VON TRÄUMEN UND WIRKLICHKEIT
21.
Ich frage nicht nach, jeden Falls nicht in diesem Moment. Ich verdränge den Gedanken, dass Stella es war, die mich aus dem Wasser rettete. Ich verdränge die Gewissheit, dass hier etwas nicht stimmen konnte. Ich verdränge die Tatsache, dass alles was in den letzten Monaten passierte, einen Sinn ergeben sollte. Meine Träume, in denen ich Hanna so nah war. Die schicksalhaften Begegnungen mit Stella. Diese unerklärliche Geschichte, mit dem See an der Jagdhütte, der seltsamen Retterin. Der Nummer… von Hanna … von Stella. Sie war bezaubernd. Ihre Schwäche macht sie Einzigartig. Das erste Mal, dass sie nicht hinter ihrer starken Maske verschwand, weil es ihr zu persönlich wurde. Wir kennen uns jetzt ein paar Wochen. Die Begegnungen vergingen im Flug. Jede einzelne – wunderschön. Jetzt sitzt sie hier. Ich halte sie in meinen Armen. Sie weint. Empfange ihre Ängste.
„Sie stirbt jede Nacht. Und mit ihr ein großer Teil von mir. Jede Nacht. Stirbt sie. Ich werde –wenn das nicht aufhört- , daran zerbrechen, Carla.“ Ihre Tränen treffen auf meinen Arm, sie sind warm und brennen. Tränen welche schreckliches Leid berichten. Der Traum zerreißt diese schöne Gestalt. In jeder Nacht und … gerade wieder.
„Der See. Ihr Körper, der an der Wasseroberfläche treibt. In Gedanken stellt sie sich auf, nimmt glücklich den Anlauf am Steg, dann hebt sie ab und springt. Sie treibt und treibt. Ich versuche ihr nachzulaufen. Doch ich kann mich nicht bewegen. Ich will schreien. Doch niemand hört mich. Ihre Hülle wird langsam glanzlos, ihre Haut dünn wie Pergamentpapier. Ich versuche meine Augen zu schließen, doch sie schließen sich nicht. Dann stauen sich die Tränen. Mein Herz zerspringt. Ich wollte ihr doch helfen. Dann treibt der leblose Körper an das schilfige Ufer. Ich laufe zu ihr. Halte ihre Hände. Mein Kopf ist leer, nichts kann ich tun. Ich hätte sie retten könne. Doch meine Glieder versteiften- nichts rührte sich.“
Mein Blick erstarrt. Ihre Worte. Meine Geschichte. Kamen von ihr die Schreie die ich vernahm? War sie es, die zum Himmel blickte und flüsterte? War sie es, die meinen Körper Wärme schenkte? Hat Hanna mir Stella geschickt?
In diesem Augenblick habe ich keine Angst. Ich versuche nicht, die Fragen die in mir wühlten, zu beantworten. Der Moment galt Stella, die in meinen Armen Schutz suchte. Ich konnte sie nicht wegschicken. Zu sehr fehlt mir ihre Nähe, der ich nun nah sein kann.
Sie schweigt. Ihr leises Schluchzen das einzige was spricht.
Ich streiche mit meinem Finger über die Tränen an meinem Arm.
Dann sanft ihr engelsblondes Haar’.
Mit der anderen Hand zünde ich eine Kerze an. Beobachte das hastige Flackern. ‚Das Abbild zweier Seelen’ … aufgewühlt und ängstlich.
Ich denke nicht nach. Als ich plötzlich meine eigene Stimme höre:
„Die Frau in deinen Träumen lebt, Stella. Du hast sie gerettet.“
Sie schließt ihre Augen.
Widmung: für Darchino