegen Amazone. „Oh doch, Honey, das ist eine sehr gute Idee! Nur so können wir für immer zusammen sein! Du gehörst mir. Und nur mir alleine!!!“ Bradley war durchgeknallt. Vollkommen durchgeknallt. Er richtete die Waffe auf Marlene. Die schaute direkt in den Lauf. Aber wenn das sowieso das Ende war, dann würde sie nicht ohne Kampf abtreten. Eine dramatische Szene, bevor der letzte Vorhang fallen würde. Marlene machte einen Satz nach vorne, und versuchte, Bradley den Revolver zu entreißen. Bradley, der das nicht hatte kommen sehen, war überrascht und versuchte, sich zu wehren. Marlene zwang Bradley dazu, die Waffe zur Seite zu richten. In dem Gerangel löste sich ein Schuss, der beide zusammenzucken ließ.“
Sie sahen sich erschrocken an. Nun war es an Bradley, Marlene zu überrumpeln, er schubste sie zur Seite, Marlene stolperte, und fiel. Sie konnte gerade noch die Hände schützend nach oben bringen, bevor sie auf der Tischplatte aufschlug und langsam zu Boden sackte. „MARLENE!“, hörte sie Rebecca verzweifelt von draußen rufen. „Re-bec-ca!“, stöhnte sie, bevor sie zu Boden sackte, wo sie schließlich liegen blieb. Dunkelheit hatte sich an sie geschmiegt wie ein perfekt sitzendes Kleid und hüllte sie ein. Ein kleines, blutrotes Rinnsal sickerte aus der Platzwunde auf ihrer Stirn über ihr wunderschönes Gesicht. Bradley starrte sie an. Es war, als würde sie schlafen. So friedlich. Er setzte sich zu ihr, legte die Waffe neben sich ab, hob sie hoch legte sie in seinen Schoss, und strich ihr immer wieder abwesend durch die Haare. Dazu summte er den Song, zu dem er und Marlene damals ihren Hochzeitstanz getanzt hatten…
Tristan war der erste, der die Sirenen hörte. Er ging zu Rebecca, und zog sie von der Tür weg, als die Polizisten auch schon eintrafen. Tristan erklärte ihnen schnell, was los war, und dass ein Schuss gefallen war. Die Polizisten berieten sich kurz, und entschieden sich dann, zu stürmen. Mit einem Rammbock brachen sie die Tür auf.
Bradley hörte, wie die Tür eingetreten wurde. Er legte Marlenes Kopf behutsam in seinen Schoß, nahm die Waffe in die Hand. „Polizei, lassen Sie die Waffe fallen!“, rief der Anführer des Teams. Bradley hörte ihm gar nicht zu. Er starrte Marlene an, die bewusstlos in seinem Schoß lag. „Waffe fallen lassen!“, rief der Polizist noch einmal. Bradley lächelte Marlene an. „Ich folge dir!“ Er hob die Waffe langsam an. Der Polizist zielte und…schoss.
Bradley sackte zusammen. Der Polizist hatte ihm in den Arm geschossen. Die Polizisten zogen Marlene behutsam von Bradley weg, während der verhaftet wurde. Er sah immer wieder zu Marlene, während er belehrt wurde. Schließlich wurde er abgeführt. Er warf einen letzten Blick zurück zu Marlene, die vom gerade eingetroffenen Notarzt untersucht wurde, der einen besorgten Blick aufgesetzt hatte.
Draußen stand Rebecca in Tristans Armen. Sie wollte unbedingt wissen, was mit Marlene ist. Finn war im Wagen eingeschlafen. Er hatte viel erlebt, und Rebecca war froh, dass er dieses Tohuwabohu gerade nicht mitbekam. Später würde sie mit ihm reden müssen, das wusste sie, aber jetzt war noch nicht dieser Zeitpunkt. Rebecca sah gespannt auf die offene Türe. Als erstes kam Bradley heraus, die Hände auf dem Rücken, in Gewahrsam gehalten von einem der Cops. Sein Blick war gesenkt, er sah nicht nach links oder nach rechts. Rebecca sah ihn kurz an, beobachtete, wie er in einen der Polizeiwagen gesetzt wurde, und wie er davonfuhr. Sie richtete ihren Blick wieder auf die Tür. „Komm schon, Marlene, komm schon!“, flüsterte sie immer wieder. In dem Moment kam der Notarzt und die Sanitäter nach draußen. Rebecca stürmte auf sie zu. „Was ist mit ihr?“, fragte sie besorgt, als sie Marlene auf der Trage liegen sah, die Augen geschlossen, die Wunde am Kopf notdürftig versorgt, das Gesicht blutverkrustet. „Sie hat auf jeden Fall eine Gehirnerschütterung. Alles Weitere können wir erst im Krankenhaus feststellen!“, erklärte der Notarzt ihr. Er nannte Rebecca noch das Krankenhaus, in das sie gebracht werden würde. Tristan legte ihr eine Hand auf die Schulter. „Lass uns Finn nach Hause fahren, Naomi kann auf ihn aufpassen. Und dann fahre ich dich ins Krankenhaus, okay?“ Rebecca nickte.
Als sie nach Hause kamen, waren Steve und Paul immer noch in Rebeccas Apartment. Naomi war nun auch da, und die beiden Männer hatten ihr geschildert, was passiert war. Als sie die Türe gehört hatten, waren sie aufgesprungen, und als der Kleine hereinkam, nahmen sie ihn in den Arm, genauso wie Rebecca, die ihm wie in Trance gefolgt war. „Was ist los?“, wollte Naomi wissen. „Wo ist Marlene?“ Tristan erklärte. „Sie ist im Krankenhaus!“ „Was ist passiert?“, wollte Paul wissen. Tristan warf Finn einen Seitenblick zu. „Es kam zu einem Zwischenfall mit Bradley, bei dem Marlene anscheinend gefallen sein muss. Sie war nicht bei Bewusstsein, der Arzt meinte, sie habe auf jeden Fall eine Gehirnerschütterung, alles Weitere werden wir erfahren, nachdem sie untersucht worden ist. Wir fahren jetzt ins Krankenhaus!“ Steve, Paul und Naomi tauschten Blick aus. „Wir kümmern uns um Finn!“, meinte Steve und kam auf Rebecca zu. Er umarmte sie. Rebecca fand Trost in den Armen ihrer Freunde.
Eine halbe Stunde später waren Rebecca und Tristan im Krankenhaus eingetroffen. Am Empfang fragten sie, wohin Marlene Malone gebracht worden war. Die Schwester gab ihnen die Information und wies ihnen den Weg zur Station. Rebecca und Tristan saßen fünf Minuten später auf einer sterilen Station. Die weißen Wände waren blass wie eine kranke Haut, das kalte Neonflimmerlicht ließ die beiden wie Gespenster aussehen. Rebecca konnte nicht lange sitzbleiben, und so sprang sie auf und tigerte ruhelos auf uns ab. „Das kann doch nicht so lange dauern, oder?“, fragte sie nervös. „Sie wollen eben keinen Fehler machen, da werden die Untersuchungen wohl ein bisschen dauern!“, beruhigte Tristan sie. Schließlich kam der Doktor heraus und trat auf sie zu. „Was hat sie?“, wollte Rebecca wissen. Der Doktor sah sie an. „Sie hat eine Gehirnerschütterung und ist ziemlich matt. Wir werden sie zur Beobachtung eine Nacht hier behalten, und morgen kann sie dann entlassen werden.“ Rebecca fiel ein ganzes Bergwerk vom Herzen. Sie lachte, und fiel dem Arzt um den Hals, der etwas überrascht war. „Vielen Dank, Herr Doktor!“, bedankte sie sich. „Kann ich zu ihr?“, wollte sie wissen. „Ja, aber nur kurz, sie braucht heute unbedingt Ruhe!“, wies sie der Arzt ernst an.
Rebecca öffnete leise die Tür. Marlene hatte sie Augen geschlossen. Rebecca erschrak im ersten Moment, als sie die Blondine im Krankenbett liegen sah. Die blasse Schönheit schien noch blasser zu sein, als sie es sonst schon war. Über ihrem Auge klebte ein Pflaster. Rebecca trat leise an das Bett, aber Marlene war schon aufgewacht. „Rebecca!“, brummte sie müde. „Hey! Was machst du denn? Musst du immer die Heldin spielen?“, fragte Rebecca leise. „Wie geht es Finn?“, wollte Marlene wissen. „Er schläft zu Hause! Er hat wenig davon mitbekommen, was wirklich los war!“, erzählte Rebecca. Marlene nickte erleichtert. „Ich bin so müde!“, meinte sie. „Dann schlaf weiter!“, meinte Rebecca, beugte sich zu ihr herunter, und gab ihr einen vorsichtigen Kuss. Marlene drehte ihren Kopf zur Seite, und war schon wieder eingeschlafen…
Am nächsten Tag holten Rebecca und Paul Marlene ab. „Wirklich, ich kann alleine laufen!“, diskutierte sie mit der Schwester. „Das glaube ich Ihnen ja, Mrs. Malone, aber es ist nun einmal Vorschrift, dass sie sich innerhalb des Krankenhauses nur im Rollstuhl fortbewegen dürfen!“ „Hör drauf, was die Schwester sagt, Marlene!“, mahnte Rebecca sie. Marlene verdrehte ungeduldig die Augen. „Na gut!“ Sie setzte sich widerwillig in den Rollstuhl. „Aber wehe, mich frägt auf dem Weg nach draußen einer nach einem Autogramm!“ Sie musste grinsen. Rebecca grinste mit. „Du bist und bleibst ne Diva!“
Eine halbe Stunde später kam Marlene nach Hause. Naomi, Steve, Tristan und Finn warteten schon ganz gespannt auf sie. Als sie hereinkam, wurde sie von allen herzlich empfangen, aber, da sie noch ein wenig abgeschlagen war, gaben ihr die anderen Ruhe: Steve und Paul verabschiedeten sich nach unten in ihr Liebesnest, und auch Tristan und Naomi entschuldigten sich. Marlene saß auf dem Sofa, und schaute müde vor sich her. Finn kam schließlich vorsichtig zu ihr. Marlene sah ihn an und lächelte. Sie klopfte auf den leeren Platz neben sich, und Finn kletterte das Sofa hoch, und setzte sich neben ihr. „Geht es dir gut, Marlene?“, wollte er wissen. „Ja“ Finn kuschelte sich an Marlene, die ihren Arm um ihn gelegt hatte. Sie beide saßen still ein paar Minuten da, bis schließlich Rebecca aus der Küche zu ihnen kam. Sie setzte sich neben Finn und sah ihren Sohn und ihre Partnerin an. „Finn?“, begann sie. „Ich glaube, wir müssen dir etwas erklären.“ Finn sah Rebecca neugierig an, die einen kurzen Blick mit Marlene wechselte, die nickte. „Finn, wie würdest du es finden, wenn Marlene von jetzt an bei uns leben würde?“, fragte sie Finn. Finn sah sie an. „Au ja!“, freute er sich. Rebecca sah ihn an. „Weißt du, ich habe Marlene lieb.“ „So wie Papa?“, fragte Finn. Rebeccas Miene trübte sich ein bisschen ein. „Ja, so wie Papa. Das heißt aber nicht, dass ich Papa weniger lieb habe.“, fügte sie rasch hinzu. Finn nickte. Dann sah er Marlene an. „Und hast du die Mama lieb?“, wollte er wissen. Marlene nickte. „Sehr sogar!“ „Gut, weil ich habe euch beide auch sehr lieb!“ Marlene und Rebecca grinsten. Ihnen wurde warm ums Herz. „Wir haben dich auch sehr lieb!“, entgegneten beide gleichzeitig. Die drei umarmten sich, und Marlene und Rebecca gaben sich einen kurzen Kuss. „Ich liebe dich!“, flüsterte Marlene Rebecca zu. „Ich liebe dich auch!“