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BeitragVerfasst: 24.07.2012, 21:15 
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So, tief durchatmen (ich rede von mir). Hier kommt der nächste Teil:






Kapitel 6



Sechs Monate später.


Alicia blinzelte gegen die hellen Scheinwerfer, als Peter unter dem Blitzlichtgewitter der Presse vom Podium stieg. In einer siegreichen Geste hob er ihre Hände gemeinsam in die Höhe und hielt sie in Richtung der Kameras. „Illinois braucht neue Ideen“, rief er in die Menge. „Wir haben sie!“ Donnernder Applaus war die Antwort.

Ein paar Minuten posierten sie noch für die Fotografen, dann war es höchste Zeit, die Pressekonferenz zu beenden und zur eigentlichen Arbeit zurückzukehren. Der Zeiger der großen Uhr im Saal war gerade auf die 10 gerückt, und Alicia hatte in einer Stunde einen Termin mit einem neuen Mandanten. Auch Peter musste dringend in sein Büro, um einen Prozess gegen einen mutmaßlichen Kindesentführer vorzubereiten. „Das lief doch gut“, flüsterte er ihr ins Ohr, als sie zum Abschluss in die Menge winkten. Alicia nickte unmerklich und warf einen unauffälligen Blick zu Eli, der hinter einem Pfeiler stand und zufrieden den Daumen hochhielt. Die Veranstaltung war erst der siebte von über dreißig gemeinsamen Presseterminen, und Alicia sehnte schon jetzt das Ende der Kampagne herbei.

Es war ein sonniger, kalter Februartag in Chicago, und der helle Schnee reflektierte so stark, dass Alicia ihre Sonnenbrille aufsetzen musste, als sie das Gebäude verließen. Da Eli verlangt hatte, dass sie grundsätzlich in einem Auto zu Kampagnenterminen fahren sollten, musste Peter Alicia erst wieder vor ihrer Wohnung absetzen, damit sie in ihren eigenen Wagen umsteigen konnte. Glücklicherweise lag der Veranstaltungsort nicht sehr weit von ihrem Zuhause entfernt, so dass Peter keinen großen Umweg fahren musste. „Warst du gestern bei Jackie?“, fragte Peter, als er in ihre Straße einbog.

„Ja, und sie hat sogar ein bisschen was gegessen“, antwortete Alicia. „Aber sie nimmt trotzdem viel zu sehr ab.“

„Ich rede heute nochmal mit dem Personal. Vielleicht mag sie das Essen im Heim einfach nicht.“

„Ich glaube eher, dass sie aus Protest so wenig isst. Du weiß ja, wie stur sie ist.“ Alicia suchte in ihrer Handtasche nach ihrem Autoschlüssel. „Wir müssen einfach Geduld haben.“

Peter parkte wenige Meter von Alicias Wagen entfernt und stellte den Motor aus. „Kommst du heute Abend mit, wenn Zach und Grace kommen?“

Sie schüttelte den Kopf. „Nein, wir haben noch eine interne Feier, und ich will dich nicht wecken, wenn ich spät heimkomme.“

„Du weißt, dass mich das nicht stört“, protestierte er mit charmantem Lächeln. „Und morgen ist sowieso Samstag.“

Alicia seufzte. Nach all den Kampagnenterminen sehnte sie sich nach ein paar Stunden für sich allein, obwohl sie Peter ungern enttäuschte. Er hatte im Moment Siebzigstundenwochen zu absolvieren und betonte immer wieder, wie sehr er es genoss, mit ihr private Zeit zu verbringen. Doch auch Alicia war an der Grenze ihrer Belastbarkeit und hatte sich schon seit Tagen auf ein paar einsame Mußestunden nur mit einem Cappuccino und einem Buch gefreut. „Nein, lieber nicht“, wiederholte sie. „Ich fahre nach Hause. Holst du mich morgen um 14 Uhr ab?“

„Lass uns eher 13 Uhr sagen. Eli will vor der Podiumsdiskussion noch etwas mit uns besprechen.“

„Okay.“ Alicia öffnete die Wagentür. „Dann sehen wir uns morgen.“

„Bis morgen.“ Er gab ihr einen Kuss auf die Wange. „Arbeite nicht zu viel.“

„Du auch nicht.“

Alicia schlug fröstelnd ihren Mantelkragen hoch, als sie durch den Schnee zu ihrem Auto stapfte. Der Wind war so eisig, dass man schon nach ein paar Sekunden zurück ins Warme wollte. Doch bevor sie in ihren Wagen steigen konnte, musste sie eine dicke Schneedecke von den Scheiben entfernen und fluchte, als sie sich mit klammen Fingern hinters Steuer setzte. Wenn es nach ihr ginge, hätte der Tag schon jetzt zu Ende sein können, aber leider hatte sie noch einen vollen Terminkalender abzuarbeiten.

Alicia war durchaus bewusst gewesen, dass die Governor-Wahlen mehr Einsatz erfordern würden als damals die Kampagne um den Posten des Oberstaatsanwalts von Cook County. Doch dass Eli sie derart häufig einsetzen würde, hatte sie nicht erwartet. Manchmal hatte sie den Eindruck, ihr Gesicht sei wichtiger als Peters Reden. Glücklicherweise war es mit Peter sehr unkompliziert. Er war stets bemüht, es Alicia leicht zu machen, denn er wusste zu schätzen, was sie für ihn tat. Ein Politiker ohne Ehefrau hatte in diesem Land nun einmal keine Chance, und es war klar, dass er es ohne ihr Zutun nicht schaffen würde. Wenn man den Umfrageergebnissen glauben konnte, standen Peters Chancen nicht schlecht, und Eli hörte nicht auf zu prophezeien, dass es nur eine Frage der Zeit sei, bis sein Kontrahent Mike Kresteva mit Pauken und Trompeten untergehen würde.

Alicia merkte sehr wohl, dass Peter die gemeinsame Zeit auch nutzte, um ihr wieder näher zu kommen, und sie hatte sich nach und nach auf sein sanftes Drängen eingelassen, auch wenn ihr die Einhaltung bestimmter Grenzen wichtig blieb. Peter war ihr vertraut wie kein anderer Mensch auf der Welt, und die Kinder waren glücklich, dass sie sich wieder so gut verstanden. Es fühlte sich fast wieder wie eine richtige Familie an, wenn Alicia mit den Kindern bei Peter übernachtete. Nur dass der Sex zwischen ihnen fehlte. Und daran hielt sie weiterhin fest. Es war bequem und vertraut mit Peter, und es war verführerisch, sich davon einlullen zu lassen. Aber es war nicht das, was Alicia wollte.

Was Alicia wollte, befand sich schräg gegenüber von ihrem Büro und würde immer unerreichbar sein. Und Peters Kampagne war die beste Ablenkung, um sich damit nicht auseinandersetzen zu müssen.

Seit einem halben Jahr hatte Alicia mit Kalinda kaum ein privates Wort gewechselt, und daran war sie selbst schuld. Wie sie es gewünscht hatte, hatte Kalinda ihre Bitte um Abstand respektiert und sich zurückgezogen. Nach wie vor arbeiteten sie gemeinsam an Fällen, und nach wie vor war ihre Zusammenarbeit hervorragend, so dass Will und Diane sie oft als Team einsetzten. Aber Kalinda kam nicht mehr zwischendurch in ihr Büro, und Alicia klopfte auch nicht mehr an ihres. Sie unterhielten sich nicht, wenn sie sich am Getränkeautomaten trafen, und sie hatten sich nie wieder nach Feierabend an der Bar getroffen.

Ansonsten war alles wie immer bei Lockhart & Gardner. Die Kanzlei erholte sich zunehmend von der Wirtschaftskrise der letzten Jahre, und Diane hatte Alicia in Aussicht gestellt, in absehbarer Zeit eine der Teilhaberinnen von Lockhart & Gardner zu werden. Auf dieses Angebot hatte Alicia seit längerer Zeit hingearbeitet, so dass sie sich über Dianes Worte ausgesprochen freute. Zwar war sie sich nicht sicher, inwieweit die Beförderung auch damit zu tun hatte, dass sie voraussichtlich bald die Ehefrau des Governors von Illinois sein würde. Aber ihr Eindruck war, dass Diane zwar sehr wohl schaute, an welchen Punkten Alicia der Kanzlei nützen konnte, aber dass sie auch ehrlich von ihrer Arbeit überzeugt war.

Ausgerechnet Diane hatte vor einigen Monaten eine Andeutung gemacht, aus der Alicia schloss, dass ihre Chefin nicht nur die Veränderung in der Beziehung von Alicia und Kalinda wahrgenommen hatte, sondern auch den Grund dafür ahnte. Alicia hatte ihren Worten weder widersprochen, noch irgendetwas bestätigt, und sie hatte keine Ahnung, welche Schlussfolgerungen Diane daraus gezogen hatte. Zumindest aber konnte sie sich auf die Diskretion ihrer Chefin verlassen und auch darauf, dass Diane ihre Vermutung niemals gegen sie verwenden würde. Im Gegenteil. Seltsamerweise schien sie seit diesem Gespräch Alicia gegenüber aufgeschlossener und aufmerksamer.

Kalinda selbst verhielt sich, bis auf den Abstand zu Alicia, völlig normal. Man merkte ihr an, dass ihr die Arbeit wieder Spaß machte, und sie tat sie perfekt wie eh und je. Wie gewohnt war sie Objekt heißer Blicke, wo immer sie hinkam, und sie machte stets den Eindruck, als ob sie sich dieser nicht bewusst sei. Solange, bis sie genau diesen Effekt bewusst einsetze, und ein kurzer Flirt genügte, um an die Informationen zu kommen, die sie haben wollte.

Alicia beobachtete das alles aus der Ferne und versuchte, sich davon nicht berühren zu lassen. Aber es tat weh. Es tat auch nach einem halben Jahr immer noch weh.

Selbst auf dem Parkdeck von Lockhart & Gardner war es eisig kalt, doch sobald Alicia den Fahrstuhl betrat, konnte sie sich ihres Mantels entledigen. In den Büroräumen war es angenehm warm, und Alicia sehnte sich nach nichts mehr als nach einer heißen Tasse Kaffee, um sich auch innerlich wieder durchzuwärmen. Auf dem Weg zum Kaffeeautomaten entdeckte sie allerdings, dass ihr neuer Mandant schon im Konferenzraum auf sie wartete, obwohl ihr Termin erst in einer viertel Stunde anberaumt war. Also verzichtete sie auf den Kaffee, und entschied, stattdessen einen Blick in die Unterlagen von Mr. Feiniger zu werfen, bevor sie in das Gespräch ging.

Auf dem Flur kam ihr Cary entgegen, der auf dem Weg in den Konferenzraum war. „Ich soll nachher dabei sein“, informierte er sie und wies mit dem Kopf zu ihrem wartenden Mandanten.

„Wieso?“ Alicia sah verwundert auf die Akte in Carys Hand. „Ich dachte, ich soll das allein machen?“

Er zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Anweisung von Will.“

Alicia machte auf dem Absatz kehrt und klopfte an Wills Büro. „Hast du einen Moment, Will?“

„Für dich immer.“ Will sah von seinem Schreibtisch auf. „Geht’s um Cary?“

„Ja, genau. Habe ich was falsch gemacht, dass er dabei sein soll?“

„Es ist durchgesickert, dass McCoy der Richtiger sein wird“, informierte er sie. „Du weißt, dass der Mann dich nicht mag.“

„Oh. Okay“ Alicia nickte einsichtig. „Macht es denn überhaupt Sinn, dass ich dabei bin?“

„Auf jeden Fall. Du solltest dich aber im Hintergrund halten“, erklärte Will. „Ich will dich unbedingt dabei haben, denn Mr. Feininger hat in höchsten Tönen von dir gesprochen. Wenn ich es richtig verstanden habe, hat er dich in einem Fernsehinterview gesehen.“

„Na toll.“ Alicia schaute wehmütig auf den heißen Kaffeebecher, der auf Wills Schreibtisch stand. „Also bin ich für Mr. Feininger zuständig und Cary für den Richter?“

„Ganz genau“, bestätigte er schmunzelnd. „Soll ich dich heute Abend mitnehmen? Ich muss sowieso mit dem Auto fahren.“

„Zu der Betriebsfeier? Nein, danke. Meine Kinder setzen mich ab, wenn sie zu ihrem Vater fahren. Ist eigentlich Abendkleidung angesagt?“

„Nein.“ Er schüttelte den Kopf. „Es wird alles ganz zwanglos. Übrigens habe ich leider die Live-Band vom letzten Mal nicht mehr bekommen.“

„Schade eigentlich. Die waren gut.“ Alicia lächelte, obwohl sie die letzte Betriebsfeier in nicht sehr guter Erinnerung hatte. Schon seit Wochen wünschte sie sich für den heutigen Abend eine Grippe herbei, aber diese wollte einfach nicht eintreten, und so lief es wohl oder übel darauf hinaus, dass sie auf der Feier erscheinen musste. Sicher würden alle dafür Verständnis haben, wenn sie früh aufbrach, denn jeder wusste, dass sie auch am Wochenende Wahlkampftermine hatte.

Als Alicia Wills Büro verließ, lief sie prompt Kalinda über den Weg. Diese war im Gespräch mit Julius Cain, kehrte jedoch noch einmal um, nachdem sie an Alicia vorbeigegangen waren. „Wieso ist Cary bei ihm?“, fragte Kalinda und wies hinter sich auf den Konferenzraum.

„McCoy wird der Richter sein.“

„Oh.“ Kalinda konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. „Dann hältst du dich besser im Hintergrund.“

„Das hat Will auch gesagt.“

„Weißt du, dass dein Mandant gerade seinen Führerschein wegen Trunkenheit am Steuer verloren hat?“

„Mr. Feininger?“ Alicia sah sie erstaunt an. „Ich bin noch nicht dazu gekommen, in seine Unterlagen zu sehen…“

„Das wird da auch nicht drinstehen. Der Bescheid ist erst gestern rausgegangen, ich weiß es von Tommy.“ Tommy war einer der Polizisten, der Kalinda mit Informationen versorgte.

„Na, das ist ja interessant.“ Alicia sah unauffällig zu dem Mandanten herüber, der sich inzwischen locker mit Cary unterhielt. „Dann können wir ja gleich mal überprüfen, wie ehrlich Mr. Feininger uns gegenüber ist. Danke, Kalinda.“

„Keine Ursache.“ Kalinda machte eine Geste zu Julius, der drüben am Fahrstuhl auf sie wartete. „Sehen wir uns heute Abend?“

„Wie immer besteht Anwesenheitspflicht“, lächelte Alicia. „Also werde ich da sein.“

„Dann bis später.“ Kalinda war schon auf dem Weg zu Julius. Der warf Alicia einen alles andere als freundlichen Blick zu, als er mit Kalinda in den Fahrstuhl stieg.

Alicia zuckte nur mit den Schultern. Wenn er immer noch fand, dass Kalinda zu viel für sie arbeitete, sollte er sich bei Will oder Diane beschweren. Ein Blick auf die Armbanduhr zeigte ihr, dass sie sich sputen musste, wenn sie noch einen Blick in Mr. Feiningers Unterlagen werfen wollte. Danach würde sie noch zwei weitere Termine mit anderen Mandanten haben, und der Abend würde auf diese Weise schneller da sein, als ihr lieb war.



* * *



Es war eine dieser typischen Betriebsfeiern, auf die keiner richtig Lust hatte, die aber dann doch noch ganz nett wurden. Alicia saß während des Essens zwischen zwei jungen Anwälten, die relativ neu bei Lockhart & Gardner angefangen hatten und das Treiben in der Kanzlei mit einigem Abstand betrachteten. Es war amüsant zu hören, was sie so beobachteten, denn manche Dinge fielen Alicia nach fast vier Jahren Betriebszugehörigkeit gar nicht mehr auf. Im Anschluss an das Dessert bat der DJ, ein junger Hippie-Typ mit Rasterlocken, auf die Tanzfläche, und Alicias junge Tischnachbarn waren im Nu verschwunden, um sich unter die tanzenden Kollegen zu mischen.

Als Alicia die ausgelassenen Leute auf der Tanzfläche sah, merkte sie umso mehr, wie erschöpft sie sich fühlte. Seit Wochen pendelte sie zwischen Arbeit, Kindern, Jackie und Wahlkampagne hin und her, und überall wurde von ihr voller Einsatz erwartet. Sie hingegen sehnte sich nach etwas Ruhe, und schon die laute Musik aus den Boxen war ihr heute Abend zu viel. Daher beschloss sie, sich erst einmal für eine Weile an die Bar zu setzen, bevor sie sich entschied, ob sie sich auf die Tanzfläche begeben oder nach Hause fahren würde.

Alicia bestellte einen Rotwein und wandte dem Tresen den Rücken zu, so dass sie gelassen ihren Kollegen beim Tanzen zuschauen konnte. Manche bewegten sich bewusst cool und kontrolliert, andere wiederum schienen wie losgelassen und hüpften über die Tanzfläche wie Teenager unter Ecstasy. Nach einer Weile, als sich Kalinda und Cary unter die Tanzenden mischten, drehte Alicia sich wieder zum Tresen um, um nicht Zeugin ihres Tangos werden zu müssen. Die Erinnerungen an das vorherige Betriebsfest waren gerade das letzte, woran sie denken wollte, und sie würde jetzt einfach in Ruhe ihren Wein austrinken.

Der Nachteil an Festen wie diesen war allerdings, dass man nie lange allein war, und in der nächsten halben Stunde setzten sich ununterbrochen Leute neben Alicia und versuchten, ihr ein Gespräch aufzudrängen. Die meisten verschwanden jedoch schnell wieder, wenn sie Alicias Einsilbigkeit bemerkten, und Alicia ärgerte sich über sich selbst, dass sie an diesem Abend so eine schlechte Gesellschaft war. Sie überlegte gerade, ob sie sich ein Taxi rufen sollte, als sich Kalinda neben ihr auf den gerade frei gewordenen Barhocker setzte. „Du solltest auch ein bisschen tanzen“, sagte sie, während sie dem Kellner winkte. „Das bessert die Laune.“

„Woher willst du wissen, wie meine Laune ist“, murmelte Alicia und nahm einen Schluck von ihrem Rotwein.

„Das ist nicht zu übersehen.“ Kalinda bestellte sich zwei Tequila, als der Kellner zu ihr kam, und noch ein Glas Rotwein für Alicia, die sich überrascht bedankte. „Aber wundern tut es mich nicht“, fuhr sie fort. „Eli nimmt dich viel zu sehr in Anspruch.“

„Er sagt, es sei wichtig für die Kampagne“, seufzte Alicia. „Weil Mike Kresteva so eine Schmutzkampagne gestartet hat, sei es umso wichtiger, dass ich möglichst häufig mit Peter gesehen werde. Am liebsten hätte er, dass die Kinder auch mit dabei wären, aber das ist für mich indiskutabel.“

„Hast du Will mal gefragt, ob du während der Kampagne weniger Stunden arbeiten darfst?“ Kalinda nahm ihre Tequilas in Empfang und schob das Glas Rotwein zu Alicia hinüber.

„Ich will nicht weniger arbeiten“, widersprach Alicia vehement. „Ich will nicht etwas von meinem Leben dafür aufgeben. Es ist nicht meine Kampagne, es ist Peters.“

Kalinda neigte den Kopf und sah sie aufmerksam an. „Ist Peter nicht auch Teil deines Lebens?“

„Wie meinst du das?“ Alicia setzte ihr Weinglas ab.

„Immerhin wirst du die Frau des Governors.“ Kalinda lächelte. „Und die Gerüchte sagen, dass ihr wieder zusammen seid.“

„Welche Gerüchte? Die Leute wissen doch nicht einmal, dass wir uns getrennt haben.“

„Ich rede nicht von der allgemeinen Bevölkerung.“

Alicia lachte bitter. „Das ist mir klar.“

„Und? Seid ihr wieder zusammen?“ Kalinda kippte ihren Tequila herunter.

Alicia beobachtete Kalinda von der Seite. Irgendwie wirkte sie seltsam heute Abend. „Und wenn wir es wären?“

„Dann seid ihr es eben“, sagte Kalinda achselzuckend. „Es tut dir sicher gut, wenn du wieder in einer Beziehung bist.“

„Es würde dich nicht stören?“

„Es ist dein Leben, Alicia.“

„Das habe ich nicht gefragt.“ Alicia griff in Kalindas Arm, als diese zu ihrem zweiten Tequila greifen wollte. „Ich habe dich gefragt, ob es dich stört“, beharrte sie.

„Wieso willst du das wissen?“

„Wieso willst du wissen, ob ich wieder mit Peter zusammen bin?“

Kalinda lachte, aber Alicia konnte sehen, dass sie sich ertappt fühlte. „Du hast recht. Es geht mich nichts an, was du mit deinem Mann tust.“

Alicia schob ihr Weinglas von sich weg und beugte sich näher zu Kalinda. „Warum gibst du nicht zu, dass es dich stört?“, fragte sie mit gedämpfter Stimme. „Mich hat es auch gestört, als du mit deinem Ehemann ein nettes Plätzchen gesucht hast.“

„Du weißt, dass mir diese Dinge nichts bedeuten.“

„Mir aber.“ Alicia sprach noch immer sehr leise, gerade so, dass Kalinda sie verstehen konnte. „Und es würde mich irgendwie erleichtern, wenn dich auch mal was stört.“

„Dafür dass du Anwältin bist, hast du eine seltsame Auffassung von Gerechtigkeit.“ Kalinda schüttelte den Kopf. „Aber wenn du es unbedingt wissen willst, ja, es stört mich. Auch wenn ich dir wünsche, dass du mit jemandem glücklich bist.“

„Danke, Kalinda.“ Alicia konnte nicht recht sagen wieso, aber Kalindas Geständnis erleichterte sie ungemein. „Ich wünsche dir auch, dass du glücklich bist.“

Kalinda nickte und trank ihren zweiten Tequila. Eine Zeitlang schwiegen sie und schauten auf ihre Gläser.

„Ich bin nicht wieder mit Peter zusammen“, sagte Alicia nach einer Weile. „Und ich schlafe auch nicht mit ihm.“

„Warum nicht?“

Alicia schaute irritiert zu Kalinda. Was war das für eine Frage. „Weil ich nicht mit ihm zusammen sein will.“

„Und Will?“

„Was soll mit Will sein?“

„Willst du mit ihm zusammen sein?“

„Nein, will ich nicht.“ Alicia merkte die Spur von Ärger in ihrer Stimme und bemühte sich, leiser zu sprechen. „Wieso denkst du, ich will unbedingt mit jemandem zusammen sein?“

Kalinda zuckte mit den Schultern. „Das wollen Menschen doch, oder nicht?“

Alicia schüttelte den Kopf und nahm einen Schluck von ihrem Wein. Sie verstand nicht, was Kalinda von ihr wollte, aber sie fühlte sich zu müde, um herauszufinden, was mit ihr los war. „Vielleicht sollte ich tatsächlich eine Beziehung haben“, murmelte sie. „Dann würde es mir vielleicht weniger ausmachen, dich mit anderen zu sehen.“

Kalinda sagte dazu nichts. Sie schien tief in Gedanken und wischte geistesabwesend den Dunst von einem Bierglas, das ein Kollege auf dem Tresen zurückgelassen hatte. Die Bewegung ihrer Finger hatte eine Erotik, derer Kalinda sich nicht bewusst war, aber als sie bemerkte, dass Alicia auf ihre Hände starrte, ließ sie von dem Glas ab. „Lass es uns einmal tun.“

Alicias Augen weiteten sich. Schlug sie gerade vor, was sie dachte, was sie vorschlug? „Was? Warum?“

„Ich muss dich aus meinem Kopf bekommen. Und du mich aus deinem.“

Alicia merkte, wie sie errötete. Kalindas Worte allein verursachten eine Hitzewelle in ihrem Körper. „Ich glaube nicht… dass das… eine zielführende Methode ist“, wandte sie ein, aber sie wusste gleichzeitig, dass sie es tun würde. Auch wenn es das Unvernünftigste auf der Welt war.

„Woher willst du das wissen?“ Kalinda wandte sich zur Tanzfläche und machte einen möglichst gelangweilten Gesichtsausdruck. Sie nickte Julius zu, der zu ihr rüber winkte und sie mit schwungvollen Gesten aufforderte, wieder auf die Tanzfläche zu kommen.

Auch Alicia hatte sich zur Tanzfläche gedreht und hoffte inständig, dass niemand ihr ansah, worüber sie gerade redeten. „Wann?“

„Jetzt.“

„Was?“ Alicia verschluckte sich an ihrem Wein. Sie konnte ihre entgleisten Gesichtszüge gerade noch wieder einfangen, als Will und Diane freundlich grüßend an ihnen vorbeitanzten.

„Wenn wir es heute nicht tun, werden wir es nie tun.“ Kalinda rutschte von ihrem Barhocker. „Ich bin gleich wieder zurück.“

Kalinda schlängelte sich zwischen David Lee und Cary hindurch, die sich am Rand der Tanzfläche unterhielten, und ging zu Julius, der sofort enthusiastisch um sie herumtanzte. Er hatte deutlich zu viel Alkohol getrunken und sein Hemd bis zu seinem Bauchnabel heruntergeknöpft. Kalinda ging sofort mit geschmeidigen Bewegungen auf seinen provokanten Tanzstil ein und begann, den armen Mann nach allen Regeln der Kunst zu verführen. Die Erotik ihres Tanzes zog längst nicht nur Julius‘ Blicke auf sich, und Alicia wurde auf ihrem Barhocker abwechselnd heiß und kalt. Sie wusste, dass Kalinda für sie tanzte, auch wenn es für den Rest der Welt anders aussah. Es war ein Versprechen, ein Vorgeschmack auf das, was folgen würde, sobald sie diesen Ort verlassen hatten, und allein der Gedanke daran raubte Alicia den Atem. Kalinda hatte recht: Wenn sie zu lange darüber nachdachten, würden sie es nicht tun. Sie würden beide davonlaufen, wie sie es immer getan hatten.

Als das Musikstück zu Ende ging und Julius Kalinda zu einem Drink einladen wollte, stand Alicia schon mit ihren Mänteln am Rand der Tanzfläche und fing Kalinda ab. „Wir müssen leider schon los, Julius“, sagte Alicia bedauernd. „Ich muss morgen wieder zu einer Wahlkampfveranstaltung, und Kalinda war so freundlich, mir anzubieten, dass sie mich nach Hause fahren würde.“

„Wie schade.“ Er zog ein langes Gesicht. „Vielleicht kannst du ja hinterher nochmal wiederkommen, Kalinda?“

„Wohl eher nicht.“ Kalinda zog sich ihren Mantel über. „Aber du findest bestimmt noch jemand anderen, mit dem du tanzen kannst.“

Sie ließen einen enttäuschten Julius zurück und verabschiedeten sich noch von Diane und Will, bevor sie das Restaurant verließen und sich ein Taxi riefen. „Wo fahren wir eigentlich hin?“ Alicia konnte nicht glauben, dass ihr Verstand so wenig intakt war, dass sie sich noch nicht einmal diese Frage gestellt hatte.

„Zu mir.“

Die Antwort überraschte Alicia so sehr, dass sie fast in einen Schneehaufen gelaufen wäre. In dieselbe Wohnung, in die Kalinda nie jemanden hineinließ, es sei denn, sie erholte sich gerade von einer schweren Schussverletzung? Das passte ganz und gar nicht zu Kalindas Plänen, sie aus ihrem Kopf bekommen zu wollen. Es war eher die beste Methode, um sich für immer an diese Nacht zu erinnern, aber Alicia hielt es für besser, über diese Ungereimtheit nicht näher nachzudenken.

Zu mir. Dass zwei so kurze Wörter so ein Glücksgefühl auszulösen vermochten. Sie hallten noch lange in Alicias Kopf nach, als sie im Taxi saßen und zu Kalindas Wohnung fuhren. Deutlicher hätte Kalinda nicht sagen können, dass hier etwas Besonderes geschah. Sie, die immer betonte, dass „diese Dinge“ keine Bedeutung für sie hatten. Aber heute hatten sie Bedeutung, nicht nur für Alicia.

Je länger sie durch die sternenklare Nacht fuhren, desto nervöser wurde Alicia. Sie hegte keinen Zweifel daran, dass Kalinda es im Bett mit wahren Meistern zu tun gehabt hatte und sicher selbst eine Meisterin war. Ihre eigenen Erfahrungen hingegen waren eher begrenzt und mit Frauen überhaupt nicht vorhanden. Niemals würde sie mit irgendjemandem von Kalindas Affären konkurrieren können, aber sie wusste, dass sie ihr etwas zu geben hatte, das Kalinda bei ihren sexuellen Abenteuern nie finden würde. Und Alicia wollte nichts zurückhalten, denn sie hatten nur diese eine Nacht.

Es war so dunkel auf dem Rücksitz des Taxis, dass Alicia neben sich nur Kalindas Silhouette erkennen konnte, aber sie spürte, dass auch sie angespannt war. Behutsam legte sie ihre Hand auf Kalindas und umschloss sanft die warmen Finger. Es fühlte sich ungewohnt an, eine Hand zu halten, die kleiner und feingliedriger war als ihre, aber ihr war bewusst, dass sie stärker und geschickter war als ihre eigene. Eine Hand, die kämpfen konnte, schießen konnte, verführen und erregen konnte, und die jetzt zitternd und bang in ihrer lag.

Alicia konnte gar nicht anders, als die Finger an ihre Lippen zu führen und einen lautlosen Kuss auf die samtweiche Haut zu drücken. So viel weicher als die Hand von Peter oder Will, und der süße Duft von Kalindas Parfüm verblieb in ihrer Nase, als sie ihre Hände in ihren Schoss legte. „Du bist diejenige mit der Erfahrung“, flüstere sie so leise, dass der Taxifahrer es nicht hören konnte.

„Nein, das bin ich nicht.“ Kalinda fuhr mit ihrem Daumen über Alicias Handrücken, und Alicia spürte die Berührung bis in die Haarspitzen. Es war, als ob die Dunkelheit jede Sensation noch intensivierte und jede Nervenfaser in Alicia aufhorchen ließ. Kalindas Gesicht kam dicht zu ihrem, und es war der perfekte Moment für einen Kuss. Aber Alicia fürchtete, dass der Taxifahrer sie beim Einsteigen erkannt haben könnte, und sie wollte morgen ungern die Headline der Chicago Tribune zieren.

„Er hat dich nicht gesehen“, flüsterte Kalinda. „Und ich werde bezahlen.“

Und dann schloss Kalinda die letzte Distanz zwischen ihnen und küsste sie. Erst kurz und dann länger und intensiver. Vorsichtig. Neugierig. Tastend. Und Alicia antwortete mit derselben Vorsicht. Es war der erste Kuss, auf den sie beide vorbereitet waren, und er war so süß, dass Alicia Mühe hatte, ihre Atmung unter Kontrolle zu halten. Ihre Lippen wollten sofort zurück zu Kalindas, aber Alicia wusste, dass sie jetzt die Grenze ziehen musste, wenn sie nicht doch noch als Schlagzeile enden wollte.

Kalinda lachte leise, als sie Alicias Not bemerkte, und der warme Windhauch kitzelte Alicias Lippen. Noch ein letztes Mal erlaubte sie ihnen, in Kalindas weichen Mund einzutauchen, bis sie sich benommen zurücklehnte. „Genug“, flüsterte sie atemlos.

Kalinda gehorchte und rückte etwas weiter von Alicia ab. Den Rest der Fahrt verbrachten sie nur leise flüsternd, aber ihre beiden Hände blieben ineinander verschlungen, bis sie vor Kalindas Wohnung angekommen waren.

Die Luft war klirrend kalt, als sie aus dem Taxi stiegen, und Alicia verschränkte fröstelnd die Arme, während Kalinda den Fahrer bezahlte. Das Atmen tat weh in der Lunge, aber Alicia war dankbar für die unangenehme Empfindung, denn sie fühlte sich noch leicht benommen. Die klare Luft tat ihr gut, und sie schloss zufrieden die Augen, als der Wind eisig über ihr Gesicht fegte.

„Lass uns bloß schnell reingehen, bevor wir hier festfrieren“, fluchte Kalinda neben ihr. „Und dann kriegst du erstmal einen heißen Kaffee.“

Ein heißer Kaffee hörte sich besser an, als frierend in der Kälte zu stehen, und Alicia folgte Kalinda erwartungsvoll in die Wohnung. Während Kalinda sich um den Kaffee kümmerte, schaute Alicia sich in ihrem Zuhause um und bemerkte, dass sie ein paar Möbel dazugekauft hatte. Nichts Großes, aber die Räume wirkten etwas bewohnter als bei Alicias erstem Besuch. Nach wie vor war alles in Weiß gehalten, und auf den ersten Blick wirkten die Räume extrem unpersönlich.

„Hier.“ Vor Alicias Augen tauchte ein Becher Kaffee auf. „Eine Couch habe ich nicht, also müssen wir ins Schlafzimmer gehen“, sagte Kalinda lächelnd. „Es sei denn, du möchtest in Sesseln sitzen.“

„Schlafzimmer ist gut.“

Auf Kalindas Bett lag zwar eine Überdecke, aber es befanden sich keinerlei Dekokissen oder sonstige Polster darauf, an die man sich hätte anlehnen können. Also zogen sie beide ihre Schuhe aus und setzten sich im Schneidersitz auf Kalindas Bett. Eine Weile unterhielten sie sich leise über Belanglosigkeiten, während sie ihren Kaffee tranken und ihre Nervosität zu überspielen versuchten. Alicia fühlte sich plötzlich wieder wie ein Schulmädchen vor seiner ersten sexuellen Erfahrung, und sie hoffte, dass Kalinda die Führung übernehmen würde. Doch Kalinda saß einfach nur neben ihr und erzählte ausführlich von einem Mandanten, dem sie das Schießen beibringen sollte und der ihr bei den Übungen fast in den Fuß geschossen hätte.

Irgendwann war der Kaffee schließlich ausgetrunken, und Kalinda nahm Alicia ihren leeren Becher ab. „Ist es dir zu kühl hier?“, fragte sie, als sie die Becher auf dem Nachttisch abstellte. „Ich heize normalerweise hier nicht.“

„Ein bisschen.“ Alicia lächelte. „Unter der Bettdecke wäre es sicher wärmer.“

„Entschuldige, Alicia, ich…“ Kalinda schüttelte den Kopf. „Ich weiß nicht…“

„Doch, du weißt.“ Alicia lehnte sich näher zu ihr und strich ihr eine wirre Strähne aus der Stirn. „Zuerst einmal ziehen wir die Überdecke ab.“

Sie ergriff Kalindas Hand und stieg vom Bett. Mit einem Schwung landete die Überdecke auf dem Fußboden, und Kalindas Bettdecke kam zum Vorschein. Weiße Seide, wie nicht anders zu erwarten war. Nur ein einziges Kopfkissen, wie Alicia beruhigt feststellte. Kalinda schien tatsächlich nie jemanden hier zu haben, auch wenn sie ein Kingsize Bett besaß.

„Wir machen es ganz langsam“, flüsterte Alicia in Kalindas Ohr, als sie sich vor sie stellte und den obersten Knopf ihrer Bluse öffnete. „Ist das okay?“

Kalinda nickte stumm und verharrte still, bis Alicia den letzten Knopf geöffnet hatte und ihr das Kleidungsstück herunterstreifte. Dann zog sie ihrerseits Alicias Bluse aus und legte sie neben ihre. „Ich mach das“, sagte sie, als Alicia ihren eigenen Rock öffnen wollte. Allein der Klang ihrer Stimme verursachte einen Schauer bei Alicia, und sie sog scharf die Luft ein, als Kalindas Hand, versehentlich oder absichtlich, ihre Hüfte streifte.

Lautlos fiel Alicias Rock zu Boden und Kalindas folgte kurz darauf. „Darf ich?“ Alicia öffnete die große Haarspange auf Kalindas Hinterkopf, und das Haar fiel schwer auf ihre Hände. Und dann war es endlich Zeit, sich zu dem schönen Gesicht zu beugen und die wartenden Lippen zu küssen. Ganz vorsichtig, wie vorhin im Taxi. Aber diesmal konnte sie weitergehen.

„Bett“, flüsterte Kalinda zwischen zwei Küssen.

Und in der Tat war es viel zu kalt im Raum, und sie krochen unter das warme Laken. Schweigend entledigten sie sich ihrer restlichen Kleidung, bis sie nackt beieinander lagen. Kalinda hatte Alicia noch nicht wieder berührt, sie lag nur da und sah Alicia an. Aber als Alicia scheu ihrem Blick begegnete, erschrak sie fast. Die dunklen Augen ließen keinen Zweifel daran, was Kalinda wollte.

Und dann war Kalindas Gesicht plötzlich über ihrem, und Alicia spürte den warmen Atem an ihrem Mund. Sie ahnte, dass dieser Kuss anders sein würde als die vorherigen, aber sie rechnete nicht mit dem leisen Stöhnen, das Kalinda entfuhr, als ihre weichen Lippen sich auf ihre legten. Und als sich ihre eigenen Lippen hungrig öffneten, merkte sie, dass sie auf nichts von dem, was kam, vorbereitet war. Nicht auf die kleinen Laute, die Kalinda machte, nicht auf das Geräusch ihres eigenen raschen Atems, nicht auf das Gefühl nackter Haut, als Kalindas Körper sich gegen ihren presste. Es war wie ein Feuer, das sich in Sekundenschnelle ausbreitete, und Alicia rang nach Luft, als Kalindas Mund von ihr abließ, um ihren Hals hinunterzuwandern.

Offenbar war sie nicht die einzige, die unvorbereitet war. Irgendwann merkte Alicia, dass sich Kalindas Atmung veränderte, und sie schob ihre Hand sanft unter Kalindas Kinn, um zu sehen, was los war. Sie erschrak, als sie in Kalindas Gesicht Tränen fand. „Warum weinst du?“, flüsterte sie.

„Ich weiß es nicht.“

Alicia zog Kalinda zu sich hoch und küsste die feuchten Augenlieder. „Du bist wunderbar, Kalinda. Es ist so schade, dass ich dir das nie zeigen darf.“

„Zeig es mir jetzt.“

Und das tat Alicia. Ihre Augen und Hände und Lippen begaben sich auf die Wanderschaft über diesen wundervollen schmalen Körper, der mit seinen weiblichen Rundungen ihrem eigenen so ähnlich war. Und sie verharrten, wo sie wollten, und sie zeigten Kalinda ohne Worte, wie wunderbar sie war. Auch wenn sie die intimsten Stellen noch ausließen, gab es Atemberaubendes zu entdecken, und Kalindas Reaktionen auf ihre Berührungen machten Alicia stolz und glücklich zugleich.

Und immer wieder musste sie in Kalindas Gesicht schauen, das so unverhohlen wie nie ihre Empfindungen widerspiegelte. Und Alicia war ergriffen von der Verletzlichkeit, die sich ihr offenbarte. Sie konnte sich nicht sattsehen an dem Ausdruck puren Genusses in Kalindas Gesicht, und sie wusste augenblicklich, dass sie dieses Bild in ihrem ganzen Leben nie wieder vergessen würde. „Danke, dass du gefragt hast“, wisperte sie in Kalindas Ohr.

Kalinda sah sie mit halb offenen Augen an, und in ihrem Blick lag so viel Ungesagtes, dass Alicia schlucken musste. „Danke, dass du mitgekommen bist“, antwortete sie rau.

„Das war keine Entscheidung.“ Alicia fuhr mit ihrem Daumen sanft über Kalindas Wange und setzte dann einen Kuss auf die Stelle, wo der Daumen gewesen war. „Ich denke seit einem halben Jahr an nichts anderes.“

„Ich weiß.“ Kalinda holte Alicia zurück zu ihren Lippen. „Ich auch nicht.“

„Das klingt erbärmlich.“

Kalinda lachte leise. „Ja, das tut es.“ Mit einem Kuss drückte sie Alicia ins Kopfkissen und rollte sie auf den Rücken. Und dann begann das Spiel von vorn. Sie verloren sich im gegenseitigen Entdecken, in zärtlichen Berührungen, und Alicia kam jegliches Zeitgefühl abhanden. Kalindas Hände schienen auf einmal überall zu sein und riefen alle möglichen Sensationen in Alicia hervor. Jede einzelne Faser ihres Körpers schien in Erregung versetzt, jede Zelle in Aufruhr.

Nach einer endlosen Reihe von Küssen und leisen Seufzern bewegten sich Kalindas Hände langsam hin zu Alicias Brüsten, und während eine Hand die eine behutsam umfasste, schlossen sich Kalindas Lippen zärtlich über der anderen. Alicias Kopf fiel abrupt zurück ins Kissen, als Kalindas Hand und Mund sich gleichzeitig zu bewegen begannen. Sie rang mühsam nach Luft, aber Kalinda hatte kein Erbarmen. Ihre geübte Zunge wusste genau, was zu tun war, und erst als Alicia schwer atmend ihren Namen flüsterte, hielt Kalinda inne. „Alles in Ordnung?“

„Nein.“ Alicia bedeckte mit ihrer Hand ihre Augen. Sie wusste auch nicht, warum sie beschämt war.

„Alicia…“ Kalinda kam zu ihr hoch und küsste die Hand auf Alicias Augen. „Du… bist… so… wunderschön… überall…“ Sie schob vorsichtig Alicias Hand zur Seite und küsste die Lippen darunter, während ihre andere Hand wieder abwärts wanderte. „Lass mich tun, was du verdienst.“

Alicia spürte, wie ihr die Röte ins Gesicht schoss. „Kalinda…“, keuchte sie und griff nach ihrer Hand. „Bitte… nicht…“

Kalinda stoppte in ihrer Bewegung und stützte sich auf ihren Ellenbogen, um Alicia ansehen zu können. „Du brauchst mich woanders?“, fragte sie, und der veränderte Ausdruck in ihrem Gesicht zeigte, dass sie verstanden hatte.

„Ja...“ Alicia schob ihr Knie zwischen Kalindas feuchte Schenkel und fühlte sie augenblicklich erzittern. Sie wollte noch etwas sagen, aber dann fühlte sie Kalindas Hand an ihrer Scham, und jede Artikulationsfähigkeit ging ihr verloren. Und Kalinda beugte sich zu ihr und küsste sie hart und schonungslos. Gleichzeitig begann sie, sich auf ihrem Oberschenkel zu bewegen, und ein Beben ging durch Alicias Körper, als Kalinda vorsichtig in sie eindrang. Alicia stöhnte auf bei der Berührung, und sie schloss überwältigt die Augen.

„Schau mich an, Alicia“, flüsterte Kalinda. „Ich will dich sehen.“






To be continued...

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Zuletzt geändert von kimlegaspi am 14.08.2012, 08:45, insgesamt 13-mal geändert.

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Verfasst: 24.07.2012, 21:15 


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BeitragVerfasst: 24.07.2012, 22:04 
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Atmen. Das ist ein Befehl (ich rede von mir)!


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BeitragVerfasst: 24.07.2012, 22:29 
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Wow, da blieb mir ja grad beim ganz langsamen durchlesen ;-) fast die Luft zum Atmen weg..Herzstillstand war nahe dran..Wahnsinn, wie du die Szene zwischen den Beiden beschreibst..Da sag ich nur - Erotik pur..Hammer..Das hat mich jetzt echt mal richtig geflasht..;-) :oops:
Wahnsinn, wie du das so schreiben kannst.. :respekt:

Da hoffe ich doch mal, das es net nur für eine Nacht war...

:danke: :bigsuper: :hüpf2: :klatsch: :klatsch: :klatsch: :herzschlag:


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BeitragVerfasst: 24.07.2012, 23:05 
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wow
Zitat:
To be continued...

:danke:

sabam

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ich werde mir vor deinem tor eine hütte bauen,
um meiner seele, die bei dir haust, nah zu sein.


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BeitragVerfasst: 25.07.2012, 14:18 
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Zitat:
Atmen. Das ist ein Befehl (ich rede von mir)!


:huhu:, Morgaine! :skol:



Zitat:
Das hat mich jetzt echt mal richtig geflasht..


Hi maddy! Danke für den lieben Kommentar! Freut mich sehr, dass der Abschnitt für dich als Nachtlektüre geeignet war :wink: .

:danke:



Zitat:
wow


Hey sabam! Danke! Ja, mal schauen, was die beiden jetzt mit der Situation machen. Ich habe den nächsten Abschnitt schon dreimal umgeschrieben... :pfeif:

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BeitragVerfasst: 26.07.2012, 12:11 
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:hüpf:

:liebe2:

:herzschlag:

Bitte nicht: :heul: danach

:danke:


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BeitragVerfasst: 26.07.2012, 20:29 
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kimlegaspi hat geschrieben:
„Danke, dass du mitgekommen bist“, antwortete sie rau.

dafür, Alicia, will ich mich auch bedanken. :spitze: :liebe2: :knuddelknutsch:


LG


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BeitragVerfasst: 29.07.2012, 08:33 
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DANKE fürs Lesen, tante und tiefgang! Freut mich total! Ich hoffe, dass ich noch heute den nächsten Teil hochladen kann. Das Wetter ist ja schlecht genug für ein paar Stunden vor dem PC :type: .

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BeitragVerfasst: 29.07.2012, 17:30 
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So, es folgt der nächste Abschnitt der Quadratur des Kreises :wink: :




* * *



Es war sieben Uhr morgens, als Alicia in Kalindas Schlafzimmer die Augen aufschlug. Sie musste zweimal blinzeln, bis sie sich sicher war, dass sie nicht mehr träumte, sondern sich tatsächlich in Kalindas Bett befand. Auch der quer über ihrem Rücken ruhende Arm war real und auch das schöne Gesicht, dessen kühle Stirn Alicias Schulter berührte. Kalindas Augen waren geschlossen, und an den regelmäßigen Atemzügen merkte Alicia, dass sie noch schlief. Ein zarter Ellenbogen ragte unter der Bettdecke hervor, und seine warme Bräune stand in seltsamem Gegensatz zu dem kalten Weiß der Bettwäsche.

Wie friedlich und entspannt Kalindas Gesicht jetzt aussah im Vergleich zu den Aufregungen der letzten Nacht. Bis in die frühen Morgenstunden hatten sie sich geliebt, und es war schließlich die pure Erschöpfung gewesen, die dafür gesorgt hatte, dass letztlich doch der Schlaf sie übermannt hatte. Auch jetzt noch schien alles überreizt und erregt in Alicia, und der Anblick der schlummernden Gestalt neben ihr machte die Situation nicht besser. Nur mit Mühe konnte Alicia sich davon abhalten, die schlafenden Lippen zu küssen, und sie legte vorsichtshalber ihre Hände unter ihren Kopf, damit sie sich nicht selbständig machen würden.

Ob Kalinda wohl von Anfang an vorgehabt hatte, sie hier übernachten zu lassen, oder ob es irgendwann einfach zu spät gewesen war, um sie nach Hause zu schicken? Sicher war Kalinda nicht der Typ für einen gemeinsamen Morgen, und es war nicht unwahrscheinlich, dass sie die letzte Nacht bereuen würde, wenn sie aufwachte. Der Gedanke ließ Alicias Herz schwer werden, und sie kroch tiefer unter die Bettdecke. Sie fühlte sich noch so roh und verletzlich, dass sie nicht wusste, wie sie mit solch einer Zurückweisung umgehen sollte.

Alicia erlaubte ihrer Hand, unter ihrem Kopf hervorzukommen und eine schwarze Strähne aus Kalindas Gesicht zu streichen. Was hast du nur mit mir gemacht?, fragte sie sie stumm. Vorher war es eine abstrakte Idee gewesen, nach der sie sich gesehnt hatte, aber jetzt, jetzt wusste sie genau, was sie wollte, und sie wollte es nur noch mehr, noch absoluter als zuvor. Hatte Kalinda wirklich ernsthaft geglaubt, es würde die Situation entschärfen, wenn sie miteinander schliefen? Vermutlich hatte sie genauso wenig wie Alicia sehen wollen, welche Konsequenzen ihr Handeln haben würde. Heute ist heute, und morgen ist morgen – das war schon immer Kalindas Motto gewesen. Aber jetzt war morgen, und sie würden sich damit auseinandersetzen müssen, wie sie in Zukunft miteinander umgingen. Die nächste Zeit würde hart werden, sehr hart. Härter als Alicia es sich je vorgestellt hatte.

Eine Träne löste sich still aus ihrem Augenwinkel und lief Alicias Wange herunter. Nein, sie bereute nicht, dass sie es getan hatten. Sie würde es niemals bereuen. Seufzend fuhr sie sich über ihre Augenlider, und als sie sie wieder öffnete, merkte sie, dass Kalinda sie anschaute.

„Bist du okay?“, fragte Kalinda leise.

„Ja.“

„Glaubst du, es war eine schlechte Idee?“

„Nein.“ Alicia legte ihre Hand an Kalindas Wange und strich sanft mit ihrem Daumen darüber. „Es war die beste, die du je hattest.“

„Gut.“ Kalinda küsste ihre Handinnenfläche. „Wie lange haben wir noch?“

Alicia fluchte leise, als sie auf Kalindas Wecker schaute. In ihr sträubte sich alles, über diese Frage nachzudenken. „Ich sollte spätestens um 11 Uhr aufbrechen. Peter holt mich um 13 Uhr für die Wahlkampfveranstaltung ab, irgendeine Podiumsdiskussion, wo Mike Kresteva auch dabei ist.“ Sie schüttelte sich bei der Vorstellung, Peters widerlichem Konkurrenten die Hand geben zu müssen.

„Das wird sicher hart für dich.“ Kalinda fuhr mit ihren Fingerspitzen an Alicias Arm entlang und lächelte, als sie die Gänsehaut sah, die sie hervorrief. Sie wusste genau, dass Alicias Körper sofort auf die Berührung reagieren würde, und dass sie mit einer einzigen Bewegung jede Zelle in ihr in freudige Erwartung versetzen konnte.

Doch Alicia hatte, den eindeutigen Reaktionen ihres Körpers zum Trotz, andere Pläne. Der Gedanke an die anstehende Podiumsdiskussion war drauf und dran, ihr die Laune zu verderben, und sie wollte Peter und seine Kampagne so schnell wie möglich wieder vergessen. Sie wünschte, sie könnte alles andere ausblenden und einfach nur neben der Person dösen, die sie allzu bald der Welt zurückgeben musste. „Können wir … hier einfach noch eine Weile zusammen liegen?“, fragte sie Kalinda.

Die emsigen Finger stoppten abrupt in ihrer Bewegung, aber sie blieben auf Alicias Arm liegen, als Kalinda ihren Kopf zurück ins Kissen legte. „Ich bin nicht sicher, ob ich das kann“, sagte sie, und ihr Blick gab so unverhohlen Preis, was sie dachte, dass Alicia darunter erschauerte.

„Nur ein paar Minuten, bitte…“, flüsterte Alicia und zog sie sanft in ihre Arme.

Kalinda wehrte sich nicht, und so lagen sie lange Zeit stumm beieinander, die Körper ineinander verschlungen, und Alicia versuchte, sich das Gefühl von Kalinda in ihren Armen einzuprägen, so dass es für immer in ihr lebendig bleiben würde. Sie merkte sehr wohl, was für eine Herausforderung es für Kalinda war, so nah bei ihr zu liegen und nichts zu tun, aber zu dem, was sie so dringend brauchte, würden sie gleich noch kommen.

Jetzt, in der Stille, waren all die ungesagten Dinge zwischen ihnen erdrückend spürbar. Die Worte, die sie sich nie gesagt hatten, die Diskussionen, die sie noch nicht geführt hatten, die Entscheidungen, die noch nicht getroffen waren. All das hing schwer in der Luft, und gerade deswegen war Schweigen das Beste, was sie tun konnten. Wenn Alicia die Augen schloss, konnte sie Kalindas Herzschlag spüren, und im Moment fühlte es sich an wie das größte Glück der Welt. Alles andere musste warten.

Alicia hätte gern noch länger geruht und einfach die Nähe genossen, aber sie merkte, dass Kalinda neben ihr ungeduldig wurde. „Ich habe nichts zum Frühstück da“, hauchte sie in Alicias Ohr, und es klang wie das erotischte Geständnis, das Alicia je gehört hatte.

Alicia musste lachen. „Das ist schrecklich“, neckte sie Kalinda und zog sie in einen leidenschaftlichen Kuss.

Kalinda lächelte unter ihren Lippen. „Bist du fertig mit Herumliegen?“, flüsterte sie in Alicias Mund.

„Fürs Erste“, bestätigte Alicia, aber verstummte, als Kalinda ihre Hand nahm und sie unter die Bettdecke führte. „So eilig?“, flüsterte sie lächelnd. Sie schmolz dahin, als Kalinda ihr einen flehenden Blick zuwarf.

„Alicia…“

„Ja?“ Alicias Lächeln verschwand, als sie merkte, dass Kalinda wirklich in Not war. „Hey“, sagte sie leise. „Sag mir, was du brauchst…“

Und dann ließ sie sich willig führen. Schon in der Nacht hatte Alicia gemerkt, wie sehr sie den Moment liebte, wenn Kalindas Atem schneller und geräuschvoller wurde, und sie schloss genussvoll die Augen, um sich den kleinen Geräuschen ganz hinzugeben. Trotzdem verlor sie ihre Mission nicht aus den Augen, denn es war deutlich, dass Kalinda nicht lange durchhalten würde. Außerdem spürte Alicia ihre eigene Erregung aufflammen, und sie vergrub ihre andere Hand in Kalindas Haaren und ihren Mund in ihre Halsbeuge, in die Stelle, von der sie wusste, dass es Kalinda verrückt machte, wenn ihre Lippen dort waren.

„Wir machen… nachher… langsam…, okay?“, flüsterte Kalinda.

„Es ist alles okay“, beruhigte sie Alicia, selbst außer Atem. Es kam ihr zugute, dass sie schon Zeit gehabt hatte, um Kalindas Körper kennenzulernen. Sie wusste, wo ihre sensitivsten Stellen waren und was sie zu tun hatte, um ihr größtes Glück zu bereiten. Aber an sinnlichen Genüssen würden sie sich später aufhalten, jetzt war es Zeit, auf direktem Wege zum Ziel zu kommen.

Alicia fühlte ihren eigenen Körper erbeben, als Kalindas Kopf auf ihre Schulter fiel, und sie schlang ihren freien Arm fest um Kalinda, als sie die Wellen kommen fühlte. Es war wie ein Erdbeben in ihrem Arm, als Kalinda kam, und Alicia hielt sie so fest bei sich, dass sich die Erschütterungen auf ihren eigenen Körper übertrugen. „Ich hab dich, meine Schöne“, flüsterte sie und wusste selbst nicht, woher die Koseworte plötzlich kamen. „Lass alles zu.“

Und als hätten ihre Worte magische Wirkung, überrollte Kalinda ein zweites Beben, und sie klammerte sich zitternd an Alicia.

Es dauerte lange Zeit, bis die Wellen verebbten und Kalindas Atem sich wieder beruhigte. „Verdammt, was war das?“, wisperte sie in Alicias Schulter.

„Ich dachte, du wüsstest das.“ Alicia küsste das schweißnasse Gesicht. „Bist du okay?“

„Ja, ich glaube schon.“

Alicia flüsterte beruhigende Worte und verteilte kleine liebkosende Küsse auf Kalindas Gesicht und Nacken, als Kalinda sich plötzlich zurücklehnte und sich aus ihren Armen löste. „Ich bin gleich wieder da“, sagte sie, und ohne ein weiteres Wort stieg sie aus dem Bett und verließ das Schlafzimmer.

Alicia sah ihr verwirrt hinterher. Was war das denn? Sie ließ sich seufzend in Kalindas Kopfkissen fallen. War das das Ende? Wenn ja, hatte sie es selbst vermasselt. Was war über sie gekommen, solche Worte zu benutzen? War sie noch bei Trost? Jetzt lief Kalinda weg, wie sie immer weglief. Im Grunde war es erstaunlich, dass sie es nicht schon viel früher getan hatte. Gestern Abend, oder heute Morgen nach dem Aufwachen.

Alicia rollte sich auf die Seite und vergrub ihre Nase in Kalindas Kissen. Ihr gereizter Körper schmerzte und schrie nach Beachtung, aber Alicia ignorierte ihn. Sollte sie Kalinda vielleicht nachgehen oder würde das alles nur schlimmer machen? Schließlich hatte sie deutlich gemacht, dass sie ihre Ruhe wollte. Aber wenn sie jetzt abwartete, bis Kalinda komplett dicht machte, war vielleicht alles zu spät. Alicias kämpferische Seite gewann die Überhand, und sie entschied sich aufzustehen, um nach Kalinda zu sehen.

Außerhalb des Bettes war es empfindlich kalt, und Alicia zog sich ihre Bluse über, die noch neben dem Bett lag. Sie fand Kalinda schließlich im Wohnzimmer. Im Bademantel stand sie am Fenster, mit dem Rücken zu Alicia, und schaute unverwandt in die Morgendämmerung.

Ob sie zu ihr herübergehen sollte? Alicia lehnte sich in den Türrahmen des Wohnzimmers und sah schweigend zum Fenster hinüber. „Bist du wirklich in Ordnung?“, fragte sie.

Kalinda nickte, ohne sie anzusehen. „Ja.“

„Möchtest du, dass ich gehe?“

„Nein.“

„Möchtest du noch eine Weile allein sein?“

„Nein, es ist okay.“ Kalinda drehte ihr kurz das Gesicht zu, ohne ihren Körper vom Fenster zu wenden. „Lass uns zurück ins Bett gehen.“

Irgendetwas an Kalindas Tonfall ließ Alicia zögern, aber ehe sie identifizieren konnte, was es war, stand Kalinda plötzlich vor ihr. „Vielleicht möchte ich dich aber auch unter der Dusche“, flüsterte sie mit einer Stimme, die Alicia eine Gänsehaut über den Körper jagte. „Oder in der Küche…“ Sie legte ihre Hand in Alicias Nacken und zog sie zu sich in einen harten, aggressiven Kuss. „Lass es uns gleich hier tun“, hauchte sie und presste ihr Knie zwischen Alicias Schenkel. „Ich weiß, ich hab dich hängenlassen.“

„Kalinda…“

Aber Kalinda hörte nicht, und Alicias Hinterkopf fiel hart gegen das Holz, als Kalinda sie gegen den Türrahmen drückte. Noch ehe sie etwas sagen konnte, war Kalindas Mund wieder auf ihrem und ihre flinken Hände unter ihrer Bluse. Im Nu waren die Knöpfe geöffnet und Kalindas Lippen landeten zwischen ihren Brüsten.

„Kalinda… hör auf“, flüsterte Alicia, als sie Kalindas Zähne fühlte. „Ich will… das nicht.“

„Doch, du willst.“ Kalindas Hände fuhren hungrig über Alicia, während sie langsam an ihr herunterglitt, um zu wiederholen, was Alicia schon in der Nacht in Ekstase versetzt hatte. „Ich kann es fühlen…“

„Kalinda!“ Alicia wurde panisch und stieß Kalinda von sich weg. „Hör jetzt auf! Was ist denn los mit dir?“, rief sie entsetzt. „Bist du noch ganz bei Sinnen?“

Kalinda sah sie mit aufgerissenen Augen an. „Was ist denn das Problem?“

„Das Problem ist, dass ich nicht eine von deinen Sexpüppchen bin“, sagte Alicia kalt und knöpfte ihre Bluse wieder zu.

„Es geht doch um Sex, oder nicht?“ Kalindas Ton war überheblich und aggressiv.

Alicia schüttelte den Kopf. „Es ist wohl besser, wenn ich jetzt gehe.“

Kalinda stand wortlos vom Boden auf und schlüpfte wieder in ihren Bademantel. „Hattest du nicht gesagt, dass du gehen wolltest?“, fragte sie, als Alicia keine Anstalten machte, sich zu bewegen.

„Keine Sorge, ich bin schon auf dem Weg.“ Alicia riss wütend die Schlafzimmertür auf, um ihre Sachen zu holen. Sie war den Tränen nah, als sie sich im Bad zurechtmachte, aber sie wollte sich vor Kalinda keine Blöße geben. Wie hatte es nur geschehen können, dass sich die Atmosphäre zwischen ihnen von einer Sekunde auf die andere so verändert hatte?

Als Alicia aus dem Badezimmer trat, war Kalinda dabei, sich einen Kaffee zu machen. Ihre Ignoranz war so verletzend, dass Alicia am liebsten wortlos die Wohnung verlassen hätte. Aber dafür ging es um zu viel. Um viel zu viel.

Also legte Alicia ihre Handtasche zur Seite und stellte sich so dicht vor Kalinda, dass diese ihr nicht ausweichen konnte. „Ich weiß, was du gerade machst“, sagte sie und zwang Kalinda, sie anzusehen. „Du machst alles kaputt. Und du weißt es auch. Du kehrst das hier in etwas, an das wir uns beide nicht gern erinnern werden. Damit du wieder frei bist. Aber ich werde nicht zulassen, dass du das tust. Es ist falsch und demütigend.“

Kalinda verzog keine Miene. „Ich denke, es ist wirklich besser, wenn du jetzt gehst“, sagte sie und reichte Alicia ihre Handtasche.

Alicia nahm die Tasche entgegen und ließ sie auf den Fußboden fallen. „Ich weiß, dass du stur bist, Kalinda Sharma“, sagte sie unbeeindruckt. „Aber ich bin es auch.“

„Du denkst, du kennst mich, aber du kennst mich nicht.“ Kalinda trat jetzt einen Schritt vor und ihr Blick bohrte sich in Alicias. „Ich bin nicht so, wie du denkst.“

„Vielleicht bist du auch nicht so, wie du denkst“, erwiderte Alicia sarkastisch.

„Ich habe dir nie etwas versprochen, was ich nicht gehalten habe.“

„Das weiß ich. Darum geht es doch gar nicht.“ Alicia stemmte frustriert die Hände in die Hüften. „Es geht darum, dass wir uns ineinander verliebt haben, und dass du alles tust, um das nicht fühlen zu müssen. Nur hast du leider vergessen, dass mich das auch betrifft, und ich lasse mich von dir nicht so behandeln. Ich verlange nichts von dir, ich weiß, dass du das alles nicht willst. Aber tu nicht so, als ob ich eine von deinen One-Night-Stands wäre. Das tut mir weh.“

Kalinda bückte sich schweigend, um Alicias Tasche vom Boden aufzuheben. „Es tut mir leid“, sagte sie, während sie sie ihr zurückgab.

„Mir auch.“ Alicias Blick wurde weicher. „Ich jedenfalls werde diese Nacht nie bereuen. Und ich hoffe, dass du es auch nicht tust.“ Ein letztes Mal streckte sie die Hand aus und strich Kalinda über die Wange. Dann begab sie sich zur Tür. „Bis morgen“, sagte sie leise, und die Wohnungstür fiel hart ins Schloss, ohne dass Kalinda etwas erwidert hatte.



* * *



Nachdem das Taxi sie zu Hause abgesetzt hatte, stellte Alicia sich als Erstes unter die Dusche. Über eine halbe Stunde ließ sie das Wasser auf sich herabregnen, bis schließlich das Klingeln ihres Telefons sie daran erinnerte, dass Peter sie um 13 Uhr abholen wollte. Bis dahin musste sie sich in Schale geworfen und eine Kleinigkeit gegessen haben, sonst versagte ihr noch vor laufender Kamera der Kreislauf. Zwar war ein öffentlicher Auftritt gerade das Letzte, was sie sich vorstellen konnte, aber sie wusste nur zu gut, wie wichtig dieser Termin für Peters Wahlkampf war. Immerhin würde sein Konkurrent Mike Kresteva mit von der Partie sein, und dieser würde es sich nicht nehmen lassen, diverse Seitenhiebe auf Peters Privatleben zu verteilen. Da war es gut, wenn die Fernsehkameras Alicias Gesicht einfangen konnten, das sich selbstverständlich keine Blöße geben würde. Wenn Alicia etwas in den letzten Jahren gelernt hatte, dann war es, niemanden in ihre Seele schauen zu lassen, egal wie nah die Kameras heranzoomten.

Als Peter sie pünktlich um 13 Uhr abholte, war Alicia bereits perfekt in ihre Rolle geschlüpft. Der Wahlkampf war ein Schauspiel, mehr nicht, und sie würde ihren Part spielen, wie sie es Peter versprochen hatte. Er machte zwar bei der Begrüßung eine Bemerkung, dass sie müde aussehe, aber auch das würde die Maskenbildnerin gekonnt kaschieren können. Im Grunde war Alicia froh, dass sie gezwungen war, komplett in eine andere Welt einzutauchen und dafür ihre eigenen Gefühle in den letzten Winkel ihrer Seele zu verbannen. Es gab wichtigere Dinge als ihr kleines, unbedeutendes Leben, zum Beispiel, wie dieser Staat in Zukunft regiert würde.

Geduldig beantwortete Alicia die Fragen der Journalisten und machte während der Podiumsdiskussion gute Miene zum bösen Spiel, wenn Mike Kresteva zu Treffern unter der Gürtellinie ausholte. Sie bewunderte Peter für seine Ruhe, denn wenn sie oben hinter dem Mikrophon gesessen hätte, wäre sie wahrscheinlich längst ausfallend geworden. Mike war einer der geschicktesten Lügner, die ihr je im Leben begegnet waren, und es ärgerte sie maßlos, mitansehen zu müssen, wie er die ahnungslose Öffentlichkeit um den kleinen Finger wickelte.

„Bleib ruhig, Alicia“, zischte Eli neben ihr. „Was ist denn heute los mit dir?“

„Ich kann seine Masche nicht mehr ertragen“, raunte sie zurück.

„Je weniger du darauf reagierst, desto weniger reagieren die Leute darauf“, raunte er. „Die Presse wartet nur darauf, dass du emotional wirst.“

Alicia lächelte tapfer und winkte bescheiden ins Publikum, als Peter sie zu sich aufs Podium rief. „Es wird nicht einfach, den Nachwirkungen der Wirtschaftskrise etwas entgegenzusetzen“, sagte er ins Mikrophon, während er den Arm um Alicia legte. „Aber ich habe eine kluge Frau an meiner Seite und zwei wohlgeratene Kinder, und sie alle geben mir die Kraft, mein Bestes für Illinois zu geben. Wir sind Amerikaner, wir geben nicht auf, und wir werden das Ruder wieder herumreißen.“

Prompt holte auch Mike seine Ehefrau aufs Podium. „Ein Staat wird nicht durch Worthülsen regiert“, rief er ins Publikum. „Wir Amerikaner messen unsere Mitmenschen an den Taten. Und wenn ich mich richtig erinnere, hat Peter Florrick für seine Taten schon einmal im Gefängnis büßen müssen.“

Peter warf einen unauffälligen Blick zu Eli, der ihn stumm anwies, auf Mikes Provokation nicht zu reagieren. „Vielleicht sollten wir jetzt die Runde für das Publikum öffnen“, schlug Peter dem Moderator vor. „Denn letztlich ist es das Wichtigste, was die Menschen in unserem Staat für Anliegen haben, und was sich Illinois‘ Bevölkerung von uns wünscht.“

Der schon leicht überfordert wirkende Moderator ging sofort auf seinen Vorschlag ein, und in der nächsten Stunde mussten sich die Kandidaten den Fragen des Publikums stellen. Alicia war froh, wieder auf ihren Stuhl zurückkehren zu können, auch wenn die Presse sie weiterhin im Auge behielt. Sie fühlte sich innerlich so leer und erschöpft, dass sie das Ende der Veranstaltung genauso sehr ersehnte wie fürchtete. Hoffentlich würde Peter nicht im Anschluss noch zu ihr nach Hause kommen wollen. Sie hatte heute für niemanden mehr Kraft, nicht einmal mehr für ihn oder für ihre Kinder. Zum Glück war Zach bei seiner Freundin Nisa, und Grace hatte Nachhilfe bei ihrer Tutorin. Keiner von ihnen würde vor 17 Uhr zu Hause auftauchen.

Mehr als einmal war Alicia versucht, während der Diskussion ihr Handy anzustellen, um zu sehen, ob Kalinda eine Nachricht hinterlassen hatte, aber sie durfte auf keinen Fall einen abgelenkten Eindruck machen. Sie musste hier sitzen und so tun, als ob ihr Mann, das Wichtigste, Klügste und Spannendste der Welt erzählte, unabhängig davon, ob sie Peters Meinung teilte oder nicht. Und deswegen blieb das Handy aus.

Eli war zumindest halbwegs zufrieden, als der Moderator die Veranstaltung schloss. „Ein Nagel mehr in Mikes Sarg“, raunte er zu Alicia, während er Peter zu sich winkte. „Es sieht allerdings so aus, als hätten wir einen leichten Stimmenverlust bei den jungen Leuten. Wir sollten nochmal darüber sprechen, ob du dich nicht doch für eine gemeinsame Veranstaltung mit Zach und Grace entscheiden kannst.“

„Kommt nicht in Frage!“ Alicia lächelte, da sich noch immer Fotografen im Saal befanden.

„Alicia, bitte. Wir sind schon so weit gekommen“, beharrte Eli, ebenfalls lächelnd.

Aber Alicia ignorierte ihn. „Du wirst immer besser“, sagte sie zu Peter, als dieser zu ihnen kam, und küsste ihn auf die Wange. „Ich würde dich wählen.“

„Das wäre ja auch noch schöner“, strahlte er und legte seinen Arm um sie. „Ich würde dich auch wählen.“

Alicia war klar, dass er nicht von der Wahlveranstaltung sprach, und sie hielt es für besser, das Thema zu wechseln. „Wann sollen wir uns Mittwochabend treffen?“, wandte sie sich an Eli.

„Um 19 Uhr.“ Eli zückte sein Handy. „Ich mache noch das CBS-Interview für dich klar“, informierte er Peter. „Und Alicia, hast du Will und Diane Bescheid gesagt, dass eure Tour in zwei Wochen startet?“

„Ja, ich werde für diese Zeit freigestellt“, nickte sie, und zum ersten Mal freute sie sich tatsächlich auf die strapaziöse Wahltournee. Ein paar Wochen weg aus Chicago würden ihr sicher guttun.

Arm in Arm verließen Alicia und Peter den Saal, und als sie in seinen Wagen stieg, fragte er, wie sie befürchtet hatte, ob er noch mit zur ihr kommen könnte. "Ein gutes Glas Wein bei entspannter Musik, wäre jetzt genau das Richtige", sagte er lächelnd.

Aber zu seinem Bedauern lehnte sie ab. „Die Feier gestern ging doch recht lang“, erklärte sie. „Ich bin ziemlich müde.“

„Kein Problem.“ Er sah sie besorgt von der Seite an, als er den Motor startete. „Ist alles in Ordnung bei dir?“

„Ja.“ Sie nickte. „Ich bin nur müde.“

Alicia zuckte zusammen, als ihr Handy zweimal piepte, und griff nervös in ihre Handtasche. Vielleicht war es auch eines der Kinder? Oder Will? Er meldete sich oft am Wochenende, wenn ihm noch etwas zu einem Fall einfiel.

Alicia drehte das Display ihres Blackberry leicht zum Fenster, so dass Peter die Nachricht nicht mitlesen konnte, und ihr Herz setzte einen Schlag aus, als sie den Absender las. Die SMS enthielt nur ein paar wenige Worte, aber sie besserten Alicias Laune augenblicklich: Es tut mir leid. Können wir reden? K.

„Wer ist es?“, fragte Peter interessiert.

„Kalinda.“ Alicia steckte ihr Handy zurück in die Tasche. „Sie hat noch was zu besprechen.“

„Wie geht’s ihr denn eigentlich?“ Peter warf Alicia einen flüchtigen Blick zu, bevor er sich wieder auf die Straße konzentrierte.

„Gut, soweit ich weiß.“

„Lässt ihr Ehemann sie nach wie vor in Ruhe?“

„Ja, dein Plan muss hervorragend gewesen sein.“ Alicia tätschelte seinen Arm. „Da hast du ein gutes Werk getan.“

„Ich hab’s für dich getan“, sagte er sachlich. „Das weißt du.“

„Ja, und ich bin dir auch wirklich dankbar dafür.“ Sie zog ihre Hand weg, um ihm kein falsches Signal zu geben. „Ich hoffe, dass du mit den Informationen, die sie dir im Gegenzug gegeben hat, etwas anfangen konntest?“

„Oh ja!“ Er lachte. „Damit konnte ich einigen Leuten ganz ordentlich auf die Füße treten.“

„Dann hatten wir ja alles was davon“, lächelte sie und knöpfte ihren Mantel zu, als Peter vor ihrer Haustür hielt. „Wir telefonieren morgen?“

„Ja, grüß Jackie von mir, wenn du zu ihr gehst. Sie hat heute übrigens besser gegessen.“ Er küsste Alicia auf die Wange. „Und ruh dich noch ein bisschen aus heute.“

„Das werde ich“, versprach sie und winkte ihm zum Abschied.

Seit einer Stunde hatte es wieder angefangen zu schneien, und Alicias hochhackige Schuhe waren denkbar ungeeignet für die vereisten Bürgersteige, deren Zustand durch den darüber liegenden Neuschnee nicht gut zu erkennen war. Entsprechend vorsichtig schlitterte Alicia zum Hauseingang und war froh, als sie wieder festen Boden unter den Füßen hatte. In ihrer Wohnung angekommen, warf sie sofort ihren Mantel auf den Garderobenhaken, zog ihre Schuhe aus und begab sich auf Strümpfen zum Telefon.

„Hi Alicia.“ Kalinda war nach dem ersten Klingeln am Apparat. „Wie war die Veranstaltung?“

„Öde.“ Allein der Klang der vertrauten Stimme, ließ Alicias Herz höher schlagen, und sie ließ sich seufzend auf einem der Esszimmerstühle nieder. „Und Mike hat sich mal wieder unmögliche Sprüche erlaubt.“

„Ich weiß, ich hab’s gesehen.“

Alicia musste lächeln. Die Vorstellung, dass Kalinda ihre Veranstaltung im Fernsehen verfolgt hatte, war irgendwie absurd. Schließlich hatte sie sie noch ein paar Stunden zuvor durch ihr Verhalten aus dem Haus gejagt. „Du wolltest nochmal reden?“, sagte sie möglichst sachlich.

„Ja.“ Kalinda räusperte sich. „Ich wollte mich entschuldigen. Es tut mir leid, was heute Morgen gewesen ist.“

Ihre Stimme klang gedrückt, und etwas in Alicia schmolz dahin und war sofort bereit, ihr auf der Stelle zu vergeben. Aber sie wusste, dass sie so nicht weiterkommen würden. „So geht das nicht, Kalinda“, sagte sie stattdessen. „Das Mindeste, was wir brauchen, ist ein respektvoller Umgang miteinander.“

„Ich weiß, ich wollte dich nicht verletzen, Alicia. Das war wirklich nicht meine Absicht.“ Kalinda machte eine Pause, und Alicia war sich nicht sicher, ob sie erwartete, dass sie jetzt etwas sagte. Aber was sollte sie dazu sagen? Ihr war ja klar, dass Kalinda nicht böswillig gehandelt hatte. Das machte die Sache aber nicht besser. „Es war… anders mit dir als ich erwartet hatte“, fuhr Kalinda fort. „Ich denke, ich brauche etwas Abstand.“

Obwohl sie verstand, wie Kalinda es meinte, trafen Alicia die Worte mitten ins Herz. Abstand wollte sie? Wieso rief sie dann an? Aber wahrscheinlich hatte sie recht. Wahrscheinlich brauchten sie wirklich Abstand voneinander. Doch nichtsdestotrotz hatte sie wider besseren Wissens gehofft, dass Kalinda das Gegenteil vorschlagen würde. „In zwei Wochen bin ich mit Peter auf Wahlkampftour“, sagte sie und versuchte gar nicht erst, ihre Verletzung vor Kalinda zu verbergen. „Da wirst du jede Menge Abstand haben.“

„Alicia…“ Kalinda zögerte. „Ich möchte nicht, dass du denkst…“ Sie stockte wieder und begann noch einmal von vorn. „Es war sehr schön mit dir. Wirklich“, sagte sie ernst. „Ich möchte, dass du das weißt.“

„Das ging mir genauso.“ Alicia biss sich auf die Lippen, um nicht noch mehr zu sagen. Mehr Worte würden zu nichts führen.

Eine Weile schwiegen sie beide. „Also gut…“, unterbrach Kalinda schließlich die Stille. „Dann sehen wir uns morgen.“

„Ja.“ Alicia fürchtete plötzlich den Moment, wenn Kalinda auflegen würde, aber es gab nichts mehr, womit sie das Telefonat hinauszögern konnte. „Ich werde dich vermissen“, sagte sie leise.

„Ich weiß. Dann bis morgen, Alicia.“

Ein Klicken im Hörer, und dann war Stille.







To be continued...

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Zuletzt geändert von kimlegaspi am 02.08.2012, 06:21, insgesamt 3-mal geändert.

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BeitragVerfasst: 29.07.2012, 20:43 
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kimlegaspi hat geschrieben:
Alicia biss sich auf die Lippen, um nicht noch mehr zu sagen. Mehr Worte würden zu nichts führen.
To be continued...


du hast "diesen Kampf" um das Zulassen der Gefühle die beide füreinander empfinden sehr behutsam beschrieben. Die gemeinsame Nacht war überwältigend. Sie fühlen sich sosehr zueinander hingezogen, dass das die zwei Freigeister zutiefst erschreckt. Kalinda versucht verzweifelt Alice auf Abstand zu halten. Sie ist verunsichert weil sie "diesen Zustand" nicht kennt und damit ihre Umgebung und sich selbst nicht mehr kontrollieren kann. Völlig irrational schlägt sie Alice in die Flucht nur um dann später wieder ihre Nähe zu suchen. Auch Alice weiss nicht so recht, wie sie mit ihren Gefühlen umgehen soll. Und Flucht war für Beide schon immer die "beste Option". Mal sehen, wie sie nun den gemeinsamen Alltag im Büro meistern werden. :liebe2: :tanzen: :danke:



Übrigens, irgendwie erinnert mich diese Story etwas an die Geschichte des ehemaligen amerikanischen Präsidentenpaares Clinton. Bill, ein erfolgreicher Anwalt und Politiker betrügt seine Frau. Die "verzeiht" seinen Seitensprung und unterstützt tapfer ihren Mann bei offiziellen Anlässen. Privat geht aber jeder seine eigenen Wege. Und es gibt das Gerücht, dass Hillary, die jetzige amerikanische Außenministerin, eine sehr attraktive "enge Mitarbeiterin" hat, die sie stehts auf ihren Reisen begleitet.


LG


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BeitragVerfasst: 29.07.2012, 21:09 
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tiefgang hat geschrieben:
kimlegaspi hat geschrieben:
Alicia biss sich auf die Lippen, um nicht noch mehr zu sagen. Mehr Worte würden zu nichts führen.
To be continued...


du hast "diesen Kampf" um das Zulassen der Gefühle die beide füreinander empfinden sehr behutsam beschrieben. Die gemeinsame Nacht war überwältigend. Sie fühlen sich sosehr zueinander hingezogen, dass das die zwei Freigeister zutiefst erschreckt. Kalinda versucht verzweifelt Alice auf Abstand zu halten. Sie ist verunsichert weil sie "diesen Zustand" nicht kennt und damit ihre Umgebung und sich selbst nicht mehr kontrollieren kann. Völlig irrational schlägt sie Alice in die Flucht nur um dann später wieder ihre Nähe zu suchen. Auch Alice weiss nicht so recht, wie sie mit ihren Gefühlen umgehen soll. Und Flucht war für Beide schon immer die "beste Option". Mal sehen, wie sie nun den gemeinsamen Alltag im Büro meistern werden. :liebe2: :tanzen: :danke:



Übrigens, irgendwie erinnert mich diese Story etwas an die Geschichte des ehemaligen amerikanischen Präsidentenpaares Clinton. Bill, ein erfolgreicher Anwalt und Politiker betrügt seine Frau. Die "verzeiht" seinen Seitensprung und unterstützt tapfer ihren Mann bei offiziellen Anlässen. Privat geht aber jeder seine eigenen Wege. Und es gibt das Gerücht, dass Hillary, die jetzige amerikanische Außenministerin, eine sehr attraktive "enge Mitarbeiterin" hat, die sie fast immer auf ihren Reisen begleitet.


LG


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BeitragVerfasst: 29.07.2012, 22:26 
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Sehr emotional geschrieben..Ich bin wie jedes Mal verzaubert..Diese Intensität zwischen A & K für den Moment und dann wieder die Distanz von Kalinda zu Alicia, glaubhaft beschrieben..Nun wieder Abstand, wohin uns das nur wieder führt..Danke für die Fortsetzung..

:danke: :bigsuper: :) :knuff: :klatsch:


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BeitragVerfasst: 29.07.2012, 23:06 
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kimlegaspi hat geschrieben:
„Ich hab dich, meine Schöne“, flüsterte sie und wusste selbst nicht, woher die Koseworte plötzlich kamen.
...
Ein Klicken im Hörer, und dann war Stille.

seufz.

ich hoffe nicht, dass man das abhört .-)
http://de.wikipedia.org/wiki/Watergate-Aff%C3%A4re

sabam

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ich werde mir vor deinem tor eine hütte bauen,
um meiner seele, die bei dir haust, nah zu sein.


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BeitragVerfasst: 30.07.2012, 06:35 
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Danke, ihr Lieben :knuddel: !!! Das ist toll, dass ihr so aufbauende Rückmeldungen gebt! Ich wage mich hier, was das Schreiben angeht, in Gefilde, wo ich mich noch nie ausprobiert habe und frage mich immer wieder, was ich mir da bloß eingebrockt habe, ausgerechnet zu diesen schwierigen Figuren was schreiben zu wollen. Aber wenn ihr meine Versuche dann so wertschätzend begleitet, ist es wieder toll und macht Spaß und ist überhaupt ganz wunderbar. Vielen Dank!


Zitat:
Sie ist verunsichert weil sie "diesen Zustand" nicht kennt und damit ihre Umgebung und sich selbst nicht mehr kontrollieren kann.


tiefgang, das hast du schön zusammengefasst. Ja, so sehe ich das auch, Kalinda hat den totalen Kontrollverlustflash. Alicia auch, aber sie geht nicht so panisch damit um. Ich glaube, Alicia ist das halt schon so gewohnt, dass ständig Dinge außerhalb ihrer Kontrolle passieren und sie versucht dann, irgendwie das Beste daraus zu machen. Kalinda hingegen hat ihr Leben immer so eingerichtet, dass sie um diese Erfahrung herumschiffen konnte.

Zitat:
Übrigens, irgendwie erinnert mich diese Story etwas an die Geschichte des ehemaligen amerikanischen Präsidentenpaares Clinton. Bill, ein erfolgreicher Anwalt und Politiker betrügt seine Frau. Die "verzeiht" seinen Seitensprung und unterstützt tapfer ihren Mann bei offiziellen Anlässen. Privat geht aber jeder seine eigenen Wege. Und es gibt das Gerücht, dass Hillary, die jetzige amerikanische Außenministerin, eine sehr attraktive "enge Mitarbeiterin" hat, die sie stehts auf ihren Reisen begleitet.


Ha! Stimmt, diese Gerüchte gibt es :mrgreen: . Was jetzt Alicia angeht, so ist die Ähnlichkeit (von den Serienproduzent_innen aus) durchaus beabsichtigt, da die Figur und das Schicksal der Alicia sich an die Geschehenisse von Clintons Seitensprung anlehnt (allerdings auch noch an ein paar andere ähnliche Seitensprung-Skandale wie bei den Spitzers). Und in der Pilotfolge empfielt Diane Lockhart (ihres Zeichens Demokratin und Hillary-Fan) Alicia indirekt, sich Hillary zum Vorbild zu nehmen. Das mit der "engen Mitarbeiterin" hat sie aber damit wohl nicht gemeint :wink: .



Zitat:
Sehr emotional geschrieben..Ich bin wie jedes Mal verzaubert..Diese Intensität zwischen A & K für den Moment und dann wieder die Distanz von Kalinda zu Alicia, glaubhaft beschrieben..Nun wieder Abstand, wohin uns das nur wieder führt..Danke für die Fortsetzung..


Danke, maddy! Ja, die beiden können nicht miteinander und nicht ohne einander. Da ist es nicht gerade von Vorteil, wenn man in derselben Kanzlei arbeitet und seine Büros schräg gegenüber hat...

:danke:



Zitat:
ich hoffe nicht, dass man das abhört .-)
http://de.wikipedia.org/wiki/Watergate-Aff%C3%A4re


schockschwerenot, sabam! Auf solche kriminellen Fantasien bin ich noch gar nicht gekommen :wink: . Na, überraschen würde ich es nicht, denn irgendwie kommen die beiden nie wirklich zur Ruhe...

:danke:

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