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!!! Hier kommt ein weiterer Abschnitt:
Kapitel 3
Zwei Jahre später.
„Der kleine Tim ist gerade aus dem OP zurück. Seine Eltern wollen mit einem Arzt sprechen.“ Annas Kollegin Britta reichte ihr Tims dicke Patientenakte. Immer wieder war der Fünfjährige stationär aufgenommen worden, doch nun war endlich ein Spenderherz gefunden worden. Die mehrstündige Operation war erfolgreich verlaufen, und Anna freute sich darauf, den wartenden Eltern die gute Nachricht mitteilen zu können.
„Ich erledige das, so schnell ich kann.“ Anna schaute auf den blinkenden Pieper an ihrer Hüfte. Zunächst wurde sie unten in der Aufnahme gebraucht. „War sonst noch etwas, was ich wissen müsste?“
„Nein, die Nacht war relativ ruhig.“ Britta schüttelte den Kopf. „Ich werde mich wohl nie daran gewöhnen, dass in den Sommerferien weniger los ist. Eigentlich dürften die Menschen doch nicht weniger krank sein.“
„Enjoy it while it lasts“, riet Anna lächelnd. “Schönen Feierabend.“
„Abend ist gut.“ Britta sah missmutig zum Fenster. Die Rollläden waren bereits heruntergezogen, damit die Morgensonne das Büro nicht zu sehr aufheizte. „Kannst du mir sagen, wie ich bei dieser Wärme schlafen soll?“
„Du kannst gern meine Schicht übernehmen“, neckte Anna, aber sie war schon auf dem Weg zur Tür. „Wenn was ist, ich bin unten bei der Aufnahme.“
Im Fahrstuhl traf Anna noch zwei weitere Assistenzärzte, die ebenfalls nach unten gerufen worden waren. Sobald sie ausstiegen, offenbarte sich ihnen der Anlass: eine ganze Schulklasse hatte sich am Aufnahmetresen eingefunden und wartete auf medizinische Versorgung.
„Wir sind auf einer Klassenfahrt in Berlin“, rief der Lehrer ihnen entgegen, als er Anna und ihre beiden Kollegen erspäht hatte. „Nach dem Frühstück wurde vielen der Kinder plötzlich übel. Da habe ich dem Busfahrer gesagt, er soll so schnell wie möglich in die Charité fahren.“
Schwester Michaela trat zu ihnen und zog den Lehrer beiseite, damit er seine Schüler mit seiner Hysterie nicht ansteckte. „Wo waren die Kinder untergebracht?“
„In einer Jugendherberge. Wir kommen aus Nordrhein-Westphalen. Morgen wollten wir zurückfahren, weil am Montag bei uns die Sommerferien beginnen.“
Während Schwester Michaela versuchte, den besorgten Lehrer zu beruhigen, machten Anna und ihre Kollegen sich daran, die Kinder zu untersuchen. Ihnen blieb nichts anderes übrig, als die Untersuchung auf dem Flur abzuhalten, da es nicht annähernd genug Betten gab. Nur wer besonders schwere Symptome aufwies, bekam ein Notbett. Zwei Stunden dauerte es, bis alle jungen Patienten versorgt waren und endlich Entwarnung gegeben werden konnte. Der Lehrer war inzwischen auf einem Stuhl eingeschlafen, ungeachtet der lärmenden Kinder um ihn herum.
Anna warf einen nervösen Blick auf die große Uhr im Krankenhausflur. Die Eltern vom kleinen Tim warteten nun schon seit Stunden auf ihr Erscheinen. Da die Situation hier nun unter Kontrolle war, konnte sie sich wieder nach oben begeben.
Sie war noch nicht auf der Intensivstation angekommen, da ging erneut ihr Pieper. Nein, diesmal würden sie unten warten müssen, beschloss Anna. Noch länger konnte sie die Eltern nicht im Ungewissen lassen. Sie hatten die ganze Nacht im Krankenhaus zugebracht.
Anna fand das Ehepaar auf einer Bank im Flur sitzen. Arm in Arm waren beide eingenickt. „Herr und Frau Röttinger?“, fragte Anna leise und beugte sich zu ihnen. Beide schreckten sofort hoch. „Verzeihen Sie bitte, dass Sie so lange warten mussten“, entschuldigte sie sich. „Wir hatten eine ganze Schulklasse mit einer Lebensmittelvergiftung zu versorgen.“
„Wie ist es gelaufen?“, fragte Frau Röttinger heiser.
Anna setzte sich neben sie auf die Bank. „Ich kann Sie beruhigen, Frau Röttinger. Die Operation ist ausgesprochen gut verlaufen. Das neue Herz Ihres Sohnes schlägt schon in seiner Brust, und wir sind zuversichtlich, dass sein Körper das Organ gut annehmen wird.“
„Sie meinen, er wird keine weitere Operation brauchen?“
„Nicht bevor er 75 ist“, lächelte Anna.
„Oh mein Gott.“ Frau Röttinger brach in Tränen aus. „Das kann ich noch gar nicht glauben.“
„Jetzt ist es vorbei, Marie“, sagte ihr Mann und strich ihr zärtlich über den Rücken. „Alles wird gut.“
„Er wird gesund“, wiederholte sie immer wieder. „Mein Gott, er wird gesund…“
„Wann können Sie sicher sein, dass Tims Körper das neue Herz nicht abstößt?“, wollte Herr Röttinger wissen.
„In ein paar Tagen.“
„Ich weiß gar nicht, wie ich Ihnen danken soll.“ Er schüttelte ihr die Hand.
„Danken Sie nicht mir, danken Sie dem Operateur und den Eltern, die das Herz ihres Kindes für Ihren Tim zur Verfügung gestellt haben.“ Anna sah unwillig auf ihren Pieper, als dieser sich erneut bemerkbar machte. „Sie müssen mich leider entschuldigen“, sagte sie und reichte Frau Röttinger ein Taschentuch. „Trinken Sie noch einen Kaffee, und dann fahren Sie nach Hause. Es wird noch bis zum Abend dauern, bis Tim aufwachen wird.“ Sie gab beiden die Hand und verabschiedete sich.
Auf dem Weg zur Notaufnahme fiel Anna auf, dass sie den ganzen Tag noch nichts gegessen hatte. Kein Wunder, dass ihr so flau war. Normalerweise ging sie nie ohne Frühstück aus dem Haus, aber Yvonne hatte nach dem Duschen den verkalkten Hahn nicht ganz zugedreht, und das Wasser hatte sich schon fleißig im ganzen Bad verteilt, als Anna schlaftrunken die Tür öffnete. Yvonne war sofort herbeigeeilt, als Anna einen hysterischen Schrei ausstieß, aber es hatte sie insgesamt eine halbe Stunde gekostet, bis die Spuren des Missgeschicks einigermaßen beseitigt waren. „Wenn ich jetzt nichts esse, kippe ich auf den nächsten Patienten“, murmelte Anna und legte einen Zwischenstopp an ihrem Spind ein. Zum Glück war Yvonne so geistesgegenwärtig gewesen, Anna ein Käsesandwich zu schmieren.
Das tat gut. Anna biss kräftig in ihr Sandwich, während sie durch den Flur zur Notaufnahme eilte. Sie hatte gerade den letzten Bissen heruntergeschluckt, als sie vor ihrem Oberarzt stand. „Wo bleiben Sie denn Frau Dr. Nolte?“, fragte er unwirsch. „Sie sind schon vor einer halben Stunde angepiept worden.“
„Entschuldigen Sie, Dr. Mehmel. Ich war noch beim Ehepaar Röttinger“, erklärte Anna, noch etwas atemlos. „Sie warteten seit Stunden auf eine Nachricht.“
„Das nächste Mal kommen Sie unverzüglich, wenn Sie angepiept werden“, murrte er. „Wir sind hier kein Kaffeekränzchen.“
„Selbstverständlich nicht, Dr. Mehmel.“
„Na, dann lassen Sie sich mal von Ihrem Kollegen die Fakten nennen.“ Er klopfte ihr auf die Schulter. Lange böse sein, konnte er ihr nie.
Anna nickte und trat zu ihrem Kollegen Thomas. Dieser stand neben einer Trage, auf der ein etwa vierjähriger Junge lag. „Er hat schon Novalgin bekommen, deswegen schläft er“, informierte Thomas sie. Eine Fraktur im Schienbein, verschiedene Prellungen, und mindestens eine Rippe ist gebrochen. Der junge Mann hat Glück gehabt.“
„Wieso? Was ist passiert?“ Anna griff nach der Patientenakte.
„Ein alkoholisierter Lastwagenfahrer ist mit einem entgegenkommenden PKW kollidiert“, erklärte Thomas. „Der PKW hat sich mehrfach überschlagen und ist dann auf einem Feld liegengeblieben. Der PKW-Fahrer ist noch am Unfallort gestorben, der LKW-Fahrer erlitt einen Schock. Dieser Junge saß hinten auf dem Rücksitz zusammen mit einem zweijährigen Mädchen.“
„Wo ist das Mädchen?“
„Oben im OP. Der Chef operiert selbst.“
„Ich dachte, der wäre auf dem Weg nach New York?“
„So können sich die Dinge ändern.“
„Was meinst du?“ Anna sah ihn fragend an.
„Der Ellert hat den Kongress in New York abgesagt, weil die Kleine die Tochter unseres Außenministers ist.“
„Was?“ Anna wich die Farbe aus dem Gesicht. „Sonja von Bentheim?“
„Du kennst ihren Namen?“, fragte er lächelnd. „Ich wusste gar nicht, dass du in der Regenbogenpresse bewandert bist.“
Anna ging auf seine Bemerkung nicht ein. „Ist sie schwer verletzt?“
„Ja, aber ich kann dir keine Einzelheiten sagen. Sie wurde sofort abtransportiert. Ellert hat alles in die Hand genommen.“
„Sind die Eltern informiert?“
„Natürlich.“ Er sah sie aufmerksam an. „Wieso interessiert dich das so?“
„Ich habe das Mädchen einmal kennengelernt“, sagte sie, mehr zu sich selbst als zu ihm. Die arme Sonja. Und was mussten ihre Eltern für Ängste ausstehen. „Kommst du hier zurecht?“
Er nickte. „Ich hätte dich vorhin brauchen können, aber du siehst ja, unser Patient schläft jetzt.“
„Dann schaue ich mal, ob ich etwas in Erfahrung bringen kann“, beschloss sie und wandte sich zum Gehen.
„Anna?“ Er fasste sie am Arm.
„Ja?“
„Lass das nicht zu dicht an dich heran. Es sieht nicht gut aus für die Kleine.“
Anna schluckte. Sie nickte und lief dann den Flur entlang zum Fahrstuhl. Möglicherweise wusste man oben mehr. Als erstes würde sie die Sekretärin des Chefs aufsuchen.
„Sekretariat Professor Ellert, Sie sprechen mit Frau Schmidt, was kann ich für sie tun?“, leierte die Sekretärin in ihr Headset und winkte Anna herein, als diese gegen den Türrahmen klopfte. „Nein, dazu kann ich Ihnen keinerlei Auskünfte geben“, sprach sie ins Mikrophon. „Nein, wirklich nicht…. Nein… Nein, Prof. Ellert ist nicht zu sprechen… Auf Wiederhören.“ Frau Schmidt verdrehte die Augen, als sie den Knopf am Telefon drückte. „Können Sie mir mal sagen, wieso die Presse schon Bescheid weiß, dass sich die kleine Tochter des Außenministers hier befindet?“, wandte sie sich an Anna. „Ich verstehe nicht, wo die ihre Kanäle haben. Das Mädchen ist noch nicht mal aus dem OP raus.“
„Gibt es denn schon nähere Informationen über den Zustand der Tochter?“, fragte Anna möglichst beiläufig.
„Ich bin ja kein Arzt, aber interessieren tut es einen ja doch“, seufzte die Sekretärin. „Soweit ich weiß, hat sie ein Schädel-Hirn-Trauma und zahlreiche Quetschungen und Rippenbrüche. Prof. Ellert versucht gerade, die inneren Blutungen zu stillen.“
„Oh je.“ Anna strich sich über die Stirn. „Haben die Eltern sich schon angekündigt?“
„Der Minister befindet sich in Indien, aber seine Frau ist auf dem Weg hierher.“ Frau Schmidt sah nachdenklich aus dem Fenster. „Man fragt sich, was so ein kleines Mädchen ohne seine Mutter auf der Landstraße zu suchen hat.“ Ihre letzten Worte gingen im Klingeln des Telefons unter. „Sekretariat Professor Ellert, Sie sprechen mit Frau Schmidt, was kann ich für Sie tun? ... Nein, das kann ich Ihnen nicht sagen… Nein, Herr Professor Ellert ist mitten in einer Operation… Nein, ich kann Ihnen nicht sagen, wen er operiert… Hören Sie…“
Anna zeigte zur Tür und verabschiedete sich ohne Worte, während Frau Schmidt den nächsten neugierigen Reporter abzuwimmeln versuchte.
Als sie über den Flur hastete, verließ gerade eine Schwester den OP-Saal. „Na, wie sieht es aus?“, fragte Anna und folgte ihr in den Geräteraum.
„Keine Ahnung, ob sie es schaffen wird. Das Mädchen hat ein mittelschweres Schädel-Hirn-Trauma.“ Die Schwester sah sich suchend um. „Wo sind unsere mobilen EEG-Geräte abgeblieben?“
„Wohl alle im Gebrauch, aber meines Wissens sind im ersten Stock noch welche“, informierte Anna sie. „Wie lange wird er noch operieren?“
„Nicht mehr lange.“
„Wer kümmert sich um die Mutter des Kindes?“
„Eigentlich wollte Ellert das selbst machen, aber er operiert ja noch. Ich habe gehört, dass sie schon da sein soll.“
„Ich sehe mal nach, ob ich etwas tun kann.“ Anna nickte der Schwester zu und eilte die Treppen zum Erdgeschoss hinunter. Frau von Bentheim war sicher durch einen Nebeneingang geführt worden, damit sie unbehelligt das Gebäude betreten konnte. Am wahrscheinlichsten war der Osteingang, weil in diesem Teil der Klinik am wenigsten los war und hier keine Patienten untergebracht waren.
Schon von weitem erkannte Anna die schlanke Gestalt Carola von Bentheims. Sie saß zusammengekauert auf einer Bank, den blonden Lockenkopf gesenkt, und schien tief in Gedanken. Ab und zu lief eine Schwester in diskretem Abstand an ihr vorbei den Gang entlang, was Frau von Bentheim nicht einmal wahrzunehmen schien. Etwas abseits von ihr stand ein Mann im schwarzen Anzug, vermutlich ein Bodyguard, der mit starrer Miene den Gang beobachtete. Anna erschrak, als sie näher an Frau Bentheim herantrat. Die sonst so stolz wirkende Frau erschien jetzt schmal und verloren. Sie zitterte leicht, ihre Locken hingen ihr wirr im Gesicht, und als sie aufsah, war ihr Blick tot und leer.
„Frau von Bentheim?“, fragte Anna leise. „Kann ich Sie einen Moment sprechen?“
Die Ministergattin sah sie verwirrt an. „Frau Nolte?“
„Das ist richtig.“ Anna war erstaunt, dass sie sich an ihren Namen erinnerte.
„Oh Gott, Sie schickt der Himmel.“ Frau von Bentheim rückte ein wenig zur Seite, damit Anna sich neben sie setzen konnte. „Dr. Nolte“, verbesserte sie sich, als ihr Blick auf das Schild an Annas Kittel fiel.
„Nur keine Umstände.“ Anna warf einen fragenden Blick zu dem Bodyguard, doch der schien nichts dagegen zu haben, wenn sie sich setzte. „Ich bin gekommen, um nach Ihnen zu sehen.“
„Wissen Sie etwas?“
„Was ist Ihnen denn gesagt worden?“
„Nichts…“ Frau von Bentheim rang verzweifelt nach Luft. „Dass meine Tochter in einen schweren Verkehrsunfall verwickelt war und ich sofort in die Charité kommen soll…“ Sie hob den Kopf, und der Blick, mit dem sie Anna ansah, zerriss dieser fast das Herz. „Bitte bringen Sie mich zu ihr.“
„Es wird noch eine Weile dauern, bis das möglich ist, Frau von Bentheim. Sonja wird noch operiert.“
„Operiert?“, fragte Frau von Bentheim entsetzt. „Was muss denn operiert werden?“
Anna schüttelte den Kopf. „Eigentlich darf ich Ihnen das gar nicht sagen, denn ich bin nicht für Ihre Tochter zuständig. Professor Ellert wird Ihnen alles erklären, sobald die Operation beendet ist.“
Frau von Bentheim fasste sich an die Stirn, und für einen Moment befürchtete Anna, sie würde ohnmächtig. Doch sie fing sich wieder. „Bitte, Frau Dr. Nolte, ich bitte Sie inständig. Sagen Sie mir, was los ist.“
Anna seufzte. Sie wusste, dass sie sich einen mordsmäßigen Ärger einhandeln würde, aber sie konnte Frau von Bentheim nicht einfach ohne jegliche Information hier sitzen lassen. „Es ist etwas sehr Schlimmes geschehen“, sagte sie leise. „Ihre Tochter saß zusammen mit einem anderen Jungen und einem Mann im Auto…“
„Ja, der Junge ist Benjamin Springer, der Sohn von einem Nachbarn“, erklärte Frau von Bentheim. „Der Mann ist der Chauffeur der Springers. Er bringt die beiden manchmal zur Großmutter von Benjamin, wenn Sonjas Tagesmutter verhindert ist. Was ist denn bloß passiert?“
„Der Wagen des Chauffeurs ist mit einem LKW zusammengeprallt, der von der Gegenfahrbahn abgekommen ist“, sagte Anna und sah besorgt auf Frau von Bentheims gefaltete Hände. Sie presste die Finger so fest zusammen, dass die feinen Knochen weiß hervortraten. „Der Wagen hat sich mehrfach überschlagen“, fuhr Anna leise fort. „Der Chauffeur der Springers ist noch am Unfall seinen Verletzungen erlegen…“
„Und die Kinder?“
„Benjamin hatte großes Glück. Er hat nur einen Bruch im Unterschenkel und ein paar Prellungen. Vermutlich sind auch ein bis zwei Rippen gebrochen…“
„Und Sonja?“
Anna legte vorsichtig ihren Arm um Frau von Bentheim. „Ihre Tochter hat mehrere Rippenbrüche und zahlreiche Quetschungen, weshalb zunächst einmal die Blutungen gestillt werden müssen…“ Anna machte eine Pause und atmete tief durch, bevor sie fortfuhr. „Und sie hat ein mittelschweres Schädel-Hirn-Trauma.“
„Oh Gott…“
Anna spürte, wie Frau von Bentheim neben ihr zusammensackte. „Ich versichere Ihnen, dass Sonja bei Professor Ellert in den besten Händen ist“, versuchte Anna sie zu trösten und schlang auch den anderen Arm um die zitternde Frau. „Einen besseren Operateur als ihn finden Sie in ganz Berlin nicht.“
Frau von Bentheim schluchzte gegen Annas Schulter. „Wird sie wieder gesund?“
„Wir hoffen es sehr.“
„Sie hoffen es?“ Sie wich zurück. „Was soll das heißen, Sie hoffen es?“
„Es heißt, dass wir es zum jetzigen Zeitpunkt nicht versprechen können.“
„Warum werde ich dann hergerufen, wenn man mir nichts als Unklarheiten berichten kann?“ Frau von Bentheim wandte sich von Anna ab und starrte auf den Fußboden. „Wofür wird dieser Professor überhaupt bezahlt? Ich möchte jetzt sofort zu meiner Tochter!“
Anna schwieg. Was sollte sie sagen, sie konnte den Schmerz der Mutter verstehen. Eine Weile saßen sie schweigend nebeneinander, bis Annas Pieper sich erneut meldete. Als sie auf das Display schaute, sah sie, dass der Ruf erneut von der Notaufnahme kam.
„Lassen Sie mich nicht allein“, sagte Frau von Bentheim so leise, dass Anna erst dachte, sie hätte sich verhört.
Dennoch stand Anna auf. Es tat ihr in der Seele weh, aber als Ärztin konnte sie auf ihre persönlichen Empfindungen keine Rücksicht nehmen. Jeder Patient hatte das gleiche Recht auf Hilfe. „Ich muss leider gehen“, sagte sie und legte ihre Hand auf Frau von Bentheims Schulter. „Aber ich komme wieder, sobald ich kann. Das verspreche ich. Außerdem wird Professor Ellert jeden Moment aus dem OP-Saal kommen, und ich bin mir sicher, dass er Sie unverzüglich aufsuchen wird. Der Professor kann Ihnen alles viel besser erklären als ich.“
Frau von Bentheim zeigte keine Regung. Sie hatte wieder den leeren Blick, der Anna schon zu Beginn aufgefallen war.
Anna hielt eine an ihr vorbeieilende Schwester an. „Sorgen Sie dafür, dass jemand bei Frau von Bentheim ist, bis Prof. Ellert kommt“, wies sie sie an. „Sie hat offensichtlich einen Schock.“ Die Schwester nickte. „Und sorgen Sie dafür, dass sie ein Glas Wasser bekommt.“
„Jawohl, Frau Dr. Nolte.“
„Ich werde später noch einmal nach Ihnen sehen“, wandte sich Anna wieder an Frau von Bentheim. „Jemand kann Sie in ein ruhiges Zimmer bringen, wenn Sie mit Ihrem Mann telefonieren wollen.“
Sie schüttelte den Kopf. „Ich warte noch, bis ich mit dem Professor gesprochen habe.“
Anna nickte. „Wir alle drücken Ihrer Tochter die Daumen.“
To be continued....