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BeitragVerfasst: 28.01.2010, 16:13 
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BeitragVerfasst: 28.01.2010, 17:32 
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da wurd mir grad aber heiß ;) :oops: :spitze:


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BeitragVerfasst: 29.01.2010, 07:24 
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Guten Morgen. Da wird einem wirklich " warm". Da
reicht der Kuss auch nicht mehr aus.... :wink:


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BeitragVerfasst: 29.01.2010, 22:47 
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„Schon so spät. Ich sollte mich langsam auf den Weg machen, sonst gibt’s Ärger“, sagte sie. Ich nickte enttäuscht.

Am liebsten hätte ich die ganze Nacht durch mit ihr geredet und mehr, mehr und immer mehr erfahren wollen – über die Farben, die sie mochte, was sie von der US-Politik hielt, was sie an Kunst faszinierte, ob sie gerne Austern ass, Wasserski fuhr, mit wie vielen Männern sie geschlafen hatte, ob sie eher nach ihrer Mutter oder ihrem Vater kam, welche Musik sie hörte, wo sie am 11. September gewesen war, ob sie am Morgen nach dem Aufstehen ihre Ruhe haben wollte oder ihre Umgebung voll quasselte, ob sie auch mal ein Bier trank, ihre Kinder im Dreck spielen liess, auf Schweizer Internaten zur Schule gegangen und in Geige unterrichtet worden war, sich über Globalisierungsgegner ärgerte, regelmässig in die Kirche ging, O.B. oder Tampax benutzte, gelegentlich nach Verona reiste, um sich in der Arena eine Oper anzuhören oder ob sie je eine Frau geküsst hatte, küssen wollte…

„Zahlen, bitte!“, winkte sie die junge Kellnerin heran. Diese kam etwas widerwillig der Aufforderung nach, obschon kaum mehr Gäste in der Bar waren. Der Rhein hatte auf sie offenbar keine positive Wirkung.

„Alles zusammen“, sagte Carla Berenstein.

„Fünf Glas Chardonnay, zwei Mal Antipasti, Mineralwasser… also… das macht 53.40“, erwiderte die junge Frau gelangweilt.

„56“

„Hm“, murrte die Kellnerin, die das Trinkgeld offenbar als zu knausrig erachtete. Meiner Meinung hatte sie gar keines verdient.

„Machen Sie diesen Job hauptberuflich?“, fragte Carla Berenstein leicht gereizt.

„Ja, wieso?“

„Weil man das nicht merkt“, erwiderte sie kühl.

Die junge Dame zuckte nur mit der Schulter und schlurfte davon.

Wir mussten lachen.

„Was hätten Sie gesagt, hätte sie den Job nicht hauptberuflich gemacht?“, wollte ich wissen.

„Dass man es merkt…“, gab sie zur Antwort.

„Logisch!“, grinste ich.

Wir gingen zur Strasse, um Ausschau nach einem Taxi zu halten. Den Chauffeur hatte sie in den Feierabend entlassen, nachdem er uns hierher gebracht hatte. Ein Auto mit offenem Fenster fuhr langsam an uns vorbei, aus dessen Radio die Stimme von Nina Simone erklang: „…want a little sugar in my bowl… want a little sweetness… down in my soul….”

“Dieses Lied… kennen Sie es?“ Ich nickte. „Es lässt einen ganz wehmütig werden… eine wunderbare Frau – leidenschaftlich, mit Wut im Bauch. Vor Kurzem ist sie verstorben, nicht?“, fragte sie.

“Ja, im April glaube ich…“

Wir sogen die warme Luft tief in unsere Lungen. Es war noch immer schwül – wie fast jeden Abend in diesem ungewöhnlich heissen Sommer.

Ich schloss kurz die Augen. Als ich sie wieder öffnete, sah ich sie, mich ansehen. Ich lächelte und blickte verlegen auf den Boden. „Danke für den wunderschönen Abend...“

„Der Dank gilt meinerseits. Ich hab schon lange nicht mehr so viel gelacht und mir gefällt ihre Denkweise. Sie vertreten Ansichten, die man nicht jeden Tag so hört. Ich mag das…“

„Ich mag Sie auch, sehr sogar…“, platzte ich heraus, mir dessen bewusst, dass dies nicht die gleiche Aussage wie die ihre war, aber das war mir in dem Moment egal.

„Sie sind süss… da… ein Taxi… Nehmen Sie es, ja, und sagen dem Chauffeur er soll ein zweites herschicken.“

„Nein, nein, Sie haben den weiteren Weg und ich kann zur Not auch zu Fuss gehen…“

Sie winkte das Taxi heran und reichte mir die Hand: „Gut, wenn Sie meinen. Schlafen Sie gut. Bis morgen.“

Ich genoss die Sanftheit ihrer Hand in der meinen. „Gute Nacht, Frau Berenstein, und danke…“

Sie stieg ein. Das Taxi fuhr los. Ich sah ihm nach bis es in der Dunkelheit verschwand.

„Bis morgen“, flüsterte ich leise.


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BeitragVerfasst: 29.01.2010, 22:52 
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Leidenschaftlich, mit Wut im Bauch. So war sie wahrscheinlich, Nina Simone, die wohl zeitlebens nie den Schmerz und die Demütigung überwunden hatte, die ihr wegen der „falschen“ Farbe ihrer Haut und dem „falschen“ Geschlecht zugefügt worden waren. Maluspunkte auf der Skala des Menschseins, die einem vermeintlichen Naturgesetz folgend vergeben werden, und das für ein Leben lang. Dabei haben wir alle nur dieses eine Leben (na ja, nach meinem Verständnis jedenfalls).

Ich entschied, kein Taxi zu nehmen und schlenderte nach Hause.

Der Mensch ist ein seltsames Tier, das seltsamste, aber auch das faszinierendste, dachte ich. Vordergründig kann ich dieses Wesen nicht ausstehen, in Wahrheit aber liebe ich es; dieses Wesen, das Wissenschaft und Kunst hervorgebracht hat, Götzen und Götter verehrt (was allenfalls dasselbe ist), sich in endlosen Gedichten der Liebe hingibt, philosophiert, sich über Witze kaputt lacht, Sinfonien komponiert, sich an Weltschmerz leidend selbst zermartert, für nichts und wieder nichts herumblödelt, revolutioniert, in Sehnsucht zergeht.

Und was um alles in der Welt macht es evolutionsbiologisch für einen Sinn, in Sehnsucht zu zergehen? fragte ich mich als naturwissenschaftlich denkender Mensch.

Musste man diesem Wesen nicht trotz allem erliegen? Vielleicht blickte ich auf den Menschen aber auch nur deshalb so grosszügig, da ich – wie es in der Natur der Sache liegt – Richterin und Partei gleichzeitig war.

Ob Carla Berenstein Wut im Bauch hatte? Und wenn ja, warum?

Plötzlich kam mir in den Sinn, dass ich Christian noch anrufen sollte. Seit ich in Düsseldorf war, schenkte er mir unendlich viel Aufmerksamkeit, überhäufte mich mit SMS, rief pro Tag mindestens fünf Mal an und musste mich immer vor dem zu Bett gehen telefonisch eine gefühlte halbe Stunde lang in den Schlaf küssen.

Gestern Abend sollte ich ans Fenster gehen und sehen, ob ich den Mond entdecken konnte.

„Siehst du ihn?“, fragte er.

„Hmm, Moment, ah ja… da ist er“, erwiderte ich.

„Schau zu ihm! Schaust du zu ihm?“

„Aber ja! Willst du mir nun den Schlager vorsingen… den, du weisst schon… den mit dem Mond, auf dem keine Rosen blühen und so?“, zog ich ihn auf.

„Ach Stella… du bist so unromantisch. Siehst du denn nicht: Unsere Blicke treffen sich genau in diesem Augenblick auf dem Mond – in den Weiten des Alls. Wir sind vereint. Kannst du es denn nicht fühlen?“

„Ja, ich fühle es, mein Geliebter…“, sagte ich. Und in diesem Moment hatte ich mich ihm unendlich nah und wahrhaftig gefühlt.

Ein süsser Schmerz machte sich breit in meiner Brust...

Wie hatte sie zu mir gesagt? Sie sind süss? Ich fühlte mein Herz einen Luftsprung machen. Wie schön... Oh Gott, ich war in Gedanken bereits wieder bei ihr.

Mein Inneres verkrampfte sich. Was passierte nur mit mir? Christian schien wie zu ahnen, dass das Ende unsere Liebe hinter der Tür stand und nur darauf wartete, eingelassen zu werden. Ein Stich durchfuhr mein Herz. Tränen stiegen in mir hoch. „Es tut mir leid, Chris, unendlich leid…“, sagte ich laut vor mich her, ohne darauf zu achten, dass zwei Passanten entgegenkamen…. In diesem Moment klingelte mein Blackberry.

„Stella, ich bin‘s“, hörte ich Christian sagen. „Alles klar?“

„Ja, Chef, alles klar“, sagte ich mit kontrollierter Stimme. „War grad mit meiner Chefin einen Apéro trinken…“

„Und wie war‘s?“

„Och, ganz nett.“

„Das freut mich für dich. Ist tatsächlich ausgesprochen nett von ihr, dass sie sich nach Feierabend noch Zeit für einen Apéro nimmt. Sieht sie eigentlich gut aus?“

„Ja, sie sieht gut aus. Ist aber nicht mein Typ. Blond, weisst du… also dunkelblond.“

„Aber ich steh in der Regel auch weniger auf blond und dennoch bist du sehr mein Typ, na ja, um nicht zu sagen meine Traumfrau…“

„Das will ich doch hoffen, dass ich deine Traumfrau bin!“, ermahnte ich ihn mit gespielt strenger Stimme. Glücklicherweise wollte er nicht weitere Einzelheiten über sie wissen.

„Rufst du mich an, wenn du zu Hause bist…? Nur damit ich sicher bin, dass du auch gut heim gekommen bist, ja?“

„Klar doch. Bis nachher.“ Ich wollte schon auflegen, da hörte ich ihn flüstern:„Ich freue mich auf Düsseldorf. Ich liebe dich… Ich liebe dich über alles.“

„Ich liebe dich auch. Jetzt muss ich mich aber auf den Nachhauseweg konzentrieren, sonst komme ich nicht vor Morgengrauen heim.“

Wir legten auf. Nach fünf Sekunden klingelte es erneut. „Geliebte, ich bin es nochmal. Ich wollte dir nur sagen: Pass auf dich auf und nicht vergessen anzurufen, sobald du zu Hause bist, ja!“

„Aber ja doch. Das werde ich.“

„Stella, ist alles in Ordnung? Du klingst irgendwie traurig.“

„Nein, nein, wie kommst du denn darauf? Das kann höchstens am Wein liegen oder an meinem krampfhaften Bemühen, den Weg zu finden.“

„Ok, ich lass dich. Anrufen nicht vergessen. Versprochen?“

„Versprochen.“


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BeitragVerfasst: 29.01.2010, 23:03 
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„Ausgezeichnete Arbeit! Habe nur wenige Änderungen gemacht. Sind von Hand markiert. Bitte noch anpassen, Danke“, stand auf der ersten A4-Seite meines Entwurfs für das Referat, das sie am Investorentag der Bank halten würde. Ich hatte für ihre Rede und der dazugehörenden Powerpoint-Präsentation jede Menge recherchiert sowie entsprechende Grafiken erstellt und das jeweils bis tief in die Nacht. Dass ich einen derartigen Aufwand betrieben hatte, behielt ich natürlich für mich. Sie sollte vielmehr denken: Was für ein „Genie“ ihre Assistentin doch ist...!

Ich war überglücklich, dass sie zufrieden war.

Sie musste bereits am frühen Morgen im Büro gewesen sein und mir den Draft hingelegt haben. Jetzt war sie, wie ich wusste, an einer Sitzung mit ihren Brüdern. Ich machte mich schnurstracks an die Änderungen, wobei ich dennoch ausgiebig Zeit fand, ihre Schrift zu bewundern, die zu meiner Überraschung einen Tick verspielt war. Ich liebte ihre Schrift.

Oder besser: Ich war einfach in alles verliebt, was mit dieser Frau zu tun hatte, war selbst darüber glücklich, im selben Raum sein zu können wie sie, dieselbe Luft zu atmen, denselben Leuten auf den Gängen zu begegnen, denselben Fahrstuhl nutzen zu können…

Ich druckte die korrigierte Version aus und schlurfte rüber in ihr Büro. Ein Hauch ihres Parfüms lag in der Luft… Ich legte den Ausdruck auf ihren Tisch und schrieb auf ein Post-it, wo das elektronische Dokument auf dem Server zu finden war. Meine Augen wanderten über den Tisch, auf dem Researchberichte lagen, Zeitungen sowie ein edler Füllfederhalter, der einige Jährchen auf dem Buckel zu haben schien. Wahrscheinlich ein Einzelstück… Hatte sie mit diesem meinen Vertrag unterschrieben? Wie schön! Mein Blick wanderte weiter zu den Fotos. Ich nahm sie in die Hand, stellte sie aber unverzüglich wieder hin in der Angst, sie könnte unerwarteterweise zurückkommen.

Ich starrte auf die Bilder: Schöner Mann, ihr Stecher, stellte ich angewidert fest. Alles andere wäre auch eine Überraschung gewesen, gestand ich mir ein. Sie hatte Geschmack – in jeder Hinsicht. Typ französischer Schauspieler, dessen oberstes Ziel es war, jede Frau zu verführen, die ihm verführenswert erschien und das im Wissen, dass ihm keine widerstehen können würde: Braune Haut, schwarzes, gewelltes, nach hinten gekämmtes Haar und eine Strähne, die ihm lässig ins Gesicht fiel; markante, breite Nase; hohe, elegante Wangenknochen; sinnliche Lippen und umwerfend schöne, schwarze, katzengleiche Augen. Das Dunkelgrün des sportlichen Pullovers über dem schneeweissen Hemd unterstrich seinen Teint.

Was er ihr gesagt haben mag, das sie derart amüsiert hatte, als wir im Bentley unterwegs gewesen waren, dieser eingebildete Crétin?

Neben ihm stand ein blondgelockter Teenager, der seinen Vater verehrte, wie man unschwer erkennen konnte. Das Mädchen war brav und adrett gekleidet. Auf seinem Schoss sass ein zweites Kind, vielleicht fünf oder sechs Jahre alt, genauso dunkel wie der Papa, aber der Mutter wie aus dem Gesicht geschnitten. Der mürrische Blick verriet, dass sie die Rotznase der beiden Schwestern sein musste. Sie war mir augenblicklich sympathisch.

Das Bild kam einer Inszenierung gleich und erinnerte mehr an ein Gemälde als an eine Fotografie. Offenbar hatte man sich den Fotografen etwas kosten lassen.

Das zweite Foto war dagegen schlicht. Darauf umschlang Carla Berenstein ihren Mann von hinten. Beide lächelten in die Kamera. Meine Stimmung sank ins Unterirdische. Tränen schossen mir in die Augen.


23

Ich sass an meinem Bürotisch und schrieb eine Email an eine Freundin, bei der ich mich über die viele Arbeit ausliess – wobei mein Ärger eigentlich Carla Berenstein und ihrem Gatten galt –, als ich sie ins Büro zurückkommen hörte. Sie knallte einen Stapel Papier auf den Tisch und stöhnte kurz auf. „Frau Martens, bringen Sie mir eine kühle Cola, bitte – ohne Eis und ohne Zitrone“, sagte sie in den Lautsprecher der Telefonfreisprechanlage. „Ohne Eis und Zitrone – also wie immer“, hörte ich die Stimme von Martens via Sprechanlage nur trocken antworten. Die Tür ging auf. Frau Martens kam mit einer Cola, schenkte der Chefin ein Glas ein und stellte die Flasche etwas unsanft auf den Tisch: „Ohne Eis und ohne Zitrone“, betonte sie nochmals. Sie kam zu meinem Büro rüber, streckte den Kopf durch die Zwischentür und fragte, ob ich auch was wolle.

„Haben Sie einen Tee gegen Übelkeit?“, fragte ich.

„Oh je, geht es Ihnen nicht gut? Sie sehen blass aus. Ist Ihnen ein Gespenst begegnet?“

„Kann man so sagen…“, erwiderte ich.

„Ich werde schauen, was ich finde. Brauchen Sie Medikamente?“

„Nein, nein, nur nen Tee. Ist nur ne kleine Verstimmung.“

„Gut, ich bringe Ihnen sofort einen, ja“.

„Merci, lieb von Ihnen.“

Sie ging wieder ins Büro der Chefin. „Die Luft hier drin ist so dick, dass man sie schneiden könnte“, sagte sie zu ihr in einem leicht provozierenden Unterton.

Die Chefin ging auf den Wink betreffend dicker Luft nicht ein und nörgelte nur:„Kein Wunder bei den Klimaanlagen, die nicht richtig funktionieren wollen.“

„Dann öffnen Sie doch einfach die Fenster.“

„Bei der Hitze, ich bitte Sie, Bernadette.“

„Aber, Carla, geniessen Sie doch den Jahrhundertsommer!“

Ich musste fast laut lachen. Die beiden siezten sich, redeten sich aber hin und wieder mit Vorname an. Das war mir vielleicht eine Gesellschaft, in die ich hier geraten war.

„Das wäre einfacher, wenn mein Bruder nicht so bescheuerte Geschäfte um jeden Preis durchboxen wollen würde“, erwiderte Madame. „Frau Frank, kommen Sie bitte mal!“

Ich ging zu ihr, wie mir befohlen. „Setzen Sie sich kurz!“ Ich setzte mich. „Das alles ist streng vertraulich. Es geht um folgende Bank“, sie schob die Unterlagen zu mir über den Tisch rüber. „Massimiliano hat sich in den Kopf gesetzt, sie zu übernehmen. Meiner Meinung ist der Preis, den er bezahlen will, zu hoch. Deren Profitabilität ist geringer als die der unsrigen, auch überschneiden sich die Geschäfte geografisch zu stark. Schauen Sie sich die Due Dilligence durch, die wir haben machen lassen und prüfen Sie sie auf Plausibilität. Ich weiss, Sie sind keine Expertin in diesen Dingen, aber gerade der unvoreingenommene Blick hilft oft weiter.“

„Klar, mach ich, aber wie Sie selbst sagen: Ich bin keine Expertin. Vor diesem Hintergrund stellt sich doch die Frage, ob es tatsächlich weiterhilft, wenn ich eine Plausibilitätsprüfung mache … Ich meine… Ich will nicht klemmen, aber…“, sagte ich und guckte betont unschuldig zu Frau Martens.

Diese lächelte mich an und sah sodann mit einem „hat-sie-nicht-recht-Carla?“-Blick zur Chefin.

„Aha, daher weht der Wind. Ich hab mir neben Frau Martens noch ein zweites subversives Element in meine Entourage geholt…“, sagte sie schmunzelnd und zog ihre wunderschöne Augenbraue hoch, so elegant, wie nur sie das konnte. „Sie haben ja recht. Ist nicht plausibel. Ich gebe mich geschlagen“, meinte sie versöhnlich. In Wahrheit hatte sie wohl nur testen wollen, wie ich auf einen sinnlosen Auftrag reagieren würde. Schliesslich fragte sie mich doch noch:„Hatten Sie gesagt, dass es Ihnen nicht gut gehe?“

„Ach, der Magen.“

„Sie brauchen vielleicht etwas frische Luft.“

„Ja, das wird es sein“

„Ich sag ja, Klimaanlage abstellen und Fenster öffnen“, lachte Frau Martens breit. „Ich hol Ihnen Ihren Tee.“

Carla Berenstein öffnete die Fenster. „Kommen Sie, tief einatmen… Lassen Sie die Abgase unserer bezaubernden Stadt ihre Lungen streicheln. Frau Martens meint, das hilft…“

„Wie Sie wissen, liebe ich Autogestank. Schon vergessen?“

„Nein, ich habe bislang keiner Ihrer Worte vergessen… “, und ich meinte, dass sich ihre Stimme für einen Sekundenbruchteil veränderte hatte, etwas rauer wurde. Vielleicht bildete ich mir das aber auch nur ein.


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BeitragVerfasst: 29.01.2010, 23:05 
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Es klopfte. „Ja, bitte“, rief Carla Berenstein.

„Oh, guten Tag“, sagte die gutaussehende, ältere Dame als sie mich sah, und zur Chefin: „Hallo Carla“.

„Andrea, meine Liebe… Ihr kennt euch ja noch gar nicht. Darf ich vorstellen, das ist meine neue Assistentin, Frau Frank. Frau Frank, Frau Salzgeber. Sie leitet das Research-Team und sitzt mit im Aufsichtsrat der Bank.“

„Angenehm, Frau Salzgeber“, erwiderte ich und reichte ihr die Hand.

„Es ist mir ein Vergnügen. Ich habe schon gehört, dass Carla eine äusserst kompetente, junge Assistentin an Bord geholt hat.“

„Das hört man doch gerne. Vielen Dank“, sagte ich höflich. Danach wollte mir nichts mehr einfallen und ich begann etwas unbeholfen das Gewicht von einem Fuss auf den anderen zu verlagern. „Dann lass ich Sie beide mal…“, meinte ich, nickte der Chefin und ihr zu und trat den Rückzug in mein Büro an.

„Carla, mein Schatz, wie von dir gewünscht, habe ich Teo nochmals mit Research-Material aufgerüstet, das ihn nun doch auch überzeugt hat. Er ist auf unsere Seite. Max wird sich seine Akquisitionsträume definitiv abschminken müssen“, hörte ich sie sagen.

„Da bin froh. Gut gemacht. Danke Andrea. Max wird es uns früher oder später auch danken. Eigentlich hatte er noch immer auf mich gehört, aber in dieser Sache stellt er sich stur.“

„Na ja, Sturheit liegt in der Familie, würde ich mal sagen… Oh la la, das ist aber ein hübsches Foto von deinem Liebsten und den Kleinen. Das kenne ich noch gar nicht.“

„Das steht schon lange da. Du scheinst deine Umwelt nicht gerade mit Aufmerksamkeit zu verwöhnen… in letzter Zeit...“

„So würde ich das nicht nennen, aber dennoch: Wie konnte ich das übersehen…? Du fotografierst ausgezeichnet. Kompliment.“

„Danke!“

„Und wann komme ich in den Genuss, von der besten Fotografin der Stadt ins Visier genommen zu werden oder besser, ich und meine neue Eroberung?“

„Jederzeit… unter der Voraussetzung, dass ihr während der Session brav seid!“

„Ich bitte dich... dafür ist mir dein Blick zu streng. Und Carla, sag mal, die Kleine….“, unverzüglich senkte sie die Stimme, sodass ich nichts mehr verstehen konnte.

Die Kleine? Hatte ich richtig gehört?

Carla Berenstein beendete das Getuschel sogleich: „Andrea, mein Schatz, ich muss weiter arbeiten.“

„Bin schon weg… Auf Wiedersehen, Frau Frank“, rief sie mir durch die Zwischentür winkend zu.

„Auf Wiedersehen, Frau Salzgeber.“


Zuletzt geändert von anyone am 06.02.2010, 03:17, insgesamt 1-mal geändert.

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BeitragVerfasst: 29.01.2010, 23:10 
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25

„Frau Frank, könnten Sie mir rasch helfen? Ich krieg das Ding hier nicht auf“, wandte sich Carla Berenstein an mich. Wir standen in der Umkleidekabine: Sie, ich – und ein Dutzend anderer Damen. Madame war bereits umgezogen gekommen, während ich mich – wie es sich für das gemeine Fussvolk ziemt – in der Kabine ins Fussball-Tenue gestürzt hatte; dunkelblaues Shirt, weisse Shorts und dunkelblaue Socken: Nicht schwierig zu erraten, dass unser Team unter dem Namen „Azzurri” an den Start gehen würde. Ich war etwas albern drauf und konnte es kaum erwarten mit ihr auf dem Rasen herumzurennen, einen Ball nach dem anderen ins Tor zu versenken und sie in Fussballmanier abzuküssen, nachdem sie mich selbstverständlich zuvor in ebenfalls besagter Manier bespringen und ihre Beine um meine Taille geschlungen haben würde… Man durfte ja noch träumen…

Einen ersten Dämpfer hatte ich indes bereits kassiert. Denn: Ich hatte mir nichts sehnlicher gewünscht, als nach einem anstrengenden Sporttag mit ihr duschen zu können, selbst im Kollektiv. Aber das war mir nun offensichtlicherweise vergönnt. Ich beschloss dennoch, mir deshalb nicht die Laune verderben zu lassen und schluckte den Ärger runter; nicht ohne zu murmeln: Prüdes Ding…

Ich ging zu ihr, wie mir geheissen. Sie kämpfte mit dem Verschluss ihres Goldkettchens. Ich trat hinter sie. Als ich die Nähe ihres Körpers fühlte, reagierte mein vegetatives Nervensystem umgehend. Mir wurde heiss. Der Atem beschleunigte sich.

„Lassen Sie mal sehen… Sie müssten Ihr Haar etwas zur Seite schieben…“, sagte ich mich räuspernd.

Sie griff mit beiden Händen nach hinten und hob die Locken an. Ich sah auf ihre Hände, auf den Nacken und feinen Flaum ihrer Härchen. Der Kloss in meinem Hals fühlte sich unerträglich an. Ich schluckte.

„Frau Frank?“

„Ja… Moment… hab’s gleich. Ist etwas trickelig, das Ding“, antwortete ich und machte mich am Verschluss zu schaffen.

Als ich diesen sachte zwischen die Fingerspitzen nahm, berührte ich kurz ihre Haut. Ihre Härchen stellten sich auf und zitterten unter dem Hauch meines Atems. Ich öffnete den Verschluss, bedacht darauf, sie nicht ein zweites Mal zu berühren, und liess die Kette in ihre Hand fliessen, die sie mir entgegen hielt. Sie drehte sich zu mir. Wir standen ganz nah. Ich hätte sie küssen können. Sie sah mir kurz in die Augen.

„Danke!“, sagte sie mit gedämpfter Stimme.

„Gern geschehen…“, antwortete ich leise.

Sie legte ihre Wertsachen in den Schliesskasten, band sich die Haare zusammen und schnappte sich die Sportasche:“Na dann wollen wir mal…!“


26

„Autsch!“, schrie ich und liess mich ganz in der Tradition italienischer Fussballprofis auf den Boden fallen. Frau Salzgeber hatte beim Versuch den Ball zu treten, die Innenseite meines Oberschenkels getroffen. Sie spielte im gegnerischen Team der „Anarchysten“ – eine Wortschöpfung aus Anarchisten und Analysten. Es tat zwar nicht sonderlich weh, aber ich wälzte mich auf dem Rasen und verwarf die Hände über dem Kopf. Schliesslich galt es Zeit zu schinden, damit unser Team Kräfte sammeln konnte, um die dritte Niederlage in Folge zu verhindern. Carla Berenstein stand am Rand des Spielfelds und rief:“Foul, Foul, Foul!!!“. Sie hatte diese Runde ausgesetzt, um sich etwas zu erholen.

Sie zählte zu den besseren Spielern unseres Teams, was ich ihr gar nicht zugetraut hätte. Entsprechend hatten Schmidt und ich gegen ihr Time out protestiert, wenn auch nicht ausschliesslich wegen ihrer fussballerischen Fähigkeiten. Sie sah vielmehr göttlich aus in den knappen Shorts; einen Anblick, den wir uns für keine Sekunde entgehen lassen wollten. Was für Beine! Was für einen Hintern! Und sie trug kein Make-up wie üblich, sodass man ihre wunderbaren Sommersprossen sehen konnte…

Bis zu meinem „Zusammenstoss“ mit Frau Salzgeber waren noch ich und Schmidt übrig, die dem Gegner wenigstens etwas Paroli bieten konnten. Der Rest der Truppe… na ja… Richterich beispielsweise hatte mit der Hitze und seinem stattlichen Bauch zu kämpfen, Frau Martens spielte so wie eine Frau, der jeder Ball suspekt war, Helmuth Kern, seines Zeichens Finanzchef der Bank, verstand sich ausgezeichnet in Zahlen, hatte aber mit Sport nichts am Hut. Er musste zu jenen Jungs gehört haben, die keiner in der Mannschaft wollte und, wenn es um die Bildung der Teams ging, immer bis zuletzt zur Wahl stand. Wegen ihm hatten wir nicht nur gegen die gegnerischen Mannschaften zu kämpfen, sondern mussten aufpassen den guten Herrn Kern nicht versehentlich anzurempeln, da er immer irgendwie im Wege zu stehen schien.

Der Schiedsrichter bückte sich über mich. „Geht’s?“

„Ja, ja“, antwortete ich und zwinkerte ihm zu.

„Sie bluten allerdings etwas… Ist ne Schürfwunde und dazu grossflächig. Desinfizieren sollten Sie die schon und sich ein Heftpflaster drüberkleben lassen!“, meinte er.

„Oh Gott, Frau Frank, sind Sie in Ordnung?“, fragte mich Frau Salzgeber.

Der Schiedsrichter reichte mir die Hand und zog mich hoch.

„Danke!“, sagte ich.

„Schönen, jungen Damen helfe ich immer gern“, bekam ich zur Antwort.

Ich lächelte nur kurz und ging nicht drauf ein. Mir schwante, dass er mich am Ende des Tages nach meiner Telefonnummer fragen würde.

„Sie haben mir vielleicht Pfeffer gegeben, Frau Salzgeber“, sagte ich zu Frau Salzgeber gewandt.

Sie kniff etwas die Augen zusammen…

Ich zog die Schultern hoch, hob die Hände beschwichtigend und grinste sie an:“Ok, ok, war nicht sehr originell. Wahrscheinlich haben Sie diese Sorte von Sprüchen schon zu hunderten Malen über sich ergehen lassen müssen. Asche über mein Haupt!“

Sie lachte mich breit an und zog mich auf:“Das haben Sie blitzschnell erkannt. Kluges Köpfchen. Kompliment!“

„Tja, ich kenn das vom Zitronenfalter. Der faltet ja auch keine Zitronen“, erwiderte ich noch immer auf dem Blödel-Nonsense-Trip.

„Und dem Schwan schwant’s in der Regel ebenfalls nicht… Ihr Humor ist zwar etwas eigenwillig, aber ich mag ihn. Na los, an den Spielrand mit Ihnen. Sie müssen sich verarzten lassen, sonst fallen Sie in den nächsten Tagen noch aus. Das würde mir Carla nie verzeihen.“

„Wie fürsorglich von Ihnen.“

„Da kann ich nix gegen machen. So bin ich eben.“


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BeitragVerfasst: 29.01.2010, 23:12 
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So, das wär's. Vielleicht mag ja jemand ne Fortsetzung schreiben. Wäre noch interessant zu sehen, wohin dann die Reise gehen würde...

In diesem Sinne ;-)


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BeitragVerfasst: 30.01.2010, 08:29 
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Hallo Anyone,

warum schreibst du die Geschichte denn nicht weiter? wäre doch schade, wenn sie jetzt endet.
Gibt es einen besonderen Grund? keine Zeit oder Lust mehr?

Vlg an dich, ich fand die Geschichte toll und würd mich freuen, wenn du weiterschreibst.


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BeitragVerfasst: 30.01.2010, 10:33 
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Hallo anyone

Kann verstehen, dass du keinen Bock mehr hast weiterzuschreiben. Fand die Aktion eines Users im grünen Forum auch beschränkt. Das liess schon tief blicken. Aber hey, von beschränkten Leuten sollte man sich nicht die Laune verderben lassen.

LG, marius


Zuletzt geändert von marius am 15.03.2010, 21:28, insgesamt 1-mal geändert.

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BeitragVerfasst: 30.01.2010, 10:58 
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he anyone, wir sind hier doch nicht im grünen forum, warum magst du hier aufhören, nur weils da nicht läuft. dann poste doch nur hier deine geschichte rein. verdammt, die ist so intelligent und toll geschrieben. es wäre eine schande das nicht weiter zu schreiben. und auch wenn du uns aufforderst deine geschichte weiter zu schreiben, niemand kann das soooo wie du. also hau in die tasten und schreibe hier weiter!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!! es ist deine geschichte und deine fantasie und charakter fließt ein, das kann keine kopieren. ich möchte deine geschichte weiter lesen!!!!!!!!!! :flehen:

lg damon

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BeitragVerfasst: 30.01.2010, 13:26 
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schließe mich an..nur weil es im grünling forum diskrepanzen gibt, mußt du doch hier net aufhören..will weiterlesen..bitte..:)

lg, ich


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