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BeitragVerfasst: 10.04.2011, 05:38 
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Danke Martina5 und sabam! Ich habe gerade mit Schrecken bemerkt, dass ich schon auf seine 52 bin und Carla und Hanna sich nicht länger als 45 Sekunden begegnet sind :shock: . Das ist ein ziemlich schlechter Schnitt für eine Canna Fanfic. Im nächsten Kapitel wird es aber garantiert besser!

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Verfasst: 10.04.2011, 05:38 


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BeitragVerfasst: 10.04.2011, 19:59 
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Tolle Geschichte, endlich mal wieder mit Hanna.. :)

:danke: :ok: :klatsch:


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BeitragVerfasst: 11.04.2011, 21:38 
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aaaalso, mal abgesehen davon, dass ich längstens im bett sein wollte...


...ich bin kein leser von fanfics - aber ich fürchte, dieser kann ich mich nicht entziehen :wink:
das ist ganz großes kino hier - zumal du sophia cornelia funke stuff mögen lässt, ich kann das kind gut verstehen :wink:

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BeitragVerfasst: 12.04.2011, 19:20 
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Hi Kim,

Habe endlich Zeit gemacht diene Geschichte zu lesen.

Na was soll ich sagen ausser


:bigsuper:

Liebe Grüsse
H

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Our live begins to end the day we become silent about things that matter.

Martin Luther King


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BeitragVerfasst: 12.04.2011, 20:08 
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Vielen, vielen Dank, maddy, tegan und ho für eure motivierenden Worte :knuddel3: !!!
Ich bin auch schon fleißig am Weiterschreiben, aber es geht jetzt leider etwas schleppender vonstatten, weil mein Urlaub zuende ist. Passt mir gar nicht... :theatralik:

Zitat:
...zumal du sophia cornelia funke stuff mögen lässt, ich kann das kind gut verstehen


Ein bisschen mehr von Igraine Ohnefurcht täte wohl beiden Frauen gut. Solange alles beim Alten bleibt (Hanna schmeißt mit Geschirr um sich und Carla läuft weg), kann das ja nichts werden. Aber wenn Carla ihrer Tochter die Geschichte von Cornalia Funke oft genug vorliest, springt die/der Funke ja vielleicht über :wink: .

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BeitragVerfasst: 13.04.2011, 18:34 
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Danke Kim!


Excellent, simply excellent!

All I can say is MORE, MORE, MORE!!!


:klatsch: :klatsch: :klatsch:


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BeitragVerfasst: 15.04.2011, 18:16 
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Hallo Kim,

was für eine spannende Geschichte. Du hast originelle Ideen zu einer grossen, den "Tod" überdauernden Liebesgeschichte verwoben. Toll finde ich auch, dass es dir mühelos gelingt, einen Bogen zu spannen zwischen dem glücklich in Griechenland lebenden Pärchen Nina/Erika, der gedächnislosen Hanna und dem auf Königsbrunn lebenden Pärchen Carla/Stella.


LG


Zuletzt geändert von tiefgang am 15.04.2011, 20:16, insgesamt 1-mal geändert.

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BeitragVerfasst: 15.04.2011, 20:03 
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Thank you, supercell! I'm glad you liked the story :wink:

Ganz vielen Dank, tiefgang. Wie schön, dass dir die Geschichte gefällt. Ja, ich hoffe mal, ich kriege die Fäden auch alle wieder zusammen, die ich da so ausgeworfen habe :mrgreen: .

Also, das nächste Kapitel ist auch jetzt soweit fertig und sollte heute abend noch gepostet werden (leider tut es der Geschichte irgendwie nicht gut, dass ich wieder arbeite und nur so häppchenweise zum Schreiben komme. Um mit Hanna zu sprechen: Ein bisschen mehr Pepp wäre gut. Aber jetzt ist ja Wochenende und Besserung in Sicht...)

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BeitragVerfasst: 15.04.2011, 22:00 
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Kapitel 5



Als Carla am nächsten Morgen am Frühstückstisch saß, konnte selbst das starke Make-Up nicht über die dunklen Ringe unter ihren Augen hinwegtäuschen. Die ganze Nacht über hatte sie sich von einer Seite auf die andere gewälzt und über das Telefonat mit Isabell nachgedacht. Was sollte sie nur tun? Wie auch immer sie sich entscheiden würde, konnte sie überhaupt verhindern, dass die Welt, die sie sich mühsam aufgebaut hatte, wie ein Kartenhaus zusammenbrach? Sie war von Ansgar einiges gewohnt, aber dass er nicht einmal vor einem Mord zurückschreckte, um ihr zu schaden… und dann auch noch Hanna… und sie hatte sich nach Hannas Tod auch noch bei ihm ausgeweint… Doch Hanna war am Leben und auf ihre Hilfe angewiesen. Und sie musste ihre eigene Frau hintergehen.

Gegenseitige Aufrichtigkeit war Stella und ihr immer so wichtig gewesen, doch nun sah sich Carla gezwungen, ihr zu verheimlich, was sie ununterbrochen beschäftigte. Stella war nicht blind, und sie kannte Carla gut. Sie spürte, dass Carla etwas belastete, und es verletzte sie, dass Carla sie aus ihren Gedanken ausschloss. Keinem konnte sie gerecht werden, nicht ihrer Tochter, nicht ihrer Frau, nicht ihrer Arbeit und auch nicht Hannas Freundinnen, die auf ihre Hilfe setzten. So konnte es einfach nicht weitergehen, dieser Zustand musste ein Ende haben, und zwar so rasch wie möglich.

„Stella, ich werde eine Woche nach Kreta fliegen“, verkündete sie und versuchte dabei, so neutral wie möglich zu klingen.

„Geht es wieder um eine Antiquitätenmesse?“ Stella ließ sich von ihr die Butter reichen. „Wann ist es denn? Vielleicht könnten wir es ja mit einem Urlaub verknüpfen?“

„Nein, ich werde in derselben Woche fliegen, in der du in Wien bist.“

„Wie schade.“ Stella war sichtlich enttäuscht. „Und was machen wir mit Sophia?“

„Die wird mit mir kommen.“

Stella ließ ihr Brötchen sinken und legte ihr Messer auf den Teller. „Ich verstehe nicht. Ist es kein beruflicher Termin?“

„Nein.“

„Warum willst du dann ohne mich fliegen?“

„Ich brauche etwas Zeit für mich.“

„Carla, du machst mir Angst.“ Stella forschte in Carlas Gesicht. „Die ganze Zeit benimmst du dich so merkwürdig, und jetzt willst du auch noch allein in den Urlaub fliegen. Was ist denn bloß los?“

„Ich fühle mich einfach erschöpft und ausgelaugt, und ich brauche Zeit, um über ein paar Dinge nachzudenken.“ Carla nahm Stellas Hand und küsste sie. „Du hast keinen Grund zur Beunruhigung.“

Doch Stella entzog ihre Hand wieder. „Du sagst mir nicht die Wahrheit. Worüber musst du denn so dringend nachdenken? Hast du dich neu verliebt?“

„Nein.“

„Was ist es dann?“

Carla erhob sich abrupt vom Tisch. „Würdest du bitte diese Fragerei sein lassen. Du steigerst dich da in etwas hinein. Ich will lediglich eine Woche allein ausspannen, ist das zu viel verlangt?“ Ohne Stella noch einmal anzusehen, verließ Carla das Esszimmer.

Sie musste dringend an die Luft. Schweigend zog Carla sich Hut und Mantel an und lief dann eine halbe Stunde ziellos durch den nahegelegenen Park. Wenn Stella ihr nur mehr vertrauen würde. Sie machte alles kaputt mit ihren Fragen und Zweifeln. Konnte sie nicht einfach abwarten, bis Carla wieder auf sie zuging? Stattdessen machte sie aus jeder Bemerkung ein Problem.

Carla wusste, dass sie ungerecht war, aber auf Stella wütend zu sein, tat ihr irgendwie gut. Sie sehnte sich zurück nach der Zeit, als ihr Leben sich noch unter Kontrolle angefühlt hatte, als sie sich noch nicht auf Menschen eingelassen hatte, als sie Schluss gemacht hatte, sobald eine Beziehung zu nah zu werden drohten. Sicher, es war immer die Angst vor dem Outing dagewesen, aber sie hatte die Figuren in ihrem Leben hin- und herschieben können, wo sie sie haben wollte. Sobald einem jemand etwas bedeutete, wurde es kompliziert.

Selten hatte sie ihren Vater so vermisst. Er hatte stets eine solche Ruhe ausgestrahlt, und man hatte immer das Gefühl gehabt, dass einem in seiner Gegenwart nichts geschehen konnte. Was würde er tun, wenn er an ihrer Stelle wäre?



* * *




Hanna betrachtete gedankenverloren die kleine Karte in ihrer Hand. Carla von Lahnstein. Sie konnte sich selbst nicht erklären, was sie geritten hatte, Ninas Freundin nach ihrer Visitenkarte zu fragen, aber irgendwie waren ihr die Worte herausgerutscht. Falls Carla es seltsam vorgekommen war, hatte sie es sich zumindest nichts anmerken lassen. Nach ihrer Abreise hatte Hanna die Karte immer wieder hervorgeholt und lange angeschaut, so als ob sie ihr eine Antwort geben könnte auf eine Frage, die ihr selbst nicht klar war.

Seit einer Stunde saß Hanna in Ninas Büro am Computer und beantwortete die Emails von Gästen. Es war Zeit, den PC auszuschalten und Nina unten beim Spülen zu helfen, doch irgendetwas hielt Hanna davon ab, den Schreibtisch zu verlassen. Unschlüssig starrte sie auf das bunte Google Symbol vor ihr und dann wieder auf die Visitenkarte in ihrer Hand. Schließlich gab sie sich einen Ruck und tippte „Carla von Lahnstein“ in das Suchfeld.

700.300 Treffer.

Hanna schaute ungläubig auf den Bildschirm. Wer war diese Frau? Eine Königin? Der dritte Link gab ihr Antwort: „Gräfin Carla von Lahnstein“, stand dort „war als Schirmherrin des Charity Events für das Hospiz in Mannheim anwesend.“ Eine echte Gräfin? Warum hatten Nina und Erika ihr das nicht erzählt? Die Information hätte ihr die Blamage erspart! Bestimmt dachte Carla jetzt, sie hätte die Visitenkarte nur haben wollen, um ihre Autogrammsammlung aufzufüttern…

Mit einem Mausklick öffnete Hanna die offizielle Website der von Lahnsteins. Ein großes Wappen prankte ihr entgegen, vermutlich das Familienwappen, der Rest des Bildschirms wurde von der Fotografie eines Schlosses ausgefüllt. „Schloss Königsbrunn“, stand in verschnörkelten Lettern unter dem Foto. Offensichtlich handelte es sich um den Wohnsitz der Familie. Ein Klick auf das Foto führte Hanna auf die eigentliche Website. „Das ist keine Familie, das ist ein Imperium“, staunte sie, als sie durch die verschiedenen Themen stöberte. Von der Anlage rund um das Schloss gab es Fotos, nicht aber von seinem Innern. Das ließ darauf schließen, dass die Räume nicht öffentlich zugänglich waren, weil die Familie dort tatsächlich noch wohnte. Lediglich die Empfangshalle war abgebildet.

Hanna stutzte, als sie das Foto des Eingangsbereichs näher betrachtete. Dieser Stern, wie eine Sonne… Wieso fühlte es sich an, als würde sie ihn kennen? Wie gebannt starrte sie immer wieder auf die Sonne. Es war, als ob sich in ihrem Kopf ein Bild formen wollte, so wie einem manchmal ein Wort auf der Zunge lag, ohne dass man es greifen konnte, weil es einem immer wieder entwischte. Aber so sehr sie sich auch anstrengte, es tat sich nichts. „Carla von Lahnstein“, flüsterte Hanna. Was hatte diese schöne Frau mit ihrer Vergangenheit zu tun?



* * *




„Kennt ihr Carla von Lahnstein eigentlich schon lange?“, fragte Hanna Nina und Erika beim Abendessen.

„Ehm… Ich weiß gar nicht mehr, wann das war…“, überlegte Nina und stocherte in ihrem Salat herum.

„Auf jeden Fall schon eine ganze Weile“, ergänzte Erika. „Wieso fragst du?“

„Ich habe mich nur gewundert, dass ihr eine so prominente Frau kennt.“ Hanna versuchte, so beiläufig wie möglich zu klingen. „Wo lebt sie denn in Deutschland?“

„Sie wohnt gar nicht in Deutschland, sondern in Barcelona“, erklärte Erika. „Sie hat lange ein eigenes Auktionshaus geleitet, doch jetzt führt sie dieses nur noch nebenbei und ist in erster Linie als Kunstagentin tätig.“

„Dann habt ihr sie in Barcelona kennengelernt?“, hakte Hanna nach. „Ich dachte, ihr hättet mir gesagt, sie sei eine Freundin aus Deutschland?“

„Ja, das ist sie auch“, sagte Nina und schaufelte sich eine zweite Portion Salat auf den Teller. „Sie hat früher in der Nähe von Düsseldorf gewohnt, und dort haben wir ja auch gelebt.“ Sie hielt Hanna die die Salatschüssel hin. „Möchtest du auch noch eine Portion?“

„Nein danke“, winkte Hanna ab. „Hört mal….“, begann sie zögernd. „Wenn eure Freundin aus Düsseldorf kommt… könnte es dann nicht vielleicht doch sein… dass ich sie von irgendwoher kenne?“

„Wieso?“, fragten Erika und Nina wie aus einem Mund.

Hanna sah erstaunt von einer zur anderen. „Nun ja… ich… wir haben dann ja zumindest in derselben Stadt gewohnt... So weit hergeholt ist der Gedanke doch nicht…“ Hanna hielt inne, als ihr etwas einfiel. „Aber dann hätte sie mich ja erkannt, nicht wahr?“, sagte sie nachdenklich. „Hat sie euch gegenüber irgendetwas erwähnt?“

Erika verschluckte sich an einer Chilischote. „Du kannst sie selbst fragen“, schlug sie zwischen zwei Hustenanfällen vor. „Carla wird uns nächste Woche besuchen kommen.“

„Tatsächlich?“ Hannas spürte, wie ihr Herz einen Schlag aussetzte. „Wie lange wird sie bleiben?“

„Zehn Tage“, erklärte Nina. „Und sie wird ihre Tochter Sophia mitbringen.“

„Carla hat eine Tochter?“ Hanna wäre fast ihr Glas aus der Hand gerutscht.

„Ja, überrascht dich das?“

„Irgend… irgendwie schon“, stotterte Hanna, „Ich war ich davon ausgegangen, sie sei kinderlos.“

„Die kleine Sophia wird bald vier und soll ein richtiger Wildfang sein.“ Nina begann, den Tisch abzuräumen. „Wir kennen sie auch noch nicht, aber wir freuen uns schon, dass hier bald ein bisschen Leben in die Bude kommt.“

„Ja, uns stehen turbulente Zeiten bevor“, sagte Erika voraus, und sie meinte damit nicht nur die Anwesenheit Sophias.



* * *




Carla war derart nervös auf dem Flug von Barcelona nach Kreta, dass sie dieselben Zeilen in ihrem Roman immer wieder von vorn las, ohne vom Inhalt das Geringste mitzubekommen. Nachdem sie eine Seite zum fünften Mal neu begonnen hatte, gab sie auf und verstaute das Buch wieder in ihrem Handgepäck. Die schlummernde Sophia schmiegte sich eng an ihre Mutter, als Carla wieder in ihrem Sitz Platz nahm. Wie still alles war, wenn sie schlief, und was für eine wilde Hummel sie sein konnte, sobald sie wach war.

Das Flugzeug glitt ruhig und erhaben dahin wie ein großer Vogel, und Carla seufzte, als sie draußen die Sonne über den Wolken aufgehen sah. Die friedliche Stimmung draußen trügte, und sie hoffte, dass sie diese Reise nicht irgendwann bereuen würde. Glücklicherweise hatten Stella und sie sich wieder vertragen, nachdem Carla sich entschuldigt und ihr versprochen hatte, dass sie im Herbst zusammen einen mehrwöchigen Urlaub in Miami verbringen würden. In den vergangenen Tagen hatte sie ernsthaft versucht, wieder mehr auf Stella zuzugehen, und diese spürte und honorierte ihr Bemühen. „Ich hoffe, du bist wieder die Alte, wenn du zurückkommst“, hatte sie bei ihrer Verabschiedung lächelnd gesagt, doch Carla war nur zu bewusst gewesen, wie ernst sie es meinte. „Ich emaile euch Fotos aus Wien.“

Carla hatte versprochen, ihr Bilder von Sophia und sich am Strand zu schicken. Stella und sie waren beide gespannt, ob Sophia das Meer mögen würde. Carla tippte, dass sie am Strand eine Sandburg nach der anderen bauen wollen würde, während Stella vermutete, dass sie am liebsten im Wasser plantschen würde.

„Sind wir schon da, Mama?“ Sophia räkelte sich schlaftrunken.

„Nein, du kannst noch ein bisschen weiterschlafen. Ich wecke dich, wenn wir landen.“

„Versprochen?“, murmelte Sophia. „Ich darf es nicht verpassen.“

„Hoch und heilig versprochen.“ Carla drückte ihrer Tochter einen Kuss auf die Stirn. „Du musst doch aufpassen, ob der Pilot auch alles richtig macht.“

„Mach ich“, versicherte Sophia und war schon wieder eingeschlafen.

Carla versuchte auch, ein wenig die Augen zu schließen, aber an Schlaf war nicht zu denken. Sie hatte zu viel Angst vor dem, was sie erwartete. Sie wusste nicht, wovor sie sich mehr fürchte: davor, dass Hanna sich erinnerte, oder davor, dass Hanna sich nicht erinnerte? Carla schluckte schwer, als der Pilot durchgab, dass sie gleich an Höhe verlieren und zum Landeflug ansetzen würden. Nun gab es kein Zurück mehr. „Sophia, wach auf“, flüsterte sie ins Ohr ihrer Tochter. „Es geht los…“

Sophia war sofort hellwach. „Kann ich auf deinen Schoß, Mama?“

„Natürlich, mein Schatz.“ Carla half ihr auf ihre Oberschenkel und zeigte ihr, wie das Flugzeug in ein Wolkenfeld glitt und unter den Wolken wieder auftauchte. „Jetzt müssen wir dafür sorgen, dass wir beide fest angeschnallt sind“, erklärte sie Sophia. „Damit nichts passieren kann, wenn das Flugzeug beim Landen ein bisschen wackelt.“

Sophia war begeistert. „Wann wackelt denn das Flugzeug?“

„Hoffentlich gar nicht“, lachte Carla und küsste Sophia, als diese ein enttäuschtes Gesicht machte. „Dies ist keine Kirmes sondern ein Flugzeug.“ Zu Sophias Missfallen gelang dem Piloten eine Punktlandung, und das Flugzeug rollte friedlich über das Feld seinem Gate entgegen.

Der Flughafen von Heraklion war noch voller als beim letzten Mal, obwohl Carla bereits damals gedacht hatte, dass keine Briefmarke mehr hinein passen würde. Zum Glück wurden sie relativ zügig abgefertigt, und hinter der Absperrung wartete schon Erika auf sie.

„Herzlich Willkommen! Wie schön, dass ihr hier seid“, rief sie ihnen entgegen und umarmte Carla herzlich. Dann kniete sie sich vor Carlas Tochter. „Und du bist Sophia?“

Sophia nickte stumm und hängte sich vorsichtshalber an Carlas Bein. Irgendwie war ihr das Ganze doch ein bisschen unheimlich. „Das ist Erika. Bei ihr werden wir wohnen“, erklärte ihr Carla, aber Sophia war nicht besonders interessiert. „Willst du vielleicht auf dem Gepäckwagen mitfahren?“, startete Carla einen neuen Versuch.

Das war natürlich ein Angebot! Sobald Sophia auf den gestapelten Koffern thronte und von ihrer Mutter durch den Flughafen chauffiert wurde, war sämtliche Schüchternheit vergessen. Sie juchzte und strahlte alle Touristen an, als gehörte Kreta ihr persönlich.

Carla war froh, dass Sophia so viel Aufmerksamkeit auf sich zog, denn es half ihr, ihre eigene Nervosität zu überspielen. „Muss Nina arbeiten?“, fragte sie, als sie das Auto erreicht hatten.

„Ja, sie war sehr traurig, dass sie dich nicht selbst abholen konnte“, antwortete Erika, ohne den Blick von Carlas Tochter zu wenden. „Es ist schön, wieder ein Kind im Haus zu haben“, sagte sie verzückt, als sie ins Auto einstiegen. „Sie erinnert mich daran, wie es mit meinen beiden Mädchen war. Steffi war von Anfang an die Vernünftigere der beiden, aber Milli war genauso wild wie deine Tochter.“

„Siehst du deine Kinder häufig?“, erkundigte sich Carla. Ihr war jedes Thema recht, sofern es nicht mit Hanna zu tun hatte.

„Nun ja, sie haben längst eigene Familien und leben in Deutschland. Aber auf Kreta zu wohnen, hat auch seine Vorteile. Beide Familien besuchen uns mindestens einmal im Jahr.“

„Da habt ihr ja regelmäßig ein volles Haus.“

„Das stimmt, aber die Familien sind selten gleichzeitig hier. Zwischen Steffi und Milli gibt es immer sehr schnell Spannungen, und irgendwann hat Nina gesagt, sie mache das nicht mehr mit. Entweder die beiden kämen getrennt, oder sie würde sich eine Pension suchen, bis alle wieder abgereist sind.“ Erika lachte. „Wie immer hatte Nina recht. Seit wir von den Familien versetzt Besuch bekommen, läuft alles viel friedlicher ab, und ich habe jetzt viel mehr von meinen Töchtern, und von meinen Enkeln.“

Carla konnte sich gut vorstellen, dass es zwischen Steffi und Milli oft Spannungen gab. Die beiden waren grundverschieden. „Weißt du eigentlich, dass ich deinen Töchtern vor ein paar Jahren einmal begegnet bin?“

„Nein, wirklich?“, fragte Erika überrascht. „Davon haben die beiden mir gar nichts erzählt. Bei welcher Gelegenheit war das denn?“

„Auf einem Familientreffen der Brandners. Ich war damals mit Arnos Tochter Susanne verheiratet und daher als Begleitung auf dem Treffen.“

„Was?!“ Erika wäre fast gegen einen Baum gefahren. „Davon weiß ich überhaupt nichts!“

„Hast du keinen Kontakt mehr zu Arno?“

Erika schüttelte den Kopf. „Als ich in London lebte, hatten wir sporadischen Kontakt, aber seit ich auf Kreta wohne, habe ich so gut wie nichts mehr von ihm gehört.“ Sie legte die Stirn in Falten. „Arno hat mir nie erzählt, dass…“

„… seine Tochter auf Frauen steht?“

Erika nickte. „Armer Arno. Erst verlässt ihn seine Partnerin wegen einer Frau, dann verliebt sich seine Tochter…“

„Er hat es ganz gut verkraftet“, lächelte Carla.

„Darf ich fragen, warum ihr euch getrennt habt?“ Erika entschied sich, den Umweg über die Berge zu fahren, damit sie Carla und ihre Tochter direkt vor ihrem Zuhause absetzen konnte. „Oder ist das zu persönlich?“

„Nein, aber eine ziemlich lange Geschichte“, erklärte Carla. „Ich erzähle sie dir lieber ein anderes Mal.“

„Natürlich, wir werden ja hoffentlich noch genug Gelegenheit dazu haben.“

Den Rest der Fahrt unterhielten sie sich über die Eigenarten der Griechen und die der Deutschen. Carla war froh über das oberflächliche Geplauder, denn sie wurde zunehmend nervöser, je näher sie ‘Ninas Ambrosia‘ kamen. Am liebsten hätte sie die Autotür geöffnet und wäre noch herausgesprungen. Doch schließlich bog Erika auf den Vorplatz des Hauses ein und parkte den Wagen. Bevor sie ausstieg, legte sie ihre Hand auf Carlas Oberschenkel. „Hab keine Angst, Carla. Wir sind bei dir.“

Carla nickte nur stumm. Sie hatte nicht das Gefühl, ihre Beine würden ihr aus dem Auto verhelfen. Doch es gab jetzt keine Ausreden mehr, und so öffnete mit zitternden Fingern die Wagentür. Gemeinsam betraten sie das Haus, Erika trug die Koffer, Carla ihre Tochter auf dem Arm. Sophia war während der Fahrt ganz still gewesen, so beschäftigt war sie mit all den neuen Eindrücken, doch jetzt plapperte sie wie ein Wasserfall. „Wo ist der Sand Mama? Du hast versprochen, dass wir Burgen bauen.“

„Das machen wir auch.“ Carla trat mit Sophia auf die Terrasse des Restaurants, die jetzt voller Gäste war. „Siehst du? Dort ist das Meer und der Strand, und dort bauen wir so viele Burgen und Schlösser wie du willst.“

„Ich will jetzt bauen“, verlangte Sophia. „Du hast es versprochen.“

Carla lachte und trug Sophia wieder ins Haus. „Erst einmal sind wir höflich und begrüßen unsere Gastgeberinnen. Und danach müssen wir unsere Sachen auspacken. Und erst dann spielen wir Burgenbauen.“ Sophia zog zuerst eine Schnute, aber erklärte sich letztlich einverstanden. Auf Kofferauspacken hatte sie auch ein bisschen Lust.

Nina hatte kaum Zeit zu winken, so eingespannt war sie im Restaurant. Die ganze Zeit rannte sie von einem Tisch zum nächsten und kam bei den Bestellungen kaum hinterher. „Entschuldige“, rief sie Carla zu. „Aber mir sind heute zwei Leute ausgefallen. Irgendein Virus scheint hier umzugehen und sich auf Kellner spezialisiert zu haben.“ Sie stellte ihr Tablett ab, um Carla wenigstens kurz zu umarmen. „Erika liest dir hoffentlich jeden Wunsch von den Lippen ab. Später komme ich dann auch dazu“, versprach sie. „Es ist schön, dass ihr hier seid, Carla.“

Carla nickte nervös. „Wo ist Hanna?“

„Sie hilft in der Küche aus.“ Nina verdrehte die Augen. „Den Koch musste ich auch nach Hause schicken, nachdem er sich fast über dem Gyros übergeben hatte.“

„Na, dann will ich sie nicht stören“, beschloss Carla, aber da war es schon zu spät. Hanna kam mit fünf Gerichten auf den Armen aus der Küche und brachte sie an einen Tisch in der Nähe der Terrasse. Carlas Herz wurde schwer, als sie ihr beim Servieren zusah. Die routinierten Gesten, der aufmerksame Blick über den Tisch, das immer freundliche Plaudern mit den Gästen… das alles war ihr so vertraut.

„Geh schon hin und sag hallo“, flüsterte Nina in Carlas Ohr.

Da drehte Hanna sich um und entdeckte sie. „Carla.“ Einen Moment blieb die Zeit stehen, als Hanna auf sie zuging und sie anlächelte. Ihr Blick traf Carla bis ins Mark.

Carla wollte etwas antworten, doch Hanna kam ihr zuvor, indem sie sich zu Sophia bückte. „Und du bist Sophia?“, fragte sie. „Bist du heute etwa schon mit einem Flugzeug geflogen?“

Sophia bejahte eifrig. „Die Häuser waren ganz klein und die Wolken ganz groß“, berichtete sie. „Und der Pilot hat gar nicht gewackelt.“

„Na, das ist ja eine tolle Sache!“, sagte Hanna beeindruckt. „Häuser können kleiner und größer werden? Das habe ich gar nicht gewusst.“

„Hm, das können sie“, bestätigte Sophia. „Aber man muss in einem Flugzeug sein.“

„Oder auf einen Berg steigen“, lächelte Hanna.

„Das ist ja langweilig.“

„Ach tatsächlich? Hast du denn schon einmal auf einem Berg gestanden und auf eine Wolke gespuckt? Das macht ziemlichen Spaß.“

Sophia drehte sich zu Carla. „Mama, können wir das mal machen?“

Carla gewann allmählich ihre Fassung zurück. „Na, da haben Sie mir ja was Schönes eingebrockt“, sagte sie lächelnd und strich ihrer Tochter über den Kopf. „Jetzt müssen wir hier jeden Berg besteigen.“

Hanna lachte. „Hier sind die Berge zu niedrig zum Wolkenspucken“, erklärte sie Sophia und schaute Carla an, um herauszubekommen, ob ihr verziehen wurde. „Um es wiedergutzumachen könnte ich Ihrer Tochter die Küche zeigen“, schlug sie vor und wandte sich wieder Sophia zu. „Wir haben dort drüben eine große Küche mit riesigen Töpfen und großen Waschbecken wie du sie bestimmt noch nie gesehen hast.“

„Ist das Essen auch riesig?“, fragte Sophia neugierig.

„Nein, das Essen ist nur für viele Leute“, erklärte Hanna und sah Carla fragend an.

Die nickte und nahm ihre Tochter auf den Arm. „Aber du darfst nichts anfassen, Sophia, verstanden?“

Gemeinsam folgten sie Hanna in die Restaurantküche, und diese zeigte Sophia die großen Pfannen und Töpfe und auch die überdimensionalen Herde und Spülbecken. Sophia war begeistert und wollte auf der Stelle mit ihren Backformen spielen, aber Carla bestand darauf, dass nun erst einmal die Koffer ausgepackt würden.

„Ich muss auch dringend wieder an die Arbeit“, entschuldigte sich Hanna und wies mit dem Kopf auf ihre Kollegin, die in der Küche gerade ganz allein arbeiten musste. „Ich wünsche Ihnen auf jeden Fall noch ein schönes Ankommen.“

„Wollen wir nicht du sagen?“, fragte Carla schnell. „Schließlich sind wir Freundinnen von Freundinnen.“

„Sehr gern, Carla.“ Hanna winkte Sophia zu. „Ich muss jetzt wirklich…“

„Schon gut.“ Carla schob Sophia aus der Küche. „Danke, dass du dir Zeit genommen hast, Isabelle.“



* * *




Der Duft von frischem Kaffee drang in Carlas Nase, als sie am nächsten Morgen in ihrem Gästezimmer erwachte. Ihr erster Blick galt ihrer Tochter, die neben ihr noch friedlich schlief, in ihrem Arm den kleinen Stoffesel, ohne den sie nie ins Bett ging. Gestern war es für Sophia spät geworden, weil Carla noch mit ihr an den Strand gegangen war, um Sandburgen zu bauen. Danach waren sie beide so müde, dass Carla gleich mit ihr zusammen ins Bett gefallen war.

Carla beschloss, sich noch ein wenig mehr Zeit zu geben und hatte sich gerade wieder auf die andere Seite gedreht, da klopfte es an der Tür. „Ja bitte?“

Nina steckte den Kopf zur Tür herein. „Seid ihr schon wach?“

„Wie spät ist es denn?“

„Kurz vor 10 Uhr.“

„Was?“ Carla schreckte aus ihrem Bett hoch. „So spät?“

„Deswegen gibt es heute auch Frühstück ans Bett“, lächelte Nina und schob ein großes Tablett durch die Tür. „Ich hoffe, du hast gut geschlafen?“, fragte sie Carla, als sie das Tablett auf den Nachtisch stellte.

„Das ist wohl mehr als offensichtlich“, bestätigte Carla und schaute zu ihrer schlafenden Tochter hinüber. „Die gute Luft hier macht müde.“

„Bist du Hanna begegnet?“ Nina verteilte die Frühstücksutensilien auf Carlas Nachtisch und stellte den Brötchenkorb und den duftenden Kaffee daneben. „Hat sie was gesagt?“

„Wieso?“ Carla setzte sich in ihrem Bett auf. „Hat sie sich an etwas erinnert?“

„Nein, das hätte sie uns sicher erzählt, aber sie hat uns ziemlich oft nach dir gefragt.“ Nina goss Carla eine Tasse Kaffee ein. „Ich halte das für ein gutes Zeichen.“

Carla fuhr sich nachdenklich durch ihre ungekämmten Locken. „Hast du Zeit, eine Tasse Kaffee mit mir zu trinken? Ich wollte noch etwas mit dir besprechen.“

„Aber gern.“ Nina schob sich einen Stuhl ans Bett und zauberte eine Tasse aus einem Schrank hervor. „Voilà!“

Carla musste zunächst diverse Schlucke Kaffee trinken, bevor sie sich ein Herz fasste. „Ich habe einen Privatdetektiv engagiert, der einiges für mich herausgefunden hat.“

„Einen Privatdetektiv?“

„Frag nicht. Ich wusste mir nicht anders zu helfen.“ Carla hob abwehrend die Hände. „Jedenfalls gibt es eine Erklärung dafür, warum Hanna noch lebt, und auch eine dafür, warum sie sich an ihr altes Leben nicht erinnern kann.“

„Das ist ja wunderbar!“, rief Nina, senkte ihre Stimme jedoch wieder, als ihr die schlafende Sophia wieder einfiel. „Was hat der Mann denn gesagt?“

Carla seufzte. „So wunderbar ist es leider nicht…“ Für einen Moment konnte sie nicht weitersprechen, aber es gelang ihr, sich wieder zu fangen. „Hanna ist nicht in einem Waldstück gefunden worden, wie sie glaubt, und sie ist nicht an einem Blutgerinnsel im Gehirn gestorben, wie wir glaubten.“

„Jetzt verstehe ich überhaupt nichts mehr“, sagte Nina verwirrt. „Was ist denn dann wirklich passiert?“

„Hanna wurde vergiftet von jemandem, der mir schaden wollte. Deswegen wurde eine Obduktion verhindert und der Pathologe bestochen, einen normalen Obduktionsbericht zu schreiben. Doch Hanna hat nicht die volle Dosis des Gifts genommen, weshalb sie…“ Carla stockte. „… im Grab wieder aufgewacht sein muss…“

„Oh Gott, wie furchtbar.“ In Ninas Gesicht stand blankes Entsetzen. „Das ist ja ein Albtraum!“

„Ja…“ Carla nickte. „Es wird sicher der Grund sein, weshalb Hanna sich an nichts erinnern kann. Wenn sie ihr Gedächtnis zurückgewinnen würde, dann würde sie sich vermutlich auch an dieses Ereignis wieder erinnern.“

Nina schüttelte fassungslos den Kopf. „Aber dann hat dieser Enno Hanna angelogen…“

„Vielleicht hat er sie gefunden, aber wollte nicht zugeben, dass er nicht legal auf dem Friedhof war.“ Carla zuckte mit den Achseln. „Wer weiß, ob er ihr überhaupt seinen wahren Namen gesagt hat.“

„Jetzt wird mir auch klar, woher sie meinen Namen gehabt haben muss.“ Nina schlug sich mit der Hand an die Stirn. „Als ich von Hannas Tod erfuhr, habe ich ein Trauergesteck für sie in Auftrag gegeben. Schließlich war sie mir eine exzellente Nachfolgerin im ‘No Limits‘. Ich habe immer nur Gutes über sie gehört und es bedauert, sie nie kennengelernt zu haben.“

„Und der Mann, der sie gefunden hat, fand dann auch das Gesteck“, nickte Carla. „So könnte es gewesen sein.“

„Was machen wir denn jetzt?“ Nina schaute sie ratlos an.

„Ich weiß nicht.“ Carla nippte nachdenklich an ihrer Tasse. „Ich hatte schon überlegt, ob wir mal Hannas Psychologin aufsuchen sollten, ohne Hanna natürlich…“

„Aber würde denn das gehen? Die Therapeutin unterliegt doch der Schweigepflicht…“

„Vielleicht kann sie uns ja weiterhelfen, ohne diese zu brechen“, überlegte Carla laut. „Auch wenn sie uns nichts über Hanna erzählen darf, muss sie uns doch vorschlagen können, wie wir am besten vorgehen.“

„Du hast recht, ich rufe diese Frau noch heute an und mache einen Termin mit ihr ab“, beschloss Nina und erhob sich. „Und nun lasse ich dich mal in Ruhe frühstücken“, fügte sie hinzu. „Die Eier hat euch übrigens Hanna zubereitet.“

„Dann weiß ich, wie sie sind“, lächelte Carla. „Eiweiß mittelhart, Eigelb gerade noch flüssig.“

„Du sagst es.“ Nina zwinkerte ihr zu, bevor sie die Tür hinter sich schloss.



* * *




In den folgenden zwei Tagen versuchte Carla, so viel Zeit wie möglich mit Hanna zu verbringen, um einen Ansatzpunkt zu finden, wie sie ihr helfen könnte. Leider waren ihre Begegnungen bisher eher zwischen Tür und Angel verlaufen, weil es Wochenende und Hochsaison war, und Hanna, ebenso wie Nina, alle Hände voll im Restaurant zu tun hatte. Doch die kurzen Begegnungen reichten aus, um Carla deutlich zu machen, wie sehr sie sich etwas vorgemacht hatte, als sie behauptete, dieser Mensch wäre nicht ihre Hanna. In jedem Blick, jeder Geste, jeder Bemerkung fand Carla die Frau, in die sie sich vor Jahren verliebt hatte. Ihr helles Lachen fuhr Carla jedes Mal durch Mark und Bein und überflutete sie mit Bildern aus der Vergangenheit, Szenen der Geborgenheit und des Glücks. Momente, nach denen sie sich lange zurückgesehnt hatte und die sie irgendwann aus ihrem Herzen verbannt hatte.

Plötzlich war alles wieder da, und Carla wünschte sich, sie könnte ihre Erinnerungen wegschließen wie Hanna. Sie wollte sie nicht, sie quälten und verwirrten sie, und sie weckten eine Sehnsucht in ihr, die unbeantwortet bleiben musste.

Doch nicht alles an Hanna war wie früher. Carla kannte sie als temperamentvollen, positiven Menschen, der viel lachte und gern spontan war. Ihre gute Laune war so ansteckend gewesen, dass man sich ihr nicht entziehen konnte, egal, wie schlecht es einem gegangen war. Und die seltenen Momente, in denen Hanna traurig war, hatten Carla jedes Mal das Herz zerrissen. Die Zeit der Dialyse gehörte zu den schwersten Zeiten in Carlas ganzem Leben.

Diese Hanna wirkte wesentlich gedrückter und gedämpfter. Nur selten schimmerten der Esprit und die Unternehmungslust durch, die Hanna früher versprüht hatte. Interessanterweise geschah dies meistens dann, wenn sie etwas mit Sophia zusammen tat. Carlas Tochter war ganz vernarrt in Hanna und folgte ihr auf Schritt und Tritt, was Hanna unweigerlich von der Arbeit abhielt. Doch sie war äußerst geduldig mit Sophia und schien sich jedes Mal zu freuen, wenn sie um die Ecke bog.

Im Übrigen schien Hanna nicht nur Sophias Nähe zu suchen, sondern auch Carlas. Sie war es, die vorschlug, dass sie am Montag, ihrem freien Tag, zusammen eine Wanderung unternehmen könnten. Erika, die bei der Unterhaltung anwesend war, erklärte sich sofort bereit, sich währenddessen um Sophia zu kümmern, und Nina fing gleich an, Pläne zu schmieden, was sie alles zu dritt anstellen könnten. Selbst wenn Carla es gewollt hätte, es blieb ihr gar keine andere Wahl als zuzustimmen.



* * *




Als Carla am Montagmorgen beim Frühstück erschien, stand Hanna schon mit gepacktem Rucksack im Flur. „Wir müssen früh los, wenn wir zum Abendessen zurück sein wollen“, informierte sie Carla. „Ich hoffe, du hast nichts dagegen, dass ich dir schon deine Brote geschmiert habe.“

„Nein, nein, vielen Dank.“. Carla wäre mehr nach einem gemütlichen Mahl gewesen, doch sie versprach, sich zu beeilen, und zwanzig Minuten später fand auch sie sich im Flur ein.

„Wanderst du öfter?“, fragte Hanna, als sie ins Auto stiegen.

„Um ehrlich zu sein, ich wandere nie“, gab Carla zu. „Ich arbeite viel und habe wenig Freizeit.“

„Habe ich mir gedacht.“ Hanna startete den Motor. „Dann machen wir für den Anfang eine leichte Tour.“

„Was heißt das?“ Carla sah sie misstrauisch von der Seite an.

„Keine Sorge“, lachte Hanna, als sie ihren Blick bemerkte. „Was hältst du von einer vierstündigen Wanderung durch die Tshikliana-Schlucht? Die wird dir gefallen. Sie birgt herrliche Aussichten, viel Natur und einen schönen Blick auf antike Ruinen.“

„Klingt großartig.“ Carla lehnte sich in ihrem Sitz zurück. „Ich vertraue dir voll und ganz.“

„Du wirst es nicht bereuen. Wir fahren zunächst nach Sirikari und wandern von dort nach Polirinia.“ Hanna legte eine Haris Alexiou CD ein und drehte die Musik lauter.

Da Carla eh nicht wusste, von welchen Orten Hanna sprach, beschloss sie, sich überraschen zu lassen. Eine Weile lauschten sie gemeinsam den sehnsuchtsvollen Klängen aus dem CD-Player, während Hanna mit schlafwandlerischer Sicherheit durch die Landschaft fuhr. „Kennst du ihren ‘To tango tis nefelis‘?“, fragte Carla, als sie das CD-Cover durchlas.

„Na sicher“, lächelte Hanna. „Das ist mein Lieblingsstück von ihr.“

„Meines auch.“ Carla erwiderte ihr Lächeln. Sie hatten noch immer denselben Musikgeschmack.

„Kannst du mal das Handschuhfach aufmachen? Irgendwo dort müsste die CD liegen.“

Carla kramte im Handschuhfach und holte eine CD nach der anderen hervor. „Hier ist nur die Version von Loreena McKennitt.“

„Auch gut.“ Hanna streckte die Hand nach der CD aus. „Ich kann mich sowieso nie entscheiden, welche der beiden Versionen ich schöner finde.“

„Ich auch nicht. Im Zweifelsfall ist es immer die, die ich gerade höre.“

Hanna lachte. „So geht’s mir auch.“

Sie hörten auf zu reden, als die ersten Töne von Loreena McKennitts ’Tango to Evora‘ erklangen. Während Hanna den Wagen durch die gebirgige Landschaft steuerte, lauschte jede für sich der melancholischen Musik und hing ihren Gedanken nach. Carla versuchte, aus dem Fenster zu sehen und die bezaubernde Landschaft zu genießen, aber sie erwischte sich immer wieder dabei, wie sie auf Hannas Hände schaute. Die Hände auf dem Steuerrad, das Schalten, der Schulterblick, das alles war ihr so vertraut, dass es schmerzte.

„Du rauchst Gauloises?“, fragte Carla, nur um auf andere Gedanken zu kommen.

„Nein, ich rauche nicht.“ Hanna wies mit dem Kopf auf das Handschuhfach. „Die Zigaretten gehören Marcel.“

„Wer ist Marcel?“

„Gott im Himmel!“ Hanna bremste scharf, als eine Katze kurz vor ihnen über die Straße lief. „Das war knapp…“

Carla hatte die Katze gar nicht bemerkt. „Wer ist Marcel?“

„Marcel ist… ein Freund.“

„Was für ein Freund?“ Carlas Stimme klang harscher als beabsichtigt. „Ist es ein guter Freund?“

„Ja schon... Er ist Architekt und wohnt unten im Tal…“

„… und lässt seine Zigaretten bei dir im Wagen.“ Carla klappte das Handschuhfach zu und starrte auf die Straße. Sie war auf sich selbst ärgerlich. Warum war sie eifersüchtig? Sollte sie nicht froh sein, dass Hanna hier jemanden hatte? Es konnte doch nur in ihrem Sinne sein, wenn Hanna hier glücklich war. ’Das soll niemals mehr aufhören…‘ – ‘Niemals. Jetzt weiß ich ja, dass ich zu dir gehöre…‘ , hallte es in ihren Ohren. Sie schloss ihre Augen, um die alten Bilder zu vertreiben, die Berührungen, die Worte, die zärtlichen Liebkosungen.

„Ist alles in Ordnung mit dir, Carla?“ Hanna sah besorgt zu ihr herüber. „Hat die Strecke zu viele Kurven?“

„Nein, nein, es geht schon“, versicherte Carla. „Wie hast du diesen Marcel kennengelernt?“

„Er ist regelmäßiger Gast im Restaurant“, erzählte Hanna. „Irgendwann haben wir dann angefangen, etwas zusammen zu unternehmen.“

„Und seid ihr zusammen?“

„Nun ja… nicht wirklich.“ Hanna errötete. „Er würde gern.“

„Und du?“

„Ich weiß nicht… Er ist sehr attraktiv und sehr bemüht und…“

„Aber…?“

„Aber irgendwie… ich weiß auch nicht…“ Hanna bog auf einen Parkplatz ab. „Von hier aus können wir wunderbar starten.“ Offenbar erklärte sie hiermit das Thema für beendet.

Also beschloss Carla, nicht weiter in sie zu dringen, und sie sprachen über andere Dinge. Ein paar Hundert Meter mussten sie allerdings noch gehen, bis sie auf den eigentlichen Wanderweg einbogen. Er führte recht steil in die Schucht hinunter, und Carla war froh, dass sie sich für festes Schuhwerk entschieden hatte.

Zu Beginn der Wanderung unterhielten sie sich noch lebhaft über alles Mögliche, doch je länger der Weg dauerte, desto weniger sprachen sie und widmeten sich lieber der schönen Gegend. Ab und zu machten sie sich gegenseitig auf etwas aufmerksam, aber die meiste Zeit genossen sie die Stille. Keine Menschenseele war hier, nur Vögel, Insekten und Schmetterlinge, und um sie herum steile Felswände und viele verschiedene Pflanzen, von denen Carla einige noch nie gesehen hatte. Es war so friedlich, dass es fast unwirklich schien. „Es ist wundervoll hier“, sagte Carla und atmete tief ein. „Ich danke dir, dass du mich hierher mitgenommen hast.“

Hanna lächelte glücklich. „Ich wusste, dass es dir hier gefällt. Wir scheinen den gleichen Geschmack zu haben.“

„Das ist mir auch schon aufgefallen.“

„Kennst du Nina und Erika eigentlich schon lange?“

„Nun ja… sie haben wie ich früher in Düsseldorf gewohnt…“

„Wart ihr Nachbarn?“

„Wohl kaum.“ Carla bückte sich, um einem Käfer auf die Füße zu helfen, der auf den Rücken gefallen war. „Ich habe in der Nähe von Düsseldorf in einem Schloss gewohnt.“

„Oh.“ Hanna zwinkerte ihr zu. „So richtig mit Bediensteten und so?“

Carla musste lachen. „Ja, das volle Programm. Die Familientradition erforderte das.“

„Das wäre nichts für mich, ich brauche meine Privatsphäre.“ Hanna rollte mit den Augen. „Allein wenn ich sehe, wie manche der deutschen Touristen dir im Restaurant nachstarren… Stört es dich nicht, dass du überall erkannt wirst?“

Carla zuckte mit den Schultern. „Man gewöhnt sich daran. Im Übrigen bist du eine ziemliche Ausnahme. Viele Frauen würden ihr Leben geben, um einmal den roten Teppich entlang zu spazieren und von allen erkannt zu werden.“

„Ach weißt du.“ Hanna nahm einen Schluck aus ihrer Trinkflasche. „Rot ist sowieso nicht meine Farbe.“

Carla blieb abrupt stehen.

„Ist etwas?“ Hanna schaute verwundert auf.

„Ich… ich denke, Rot ist… sehr wohl deine Farbe“, stotterte Carla.

„Findest du?“ Hanna errötete.

„Ja. Du siehst toll aus in Rot.“

„Danke“, sagte Hanna verwirrt. „Aber ich hatte doch bisher gar nichts Rotes an?“

„Trotzdem.“ Jetzt war es an Carla zu erröten. „Du solltest es versuchen…“

Glücklicherweise wechselte Hanna das Thema. „Oh schau, dort drüben ist der Ausblick, von dem ich dir erzählt habe.“ Sie zeigte mit dem Finger auf eine Stelle, an der ihr Weg eine Biegung machte. „Von dort aus kannst du auf die Akropolis schauen.“

Hanna führte Carla durch ein paar Büsche hindurch, und plötzlich standen sie an einer Stelle, von der aus man tief unten in das Tal blicken konnte, in dem die letzten Säulen der kretischen Akropolis standen.

„Wie wunderhübsch sie aussieht.“ Carla setzte ihren Rucksack ab und setzte sich neben Hanna ins Gras. „Der Tempel ist ja fast vollständig erhalten.“

Der Ausblick war so herrlich, dass sie entschieden, eine längere Rast einzulegen. Hanna hatte am Morgen noch einen Salat gemacht und Brote geschmiert, so dass sie jetzt ein vortreffliches Mahl genießen konnten. Also ließen sie es sich schmecken, und als sie aufgegessen hatten, blieben sie noch eine Weile sitzen und bewunderten die antike Schönheit der Akropolis. Die Stimmung an diesem Ort war so bezaubernd, dass Carla nicht die geringste Lust verspürte, ihn zu verlassen. Hier mit Hanna zu sitzen… sie am Leben und neben sich zu wissen… mit ihr den Frieden dieses Ortes zu spüren… das alles erschien ihr wie ein unermessliches Geschenk.

Auch Hanna machte keine Anstalten aufzubrechen. Sie schaute in die Ferne, ein glückliches Lächeln auf den Lippen, und schien tief in Gedanken. „Schade, dass du nur eine Woche bleiben kannst“, sagte sie irgendwann. „Ich finde es schön, dass du hier bist.“

Carla nickte nur. Sie hatte Sorge, ihre Stimme würde sie verraten.

„Lässt dein Mann es nicht zu, dass du länger hierbleiben kannst?“ Hanna wandte ihren Blick von dem Tal ab und sah sie intensiv an. „Entschuldige, aber ich habe gesehen, dass du einen Ehering trägst.“

Carla schaute an ihr vorbei zu den Bergen. „Auf mich wartet kein Mann… sondern eine Frau.“

„Eine Frau?“ Hanna wurde blass. „Es tut mir leid, ich habe nicht gewusst, dass du…“

„Dass ich lesbisch bin?“

Hanna antwortete nicht, sondern wandte ihr Gesicht wieder dem Tal zu, doch Carla konnte sehen, dass sie etwas sehr beschäftigte.

„Ich hoffe, ich habe dich nicht schockiert…“

„Nein, nein“, versicherte Hanna und versuchte die Träne zu verbergen, die sich aus ihrem Auge löste.

„Was ist denn, Isabelle?“, fragte Carla sanft und rückte näher an Hanna heran. „Willst du mir nicht sagen, was los ist?“

Hanna wischte sich die Nässe von der Wange. „Es ist nur… Ich wünschte, ich hätte auch jemanden… jemanden, zu dem ich gehöre.“

Carla schluckte den Kloß in ihrem Hals herunter und legte tröstend den Arm um Hanna. „Es wird schon jemand für dich kommen“, flüsterte sie.

„Vielleicht ist er längst da“, sagte Hanna leise.

„Wie meinst du das?“

Hanna atmete tief durch. „Ich muss dir etwas sagen, Carla. Aber bitte versprich mir, es niemandem zu erzählen.“

„Selbstverständlich nicht.“ Carla hatte Mühe, die Fassung zu bewahren, als Hanna den Kopf vertrauensvoll an ihre Schulter lehnte.

„Ich wohne… erst seit fünf Jahren… hier auf Kreta“, begann Hanna stockend. „Erika und Nina haben mich bei sich aufgenommen, weil…weil… ich nicht wusste, wer ich bin… Ich weiß es auch jetzt noch nicht…“

Carla war froh, dass Hanna ihr Gesicht nicht sehen konnte. „Was für ein Albtraum“, sagte sie und zog Hanna näher an sich. „Du erinnerst dich an gar nichts?“

Hanna schüttelte den Kopf. „Nein… Nina und Erika sagen, ich träume nachts von früher. Aber wenn ich aufwache, kann ich mich an nichts erinnern.“

„Wenn du es träumst, dann wirst du dich eines Tages auch erinnern. Da bin ich mir ganz sicher.“

„Ich weiß gar nicht, ob ich das will.“ Heiße Tränen tropften auf Carlas Hände, als Hanna in ihren Armen weinte. „Je länger ich hier bin, desto mehr Angst habe ich davor… Ich weiß doch gar nicht, was für ein Leben ich hatte… und selbst, wenn es ein gutes war… ich kann doch nicht dahin zurück.“

Carla lehnte ihre Stirn an Hannas nasses Gesicht. „Woher willst du das wissen? Wer weiß schon, was…“

„Carla… versteh doch… Wer auch immer früher in meinem Leben war… das Leben dieser Menschen ist nicht stehengeblieben wie meines. Niemand wartet auf jemanden fünf Jahre. Und das würde ich auch gar nicht wollen.“

„Das heißt ja nicht, dass diese Menschen nicht überglücklich wären, dich wiederzusehen…“

„Nein.“ Hanna löste sich aus Carlas Umarmung, um nach einem Taschentuch in ihrem Rucksack zu suchen. „Aber was ist, wenn ich einen Mann habe, und möglicherweise Kinder? Meinst du, ich will auf meine Kinder zugehen und feststellen, dass sie mich nicht mehr kennen? Meinst du, ich will erfahren müssen, dass mein Partner inzwischen eine neue Frau hat, vielleicht sogar neu geheiratet hat? Und was ist, wenn ich merke, dass ich diesen Mann noch liebe? Und wenn ich spüre, dass in seinem Leben kein Platz mehr für mich ist?“

Carla stand schweigend auf und ging näher an den Rand der Böschung. Sie brauchte einen Moment, um sich zu sammeln. „Das kannst du alles nicht wissen“, sagte sie, ohne Hanna anzusehen. „Und selbst wenn es so wäre… dann hast du vielleicht andere Menschen verloren, aber dich selbst hast du gefunden.“

Hanna antwortete nicht, doch nach einer Weile ging sie zu ihr und stellte sich neben sie. „Danke, dass du da bist, Carla“, sagte sie. „Und dass du mich nicht für verrückt erklärst."



* * *




Am Abend lag Carla in ihrem Gästebett und sah tief in Gedanken gegen die Zimmerdecke. Sophia war längst eingeschlafen und Carla hatte ihr eigentlich nur eine Gutenachtgeschichte erzählen wollen. Doch dann war sie selbst unter ihre Bettdecke geschlüpft und kurz eingenickt. Sophia hatte einen aufregenden Tag mit Nina und Erika gehabt und war, anders als sonst, schnell dazu zu bewegen gewesen, Schlafen zu gehen. Natürlich musste sie Carla aber noch jede Kleinigkeit erzählen, die sie erlebt hatte. Wie sie eine Salamanderfamilie entdeckt hatte (bei ihr war alles, was mehr als zu zweit auftrat, eine Familie) und wie sie bunte Luftballons über das Meer hatten steigen gelassen (und ihrer am höchsten geflogen war) und so weiter und sofort. Schon beim Erzählen war Sophia todmüde gewesen und hatte sich eng an Carla gekuschelt, bis sie irgendwann mitten im Satz eingeschlafen war. Carla hatte noch die fehlenden Kuscheltiere geholt, damit es am Morgen kein Gezeter geben würde, wenn eines im Bett fehlte, und hatte sich dann neben Sophia gelegt.

Eigentlich wäre sie mit Stella zum Telefonieren verabredet gewesen, aber Carla hatte sich entschieden, ihr lieber eine lange Email zu schreiben. Stella kannte sie zu gut und würde am Telefon sofort merken, dass irgendetwas nicht in Ordnung war. Und Carla wollte sie nicht unnötig beunruhigen. Die Wanderung mit Hanna war wunderschön gewesen und der gemeinsame Tag wirkte noch immer in ihr nach. Als sie ihre Rast an dem Berghang beendet hatten, waren sie noch bis nach Polirinia gewandert und hatten die majestätischen Säulen der Akropolis selbst durchschritten. Dann war es allerdings höchste Zeit gewesen, wieder zurückzuwandern, wenn sie bis zum Abendessen zurück sein wollten.

Hanna war nach ihrer Unterhaltung bei der Rast gelöster gewesen als Carla sie auf Kreta jemals erlebt hatte. Sie machte den Eindruck, als sei eine Zentnerlast von ihr abgefallen und zum Teil war sie so ausgelassen, dass sie Carla mit ihrer Albernheit ansteckte. Carla konnte sich gar nicht satt sehen an ihrer Freude und Lebenslust und musste sich immer wieder beherrschen, ihr körperlich nicht zu nahe zu kommen.

Die physische Anziehung, die sie Hanna gegenüber schon immer empfunden hatte, war am schwersten auszuhalten. Es kostete so viel Kraft, nicht ihre Hand zu nehmen, sie nicht an sich zu ziehen, nicht ihr Gesicht mit Küssen zu bedecken. So viel Kraft, Abstand zu halten und sich so zu benehmen, als sei sie nichts als die Freundin einer Freundin. Sie kannte Hannas Körper in- und auswendig. Sie wusste, wo Hanna kitzlig war, wo sie empfindlich war, wo sie gern berührt wurde. Sie wusste, was sie erregte, was sich unter dem T-Shirt verbarg und was unter den Jeans. Und es erschreckte sie, wie sehr sie sich zu Hanna hingezogen fühlte. Sie hatte Angst, dass es stärker war als sie und dass es alles kaputt machen würde, in Hannas Leben und in ihrem eigenen.

Ein leises Klopfen an der Tür holte sie aus ihren Gedanken zurück. „Carla?“ Es war Hannas Stimme auf dem Flur. Carla schloss die Augen und tat als ob sie schlief, als die Tür sich leise öffnete und Hanna eintrat. „Carla, bist du noch wach?“, fragte Hanna leise, doch Carla hielt ihre Augen fest geschlossen. Leise Schritte in ihre Richtung waren zu hören, dann blieb Hanna stehen, und es war Stille.

„Carla, was machst du mit mir?“, flüsterte Hanna.

Carla hörte, wie sie sich umwandte, dann wieder Schritte, diesmal zur Tür. Eine ungesehene Träne tropfe auf Carlas Kopfkissen, als Hanna leise hinter sich die Tür schloss.

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Zuletzt geändert von kimlegaspi am 24.06.2011, 19:54, insgesamt 6-mal geändert.

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BeitragVerfasst: 15.04.2011, 23:16 
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Was soll ich sagen deine Geschichte ist einfach Wow.Klasse Super Wahnsinn alles zusammen.
Ich habe richtig mit Hanna und Carla mitgelitten.
Mir tut nur Stella leid sie ahnt ja bestimmt schon was.
Ich freue mich schon wahnsinnig auf mehr und kann es kaum abwarten.
:danke:



lg
Martina


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BeitragVerfasst: 16.04.2011, 08:54 
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kimlegaspi hat geschrieben:
... Carla nahm Stellas Hand und küsste sie. „Du hast keinen Grund zur Beunruhigung.“


boah, danke schön.
mach weiter so .-)

sabam

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ich werde mir vor deinem tor eine hütte bauen,
um meiner seele, die bei dir haust, nah zu sein.


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BeitragVerfasst: 16.04.2011, 11:11 
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super toll..freu mich, das es weiter geht..ich liebe Canna Geschichten..:)

:danke: :bigsuper: :klatsch: :respekt:


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BeitragVerfasst: 16.04.2011, 13:21 
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Beiträge: 1179
TAUSEND DANK IHR LIEBEN!!!!

Bin auch schon fleißig am Weiterschreiben, man kann die beiden ja nicht in ihrem Elend lassen und Stella auch nicht. Achso, falls es irgendjemanden hier interessiert, wie die Stimmung so im Auto war, bzw. was die beiden zusammen gehört haben, hier kommen:

Haris Alexiou: To tango tis Nevelis (Nevelis' Tango):
[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=lF3zt_Gj3uk&feature=related[/youtube]

(In dem Lied geht es übrigens um eine junge Frau, die von zwei Engeln bestohlen wird und daraufhin alles vergisst.)

Lyrics translated from Greek to English:

The golden rag that Nefeli had on her hair
to be different from the others in the vineyeard
two little little angels came
and stole it from her.
Two little angels
that wanted Nefeli in their dreams
to feed her pomegranate and honey
so that she won't remember, she'll forget what she wants.


Und hier ist die Originalversion von Loreena McKennitt, zwar mit Gesang, aber ohne Text:

Loreena McKennitt: Tango to Evora:
[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=Iijklrtljnw[/youtube]

So, und nun muss ich mal weiterschreiben :lol: .

_________________
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BeitragVerfasst: 16.04.2011, 13:41 
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Beiträge: 177
Kim, thank you so much for this story. It is sooo good!

Every time I come to the end of what you've written I say "Nooo, there has to be more!" :lol:

Zitat:
So, und nun muss ich mal weiterschreiben


Please do. :D

--I love how you're incorporating parts of Canna's history into the story, like when Hanna asks "Carla, what are you doing to me?"


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