Ich schreibe das mal hier und nicht bei den TV-Tipps:
Heidi.M hat geschrieben:
Schön, dass Ihr reingeschaut habt! Ich muss sagen, ich habe mir den Film in mehreren Abschnitten geguckt.
Es hat mich betroffen gemacht, was sie erzählt hat und wie sie es erzählt hat.
Der Film transportiert sehr viel von ihrer Verletzlichkeit.
Ihr Gesicht tut das. Ihre Haltung. Ihre Augen.
---
Nun, aber wirklich zu den Schafen.
Wohlig an dieser Doku finde ich, dass man die ganze Doku durch nur sie zu Wort kommen lässt, immer auf dem gleichen Stuhl und nur gelegentlich die Kameraperspektive wechselt. Eine schöne, dichte Atmosphäre. Kein Dazwischenquasseln oder dieses Runterschreien in Gruppen.
Im Lebensabschnitt um die Fünfzig ziehen Frauen gern Bilanz. Mütter haben meist dann schon große Kinder, die ihre Aufmerksamkeit nicht mehr so brauchen, andere haben vielleicht beruflich was erreicht, auf jeden Fall ist es eine Schwelle im Leben, wo sich konkret mich sich und dem Erlebten auseinandergesetzt und versucht wird, auch Erlittenes aufzuarbeiten.
Ich höre da gerne zu. Sie haben was zu sagen.
Ich habe dann auch in verschiedenen Abschnitten geguckt und war tlw. sehr konfusiert über die Zeitsprünge. Habe auch mal in Kritiken geguckt, wo das moniert wurde. Kritiken habe ich schnell wieder verlassen, weil ich mir doch gerne ein eigenes Bild zusammensetze. Und keine bediente das. Gerade diese Sprünge sind wichtig, denn sie klaubt sich von hier und da Steinchen für ihr Mosaik zusammen, von dem sie sagt, sie wisse nicht was dabei rauskommt.
Das entscheidende Steinchen hält sie für mich schon hoch, glaubt aber nicht, dass es Bedeutung für ihren Sekteneintritt habe, nämlich ihre Familiensituation, erfahrene Übergriffe, das fehlende Sprechen innerhalb ihrer Familie. Selbst sie wird da nicht konkret, das kann sie noch nicht oder schützt sich berechtigt.
Wenn sie nicht glaubt, dass ihre Kindheitserlebnisse mit ihrem Eintritt in die Sekte zu tun haben, warum stößt sie in ihrer Suche so auf die Odenwaldschule, auf Pola Kinski? Weil sie es eben nicht nicht glaubt, sondern es eigentlich schon weiß.
Während sie ihre Beziehungsgeschichten recht erwachsen und geordnet erzählt, wird sie bei diesem Thema kindlich sprunghaft, bedient auch Bilder von lechzenden, geifernden Typen, denen sie als Kind schutzlos ausgeliefert war. Das Monster im Schrank, das ihr niemand vertrieben hat. Man sprach darüber nicht. In diesen Momenten wirkt sie extrem verletzlich.
Was sie richtig anspricht, ist, dass es in der alternativen Selbstverwirklichungsgesellschaft der 68er einerseits eine große Freiheit für Kinder gab, andererseits auch einen großen Spielraum für Übergriffe. Interessant ist, dass sie bei diesen Sätzen etwas lacht.
Oft sind ihr Dinge peinlich, es wirkt so als gebe sie sich selber die Schuld daran, dass sie bei ihrem intellektuellen Hintergrund alles doch durchblicken hätte können. Konnte und kann sie noch nicht.
Sie ist für mich da ein Kind, das man einfach alleine gelassen hat.
Spielt am Ende der Doku ihre Tochter dieses schöne Lied? Dann kann ich sie nur loben: auch wenn sie sagt, sie wisse manchmal nicht, was richtig und was falsch ist: bei der hat sie wohl alles richtig gemacht, weil sie eigentlich weiß was richtig ist.
Und dass sie richtig ist.