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BeitragVerfasst: 17.08.2013, 15:38 
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Kapitel 90: Ray of hope

Schweigend stand Ansgar von Lahnstein vor dem frisch aufgeschütteten Grab Sebastians und starrte auf die vielen Blumen und Kränze darauf. Er konnte es immer noch nicht fassen. Wieder und wieder erfasste ihn die Trauer und er versuchte, die aufkommenden Tränen zu unterdrücken, was ihm nur halb gelang. Nie im Leben hätte er sich träumen lassen, dass er mal um seinen Cousin weinen würde, doch er musste sich eingestehen, dass er unter dem Tod Sebastians litt. Wenige Meter weiter lag Ludwig begraben und auch hier verweilte Ansgar einige Zeit und sinnierte vor sich hin. Auch der ältere Graf war ihm zu Lebzeiten zuweilen verhasst gewesen, doch tief in seinem Inneren wusste Ansgar, dass er Ludwig nicht wirklich verabscheut hatte und dass er für ihn doch so etwas wie Familie gewesen war. Er hatte keine Eltern mehr und er hatte sehr unter dem Verlust gelitten, auch wenn es nach außen nie so ausgesehen hatte. Der Graf stellte den Mantelkragen auf gegen den Wind, der aus südwestlicher Richtung blies und die Heidepflanzen und ersten Eisbegonien auf dem Grab durchschüttelte. Es war sehr kalt an diesem Morgen und Ansgar beschloss, aufs Schloss zurückzukehren.

Eng aneinander gekuschelt saßen Marlene und Rebecca auf dem Sofa der Orangerie und schauten einen alten Liebesfilm. Gebannt sahen sie beide auf den Fernsehen und nur ab und an wanderte eine Hand in die Chipstüte, die auf Marlenes Schoß ruhte und dann war das Knistern der Packung neben dem Klang des TVs das einzige Geräusch im Raum. Die Blondine drückte sich bei den Liebesszenen noch enger an ihre Freundin und vermittelte ihr das Gefühl von Geborgenheit und Rebecca erwiderte die Geste ihrerseits genauso. Sie genossen einfach die Zeit zusammen und waren froh, ein wenig abschalten zu können, auch wenn sie wussten, dass die Wunden nicht verheilt waren und es vielleicht nie sein würden. Dennoch hatten sie sich gegenseitig versprochen, alles gemeinsam durchzustehen und nie wieder freiwillig voneinander getrennt zu sein.

Auf einmal stoppte Rebecca den Recorder und sah Marlene an, die leise protestierte: „Heyyyy, jetzt wird es grade spannend“, sagte sie gespielt ärgerlich aber die Dunkelhaarige schaute sie mit so einem intensiven Blick an, dass die Sängerin verstummte. Rebecca legte die Fernbedienung auf den Tisch, betont langsam, so dass die Träger ihres leichten Blusentops über die rechte Schulter rutschten und Marlene Einblick in das Dekolleté Rebeccas erlangte. Dabei sah sie die Blondine die ganze Zeit über nur unter langen Wimpern an. Fast war es so, als ob sie die Ex-Verlobte von Tristan hypnotisieren wollte. Sie nahm Marlenes Hände in die ihren und blickte ihr erneut direkt in ihre wunderschönen blauen Augen. „Marlene“, begann sie und die Angesprochene hielt den Atem an. „Ich weiß, es ist der denkbar ungünstigste Augenblick und es ist nicht besonders romantisch aber ich muss es tun, genau jetzt muss ich es tun, sonst halte ich es nicht mehr aus.“ Marlene sah sie leicht verwirrt an und forderte Rebecca mit ihren Blicken auf, weiter zu sprechen. „Du bist in mein Leben getreten wie ein Wirbelwind, hast alles auf den Kopf gestellt, ich habe gekämpft um dich weil ich wusste, von Anfang an wusste, dass du die Eine bist, auf die ich gewartet habe.“ In Marlenes Augen begann es verdächtig zu schimmern und sie starrte Rebecca immer noch gebannt an. „Marlene, ich liebe dich. Meine Liebe für dich hat begonnen an einem Tag an dem wir, wie heute, einen Liebesfilm sahen und genau in diesem Augenblick eben ist mir bewusst geworden, dass jetzt der Moment ist.“ Verheißungsvoll sah sie ihre Liebste an. „Welcher Moment?“, tat Marlene ahnungslos, denn sie ahnte bereits, was kommen würde. So sah sie völlig verzückt dabei zu, wie Rebecca auf die Knie vor Marlene ging und diese weiterhin unverwandt ansah. Die Blondine hielt immer noch den Atem an. „Du bist alles für mich und ich will nie ohne dich sein, will jeden Morgen neben dir aufwachen und einschlafen, du bist der wichtigste Mensch in meinem Leben und wirst es immer sein. Marlene…“, Rebecca stoppte, drehte sich um und griff eine leere Erdnussdose, knipste vom Deckel den ringförmigen Verschluss ab und streifte ihn Marlene kurzerhand über den Finger. Sie lachte als sie sagte: „Ich weiß, es gibt schönere Ringe.“ Dann sah sie wieder ernst an. „Willst du mich heiraten?“

Auf der Autofahrt sinnierte er über das was die letzten Tage geschehen war. Die Familie hatte am Tag nachdem man ihn dreimal mit der Waffe bedroht hatte, eine Sitzung abgehalten, auf der beschlossen wurde, dass man nach außen weiterhin geschlossen auftreten würde. Elisabeth hatte sich „in aller Form“ bei Ansgar entschuldigt. Es war der Gräfin nicht leicht gefallen, das hatte man ihr angesehen. „Bei allem was Sie getan haben, Ansgar – ich bin zu weit gegangen. Ich habe die Contenance verloren und das tut mir leid. Ich verabscheue Sie für ihre Intrigen und korrupten Machenschaften zutiefst, dennoch haben Sie den Tod Sebastians nicht wissentlich verschuldet.“ Ansgar hatte sie angesehen und nur genickt. An der Art wie er blickte konnte Elisabeth erkennen, dass es für ihn längst erledigt war. Daher war sie es auch, die eindringlich mahnte, dass die Familie eine Einheit symbolisieren sollte. Die Polizei hatte Ermittlungen aufgrund des Todes von Bodo und Fechner gestellt und Elisabeth und Ansgar hatten den Herren vom Kriminalkommissariat berichtet, dass die Männer Ansgar von Lahnstein erpresst hätten und dass dieser alles versucht hätte, die Mitarbeiter und Bewohner des Schlosses zu retten. Dass Tristan von Lahnstein in Notwehr geschossen hatte, konnte man leicht feststellen, so dass der Zwillingsbruder Helenas nicht weiter belangt wurde.

Es war ein wenig Ruhe eingekehrt, so schien es äußerlich zu sein, doch in Ansgar schwelte das Gefühl, dass im Inneren ein Vulkan ungeahnten Ausmaßes tobte, bereits auszubrechen.

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Verfasst: 17.08.2013, 15:38 


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BeitragVerfasst: 17.08.2013, 22:21 
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Kapitel 91: State of heart

Marlene konnte nicht fassen, was Rebecca sie gefragt hatte und für einen Moment blieb sie stumm, unfähig etwas zu sagen. Die Dunkelhaarige wurde ein wenig nervös, doch dann strahlte Marlene sie an und nickte leicht mit dem Kopf. „Ja, ja, ich will dich heiraten“, sagte sie und schon fiel Rebecca ihr in die Arme. Dann ließen sich die beiden Frauen aufs Sofa zurückfallen und gaben sich ihrer Liebe hin…

Die Wochen vergingen und es schien als wäre das Schlimmste überstanden. Ansgar und Irina waren glücklich miteinander und Rebecca und Marlene schmiedeten Pläne für ihre Hochzeit, die in Anbetracht der Umstände, im engsten Familienkreis stattfinden sollte. Danach wollten die beiden Frauen nach New York reisen um dort Flitterwochen zu verleben.

Tristan und Bella hatten sich nicht wieder gesehen. Nach der Unglücksnacht, in der sie zusammen geschlafen hatten, hatte der Graf etliche Male bei der Rothaarigen angerufen aber sie war nicht ans Telefon gegangen. Verzweifelt hatte er ein paar Tage später vor der WG – Tür gestanden und geklopft wie ein Irrer aber Olli hatte ihm nur klargemacht, dass Bella nicht mehr bei ihnen wohnte, dass sie nach Tübingen zurückgegangen war. Mitleidig hatte der Dunkelhaarige seinen Chef angesehen und gewusst, dass Tristan von nun an noch weiter in sich zurückgezogen erscheinen würde und dass es noch schwieriger werden würde mit ihm zusammenzuarbeiten.

Immer wieder hatte Tristan Bella angerufen und war sogar nach Tübingen gefahren, um dort vor verschlossener Tür zu stehen, egal wie oft er es versuchte. In der Einfahrt sah er ihren weißen Roller stehen und vor seinem geistigen Auge tauchte der Moment auf der einsamen Landstraße auf, bei der er Bella gesagt hatte, dass egal, was passieren würde, sie diesen Moment für immer festhalten sollte. In Tristans Augen bildeten sich Tränen, die er energisch wegwischte. Wieder einmal hatte er verloren und wieder einmal war es seine eigene Schuld gewesen. Er war nicht wütend auf Bella sondern nur auf sich selbst. Warum konnte er nicht lieben wie jeder andere Mensch auch, warum musste bei ihm immer alles so kompliziert sein? Tristan beschloss, nach Hause zu fahren. Er wollte nicht mehr kämpfen. Er hatte keine Kraft mehr.

„Ich weiß, es ist nicht besonders komfortabel“, sagte Irina entschuldigend als sie die Tür zur ihrer kleinen Dachgeschosswohnung aufschloss. Ansgar sah sich um, so als wollte er sich vergewissern, dass keiner ihn sah, genau wie er unten im Eingangsbereich verstohlen um sich geblickt hatte, beschämt darüber, dass er in so einem Milieu verkehrte. Irina hatte diesen Blick gesehen und sich gefragt ob sie wohl jemals wirklich in die Welt des Ansgar von Lahnsteins passen würde. Es hatte sie verletzt aber sie hatte sich nichts anmerken lassen.

Dann stand der Graf nun in der engen Zwei-Zimmer-Wohnung und sah sich etwas unbeholfen um. Irina wies auf das kleine dunkelblaue Stoffsofa. „Bitte setz dich“, sagte sie leise und lief dann geschäftig in die Küche um einen Kaffee aufzusetzen. Ansgar sah sich um. Es war picobello sauber aber sehr schäbig eingerichtet. Der Stoff des Sofas auf dem er saß, war vergilbt und löchrig, an einigen Stellen war das Sofa mit blauem Faden wieder zusammengenäht worden. Der Tisch war zerkratzt und auch die restlichen Möbel sahen aus als hätten sie schon etliche Jahre auf dem Buckel. Trotz allem sah man, dass versucht wurde mit Liebe etwas aus dieser armseligen Behausung zu machen. Es waren sehr hübsche violette Vorhänge vor den weißen Kunststofffenstern abgebracht, Orchideen in allen Farben standen auf den Fensterbänken und auf dem angrenzenden kleinen Dachbalkon sah Ansgar große Kübel stehen, die sorgfältig mit Narzissen und Primeln bepflanzt waren. An den Wänden hingen Bilder, sie sahen aus wie selbst gemalt. Es waren Zeichnungen und einige Aquarelle. Die Motive waren zumeist Blumen, doch ein Bild erhaschte Ansgars Aufmerksamkeit besonders. Ein etwa 7 jähriger Junge war auf dem in dunklen Farben gehaltenen Aquarell abgebildet. Er wirkte traurig. Er holte tief Luft und musste sich regelrecht fangen. Das alles rührte sein oft so kaltes Herz und er spürte Scham – dafür, dass er ein Leben im Reichtum führen durfte, während Irina in so einem Loch hausen musste. Und doch hatte sie das Beste daraus gemacht. Wieder glitt sein Blick über die bunten Blumen auf dem Balkon und dann sah er noch etwas anderes, etwas das sein Herz für einen Moment aussetzen ließ.

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BeitragVerfasst: 17.08.2013, 23:15 
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Kapitel 92: Endless sky

Es war eine Todesanzeige, die eingerahmt auf dem kleinen Regal neben dem Fernseher stand. Sie war in polnischer Sprache verfasst und das Bild, das in diese Anzeige integriert war zeigte den kleinen Jungen, dessen Porträt an der Wand hing.

„Möchtest du auch Kuchen?“, hörte er Irina fröhlich aus der Küche fragen. Ansgar konnte kaum antworten, denn die Tränen waren in seine Augen getreten und seine Stimme drohte zu versagen. Doch er riss sich zusammen und sagte dann: „Ja, gerne.“ Irina steckte ihren Kopf kurz aus der Küchentür und lächelte ihn an. Ansgar versuchte, sich nichts anmerken zu lassen, doch Irina spürte, dass etwas nicht stimmte. Fast unmerklich ließ der Dunkelhaarige den Blick zu dem Bild des Jungen an der Wand gleiten und wieder zurück. Er konnte Irina nicht ansehen. Langsam ging die Polin auf Ansgar zu und ließ sich neben ihn auf das Sofa fallen. Noch immer sah er sie nicht an, traute sich nicht, aus Angst vor der Wahrheit. Irina nahm seine Hand und drückte sie fest, so als wäre er es, der getröstet werden müsste. Jetzt erst schaffte es Ansgar, seine Freundin anzusehen. „War das..“, Ansgar musste sich fangen ehe er weiterreden konnte. „Mein Sohn“, vervollständigte Irina den Satz und sah dem Grafen direkt in die Augen. Ansgar holte tief Luft und versuchte sich zu fangen, doch die Polin legte ihm nur die Hand auf den Arm. „Es ist okay“, flüsterte sie. „Ich habe meinen Frieden gemacht.“ Aufmunternd lächelte sie ihn an und ging zurück in die Küche um kurz darauf mit einer Kanne Kaffee und Berlinern und kleinen Sahnestücken wieder zu kommen. Sie stellte das Tablett auf dem Couchtisch ab, Ansgar und sich das Kaffeegeschirr hin. In die Mitte der beiden Teller stellten sie den Kuchen und positionierte eine kleine Kerze, die sie anzündete.

Grade als sie sich setzen wollte, sprang der Dunkelhaarige auf. Er blieb stocksteif im Raum stehen. „Ich kann das nicht“, kam es gepresst aus seinem Mund und dann rannte er in Richtung Tür, öffnete diese und ließ sie ins Schloss fallen. Vor der Haustür blieb er stehen und holte tief Luft. Er spürte, wie sein Herz vibrierend in seiner Brust klopfte und musste sich an der Wand abstützen. Kim, er dachte an Kim, an Hannes, an das was vor Wochen passiert war und daran, dass er beinah auch seine Tochter verloren hätte. An dem Tag der Explosion hatte sich Kim einmal wieder wie ein Teenager aufgeführt und mit Emilio den Nachmittag geschwänzt, sich eine hanebüchene Ausrede einfallen lassen, und war einfach abgehauen von ihrem Arbeitsplatz bei LCL. Was war er im Nachhinein froh gewesen. Wenn er seine Tochter verloren hätte, es hätte ihn kaputtgemacht, zerstört, er hätte es nicht ertragen.

Wie viel Leid hatte Irina in ihrem jungen Leben schon ertragen müssen? Was ging in dieser Frau vor, dass sie so abgeklärt reagiert hatte? Es tat weh und er konnte es kaum aushalten, ihr nicht in die Augen sehen, so sehr schämte er sich. Er hatte sie benutzt und für seine Zwecke eingespannt bis er gespürt hatte, dass sich hinter der scheinbaren toughen, intriganten Frau etwas sehr Kostbares verbarg. Die Tränen traten Ansgar in die Augen und er wusste nicht, ob er einfach gehen sollte – in sein im Halteverbot geparktes Auto steigen und zurückfahren, in sein Schloss, sein prächtiges Zuhause, Irina allein in ihrer schäbigen Wohnung sitzen lassend. Er kam sich wie ein Stück Dreck vor, als er langsam die Treppen vom vierten Stock hinab abwärts ging. Sie hatte Kuchen gekauft und Kaffee gekocht und war fröhlich aus der Küche um die Ecke gekommen, hatte sich gefreut, dass er sie besuchte und was tat er? Er flüchtete: vor ihrer Armut – und vor seiner eigenen Angst, der Angst, mit dem was sich ihm offenbarte umzugehen. Er war der allerletzte Feigling.

Schockiert saß Irina vor dem gedeckten Tisch und starrte auf die Tür, die Ansgar hinter sich zugeschlagen hatte. Sie konnte nicht glauben, was passiert war und doch verstand sie es. Sie hatte gespürt, wie unwohl sich Ansgar gefühlt hatte und hatte seine Blicke gesehen als er sich vorsichtig auf das Sofa niederließ, so als würde er Ungeziefer in ihm vermuten. Es machte sie so unglaublich traurig, dass es ihr Herz beinah zerriss und gleichzeitig verstand sie es auch. Er tat das nicht, um ihr wehzutun sondern konnte nicht aus seiner Haut. Irina wusste das. Sie hatte es instinktiv immer gespürt, dass es so enden würde und doch schmerzte es. Ansgar wollte sie lieben und auf seine Art tat er es auch, doch er würde niemals mit dem zurechtkommen was sie nun einmal war.

Langsam stand Irina auf und trug den Kuchen zurück in die Küche. Fein säuberlich breitete sie Cellophan über den Kuchenteller aus und stellte ihn zurück in den Kühlschrank. Dann ging sie wieder ins Wohnzimmer. Ihr Blick blieb an dem Porträt ihres Sohnes hängen. Sie nahm das kleine Bild von der Wand und ging zum Fenster, sah hinaus, sah dann auf das gerahmte Bild in ihrer Hand. Vorsichtig strich sie mit dem Finger über das Glas, so als würde sie die Wange des Kindes streicheln. Tränen bildeten sich in ihren Augenwinkeln, die sie versuchte aufzuhalten. Sie blickte auf die bunten Blumen in den Kübeln auf dem hübschen kleinen Dachbalkon. Sie hatte sie erst am Morgen gepflanzt als sie hörte, dass Ansgar sie besuchen kommen wollte. Dann stellte sei das Bild auf die Fensterbank und öffnete die Balkontür. Plötzlich überkam sie eine wahnsinnige Wut. Sie riss mit den Händen sämtliche Primeln und Narzissen aus den Kübeln und die Erde verteilte sich in alle Richtungen. „Wozu? Wozu das alles!“, schrie sie und sie warf die Pflanzen auf den Boden, hob den Fuß um auf sie einzutreten, besann sich aber im gleichen Augenblick. Sie brachte es nicht fertig, die Blumen zu zerstören. Schluchzend ging Irina in die Hocke und hob eine lilafarbene Primel wieder auf und strich die Blätter glatt. Sie verharrte in dieser Position und die Tränen tropften auf ihre mit Erde beschmutzen Hände und die Blume in ihrer Hand. Sie hatte doch nur einmal glücklich sein wollten, ein einziges Mal in ihrem Leben. Die Tränen nahmen ihr die Sicht als sie gen Himmel schaute. „Gzdie jestes´?“- Wo bist du? - flüsterte sie.

Dann setzte sie die Blumen zurück in die Kübel, ging zurück ins Wohnzimmer und blies die Kerze aus.

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BeitragVerfasst: 18.08.2013, 20:37 
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Kapitel 93: Redemption


Closer von Kings of Leon dröhnte durch die Boxen und er drehte die Musik bis zum Anschlag auf. „This floor is crackling cold, she took my heart, I think she took my soul.” Er war zugedröhnt – auch bis zum Anschlag. Tristan rieb sich die Nase. Er war wieder voll drin. Im Sumpf der Gefühle. Und diesmal kam er nicht mehr heraus.

Wochen waren vergangen, seitdem er Bella das Letzte Mal gesehen hatte, Wochen, in denen die Sehnsucht nach ihr beinah körperlich schmerzte. Sie hatte sich nie gemeldet, es gab nichts, kein Lebenszeichen. Es tat weh, es tat so weh, einfach kein Teil mehr in ihrem Leben zu sein, es kam ihm fast vor als hätte die gemeinsame Zeit nie existiert und auch wenn sie nur sehr kurz zusammen gewesen waren, so waren die Gefühle an Intensität kaum zu überbieten.

Tristan hieb aufs Lenkrad ein. Immer und immer wieder bis er erschöpft zusammensackte.

Es war die einsame Landstraße, auf der er mit Bella gestanden hatte als er ihr gesagt hatte, dass sie sich für immer an diesen Moment erinnern sollte, auf der er sich befand. Tristan griff neben sich und befühlte die kleine durchsichtige Packung. Für einen Moment zögerte er. Dann nahm der Schmerz überhand und alles was er wollte, war, diesen Schmerz auszuschalten. Wenigstens für einen Moment.

Sie starrte in die Dunkelheit, beobachtete wie der Schein der Straßenlaterne helle Kreise an die Zimmerdecke malte und versuchte ihr Kopfkarussell abzuschalten, doch es funktionierte nicht. So viele Gedanken gingen ihr durch den Kopf. Sie dachte an Damian, ihren Sohn, dessen kurzes Leben und daran, dass sie ihm nicht hatte helfen können. Aber Adrian konnte sie helfen und sie wollte alles dran setzen, dass ihm ein lebenswertes Dasein verschafften werden konnte. Sie beschloss, sich von nun an nur noch auf dieses Ziel zu konzentrieren. Doch ihr Herz konnte nicht so einfach vergessen, was die letzten Wochen passiert war, nicht vergessen, dass es sich nach all den Jahren für einen anderen Menschen geöffnet hatte und dass diese Zeit die schönste ihres Lebens gewesen war. Wenn sie genügend Geld zusammen hatte, wollte sie Deutschland verlassen. Sie hatte hier nichts mehr verloren, ihre Familie war in Polen und dort gehörte sie hin.

Ansgar von Lahnstein hatte sich erneut volllaufen lassen. Er wusste sich nicht anders zu helfen, denn nur so konnte er vor sich und seinen Gefühlen davonlaufen. Er hatte jedoch nicht damit gerechnet, dass der Alkohol es noch viel schlimmer machen würde. Nach der Flasche Bourbon, die er geleert hatte ging es ihm erst recht beschissen. Er warf sich aufs Bett, angezogen und winkelte die Beine an. Vergeblich versuchte er gegen die Gedanken in seinem Kopf anzukämpfen, doch die Bilder drängten sich mit erstaunlicher Kraft immer und immer wieder vor sein geistiges Auge.

Als er es nicht mehr aushielt, sprang er vom Bett auf und beschloss, zu ihr zu fahren. Dass es mitten in der Nacht war interessierte ihn nicht. Er musste seinen Fehler wieder gut machen.

Ihr Handy vibrierte. Sie schoss aus dem Bett hoch und nahm sich das Mobiltelefon vom Nachttisch. Die Worte, die sie las, trieben ihr die Tränen in die Augen.

„Es gibt niemanden sonst auf dieser Welt, der mich so sieht wie du es tust und der mich so kennt und ebenso fühlt. Es gibt niemanden sonst, der so dicht an mich und mein Inneres herangekommen ist. Du und ich, das ist das Absolute.“

Sie hatte genug getrauert. Es wurde Zeit, dass sie zur ihrem alten Ich zurückfand. Eine diabolische Idee austüftelnd stand sie vom Sofa auf und griff nach ihrem Mobiltelefon, dass auf dem Schreibtisch lag. Sie wählte eine lange Nummer und war kurz darauf mit ihrem gewünschten Gesprächspartner verbunden. Ein zufriedenes Lächeln umspielte ihre Lippen als sie keine zwei Minuten später ihr Handy zurücklegte. „Strike“, sagte sie und ihre Augen sprühten Feuer, Feuer, das bereit war zu vernichten, koste es was es wollte.

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BeitragVerfasst: 19.08.2013, 19:13 
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Kapitel 94: The absolute (part one)

Es interessierte ihn nicht, dass er völlig betrunken war und dass er kaum fähig war, ein Auto zu lenken, denn alles was er wollte, war in ihr wunderschönes Gesicht zu sehen und sie um Verzeihung zu bitten.
Die Scheibenwischer seines Autos mussten Schwerstarbeit leisten, denn der Regen, der zwischenzeitlich eingesetzt hatte, wurde immer heftiger. Ansgar konnte sich kaum auf die Straße konzentrieren. Ein paar Mal kam er beinah von der Fahrbahn ab, doch letztendlich stand er eine Viertelstunde später vor der Haustür des grauen Mehrfamilienhauses in dem Irina wohnte. Er hielt einen Moment inne, dann drückte er die Klingel. Ansgars Herz schlug wie verrückt. Er war verrückt. Verrückt, dass er völlig betrunken wie ein Irrer auf klatschnasser Fahrbahn auf der Landstraße gebrettert war und verrückt, dass er mitten in der Nacht vor ihrer Haustür stand. Er war absolut verrückt. Verrückt nach ihr.

„Nein!!“ Der Schrei gellte durch die Nacht, zerriss die Stille der dunklen Einsamkeit und wurde vom Wind in alle Richtungen verteilt. „NEEEEIN!!!“ Aufgerissene Augen, keuchender Atem, Tränen, die vom plötzlich aufkommenden Sturm fortgerissen wurden und noch einmal: „NEIIIIIIN!“
Es war vorbei.

Es öffnete ihm niemand. Was hatte er erwartet? Dass sie gut gelaunt um zwei Uhr morgens den Türöffner betätigen würde um ihn hereinzulassen? Wohl kaum. Dennoch versuchte Ansgar es wieder und wieder, doch auf beim zwanzigsten Mal wurde ihm nicht geöffnet. Der Regen wurde jetzt immer heftiger und der Graf war bereits völlig durchnässt. Sein weißes Hemd, über das er in der Eile kein Sakko mehr gezogen hatte, war komplett aufgeweicht und seine Haare hingen ihm klatschnass in die Stirn. Es war ihm egal. Er zückte sein Mobiltelefon und wählte ihre Nummer. Es klingelte ein paar Mal, dann wurde er weggedrückt. Wütend über sich selbst pfefferte Ansgar das Handy auf den Boden und trat mit dem Fuß dagegen so dass es über den Bürgersteig flog. Dann hob er es wieder auf und schaute nach ob es noch funktionstüchtig war. Das Handy war zwar ziemlich verkratzt aber man konnte es noch benutzen.

„Bitte lass uns reden. Ich gehe hier nicht eher weg als bist du mir aufmachst.“ Er drückte auf senden und steckte das Handy zurück in die Hosentasche. Energisch fuhr er sich mit den Händen durch die klatschnassen Haare und schaut dann an der Hausfassade empor. Er wusste, dass Irinas Schlafzimmerfenster zur Straße hinausging. Doch nichts war zu sehen.

Ansgar beschloss, im Auto zu warten, auch wenn die Nacht schon recht milde Temperaturen aufwies, doch er hatte keine Lust auf eine saftige Erkältung. Irgendwann forderte der Alkohol seinen Tribut und er nickte ein, den Kopf auf dem Lenkrad.

Schweißgebadet schreckte sie hoch. Sie hatte einen absolut schrecklichen Alptraum gehabt. Hektisch fuhr sie sich durch die Haare und versuchte, ihre Herzfrequenz wieder auf ein Normalmaß zu bringen. Sie sah auf die Uhr. Der Zeiger war auf Punkt zwei. Nervös sah sie auf ihr Handy. Sie hatte Angst und das kam nicht von ihrem Alptraum. Eine böse Vorahnung beschlich sie, eine ganz böse…

Die Worte, die er ihr geschrieben hatte, waren so schön und doch konnte sie nicht glauben, dass er es ernst meinte. Zu sehr hatte er sie verletzt. Sie konnte und wollte nicht so einfach zur Tagesordnung übergehen. Doch je länger sie nachdachte, desto mehr wurde ihr bewusst, dass er eigentlich nichts Schlimmes getan hatte. Er war davongelaufen, ja, aber war das ein Wunder? Diese Welt, in die er eingetaucht war, war nicht die seine und er musste sich erst einmal in ihr zurechtfinden. Hatte nicht jeder eine zweite Chance verdient? Auch er hatte sie ihr gegeben als sie ihn wegen Sebastian belogen hatte. Langsam stand Irina vom Bett auf und ging zum Fenster. Sie blickte nach unten und sah Ansgars schwarzen BMW direkt vor der Eingangstür stehen. Kurz entschlossen nahm sie ihr Handy vom Nachtschrank und zog sich einen Trenchcoat über das dünne Nachthemd. Dann lief sie die Treppen hinunter ins Erdgeschoss. Sie holte tief Luft und öffnete die Haustür. Irina sah nach links und rechts aber Ansgar war nicht zu sehen. Dann ging sie zum Auto und sah ihn wie er vorne rüber gebeugt auf dem Lenkrad hin. Es rührte ihr Herz und dann konnte sie nicht anders.

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BeitragVerfasst: 21.08.2013, 20:37 
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Kapitel 94: The Absolute (part two)

Beim Geräusch der sich öffnenden Beifahrertür schreckte Ansgar hoch. Er konnte kaum glauben was er sah. Irina stand wortlos in der geöffneten Tür und sah ihn an. Als Ansgar sah, dass Irina sich kaum merklich wieder rückwärts bewegte, so als würde sie ihre Entscheidung, mit Ansgar sprechen zu wollen, revidieren, schoss der Graf mit einem Satz aus dem Auto und war bei ihr. Seine Hand umfasste ihr Handgelenk und hinderte sie am Weglaufen. Irina drehte sich mit Schwung zu ihm um. „Lass mich los, du tust mir weh“, forderte sie ihn auf. „Das will ich nicht und das weißt du.“ Ihm war durchaus bewusst, dass seine Worte doppeldeutig waren und genau das beabsichtigte er. „Bitte lauf nicht weg“, flüsterte er und verminderte den Druck auf ihrem Handgelenk. Sie sah ihn an mit einem Blick, der ihm durch Mark und Bein ging. Sie war verletzt und wütend aber da war noch etwas Anderes. „Bitte“, fügte er erneut hinzu.

Der Regen, der noch immer weiter auf sie ein prasselte, durchnässte auch Irina in kürzester Zeit und Ansgar sah besorgt, wie der Wind, ihren Trenchcoat aufriss und das Darunter preisgab. Ihre glänzenden schwarzen Haare wirbelten umher und sie versuchte, mit der freien Hand ihren Mantel wieder zuzuziehen. Ansgar hielt ihr Handgelenk immer noch umklammert und er wusste, er würde sie nicht eher loslassen als bis sie ihn angehört hatte. „Ich weiß, dass ich weggerannt bin und das tut mir leid. Ich weiß nicht, was da in mich gefahren ist. Das alles, was du anscheinend in der Vergangenheit erlebt hast.. das..“ „Ich habe nicht so ein Luxusleben geführt wie du und damit kommst du nicht zurecht, schon klar“, fiel Irina ihm ins Wort. „Das habe ich nicht damit sagen wollen“, rechtfertigte er sich. „Ansgar, ich habe deinen Blick gesehen. Als wir ins Haus gegangen sind und als du meine Wohnung gesehen hast. Ich habe deinen Blick gesehen als du dich aufs Sofa setztest und das hat verdammt wehgetan. Du hast geschaut als würde man dich in einen Käfig mit Kakerlaken stecken. Ja, ich habe nicht viel Geld und all das was ich verdiene, schicke ich nach Polen um meinem schwer kranken Bruder die Behandlung zu bezahlen. Deswegen wohne ich in dieser Absteige, damit es ihm nicht so ergeht wie meinem Sohn, dem man nicht mehr helfen konnte!“ Irina war immer lauter geworden, am Ende schrie sie fast.

Ansgar spürte, wie sehr er sie verletzt hatte und ihre Worte trafen ihn tief in seinem Inneren. „Ich habe das nicht gewollt, ich wollte dich nicht verletzten“. „Das hast du aber getan! Ich kann nichts dafür, dass ich bin wer ich bin, oder vielleicht doch aber ich möchte so genommen werden wie ich bin und das kannst du nicht. Du kannst meine Vergangenheit nicht akzeptieren. Das fühl ich einfach. Ansgar, das mit uns beiden, das geht nicht gut.“ Irina riss sich mit einem Ruck von Ansgar los und lief zur Haustür. Sofort war Ansgar bei ihr und hinderte sie am Reingehen. Sie hielt den Schlüssel in Hand. Pfeilschnell griff Ansgar danach und packte diesen. „Gib mir den Schlüssel!“, schrie sie ihn an. „Ich liebe dich“, antwortete er ihr einfach nur und sah sie an, durchbohrte ihr Herz mit seinem Blick. „Wenn du das tust, dann lässt du mich jetzt gehen!“, gab sie zurück und wollte sich erneut von ihm freimachen. Zu ihrer Überraschung ließ Ansgar sie tatsächlich los und gab ihr den Schlüssel. Dann trat er ein paar Schritte zurück. Da stand er nun im strömenden Regen und sah sie einfach nur an. Die Polin stand unter der kleinen Überdachung über dem Hauseingang und war noch einen letzten Blick auf Ansgar. Dann drehte sie sich um und steckte den Schlüssel ins Schloss.

„Es gibt niemanden sonst auf dieser Welt, der mich so sieht wie du es tust.“

Irina drehte den Schlüssel herum und die Tür öffnete sich.

„..und der mich so kennt und ebenso fühlt“

Irina trat einen Schritt in den Hausflur. Seine Stimme ging ihr durch und durch. Es zu lesen war der Hammer gewesen aber es zu hören überwältigte sie noch eintausend Mal mehr.

„Es gibt niemanden sonst, der so dicht an mich und mein Inneres herangekommen ist.“

Dennoch schloss sie die Haustür und drehte sich um, um im dunklen Flur die Stufen emporzusteigen.

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BeitragVerfasst: 23.08.2013, 22:41 
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Kapitel 95: Lost Highway

Unruhig versuchte Bella wieder in den Schlaf zu kommen aber es war unmöglich. Die ungute Ahnung, dass irgendetwas Schlimmes passieren würde, ließ sie nicht zur Ruhe kommen. Sie starrte auf ihr Handy und konnte plötzlich nicht anders. Ihr Herz pochte als sie mit zittrigen Händen die Nummer von Tristan wählte. Es klingelte an die 20 Mal, danach ging die Mailbox ran. Enttäuscht und auch erleichtert legte die Rothaarige das Telefon zurück auf den Nachttisch um es ein paar Sekunden später wieder hochzunehmen und erneut Tristans Nummer zu wählen. Dieses Mal läutete es nur einige Male, dann ging Tristan an den Apparat. „Jaaa?“, lallte seine Stimme in den Hörer. Bella erschrak. Sie konnte zuerst nichts sagen, holte dann tief Luft. „Tristan, ich bin´s Bella." Im Hintergrund hörte sie laute Musik, die jetzt ein wenig leiser gestellt wurde. „Was willst du?“, knurrte er in den Hörer. „Tristan, ich weiß, ich habe keinen deiner Anrufe entgegengenommen….“ „Dann lass mich auch jetzt in Ruhe“, herrschte er sie an. Bella wusste, er hatte sich abgeschossen, war rückfällig geworden. Es zerriss ihr das Herz als sie sich dessen bewusst wurde, dass sie mit Schuld daran war, dass es Tristan so schlecht ging. „Ich habe Angst um dich“, gab sie zu. „Angst? Um mich brauchst du keine Angst haben. Ich war dir die letzten Wochen doch auch scheißegal…“ „Tristan, du bist mir nicht scheißegal und das weißt du!“ „Weißt du, wo ich mich befinde? Auf der Landstraße, wo wir beide mit dem Roller gestanden haben und ich dir sagte, du sollst dich für immer dran erinnern, wie glücklich wir waren.“ Seine Stimme klang melancholisch und sarkastisch und Bella wusste kaum was sie erwidern sollte. „Ich hab mich einfach nur schützen wollen, Tristan. Meinst du, ich habe mir das leicht gemacht, Düsseldorf zu verlassen? Zurück nach Tübingen zu gehen? Dich zu verlassen obwohl ich dich noch liebe? Meinst du das war einfach?“ „Warum hast du es dann getan, mich verlassen?“, herrschte er sie erneut an. Für einen Moment war Stille. Dann sagte Bella: „Weil ich Angst vor dem hatte was du als nächstes tun würdest!“

Tristan erwiderte nichts sondern drehte die Musik nur wieder lauter. „Tristan!“, schrie die Rothaarige ins Telefon. „Ich habe versucht, das alles zu verdrängen, das was mit Marlene und Rebecca passiert ist und ich habe dich immer versucht zu verstehen und dich auch verstanden. Aber dann ist alles aus dem Ruder gelaufen und auf einmal stand ich mit einer geladenen Waffe vor Ansgar von Lahnstein. Ich habe die Notbremse ziehen müssen, Tristan. Das war doch nicht mehr ich!“ Immer noch erwiderte er nichts, drehte die Musik noch lauter. Als Bella erneut zu einer Erklärung ansetzte, wurde die Verbindung unterbrochen. Tristan hatte aufgelegt. Schweigend saß Bella einen Moment mit dem Handy in der Hand da. Die Tränen liefen ihr übers Gesicht. Er hatte Recht. Sie hatte ihn im Stich gelassen, egal, was er getan hatte, sie liebte ihn und hätte für ihn da sein müssen. Doch jetzt wollte er sie nicht mehr sehen und auch nicht mehr sprechen. Und das Schlimmste war, dass sie ihn zurückgetrieben hatte in sein Loch, aus dem er ohne Hilfe nicht mehr herauskam. „Es tut mir leid“, flüsterte sie in die Dunkelheit hinein.

„Meinst du, dass wir so kurz nach – nach allem was passiert ist – heiraten können?“ Rebecca sah Marlene an und der Ausdruck in ihren Augen machte der Blondine deutlich, dass sie auf eine positive Antwort hoffte. „Wir brauchen kein großes Fest zu feiern. Und ich bin mir sicher, dass dein Vater und Sebastian sich sehr für uns freuen würden. Wir beide haben so viel durchgemacht und auch die Familie hat so viel erdulden müssen, dass es allen vielleicht auch guttut, dass etwas Erfreuliches stattfindet.“ Kaum hatte Marlene geendet sah sie auch schon die Erleichterung in Rebeccas Augen. „Danke, ich glaube, du hast Recht“, sagte diese und küsste ihre Freundin sanft auf den Mund. „Ich habe immer Recht“, konterte diese und schon intensivierte Rebecca den Kuss und kippte Marlene als „Strafe“ auf dem Sofa nach hinten und schoss über sie. „Soooo, du hast also immer Recht?“, fragte sie gespielt böse. „Gnade“, lachte die Blondine und lachte Rebecca neckisch an. „Mit dir? Niemals.“ Rebeccas Stimme klang rau und dann sprach keiner der Beiden mehr…

Es riss ihm das Herz heraus. Ihr Anruf hatte ihm den Rest gegeben. Grade, als er versuchen wollte, sie zu vergessen, erinnerte sie ihn erneut auf brutale Weise daran, wie glücklich er mit ihr war. Genaugenommen war er das erste Mal in seinem Leben überhaupt glücklich gewesen. Das alles wurde ihm genommen. Tristan zog eine Fratze in der Dunkelheit und nahm erneut einen Schluck aus der Flasche Wodka. Er fühlte, wie das starke Getränk seine Kehle runterrann und ihm ein Stück weit den Schmerz nahm. Schon setzte er die Flasche wieder an. „Bella, du kannst mich mal“, lallte er vor sich hin und prostete sich selbst zu. Dann ließ er den Motor an.

Langsam erklomm Irina Stufe für Stufe und ihre Gedanken rasten. Als sie im ersten Stock ankam sah sie durch das kleine Flurfenster nach unten auf den Bürgersteig wo Ansgar noch immer stand.

„Du und ich, das ist das Absolute“, flüsterte sie vor sich hin und vervollständigte damit den letzten Satz der SMS von Ansgar, die er ihr geschrieben hatte. Sie spürte, wie die Tränen kamen.

Dann rannte sie los. Die Treppenstufen vom ersten Stockwerk bis ins Erdgeschoss kamen ihr wie eine Ewigkeit vor. Sie sah durch die Haustür, dass Ansgar sich abgewandt hatte. Die Polin öffnete die Tür und der Dunkelhaarige blieb stehen, drehte sich aber noch nicht um.

„Du und ich, das ist das Absolute“, sagte sie leise.

Jetzt drehte der Graf sich langsam um.

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Kapitel 96: Driven

Irinas Herz raste als sie einen Schritt auf Ansgar zuging. Sie sah im in die Augen und das was sie in ihnen las, lies sie fast taumeln. Sie trat noch einen Schritt auf Ansgar zu, noch einen, bis sie direkt vor ihm stand. Noch immer sah sie ihm in die Augen und noch immer raste ihr Herz wie verrückt. Ignorierend, dass der Regen noch immer in senkrechten Bindfäden vom Himmel strömte und ihr Nachthemd unter dem Mantel schon komplett durchnässt war, streckte sie die Hand nach Ansgar aus. Sie hielt die Luft an als sie seine nassen Haare berührte und sie ihm vorsichtig aus der Stirn strich. Kaum merklich kam er noch näher an sie heran, so, dass sein Körper fast den ihren berührte, sie seinen Atem fast auf ihrem Gesicht wahrnahm. Irina fuhr über Ansgars Gesicht und ließ den Daumen über seine Lippen gleiten.

Der Graf atmete schwer, rührte sich aber nicht. Seine Augen nicht von ihren abwendend öffnete er seinen Mund. „Ich liebe dich“, sagte er erneut und aus Irinas Augenwinkel löste sich eine Träne. Sie überwand die letzten Zentimeter, ihre Hände zogen ihn ganz dicht an sich heran und dann landeten ihre Lippen weich auf den seinen. Ansgar umschlang den zierlichen Körper der Dunkelhaarigen und öffnete den Mund um ihrer Zunge Einlass zu gewähren. Sie schmeckte die Reste von Alkohol und Zigarren, doch es machte ihr nichts aus. Die beiden vergaßen die Welt um sich herum, ignorierten, dass sie mitten in der Nacht im strömenden Regen auf dem Bürgersteig standen, die Kleidung am Körper festklebend. Stöhnend fuhren Ansgars Hände unter Irinas Mantel und berührten ihren Oberkörper. Er drängte sie jetzt sanft rückwärts, damit sie unter dem Vordach Schutz fanden. Dann streifte er ihr den Mantel von den Schultern, den sie nur einfach um gehangen hatte. Seine Hände fuhren unter die Träger ihres Negligees und schoben sie ein Stück herunter, sie sachte an die Hauswand pressend. Der dünne Stoff ihres Nachthemdes zeigte mehr als er verhüllte und die Konturen ihres weiblichen Körpers gaben Ansgar den Rest. Er wusste, es war verrückt aber das war ihm egal. Seine Hände glitten zu seinem Hosenbund und er öffnete den Reißverschluss und den Gürtel. Stoff knisterte als die Anzughose ein Stück weit herunterrutschte. Irina hielt kurz inne und sah den Grafen an. Sie wusste, was er vorhatte. Ein Blick in seine Augen genügte um sie kapitulieren zu lassen. Sie ließ zu, dass Ansgar ihr Negligee anhob und sie dann, noch ein Stück stärker an die Wand presste. Als sie ihn in sich spürte und ihm dabei immer noch in die Augen sah, war es, als würde sie innerlich verbrennen. Es war das Absolute. Die Tränen strömten aus ihren Augen und vermischten sich mit dem Regen. Ansgar bemerkte es und sah sie irritiert an. „Es ist alles gut“, flüsterte sie und klammerte sich an ihm fest. Ihre Augen glänzten wie zwei Edelsteine und sie hasste sich innerlich für ihre Sentimentalität aber Ansgar berührte sie so, wie es kein Mann vorher getan hatte.

„I lost control and now it just overflows. When we standing face to face there´s only so much my heart can take. I´m a prisoner in your cage. I´m a runaway. No, I can´t stop.”

Tristan raste durch die Dunkelheit, völlig die Kontrolle verlierend. Es war ihm egal, egal, ob er mit seinem Leben spielte, egal ob er draufgehen würde, alles egal.

Die Scheinwerfer des entgegenkommenden LKWs ignorierend gröhlte er zur der Musik der Kings of Leon und setzte die Flasche erneut an.

Stranded in this spooky town
Stoplight is swaying and the phone lines are down
This floor is crackling cold, she took my heart, I think she took my soul
With the moon I run far from the carnage of the fiery sun
Driven by the strangle of vein showing no mercy I do it again,
Open up your eye, you keep on crying baby, Ill bleed you dry
Skies they blink at me, I see a storm bubbling up from the sea

And it's coming closer
And it's coming closer

You shimmy shook my boat leaving me stranded all in love on my own
Do you think of me? Where am I now? Baby where do I sleep?
Feel so good but I'm old, 2000 years of chasing taking its toll

And its coming closer
And its coming closer
And its coming closer
And its coming closer

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BeitragVerfasst: 01.09.2013, 19:40 
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Kapitel 96: Driven (part two)

“Wenn alles gut ist, warum dann Tränen?”, fragte er. Sie sah ihn leicht beschämt an. „Weil ich gedacht habe, dass es mit uns vorbei ist und dann…“, begann sie und Ansgar legte ihr den Finger auf die Lippen um ihr zu bedeuten, dass es nicht mehr wichtig war was passiert war. „Es ist nicht vorbei, es fängt grade erst richtig an“, flüsterte er. Langsam entzog er sich ihr und zog sich die Hose wieder hoch. „Wir sind verrückt“, lachte sie und hob ihren Mantel vom Boden auf. Ansgar legte ihn ihr um und dann schob er sie sanft vor sich her damit sie zurück ins Haus gehen konnten. „Was? Du willst… Hier? Bei mir?“, fragte sie grinsend und er zeigte nur gespielt befehlend mit der Hand auf die Tür. „Ja, ich durchbreche meine angeborenen Verhaltensmuster“, schmunzelte er.

In dieser Nacht erzählte Irina Ansgar ihr halbes Leben, sprach über ihren Sohn, ihren Bruder, dem sie die Behandlung finanzierte und von ihrem Leben als Prostituierte. Sie berichtete Ansgar, wie ihr Ex-Mann sie mit Schulden hatte sitzen lassen und sie in Deutschland ganz von vorne begonnen hatte. Je mehr er über die Dunkelhaarige erfuhr, desto mehr beeindruckte sie ihn. Sie hatte ein Leben geführt, dass der verwöhnte Graf sich nicht mal in Ansätzen vorstellen konnte und er wollte von nun an alles tun, damit es ihr besser ging.

Für einen Moment dachte er, es wäre aus und er würde hier sterben, einsam und allein auf der Landstraße, doch im letzten Moment riss er das Lenkrad herum. Mit quietschenden Reifen kam der Wagen zum Stehen.

Das Sonnenlicht durchbrach die Vorhänge im Schlafzimmer als Ansgar erwachte. Er sah neben sich und augenblicklich durchströmte seinen Körper ein nie gekanntes Glücksgefühl. Seine Hand strich ganz sachte über ihr dunkles Haar und schon diese Berührung entfachte in ihm ein Feuerwerk. Doch er wollte seine Freundin nicht wecken und so stand er langsam auf und ging ins angrenzende Badezimmer. Es war fensterlos und mit weißen Fliesen ausgestattet. Ansgar zog seine Boxershorts aus und stellte sich unter die Dusche. Als das Wasser über seinen Körper rann, stiegen die Gedanken in ihm auf. Er durchlebte im Geiste die vergangene Nacht noch einmal, konnte förmlich die Hände Irinas auf seiner Haut fühlen und ein Verlangen machte sich in ihm breit. Dieses Mal durfte er es nicht versauen, dieses Mal musste er alles richtig machen, denn er wollte diese Frau nicht verlieren. Er würde keine weitere Chance bekommen, dessen war Ansgar sich sicher.

Gutgelaunt trank Rebecca ihren ersten Morgenkaffee und ließ sich auch von einer keifenden Tanja nicht herunterziehen, die wie immer an den Entwürfen ihrer Chefdesignerin herumkritisierte. Die Firma war zum Übergang in ein neues Gebäude am Medienhafen gezogen, bis man die alten Räumlichkeiten wieder hergestellt hatte. Die Explosion hatte zwar große Teile des Hauses zerstört aber nach sachkundigen Gutachten zufolge, konnte man das Gebäude wieder restaurieren.

Auf einmal holte Rebecca tief Luft und erschrak weil sich zarte Hände um ihr Gesicht legten, ihre Augen verschlossen. Doch sie erkannte ihre Liebste sofort am Geruch und drehte sich erfreut um. Marlene stand strahlend vor ihr und hielt ihr einen Prospekt unter die Nase. „Flitterwochen in New York?“, fragte sie und die Brünette wollte nach dem Flyer greifen doch Marlene hielt ihn blitzschnell hoch, so dass Rebecca nicht dran kam. „Nicht so hastig, meine Schöne“, säuselte sie. „Das heben wir uns für nachher auf, ich möchte dich einladen sobald du mal irgendwann – sie betonte das irgendwann sehr intensiv um zu verdeutlichen, dass Rebecca ein Arbeitstier war, dass meistens aus der Firma rausgeworfen werden musste wenn der Feierabend schon lange vorbei war. „Das ist gemein“, protestierte Tristans Schwester und verzog schmollend das Gesicht. „Das ist nicht gemein das ist eigennützig, denn sonst schwingst du deinen hübschen Hintern ja nie mehr vom Arbeitsplatz weg“, lachte die Blondine und schlug mit der flachen Hand auf eben diesen hübschen Po. „Ja, ja, ich mache pünktlich Feierabend“, versprach die Gräfin und hob die Hand zum Schwur. „Ehrenwort.“

Als er erwachte wusste er gar nicht wo er sich befand. Dann kam die Erinnerung langsam zurück. Stöhnend vor Schmerzen hob er seinen Kopf vom Lenkrad. Vorsichtig probierte er ob er sich noch bewegen konnte, doch er schien nichts Ernsthaftes abgekommen zu haben. Auf einmal wurde ihm übel und er konnte grade noch die Tür öffnen um sich nicht im Auto zu übergeben. Geschwächt ließ sich der Dunkelhaarige anschließend wieder in den Sitz zurückfallen. Er war nicht in der Lage, zurück zu fahren, er war zu überhaupt nichts in der Lage. Sein Kopf tat entsetzlich weh und auch der Schmerz in seinem Herzen war so heftig, dass er weder zurück nach Hause wollte noch sonst irgendwo hin. Seit Bella aus seinem Leben entschwunden war und seitdem er erfahren hatte, dass Marlene und Rebecca heiraten wollten, kam es ihm vor als würde ihm komplett der Boden unter den Füßen weggezogen. Er sah sich im Rückspiegel an und das was er sah erschreckte ihn aufs Heftigste. Tiefe, schwarze Ringe verliefen unter seinen ausgehöhlt aussehenden Augen und rote Äderchen durchzogen das Weiße in neben seinen Pupillen. Seine Wangen waren eingefallen und sein Mund total spröde. Am Kopf hatte er etwas geronnenes Blut, anscheinend von einer Kopfverletzung, die er sich beim Unfall zugezogen hatte. Die Haare klebten ihm am Kopf und standen zum Teil auch wirr ab.

Das Schlimmste aber war wie er sich fühlte. Etwas war in ihm, seinem Kopf, seinen Adern, seinem Inneren, etwas, dass er nur allzu gut kannte und das er fürchtete: Sein zweites Ich, es war zurück.

Tristan spürte, wie er langsam begann, wahnsinnig zu werden.

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BeitragVerfasst: 14.09.2013, 11:44 
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Kapitel 97: The Non - Expected

Sie hatte ihn in der Hand, wusste genau, welche Knöpfe sie drücken musste, damit er funktionierte, ihr das lieferte, was sie verlangte. Es hatte nur einiger Gespräche bedurft, um ihn – anfänglich zögernd – straucheln zu lassen. Dann hatte sie ihn da wo sie ihn hinhaben wollte.

Lächelnd sah Rebecca ihre Freundin an und beobachtete sie dabei wie sie gedankenverloren auf die Speisekarte schaute, so als würde sie nicht wirklich darüber nachdenken, was sie gleich zu Essen bestellen sollte. „Erde an Marlene“, sagte Rebecca und gab der Karte einen Schubs so dass sie etwas hochschnellte. Marlene zuckte zusammen und sah die Brünette erschrocken an. „Gott, musst du mich so…“ fing sie an und riss sich dann sogleich zusammen. „Entschuldige, ich – ich bin noch immer nicht ganz die Alte, nach allem was passiert ist“, gab sie zu. Rebecca spürte ein dezentes Grummeln im Magen, nicht nur vor Hunger sondern auch weil die Erlebnisse mit einem Schlag zurückkamen und das wollte sie auf alle Fälle vermeiden. Sie wollte nicht zurück schauen sondern nur noch nach vorn, sonst würde sie wahnsinnig werden. „Ich weiß“, flüsterte sie daher nur und legte ihre Hand auf Marlenes Arm, auf dem sich der zarte blonde Flaum aufstellte. Sanft strich sie mit der Hand über ihren Unterarm. „Wollen wir lieber nach Hause gehen?“, fragte sie. „Nein“, kam es bestimmt aus Marlenes Mund. „Ich hab schon Hunger, du nicht?“ Ihre Stimme klang jetzt schon fröhlicher und Rebecca war erleichtert darüber. „Ja, sehr gerne. Und später holen wir uns einen schönen Film und machen uns ne Hardcore DVD – Nacht“, schlug sie vor. Marlene lächelte sie an und beugte sich dann vor, um die Lippen ihrer Freundin mit einem Kuss zu umschließen.

Irina sah alle Augenblicke auf die Uhr, konnte es kaum erwarten, bis Ansgar endlich zur geplanten Verabredung erschien. Er wollte sie von zu Hause abholen, sie wollten zusammen etwas essen gehen. Sie überprüfte noch einmal ihr Outfit – eine dunkelblaue Jeans, schmal geschnitten, was ihre Figur gut zur Geltung brachte, sowie ein hellblaues Oberteil mit Paillettenapplikationen – dann war sie zufrieden. Sie hatte Make – up aufgelegt, nicht zu wenig nicht zu viel, grade so, dass es wie ungeschminkt aussah, denn sie wusste, dass Ansgar es nicht mochte, wenn er den Lipgloss mehr auf seinen Lippen wiederfand denn auf den ihren.

Wieder sah sie auf die Uhr und wieder stellte sie fest, dass Ansgar bereits über eine Viertelstunde zu spät war. Das war so komplett entgegen seiner Art und Irina begann, sich Sorgen zu machen. Was war vorgefallen? Angst stieg in ihr auf, Angst, dass Ansgar wieder einen Rückzieher machen könnte, es sich alles noch einmal überlegt hatte, das Leben mit ihr und sie musste sich setzten weil ihr schlecht wurde. Sie wollte nicht zurück in ihr Leben, sie wollte aufhören, endlich aufhören mit ihrem Job als Prostituierte und sich nur noch auf die Assistentenstelle bei LCL konzentrieren. Ansgar hatte ihr einen größeren Betrag überwiesen, den sie nicht hatte annehmen wollen, doch letztendlich hatte sie kapituliert und die Summe an die Gläubiger in Polen geschickt, bei denen sie jetzt aus der Kreide war. Auch für ihren kleinen Bruder wollte Ansgar Geld geben, das Irina aber noch nicht annehmen konnte.

Endlich klingelte es. Erleichtert rannte Irina zur Tür und drückte den Summer, damit Ansgar unten hineinkam, doch es klopfte bereits oben an der Wohnungstür. Sie zupfte noch einmal an ihrem Oberteil, dann öffnete sie die Tür.

Ihr Lächeln erstarb. Es war nicht Ansgar, der vor ihrer Tür stand.

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BeitragVerfasst: 14.09.2013, 22:59 
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Kapitel 97: The Non - Expected (part two)

Es war als wäre er nicht Herr seiner Sinne. Er fühlte sich als wäre er im Körper eines Fremden, gefangen, als hätte etwas von seiner Seele Besitz genommen. Mechanisch zog er sich an. Er funktionierte nur noch wie eine Marionette und ein Blick in den Spiegel ließ ihn erschauern. Ausgehöhlte Augen sahen ihn an, strähnige Haare, die sich um seine Stirn legten, die Lippen trocken und spröde, eingerissen. Es war als würde noch etwas im Spiegel sein, Etwas, das ihm befahl, zu gehorchen, die Dinge auszuführen, die man ihm eintrichterte. Er musste es tun. Sonst würde seine Seele keine Ruhe finden. Niemals.

„Was willst du hier?“, zischte Irina den blonden Mann mittleren Alters an, der vor ihr stand und den sie nur allzu gut kannte. „Dich daran erinnern, dass wir einen Deal miteinander haben.“ „Irrtum, wir HATTEN einen Deal aber ich bin ausgestiegen“, sagte Irina und versuchte, ihre Stimme fest klingen zu lassen. Der Mann trat einen Schritt vor und wollte in die Wohnung treten aber Irinas Arm schoss blitzschnell vor und versperrte ihm den Weg. Herablassend sah er sie an und griff unsanft nach ihrem Handgelenk. „Lass mich sofort los“, schrie Irina. Sie hatte Angst vor Dieter. Sie hatte geahnt, dass er sie nicht so ohne weiteres gehen lassen würde. Ihr Herz klopfte wie verrückt als er sie unsanft hinein in die Wohnung stieß wo sie zu Boden fiel. „Bitte, lass uns doch reden“, sagte Irina und ihre Stimme klang flehentlich. „Ich will jetzt nicht reden“, zischte Dieter und sah Irina mit dem Blick an, den sie schon immer verabscheut hatte. Sie schloss für einen Moment die Augen. Wo war Ansgar? Wieso half er ihr nicht? Warum kam er nicht? Sie brauchte ihn jetzt. Jetzt.

Bella hielt es nicht mehr aus. Sie konnte an nichts anderes mehr denken seitdem sie bei Tristan angerufen hatte, sie konnte nicht schlafen, nicht essen, einfach nichts. Außerdem spürte sie, dass etwas vorgefallen war, etwas, das sie nicht einordnen konnte aber es fühlte sich an, als wäre es etwas Furchtbares. Sie packte notdürftig eine kleine Reisetasche und riss dann ihre Jacke vom Haken. Dann schnappte sie sich den Autoschlüssel ihres Vaters und lief aus dem Haus. Sie wusste, was sie zu tun hatte.

Routiniert fuhr er durch die Straßen Düsseldorfs. Er parkte den Wagen etwas außerhalb auf einem abgelegenen Parkplatz und blieb dann eine Weile im Wagen sitzen. Er sah auf seine Uhr. Zwei Stunden hatte er noch Zeit, doch Zeit war alles, was er nicht ertragen konnte, denn Zeit bedeutete, nachdenken zu müssen, was er nicht konnte, wollte. Er sah hinter sich die Scheinwerfer eines Autos und duckte sie. Je weniger Leute ihn sahen, desto besser.

Ansgar war nervös. Er war über eine Viertelstunde zu spät und das alles weil Kim ihn mal wieder so lange belabert hatte, dass sie Geld brauchte. Völlig entnervt hatte er seiner Tochter eine seiner goldenen Kreditkarten in die Hand gedrückt und war dann in seinen BMW gestiegen. Er raste durch die Stadt bis er völlig gestresst vor dem Haus Irinas anhielt. Er spurtete die Treppen hinauf und sah, dass die Tür offen stand. Etwas stimmte nicht, das merkte er sofort. Der Dunkelhaarige drängte sich an der Wand entlang und lugte dann in die Wohnung hinein. Zu seinem Entsetzen sah er, dass Irina von einem großen blonden Kerl mit schmierigen Haaren an die Wand gedrängt wurde. Er kombinierte blitzschnell und trat einen Schritt vor, ganz leise. Der Mann hatte ihm den Rücken zu gewandt, so dass er ihn nicht sah. Irina jedoch hatte Ansgar gesehen und bemühte sich, sich nichts anmerken zu lassen.

Doch der Narbengesichtige hatte ihren Blick gesehen und drehte sich blitzschnell um.

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BeitragVerfasst: 22.09.2013, 21:03 
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Kapitel 98: Zombie

Doch genauso blitzschnell hatte Ansgar ausgeholt und schlug ihm heftig ins Gesicht, so dass er taumelte, sich versuchte, festzuhalten, doch am Ende zu Boden ging. Blitzschnell schoss Dieter wieder hoch und schlug zurück, Ansgar taumelte seinerseits, fing sich aber wieder und holte erneut aus, der Blonde fiel wieder zu Boden. Ächzend versuchte er von dort, den Grafen am Bein festzuhalten um ihn damit zu stürzen, was ihm auch gelang, doch Irina hatte inzwischen eine Blumenvase von der Fensterbank genommen und ließ sie auf Dieters Kopf prallen. Sie hatte nicht nachgedacht, nicht darüber, ob sie ihn wohlmöglich tötete, denn alles was sie wollte war, dass er sie in Ruhe ließ, aus ihrem Leben verschwand. Dieter röchelte und verdrehte die Augen, dann wurde er ohnmächtig. Irina rannte dann zu dem am Boden liegenden Ansgar und half ihm auf. Er hatte eine blutende Wunde am Kinn und schwankte noch leicht. „Oh Gott, Ansgar soll ich einen Arzt rufen?“, fragte Irina besorgt, doch Ansgar schüttelte den Kopf. „Da ist doch nichts, nur ein paar Kratzer“, gab er an. „Ja, aber das muss doch..“ , begann sie. „Papperlapp, da muss gar nichts. Sag mir lieber was wir mit dem da“, er wies auf den am Boden liegenden Dieter, „machen. Verbuddeln oder du kommst mit zu mir und betrittst deine Wohnung nicht mehr. Wäre auch ne Möglichkeit.“ Ansgar versuchte zu scherzen, doch Irina sah ihn leicht missbilligend an. „Wir sollten einen Krankenwagen rufen“, schlug die Dunkelhaarige vor und wollte ihr Handy greifen. „Lass das“, sagte Ansgar und riss ihr das Telefon aus der Hand. „Das ist doch alles nicht so ganz legal was da gelaufen ist mit dir und ihm als dein – was weiß ich was der ist – auf alle Fälle lassen wir mal schön sämtliche Behörden oder Krankenhäuser da heraus.“ Ansgar war bereits dabei, den großen Mann aus der Wohnung zu ziehen als Irina ihn aufhielt. „Was hast du vor?“ „Na, was schon, den setze ich einfach ins Treppenhaus und gut. Du kommst mit zu mir lässt deine Wohnung mal ein paar Tage in Ruhe. Wenn du etwas brauchst hole ich es dir.“ Irina nickte. Sie schnappte sich ihre Tasche und als Ansgar Dieter an die Hausflurwand gelehnt hatte, ließ sie die Tür ins Schloss schnappen. Ansgar beugte sich vor und überprüfte Dieters Atem und Herzfrequenz. Beides war regelmäßig. Der Graf bemerkte, dass Dieter langsam wach wurde und zog dann Irina schnell mit sich.

Unten beim Auto angekommen musste Irina lachen. „Ich komme mir seltsam vor“, sagte sie. „Wieso?“, fragte Ansgar, der sich bemühte sich seine Schmerzen, die er verspürte, nicht anmerken zu lassen. „Wie so ein Gangsterpaar haben wir uns grade benommen.“ „Willkommen in der Welt des Ansgar von Lahnsteins“, schmunzelte Ansgar und für einen Augenblick sah er ihr tief in die Augen. Irina erwiderte seinen Blick und in diesem Moment wurde dem Grafen erneut bewusst, was er für diese Frau empfand. „Ich liebe dich“, sagte er leise und nahm ihre Hand. Sie lächelte ihn nur an. Sie musste auch nichts sagen. Der Druck ihrer Hand in seiner und der Glanz ihrer Augen als sie ihn ansah reichte ihm völlig. „Lass uns nach Hause fahren“, sagte er nur und startete den Motor.

Nervös sah er auf die Uhr. Sie hätten längst hier sein müssen. Er zog erneut an seiner Zigarette, seine Hände zitterten. Was sollte er jetzt tun? Sollte er noch warten oder sollte er seinen Plan aufgeben? Grade als er den Motor anlassen wollte, sah er zwei Personen auf den Eingang des kleinen Hotels zugehen. Die Hand ruckte wieder zurück und er duckte sich in das Sitzpolster. „Wer sagt´s denn?“, flüsterte er vor sich hin. Seine Stimme klang rau und war voller Genugtuung. Er hatte keine Gewissensbisse, keine Skrupel. Es war das was er tun musste und tun würde. Es gab keinen Zweifel. Danach würde es ihm besser gehen.

Immer wieder sah Marlene ihre Freundin von der Seite an und immer wieder blickte auch Rebecca zu der Blondine. Sie konnten sich einfach nicht auf den Film konzentrieren, wie immer, wenn sie eng aneinander gekuschelt dasaßen. Auch nach den Monaten, in denen sie nun zusammen waren, hatte das Gefühl nicht abgenommen, war sogar noch stärker geworden. Es war fast wie ein Sog, der sie immer wieder zueinander führte, egal, was sie taten oder ob der Andere in der Nähe war oder sie voneinander getrennt waren. Es war, als gäbe es eine innere Verbindung zwischen ihnen, die so stark war, dass nichts sie auseinanderbringen konnte.

„Ich möchte bald die Hochzeit feiern“, sagte Marlene unvermittelt und stoppte den Film. Rebecca sah sie überrascht an. „Wie bald?“, fragte sie. „Lass uns morgen beim Standesamt nachfragen und den nächstmöglichen Termin nehmen“, schlug sie vor. Die Dunkelhaarige grinste und stupste Marlene leicht in die Seite. „Du kannst es wohl gar nicht abwarten?“, fragte sie. „Nein, kann ich nicht. Ich habe so lange gebraucht dafür, dass ich mich zu dir bekennen konnte, ich habe so lange meine Gefühle unterdrücken müssen und wir haben so vieles zusammen durchgemacht, dass ich nicht mehr warten kann und will. Ich möchte, dass alle Welt sieht, dass wir zusammengehören und ich bin doch tief in mir drinnen das kleine Mädchen, dass auf dem Balkon steht und den Reiter auf dem Pferd entgegensieht, der sie schnappt und vom Fleck weg heiratet, oder wie ging diese Geschichte?“ Rebecca prustete los. „Nur, dass in deinem Fall der Reiter eher eine Reiterin ist und sie kommt auch nicht auf dem Pferd sondern bestenfalls auf dem Motorrad.“ Fast verschluckte sich die Gräfin an einem Chips und auch Marlene lachte laut los. „Mir egal, mir total egal, auf was du daherkommst. Du bist die Frau, mit der ich mein Leben verbringen will und ich kann es gar nicht erwarten, bis wir beide auf allen Klatschblättern der ganzen Welt um die Wette strahlen an unserem Hochzeitstag.“ „Ich dachte, wir wollten die Verpartnerung im kleinen Kreis abhalten?“, fragte Rebecca leicht irritiert. „Ja, das vielleicht schon aber deswegen darf ich doch ein kleines, ein klitzekleines Interview…“, grinste Marlene. Rebecca sah ihre kleine Diva an und zog sie dann an sich. „Ja, darfst du, du kleine launische Zicke“, flüsterte sie zärtlich und dann verschmolzen ihre Lippen zu einem leidenschaftlichen Kuss.

Für einen Moment kam der Zweifel. Für einen Moment hatte er Angst. Für einen Moment wollte er einfach nur den Motor anlassen und wegfahren. Ganz weit weg. Er sah in den Rückspiegel. 'Was willst du? Willst du endlich, dass es aufhört? Dann musst du es tun?' schien sein Innerstes zu sagen. „Ich weiß nicht was richtig ist“, flüsterte er vor sich hin und vergrub sein Gesicht in den Händen um dem Anblick seines Spiegelbildes zu entgehen. 'Tu es. Tu es. Du wirst danach frei sein. Endlich frei', befahl seine innere Stimme. „Ja.“ Entschlossen richtete er sich auf. „Ja. Ich werde frei sein.“

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BeitragVerfasst: 27.09.2013, 23:30 
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Kapitel 98: Zombie (part two)

Sie raste über die Autobahn, die Musik bis zum Anschlag aufgedreht und hatte Angst. Angst, dass sie zu spät kam, Angst, dass es zu spät war. „Closer“, einer von Tristans Lieblingssongs erklang aus den Boxen und sie fühlte förmlich, wie die Musik durch ihre Adern strömte und ihr ganzes Inneres aufwühlte so wie immer wenn sie „seine“ Songs hörte. Bella konnte einfach nicht glauben, dass sie so lange gezögert hatte. Sie hatte Tristan doch geliebt, liebte ihn immer noch. Wie hatte sie aufgeben können? Lass es nicht zu spät sein, bitte, lass es nicht zu spät sein, betete sie in Gedanken vor sich hin. Wenn sie Tristan erreichen konnte bevor etwas Schlimmes passierte, dann würden sie ganz neu anfangen, nichts würde mehr zwischen ihnen stehen. Bella glaubte ganz fest daran. Wieder drückte sie das Gaspedal bis zum Anschlag durch. Sie musste einfach rechtzeitig genug da sein – rechtzeitig – ja, wofür eigentlich? Die Rothaarige wusste es selbst nicht so genau, sie spürte nur ganz deutlich, dass sie zu Tristan musste – bevor es zu spät war.

Irina lächelte Ansgar an als sie mit ihm gemeinsam das Foyer des kleinen romantischen Hotels betrat. Sie freute sich sehr über die Überraschung, die er für sie ausgesucht hatte. Ihre schmale Hand suchte die seine und drückte sie. Ansgar spürte, wie Tränen in ihm aufstiegen als er die Freude in Irinas Augen sah, dass sie die kommende Nacht hier verbringen würden. Er blieb stehen und zog sie an sich, mitten in der Eingangshalle. „Ansgar, kannst du nicht mal bis oben warten?“, lachte sie aber ließ es sich gefallen, dass der Dunkelhaarige seine Hand unter ihren leichten Mantel schob. Ja, es machte sie an, dass alle sie sehen konnten. Sie wollte sich nicht länger verstecken oder schämen, sie wollte, dass alle Welt sah, dass sie glücklich war – mit Ansgar von Lahnstein – und es war ihr egal, ob die Leute dachten, dass er ein Arschloch wäre oder ob sie ihn verachteten weil er in seinem Leben schon so viele Dinge falsch gemacht hatte. Sie fühlte sich so unbeschwert und frei wie schon sehr sehr lange nicht mehr. „Nein, kann ich nicht“, raunte er in ihr Ohr. Sein Mund kitzelte an dem zarten Flaum der Muschel und entfachte in Irinas Innerem einen aufkommenden Sturm. „Ich will dich“, flüsterte er in ihr Ohr und der Händedruck der Dunkelhaarigen wurde stärker und ihr Verlangen nach Ansgar ebenso. „Ich will dich auch“, flüsterte sie zurück und schob ihre Hand zwischen Ansgars Beine was ihn erstaunt eine Augenbraue hochheben ließ. Der leichte polnische Akzent, der ihn schon von Anbeginn angezogen hatte, machte ihn jetzt schier verrückt und die Hand seiner Freundin tat ihr übriges. „Zu schade, dass wir erst noch einchecken müssen“, sagte sie dann und schob ihn leicht von sich. Ansgars Augenbraue wanderte erneut nach oben. Er begriff das Spiel der Dunkelhaarigen und sein Mundwinkel zuckte wie es seine Art war wenn er gierig war. Irina ging vor ihm zur Rezeption, lehnte sich ein Stück zu weit über den Tresen, so dass auch der Herr, der hinter dem Tresen stand, Einblick in ihr Dekolleté bekam, was Ansgar noch weiter aufstachelte und sagte: „Wir hatten reserviert. Auf den Namen Ansgar von Lahnstein.“ Es machte Irina Spaß zuzusehen, wie der Hotelangestellte sofort seinen Gesichtsausdruck und seinen Tonfall veränderte als er den Namen „von Lahnstein“ hörte und so langsam begann sie sich an das Leben als Freundin des großen Grafen zu gewöhnen.

„Du weißt was zu tun ist?“, herrschte ihre eiskalte Stimme ihn an und er nickte obwohl sie es nicht sehen konnte. „Hast du mich verstanden?“ Erneut nickte er. „Ich rede mir dir? Bist du senil oder taub oder beides?“ Jetzt kam Bewegung in ihn. „Ja, ich weiß was ich zu tun habe“, wiederholte er leicht genervt. „Gut“, kam es langgezogen vom anderen Ende. Dann wurde aufgelegt. Der junge Mann stieg aus dem Auto und ging langsam zum Eingang des Hotels. Er war aufgeregt. Er zitterte. Er fror. Er war einsam. Allein. Und dann stieg vor seinem geistigen Auge ein Bild auf, ein Bild, was er nicht unterdrücken konnte. Es ließ sich nicht wegwischen, so sehr er es auch versuchte. Es blieb. Eingebrannt. In seinen Kopf. Er drehte um. Ging zurück. Er verlor den Mut.

Was tat er hier?

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BeitragVerfasst: 04.10.2013, 23:06 
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Kapitel 99: Gone now

Sein Atem kam nur noch stoßweise. Das Verlangen steigerte sich ins Unermessliche. „Ich will dich“, raunte er in ihr Ohr, während er sie an die Wand drückte. „Da steht ein Bett“, flüsterte sie, wusste aber zugleich, dass er zu aufgeheizt war um mit ihr die romantische Nummer durchzuziehen. „Wie langweilig.“ Provozierend fasste er ihre Hände und hielt sie fest. Sie kannte dieses Spiel. Es war ein immerwährendes Demonstrieren der vermeintlichen Macht aber Irina störte sich nicht daran. Sie wusste, dass er auch anders konnte, sie wusste, er liebte sie. Als sie seinen Mund auf ihren Lippen spürte, ließ sie sich fallen. Sie hatte es lernen müssen, lernen, jemandem zu vertrauen, denn sie hatte jahrelang nur mit Männern für Geld geschlafen. Doch das war vorbei. Sie vertraute Ansgar. Das tat sie wirklich. Irina war glücklich. Zum ersten Mal in ihrem Leben.

Ihre Augen schienen durchlässig wie ein kristallklarer See oder die Regentropfen auf den sich biegenden Blättern nach einem warmen Sommerregen. „Marlene“, flüsterte sie leise. „Alles, was wir zusammen durchgemacht haben, alles was gegen uns gesprochen hat…“ „Ja?“ Die Stimme der Blondine war fragend, obwohl sie ahnte, was ihre Freundin sagen wollte. „Das Alles hat uns nichts anhaben können. Unsere Liebe war stärker. Als alles andere. Ich weiß, das ist kitschig aber das ist, was ich empfinde. Und ich weiß, dass wir für immer zusammenbleiben werden. Marlene, ich liebe dich.“ Obwohl Rebecca der Gräfin diese drei Worte so oft gesagt hatte, lief noch immer ein Schauer über Marlenes Rücken, eine Gänsehaut bereitete sich auf ihren Armen aus. „Ja. So ist es. Und es ist nicht kitschig, Rebecca, sondern wunderschön.“ Langsam bewegten sich ihre Lippen wieder aufeinander zu und dann küssten sie sich stürmisch. Rebeccas Hände wanderten unter Marlenes Shirt und ziemlich rasch landete dieses auf dem Fußboden. Danach folgte Marlenes Hose und auch die Kleidungsstücke der Brünetten mischten sich dazu. Etwas unsanft drückte Rebecca Marlene nach hinten, so dass sie auf dem Bett zum Liegen kam. Marlene sah ihre Freundin an und ihr gefiel was diese tat. Sie liebte es, wenn sie ab und an die Dominante gab. Sie erwiderte Rebeccas lustvollen, fast gierigen Blick und dann waren die Hände der Dunkelhaarigen überall, vollzogen eine Wanderung über den schlanken, fast muskulösen Körper der ehemaligen Sängerin, ließen kein Körperteil aus. Marlenes Beine spannten sich als die Dunkelhaarige an ihr Ziel kam. Doch dann ließ sie sich fallen, vergaß alles andere um sich herum und tauchte ein in das Gefühl, dass alles nebensächlich werden ließ, ein Gefühl, dass sie immer und immer wieder erleben wollte. Mit Rebecca. Für immer.

Entrücktheit. Das Gefühl, als könnte man alles schaffen. Das Verstehen ohne Worte. Das Spiegelbild der eigenen Seele. Er hatte es gehabt. Alles. Um es dann wieder zu verlieren.

Tell them all I know now
Shout it from the roof tops
Write it on the sky line
All we had is gone now
Tell them I was happy
And my heart is broken
All my scars are open
Tell them what I hoped would be
Impossible, impossible


Die Tränen stiegen in seine Augen. Erneut wurde ihm bewusst, was er verloren hatte. Zu den Bildern einer Frau und eines Mannes, die zusammen eins waren, körperlich sowie geistig, völlig abgehoben, losgelöst von der Außenwelt, gesellte sich ein anderes: Das des einsamen Mannes, gebrochen, hilflos und für immer allein, unverstanden, ungeliebt, verlassen. Er blieb stehen, kurz bevor er beim Auto angekommen war. Dann drehte er sich abrupt um und rannte los.

„Der Schmerz wird dumpfer und dumpfer, bis er irgendwann nicht mehr zu spüren ist. Ganz weg geht er nie.“

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