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BeitragVerfasst: 20.12.2009, 18:18 
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klasse !!! :D
einfach nur klasse !!
macht freude auf mehr :D

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Verfasst: 20.12.2009, 18:18 


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BeitragVerfasst: 20.12.2009, 19:11 
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‚Schnell die Schuhe an. Mist- schon wieder verknöpft. Noch ein wenig am Rock zupfen. Es regnet. Ein Schirm. Die Haare zurechtlegen. Ach jegliche Hoffnung verloren. Der Lippenstift passt nicht. Genauso wenig die Halskette und das Armband. Schnell weg damit. Die Unterlagen. Alles dabei. Puh.. und los.’
Ich hätte nicht gedacht dass sie mich einladen würden. Nun ist es soweit. Ich bekomme eine große Chance. ‚Montag und Dienstag arbeiten Sie auf Probe. Frau Schmidt, wird sie in ihre Aufgaben einweisen. Ich würde mich freuen, sie in unserem Team begrüßen zu dürfen. Ich weiß nicht ob Sie sich darüber bewusst sind, dass dieser Job auf eine noch unbekannte Substanz geht. Aber wir werden es versuchen’. Es ist schon spät. Denn noch werde ich pünktlich sein, wenn ich mich beeile. Viertel nach!

Ich empfand nicht viel als ich diese Räume betrat. Ein wenig unwohl war mir zu mute. Tag für Tag sollte ich nun mit einem Leid leben, welches sich in meine Augen legte. ‚Nachts werden Sie diese Bilder nicht aus ihrem Kopf kriegen. Es ist offensichtlich eine Qual, aber alle Insassen haben sich das selbst zuzuschreiben.’ Sie zeigt mir Akten. Ich schaue mir die Bilder genau an. Lese die Gründe jeder Einzelnen. ‚Ich hoffe die Frauen werden es Ihnen nicht all zu schwer machen. Ich kann Ihnen sagen, die sind zu allem fähig.’ Die meisten sitzen hier wegen Mord. Mörder haben keine Zukunft, deswegen ist es ihnen egal, was kommt. Sie morden weiter!’
Sie zeigt mit dem Finger auf eine korpulente Frau- mittleren Alters. Sie hat ihren Mann erwürgt. Dann ihre Kinder. Ihre Mutter. Ihren Schwager 2. Grades. Was macht man aus diesen Menschen, was wird für diese Menschen kommen, wer wird auf sie warten. Wenn dich nichts mehr hält, wenn sich nichts mehr lohnt, was macht dich empfänglich, was bewegt dich. Was macht dich angreifbar.’
‚Das Leben.’ – denke ich, ohne eine Miene zu verziehen. Frau Schmidt war groß und schlank. Ihr kurzes braunes Haar wie fest getackert. In ihren Augen lag nichts als unruhige Farbe. Leblos wirkte sie, müde von den vielen Jahren hier an dieser Arbeit.
Seit 14 Jahren ist sie hier beschäftigt und sie hat so viele kommen und gehen sehen. Auch unschuldige Frauen, die ein halbes Leben hier verbrachten. Irgendjemand beweißt plötzlich deine Unschuld und nichts, rein gar nichts vermag es, dich in das wahre Leben zurück zu holen. Nichts! Die Welt erscheint dir fremd, nichts ist mehr so wie du es in Erinnerung hattest.

„Wenn du einmal hier bist, gibt es kaum noch eine Chance. Die Uhren ticken hier anders. Du vernimmst den Sekundenschlag. Er schmerzt in deinem Ohr. Und jedes Mal denkst du an Dinge, die du noch aussprechen wolltest. Dinge die du noch erledigen wolltest. Es gibt nicht viel woran man glauben kann. Irgendwann verlässt dich das letzte bisschen Mut und dann folgst du nur noch diesem Strom, der dich weiter in einen stinkenden Tümpel zieht. Ich kann Ihnen nur wünschen, dass sie hier gut aufgenommen werden. Und das sie sich ein dickes Fell angeeignet haben, denn hier ist alles anders. Glauben Sie mir. Die meisten verschwinden nach einem Monat, lassen nie mehr von sich hören.“

Ich laufe noch ein wenig durch die Hallen, schaue mich verloren um. Betrachte die Frauen. Erkenne ihr wunschloses Dasein. Ich werde durchhalten. Jeden Tag auf ein Neues, den Weg hier her antreten.

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BeitragVerfasst: 21.12.2009, 14:50 
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was soll man sagen ,
schöner teil ,
irgenwie geheimnissvoll ,
da man immer noch nicht weiß wer die 2 wichtig person ist.
ich hoffe die spannung bleibt noch ein wenig !!! :wink:

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BeitragVerfasst: 21.12.2009, 18:24 
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7.

Heute ist es soweit. Er kommt. Ein bisschen fürchte ich mich. Habe mir selbst die Haare geschnitten, schon etwas Make up heraus gestellt. In Gedanken stehe ich vor meinem Kleiderschrank, suche etwas Passendes heraus. Ich habe mich wieder gut erholt. Fühle mich nicht mehr krank.

Eine Neue holt mich ab. Sie ist nicht älter als ich. Sie strotzt vor Elan, ist nett und freundlich. In ihrer Nähe fühle ich mich respektiert, sie lächelt, öffnet mir höflich die Tür. Wartet einen Moment, wenn ich nicht gleich zur Stelle bin. Ihre Uniform passt nicht. Die Ärmel sind zu lang und auch die Hose, ist viel zu groß. Ihre Haare liegen gepflegt auf ihren Kopf. Perfekt! Jedes Einzelne wie zurechtgerückt. Ihre Haut ist ebenmäßig. Leicht geschminkt. Ein eckiges Gesicht, wie in einer abstrakten Zeichnung. Ihre Hände sind klein, der große Schlüssel übermannt ihre zierlichen Finger. Ihre Figur nur zu erahnen, sehr schlank, ausgeprägter Knochenbau. Die Anatomie der Frau hat mich immer gereizt. Immer fasziniert. Sie wagt kurze Schritte, man merkt, dass sie sehr verloren ist. Sie atmet schwer, ist aufgeregt. Ich schaue sie an, kann förmlich ihr Herz sehen, wie es die weite Uniform nach vorne wölbt. Sie beißt sich auf die Backenzähne. Ich kann sehen wie sich ihr Kiefer bewegt. Wenn sie läuft spielt sie mit dem Schlüssel in ihrer Hosentasche. Er klimpert. Ich spüre wie er meine Nerven strapaziert. Wie bewusstlos irrt sie umher, hat keine Ahnung wo sie mich hinführt. Ihre Augen wandern von einer Ecke in die Nächste, als würde sie in einem einsamen Waldstück ihren Peiniger erwarten. Oder einen Wolf, der sabbernd vor der Beute knurrt und sich auf seine Nahrung vorbereitet. Er schaut sie lange an um der Angst genussvoll ins Auge zu blicken. Ergötzend an einem leckeren Stück Fleisch.

Meine ausgesuchte Garderobe ist dunkelblau. Das Hemd schlappert an mir. Die Hose sitzt eng. Immer fühle ich mich unwohl. Die ‚Sträflingskleidung’ wie sie sagen, hat helle Knöpfe, einen hoch stehend- abgenutzten Kragen. Meine Hände schwitzen. Auch mein Atem ist schwer. Ich sehe ihn, wie er angespannt, mit dem Stuhl wippend- auf mich wartet. Die Neue- schließt die Tür auf. Unsere Blicke treffen sich kurz. Ich bedanke mich höflich. Sie schenkt mir ein kurzes aber warmes Lächeln. „Sie haben eine Stunde.“ – dann verschwindet sie, verriegelt die Tür.
Er nimmt mich in den Arm, ich fürchte Tränen. Seit Monaten habe ich niemanden gesehen. Kein Mensch der mir wichtig ist. Ich tröste ihn. Er ist aufgelöst. Einsam. Er fühlt sich an wie ein kleiner Junge, der schmerzenden Verlust zu verzeichnen hat. Er wirkt ungepflegt. Seine Hände sind kalt. Ebenso wie sein Gesicht. Seine blonden Haare wie verrostet. Gräulich seine Gesichtsfarbe. Seine Nase ist rot, als hätte er Nächte lang gesoffen. Unrasiert, abgestanden der Geruch seines Mantels.
„Warst du in der Jazz- Bar?“ – frage ich schmunzelnd. „Ben, es ist in Ordnung!“ Es schmerzt mir, anzusehen, welch Qualen er durchmachen muss, seit ich hier bin. Er ist der einzige Mensch, der mir geblieben ist. Der einzige, der sich dafür interessiert, was ich mache und was aus mir wird. „Ich war es nicht!“ – flüstere ich ängstlich.

„Carla, all mein Vertrauen, was ich in meinem Leben je aufbringen konnte, hat immer dir gegolten. Du hast ihn nicht umgebracht. Du warst es nicht! Alles – werde ich tun um dich hier rauszuholen. Ich werde deine Unschuld beweisen.“ Er küsst meine Stirn. Seine Hände wie totes Fleisch auf meinen Wangen.
„Und wenn es das letzte ist, was ich tue!“

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BeitragVerfasst: 21.12.2009, 18:40 
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schöner teil wieder, bidde schnell weiter :mrgreen: :wink:


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BeitragVerfasst: 21.12.2009, 19:09 
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wieder ein super teil !!
und die spannung bleibt !!! :wink:
sehr interssant wie die neue wärtetin beschrieben wird !!

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BeitragVerfasst: 21.12.2009, 19:13 
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8.

Sie taten mir leid. Normal darf ich es nicht zulassen, wenn man sich berührt. Seltsamer Weise konnte ich mich bei ihrem Anblick nicht bewegen. Solch Hoffnung und Zuneigung lag in ihren Berührungen. Eine unbändige Liebe zog durch den Raum. Sicher waren sie ein glückliches Paar. Hatten viele schwere Zeiten, gemeinsam überstanden. Noch mehr verfalle ich in Trauer, wenn ich mir vorstelle, dass er allein zu Hause auf die Kinder aufpasst, ihnen erklären muss, dass Mami nicht zurückkommt. Ich sehe sie, wie sie sich Nacht für Nacht in den Schlaf weinen, in der Schule kaum noch sprechen und auf dem Schulhof ausgelacht werden. Die Kinder einer Mörderin. Vermutlich sagen sie das ständig und immer. Die vereinzelnden Freunde dürfen nicht mehr mit ihnen spielen, dass wäre schlechter Umgang. Die Lehrer sind schockiert, wissen sich nicht zu helfen. Sind selbst gefangen in ihren Meinungen. Und zu guter Letzt, die ewige Frage nach dem Warum? Warum hat sie das getan? Sie waren doch so eine glückliche Familie. Was soll nur aus den Kindern werden?

Eine laute Stimme holt mich aus den Gedanken. „Möchten Sie vielleicht aufpassen, dass die Häftlinge nicht mit dem Besuch in Berührung kommen? Also wirklich, Sie müssen den Anweisungen schon Folge leisten. Sonst wird das nichts. Wissen sie wie viel Kilo Kokain hier Tag für Tag reingeschmuggelt werden. Eben gerade- durch solche Brührungen. Seien sie froh, dass ich das nicht der Leitung melde, dann fliegen sie. Im hohen Bogen.“Ich schaue den Werter geschockt an. „Das wusste ich nicht.“ – erfinde ich schnell.
„Das wusste sie nicht, ist das zu fassen. So etwas weiß man doch. Seien Sie in Zukunft gründlicher.“
Ich nicke. Dann verschwindet er. Schlürft mit den Schuhen zum Ausgang. Wirft dann verärgert die Tür.
Ich schaue den beiden weiter zu. Seine Miene steif gefroren. In der ihren, unendliche Kraft. Als müsste sie ihn retten und aufmuntern. Er sieht müde aus, mitgenommen. Wie ein schlaffer Sack hängt er auf dem Stuhl. Greift fest in seine Haare. Ich kann sie nicht hören, doch ihre Körpersprache schreibt ein Gedicht. Eins was man selten ließt, weil es schwarz und düster ist. Er fuchtelt mit seinen Armen. Sie schaut ihn nur an. Wirkt ruhig und gelassen. Wie ein Segel im Wind. Durch nichts zu erschüttern. ‚Woher nimmst du deine Kraft?’ Frage ich sie in Gedanken. Sie antwortet nicht. Wie eine weite Reise, wirkt die Stunde. Noch einen Fehler darf ich mir nicht erlauben. Pünktlich öffne ich die Tür. „Frau von Lahnstein? – Dürfte ich Sie bitten … ?“
Sie erhebt sich. Küsst seine Wange. Dann läuft sie zu Tür.

[center]Bild[/center]

„Ich hole dich hier raus. Sie können dich nicht festhalten. Du hast ihn nicht ermordet. Vertrau mir… ich werde …“ – er hat Angst, seine Stimme zittert. Seine Stimmbänder wirken abgenutzt und alt.
Sie dreht sich um. Lächelt ihn an. Sie glaubt nicht an seine Worte. Mutlos! Will ihn ein gutes Gefühl übermitteln. Wie als hätte sie aufgegeben. Er schweigt. Nimmt die Botschaft an und verstummt. Ihr Blick spricht Bände, welcher seine Stimme abdrückt. Noch einen kurzen Moment bleibt sie vor dem Fenster stehen. Legt die Hand an die Scheibe. „Er kann Sie nicht sehen.“ – sage ich!
Dann läuft sie zur Tür. Dreht sich nicht mehr um. Steif läuft sie ihrer Zelle entgegen. Das Treffen hat sie mitgenommen. Ich öffne die Tür.

„Sind Sie in Ordnung?“ – frage ich besorgt.
Doch sie antwortet nicht. Dann drehe ich den Schlüssel! Klick!

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Zuletzt geändert von KunstL am 21.12.2009, 20:42, insgesamt 1-mal geändert.

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BeitragVerfasst: 21.12.2009, 20:07 
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einfach toll !!!
und die spannung bleibt weiter !! :wink:

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BeitragVerfasst: 21.12.2009, 20:28 
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Ich habe eben die ganze Geschichte in einem Ruck gelesen und muss sagen, sie ist wirklich spannend geschrieben. Büdde schnell mehr davon. :D


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BeitragVerfasst: 21.12.2009, 22:11 
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Ja bitte schnell weiter schreiben :D


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BeitragVerfasst: 22.12.2009, 11:26 
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9.

Ich mache mir Sorgen. Stehe an der Treppe, habe meine Arme auf das Geländer gelegt. Schaue mich um. Mein Blick auf Frau von Lahnstein gerichtet.
„Die redet nie!“ – „Manchmal habe ich das Gefühl, sie ist stumm, oder spricht eine andere Sprache. Außerdem geht sie hier nur ihren eigenen Weg. Sitzt beim Essen völlig allein. Sie will es ja nicht anders. Die will verachtet werden. Kein Wunder, dass jeder dumme Sprüche macht, wenn sie den Raum betritt. Manchmal tut sie mir leid, wenn der fette Werter sie von Draußen auslacht. Ich sage dir, das ist ein Schwein. Aber ich mag die nicht, mir tun all die Frauen leid, die ein hübsches Gesicht und eine annehmliche Figur haben, zu denen ist er nett. Manchmal fasst er ihnen an die Beine, wenn niemand hin sieht. Oder streichelt mit seinen schmierigen Händen über die Gesichter. Man kann sehen, wie die Frauen sich ekeln. Gott sei Dank ist er nur zwei Mal die Woche hier, sonst fährt er Streife. Aber wenn er hier ist, trauen sich die Frauen nicht mal zu einer Zigarette. Wenn er hier ist, arbeiten wir, ohne zu murren. Aber warum erzähl ich dir das? Du bist doch ebenso eine Verräterin. Mein Name ist Elke, kannst ruhig zur Leitung rennen, vielleicht bekomme ich Sonderschichten in der Wäscherei, oder eine Nacht im ‚Gummibunker’.“ – „Sieh an, wenn man vom Teufel tratscht… kommt er bekanntlich angelatscht. Das ist er. Schau ihn dir an. Vielleicht wirst auch du schon bald, seine fetten Hände auf deinen Schenkeln spüren. Jeder Schritt schreit nach Rache. Wenn ich noch einmal die Möglichkeit hätte, jemanden zu ermorden, dann würde ich ihn nehmen, ganz genussvoll zerteilen.“

Ich stehe wie festgenagelt. Nur unterbewusst vernehme ich die Worte der Gefangenen Elke. Sie steht dicht an meinem Körper, flüstert leise ihre Gedanken in mein Ohr. Wenn sie wüsste, dass ich mit dieser Bestie seit 5 Jahren liiert bin, würde sie in ein hallendes Gelächter ausbrechen … sich auf dem Boden wälzen vor Abneigung. Aber auch ich bin gefangen, ebenso wie diese Frauen hier. Ich bin gefangen in mir selbst. Mein Haus ist meine Zelle. Ich will ausbrechen, immer und immer wieder, doch ich schaffe es nicht. Die Wut ballt sich in meinem Körper zu einer unendlichen Flut, die alles in mir pulsieren lässt. Ich möchte ihn anspringen, ihn ein Messer in seinen Rücken rammen. ‚ Manchmal fasst er ihnen an die Beine, wenn niemand hin sieht. Oder streichelt mit seinen schmierigen Händen über die Gesichter.’ Die Vorstellung lässt mich erblassen. Ein Gefühl der Übelkeit macht sich in mir breit. Ich kann nur noch laufen, um es rechtzeitig auf die Personaltoiletten zu schaffen…

Ich stütze mich am Waschbecken ab. Trinke kleine Schlücke Wasser aus der Leitung. Wische mir die Perlen von der Stirn. Mir ist heiß. Immer noch übel. Wie kann er nur so etwas tun? Frage ich mich. Dann laufe ich geschwächt zurück in die Halle, sehe ihn wie er an den Frauen klebt. Seinen dicken Körper an Vereinzelnde presst.
Ich laufe angespannt zu ihm rüber. Packe ihn am Arm.
„Was soll das? – Lass die Frauen in Frieden. Du müsstest hören, was sie über dich sagen. Du wilderst sie an.“
Er packt mein Handgelenk. Wütend durchdringen mich seine gelb unterlegten Augen. „Mach mir hier keine Szene. Untergrabe mich nie. Hier habe ich das Sagen. Die Weiber haben Respekt vor mir. Und ich bekomme alles was ich will. Wenn du damit nicht leben kannst, geh und such dir einen anderen Job. Aber hier, …“ – dann wirft er meine Hand nach unten. Sie schmerzt. Er dreht sich zurück zu der dunklen Frau.

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BeitragVerfasst: 22.12.2009, 12:47 
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10.

Ich hasse ihn wie er rum steht, den Kamm aus der Hosentasche nimmt und sein schmieriges Haar bürstet. So tut als mache ihn das schöner. Seine Falten gehen tief. Ähnlich tief wie seine Augenringe. In seinen leberbelasteten Augen nichts als Tyrannei und Hass. Wenn er seine Hände in die Hosentasche steckt und offensichtlich an seinem Ding spielt. Sein alter Geruch den er nach sich zieht. Seine enge Uniform, bei der die Knöpfe zu platzen beginnen. Wie er mit seinem Stock an die Türen hämmert; ‚Wir machen hier keinen Urlaub’ ruft. Wie er da sitzt, dass Fleisch mit den Fingern nimmt. Das Fett an seinen Mundwinkeln nach unten tropft. Wie er schlingt. Wenn ich ihn beobachte vergeht mir der Appetit. Und ich muss das Essen einstellen. Gestern hat er die Neue grob an den Arm gepackt. So sehr, dass man ihre schmerzverzerrte Miene noch Meilen weit sehen konnte. Wie seine übergroße Hand ihr kleines Gelenk quetschte. Ich betrachtete die Beiden lang, war kurz davor aufzuspringen und ihn meine Faust auf sein Auge zu drücken. Doch er macht mir Angst. Überall liegt er auf der Lauer.

Sie sitzen sich wieder gegenüber. Ich kann sehen wie sie ihn anschaut und die Nase rümpft. Ich mag ihren Geruch. Er flutet die ganze Einrichtung. Wenn sie an mir vorüber geht, schließe ich die Augen, atme tief ein. Dann träume ich mich auf eine Blumenwiese. Blicke in den tiefblauen Himmel. Heute trägt sie ein Feilchen auf der linken Wange, welches sie gestern noch nicht zur Schau trug. Es ist grün, am Rand so blau wie der Himmel den ich mir vorstelle, wenn sie an mir vorbeigeht. Sie ist hübsch! Bewegt sich elfengleich, berührt kaum den Boden, wenn sie läuft. Fast als würde sie schweben. An ihrer Hand ist eine Narbe, ich konnte sie sehen, als sie mir die Tür zu meiner Zelle öffnete. Heute beachtet sie niemanden. Schaut niemanden ins Gesicht. Aus Scharm! Als wir uns heute Morgen begegneten, schaute sie sofort wieder auf die Erde, als sich unsere Blicke trafen. Sie sieht traurig aus. Keine Spur von dem freundlichen Elan in ihren Augen, den ich meist sehen kann, wenn ich in ihre Augen schaue. Und noch eine Veränderung habe ich beobachtet, den Ring, den sie all die Wochen trug, fehlt nun an ihrem Finger.

Nach dem Essen geht sie wieder an mir vorbei. Ich sitze allein an einem Tisch. Starre in meine Suppe! Ihr Tablett wackelt in ihren zitternden Händen. Ihr Löffel fällt neben mir zu Boden. Er klirrt auf dem hellen Fließen. Ich bücke mich. Halte ihn in der Hand, als sich unsere Blicke treffen. Das erste Mal an diesem Tag, dass sie nicht ausweicht und schnell zurück auf die Erde schaut. Plötzlich glänzen ihre Augen. Ich versuche etwas Witziges zu sagen, um ihr ein Lächeln zu entlocken. Doch mir fällt nichts ein.
„Was ist denn das für ein Lärm. Passen Sie doch auf.“ – ruft der fette Werter von hinten.
Ich lege den Löffel zurück auf ihr Tablett. Sie sagt nichts. Schlägt nur kurz mit den Liedern. Dann verschwindet sie.

Seit dem Vorfall habe ich sie nicht mehr gesehen. Vielleicht hat sie früher Schluss gemacht oder hat sich im Büro eingeschlossen. Ich schließe die Augen. Suche in Gedanken nach ihrem Parfum,…

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BeitragVerfasst: 22.12.2009, 14:08 
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wieder zwei wunder schöne teile !!
fantastisch geschrieben !!!

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BeitragVerfasst: 22.12.2009, 15:55 
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11.

Ich musste früher Schluss machen um den Jungen zu holen. Er berichtet mir von einem Schulprojekt. Gabriel ist jetzt in der achten Klasse. Das Schulpraktikum steht an und sein Vater hat ihm versprochen ihm eine Stelle in der Rechtsabteilung der Polizei zu beschaffen. Gabriel freut sich. Er redet von nichts anderem mehr. Nur noch die Worte über die Arbeit und das er so froh ist, mal nicht in die langweilige Schule zu müssen. Seine Noten sind gut, wenn er weiter so standhaft bleibt, wird er sicher einmal ein guter Polizist, Anwalt, Gerichtsmediziner oder Kommissar. Ganz entschlossen hat er sich nicht, aber jetzt hat er die Chance zu entscheiden, ob die Polizei etwas für ihn ist. Er hat sogar Einblick in die Akten. Seine ersten paar Tage sind gut angelaufen. Er ist schlau, setzt Aufgaben schnell um und was für diese Geschichte entscheidet ist, er hat Feingefühl und die Gabe, Tatsachen zusammen zu setzen. Wie ein Wunder, deckt er Dinge auf, kommentiert Zusammenhänge, ist Blitz schnell.

Eines Nachts passierte etwas Unglaubliches. Noch immer schaudert es mir, wenn ich an seine Worte denke. Er kam zu mir. Legte die Hand auf meine Schulter. Er sagte, er hätte sich eine Akte angeschaut. Die einer Frau. Sie soll einen Mann ermordet haben, … er glaubt nicht daran, dass diese Frau so eine Tat begangen hat. In den Unterlagen fand er ein Protokoll, welches ziemlich glasig und lückenhaft wirkte. Sie soll den Mann erst stranguliert, dann erschossen haben. Dann soll sie die Leiche in ein abstehendes Waldstück gebracht haben. In den Akten findet man keinerlei Hinweise auf Spuren. Weder Blut, noch Erde. Keine Spuren in ihrer Wohnung oder in ihrem Auto. Eine Tatwaffe wurde nie gefunden, auch nicht das Kabel. Nur eine Leiche. An der Leiche weder Erde noch Spuren einer Strangulierung.

„Das passt doch alles nicht zusammen?“
In seinen Augen pure Reinheit. Er war ehrlich. Immer auf Gerechtigkeit fixiert. Er konnte es nicht ertragen. Schon in der Schule stand er den Schwachen bei. Half immer und überall. Ich liebte ihn für seinen Mut und das er sich von nichts abbringen ließ. Denn noch wies ich ihn zurecht. Auch wenn all das, was er mir berichtete, eindeutig zu sein schien.
„Das ist nicht deine Aufgabe, Gabriel. Versteh das nicht falsch. Du kannst eh nichts ändern. Das Gericht hat diese besagte Frau schuldig gesprochen. Keiner wird sich für deine Theorien interessieren. Glaub mir. Es ist besser wenn du dich da raus hältst.“
Er erwiderte nichts mehr. Sein Vater schmiss ihn nach diesen Vermutungen aus der Einrichtung. Nun arbeitet er in einer Tierhandlung. Jetzt schlappt er müde aus dem Haus. Hat keinen Elan. Diese Arbeit macht ihm keinen Spaß. Er fand darin keine Erfüllung. Nach diesem Vorfall ist er viel Unterwegs. Macht sich nach der Arbeit sofort wieder aus dem Staub. Wenn ich ihn frage, wohin er will, antwortet er nicht. Erst wenn ich ihn streng ansehe, erzählt er irgendetwas von einem neuen Freund und ich solle ihn in Ruhe lassen. Jetzt tut er mir leid. Jede Nacht muss ich an seine Worte denken. Ich habe noch nicht einmal gefragt, um welche Gefangene es sich handelt. Ich schaue oft auf die Uhr, mache mir Sorgen um ihn. Um einen Jungen, der mich eigentlich nichts angeht. Die Sekunden klicken auf den Wecker. Jede macht mir mehr Angst. Jede einzelne beraubt mich um den Schlaf. Und dann ist da noch Frau von Lahnstein, die mir nicht aus dem Kopf geht. Oft sehe ich ihr Gesicht vor meinen Augen. Immer dann wenn ich die Augen schließe. Sie war so zierlich, so klein und doch eine so starke Frau. Ich beneidete sie, um ihre Größe. All das gab mir ein gutes Gefühl. Ihr Lächeln und ihre Blicke.

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