8.
Sie taten mir leid. Normal darf ich es nicht zulassen, wenn man sich berührt. Seltsamer Weise konnte ich mich bei ihrem Anblick nicht bewegen. Solch Hoffnung und Zuneigung lag in ihren Berührungen. Eine unbändige Liebe zog durch den Raum. Sicher waren sie ein glückliches Paar. Hatten viele schwere Zeiten, gemeinsam überstanden. Noch mehr verfalle ich in Trauer, wenn ich mir vorstelle, dass er allein zu Hause auf die Kinder aufpasst, ihnen erklären muss, dass Mami nicht zurückkommt. Ich sehe sie, wie sie sich Nacht für Nacht in den Schlaf weinen, in der Schule kaum noch sprechen und auf dem Schulhof ausgelacht werden. Die Kinder einer Mörderin. Vermutlich sagen sie das ständig und immer. Die vereinzelnden Freunde dürfen nicht mehr mit ihnen spielen, dass wäre schlechter Umgang. Die Lehrer sind schockiert, wissen sich nicht zu helfen. Sind selbst gefangen in ihren Meinungen. Und zu guter Letzt, die ewige Frage nach dem Warum? Warum hat sie das getan? Sie waren doch so eine glückliche Familie. Was soll nur aus den Kindern werden?
Eine laute Stimme holt mich aus den Gedanken.
„Möchten Sie vielleicht aufpassen, dass die Häftlinge nicht mit dem Besuch in Berührung kommen? Also wirklich, Sie müssen den Anweisungen schon Folge leisten. Sonst wird das nichts. Wissen sie wie viel Kilo Kokain hier Tag für Tag reingeschmuggelt werden. Eben gerade- durch solche Brührungen. Seien sie froh, dass ich das nicht der Leitung melde, dann fliegen sie. Im hohen Bogen.“Ich schaue den Werter geschockt an.
„Das wusste ich nicht.“ – erfinde ich schnell.
„Das wusste sie nicht, ist das zu fassen. So etwas weiß man doch. Seien Sie in Zukunft gründlicher.“
Ich nicke. Dann verschwindet er. Schlürft mit den Schuhen zum Ausgang. Wirft dann verärgert die Tür.
Ich schaue den beiden weiter zu. Seine Miene steif gefroren. In der ihren, unendliche Kraft. Als müsste sie ihn retten und aufmuntern. Er sieht müde aus, mitgenommen. Wie ein schlaffer Sack hängt er auf dem Stuhl. Greift fest in seine Haare. Ich kann sie nicht hören, doch ihre Körpersprache schreibt ein Gedicht. Eins was man selten ließt, weil es schwarz und düster ist. Er fuchtelt mit seinen Armen. Sie schaut ihn nur an. Wirkt ruhig und gelassen. Wie ein Segel im Wind. Durch nichts zu erschüttern. ‚Woher nimmst du deine Kraft?’ Frage ich sie in Gedanken. Sie antwortet nicht. Wie eine weite Reise, wirkt die Stunde. Noch einen Fehler darf ich mir nicht erlauben. Pünktlich öffne ich die Tür.
„Frau von Lahnstein? – Dürfte ich Sie bitten … ?“
Sie erhebt sich. Küsst seine Wange. Dann läuft sie zu Tür.
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„Ich hole dich hier raus. Sie können dich nicht festhalten. Du hast ihn nicht ermordet. Vertrau mir… ich werde …“ – er hat Angst, seine Stimme zittert. Seine Stimmbänder wirken abgenutzt und alt.
Sie dreht sich um. Lächelt ihn an. Sie glaubt nicht an seine Worte. Mutlos! Will ihn ein gutes Gefühl übermitteln. Wie als hätte sie aufgegeben. Er schweigt. Nimmt die Botschaft an und verstummt. Ihr Blick spricht Bände, welcher seine Stimme abdrückt. Noch einen kurzen Moment bleibt sie vor dem Fenster stehen. Legt die Hand an die Scheibe.
„Er kann Sie nicht sehen.“ – sage ich!
Dann läuft sie zur Tür. Dreht sich nicht mehr um. Steif läuft sie ihrer Zelle entgegen. Das Treffen hat sie mitgenommen. Ich öffne die Tür.
„Sind Sie in Ordnung?“ – frage ich besorgt.
Doch sie antwortet nicht. Dann drehe ich den Schlüssel!
Klick!