Hallo zusammen Hier der nächste Teil, ich hoffe, er gefällt euch. Viel Spass!
4. Kapitel
Am nächsten Morgen stand Anni in der Küche, als Jasmin aus ihrem Zimmer kam. „Guten Morgen. Oh, du hast schon Kaffee gemacht?“ Jasmin tat so, als wäre gar nichts geschehen. Anni blickte über die Schulter. „Ja, bedien dich.“ Anni war leicht irritiert, dass Jasmin überhaupt mit ihr sprach. Sie hatte gedacht, Jasmin würde erst aus ihrem Zimmer kommen, wenn sie bereits gegangen war. Jasmin schenkte sich einen Becher ein und blickte unsicher zu Anni. Diese beobachtete jeden Handgriff von Jasmin und eine Welle der Zuneigung durchflutete sie, als sie sah, wie unsicher und nervös Jasmin wirkte. Sie war richtig süss in ihrer Nervosität. Sie trat einen Schritt auf Jasmin zu. Ihre Gefühle und ihre Sehnsucht nach Jasmin bekamen Oberhand und so strich sie sanft über Jasmins Wange und schob ihr eine Haarsträhne hinters Ohr. Jasmin schloss kurz die Augen und bei der sanften Berührung von Anni ging ein Schauer durch ihren ganzen Körper. Ihr Herz raste, sie wusste jedoch nicht, ob vor Aufregung oder eher vor Angst. Ihre Haut brannte wie Feuer, dort wo sie von Anni berührt worden war. Als sie die Augen wieder aufschlug, sah sie Annis Gesicht ganz nah vor ihrem, konnte ihren Atem auf ihrem Gesicht spüren und direkt in Anni’s tiefbraune Augen blicken, die sie mit so viel Zuneigung und Liebe anblickten, dass es Jasmin die Luft abschnürte. So hatte sie noch nie jemand angeschaut. Anni überwand die letzte Distanz und küsste Jasmin sanft auf die Lippen. Doch damit wurde das Gefühlschaos in Jasmin nur noch schlimmer und so schob sie Anni sanft von sich weg. „Anni, bitte nicht.“ Ihre Lippen schrien nach Annis, doch ihr Verstand sprach eine andere Sprache. Jasmin blickte wieder in Annis Augen und sah darin Enttäuschung und ein wenig Verzweiflung. Trau-rig und verletzt drehte sich Anni weg und setzte sich an den Tisch. Unbemerkt von Jasmin wischte sie sich hastig eine Träne, die über ihre Wange lief, weg. „Wir müssen reden“, kamen die Worte von Anni. Jasmin musste sich räuspern. „Ja.“ Sie setzte sich, etwas unsicher, zu Anni an den Tisch. Sichtlich nervös drehte sie den Becher in ihren Händen und wartete darauf, dass Anni das Gespräch begann.
„Erklär’s mir, ich verstehe es einfach nicht. Nach Nele’s Geburtstagsparty und der von dir gewonnen Wette warst du es, die den ersten Schritt gemacht hat. Ich hätte es nie gewagt. Die Angst, eine Abfuhr zu erhalten und dich auch als Freundin zu verlieren, war viel zu gross. Und dann, nach dem Sex, hast du mich eiskalt abserviert. Auch beim zweiten Mal ging die Initiative klar von dir aus. Und jetzt, obwohl ich rücksichtsvoll bin und dich in der Öffentlichkeit in Ruhe lasse, stösst du mich wieder weg!“ Anni blickte Jasmin erwartungsvoll an und fuhr dann fort: "Was bin ich für dich? Ein Experiment? Ein bisschen ausprobieren, wie es mit einer Frau ist? Ob der Sex mit einer Frau wirklich so toll ist? Sag schon. Was empfindest du für mich?" Jasmin schwieg. "Keine Antwort ist auch eine Antwort. Wenn du schon nicht ehrlich zu mir bist, dann sei wenigstens ehrlich zu dir selbst: also, hast du Gefühle für mich, ja oder nein?" Jasmin liess den Kopf hängen und schaute auf ihre Hände, welche sie in ihrem Schoss verknotet hatte. "Du bist mir nicht egal“, sagte sie leise. "Na klar. Nele ist mir auch nicht egal, sie ist meine Freundin. Das habe ich nicht gemeint." Anni begann sich langsam richtig in Rage zu reden. Die ganze Wut, der Kummer und die Verletztheit über die Zurückweisung, die Enttäuschung über Jasmins Verhalten, all das brach sich nun Bann. "Du hast Angst davor, was die Öffentlichkeit und die Leute um dich herum über dich denken. Es dreht sich immer alles nur um dich. Wie es mir dabei geht, ist dir scheissegal. Die Leute um dich herum sind deine Freunde. Wenn die dich nicht so akzeptieren, wie du bist, dann sind es keine echten Freunde. Echte Freunde akzeptieren deine Gefühle, egal, ob für einen Mann oder eine Frau.“ „Anni bitte...“ Jasmin streckte ihre Hand nach Annis Arm aus, doch diese zog ihn zurück. „Fass mich nicht an.“ Ihre Stimme wurde lauter. Wut blitzte in Annis Augen auf. „Ich erkenne mich selbst nicht wieder“, begann Jasmin, „ich weiss nicht, was du mit mir machst. Ich mag dich und wir haben viel Spass zusammen. Aber ich bin total durcheinander und krieg das irgendwie nicht auf die Reihe. Meine Gefühle machen mir Angst. Ich kann das irgendwie nicht. Ich stehe doch auf Männer und bin nicht lesbisch.“ Hilfesuchend blickte Jasmin zu Anni. „Jetzt kommt diese alte Leier wieder.“ Anni verdrehte genervt ihre Augen. Jasmin suchte Annis Blick. Aber in deren Augen konnte sie kein Mitgefühl oder Liebe erkennen konnte, sondern nur Enttäuschung, Wut und Verletzung.
„VERDAMMTE SCHEISSE Jasmin, ich liebe dich!“ Sie schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. Ihre Stimme war lauter geworden, aber es war ihr egal, ob Nele alles mitbekam oder nicht. „Aber das merkst du nicht mal, da sich alles immer nur um dich dreht! Wenn du Lust auf was Neues hast, ein bisschen Spass willst, bin ich dir gerade Recht. Aber dann kriegst du wieder kalte Füsse und lässt mich fallen wie eine heisse Kartoffel. Wann begreifst du endlich, dass du die Gefühle der Leute um dich herum mit Füssen trittst? Es geht immer nur um dich und wie es den anderen dabei geht, ist dir scheissegal! Ich habe vieles eingesteckt und ertragen, habe dir immer wieder verziehen, aber nun ist das Mass voll! Auch ich habe eine Schmerzgrenze und diese ist nun endgültig erreicht. Ich muss hier weg. Ich ertrage das nicht mehr… ich ertrage dich nicht mehr!“ Erschrocken über diese Worte blickte Jasmin auf. „Ich hoffe, du kapierst irgendwann, dass du nicht immer der Mittelpunkt bist und zwar bevor du alleine dastehst. Und werd dir endlich über deine Gefühle klar. Aber mich brauchst du dar-über nicht zu informieren! Es interessiert mich nicht.“ Mit diesen Worten schnappte sich Anni ihren Rucksack und rannte zur Tür hinaus. Der laute Knall der zuschlagenden Tür hallte in Jasmins Ohren nach. Ebenso der unterwartete und heftige Wutausbruch von Anni. So kannte Jasmin ihre Freundin gar nicht. Der letzte Blick, den Anni Jasmin zugeworfen hatte, war absolut kalt gewesen. Dieser Blick brannte sich Jasmin ins Gehirn, sie konnte ihn nicht mehr vergessen. Dann wurde sie von ihren Gefühlen übermannt und sie brach weinend am Küchentisch zusammen. *** Die Wohnungstüre wurde zugeschlagen und dann war es still. Zu still für Nele’s Geschmack. Sie öffnete ihre Zimmertüre und begab sich auf den Weg nach unten. Schon auf der Treppe hörte sie leises Schluchzen. Im Wohnzimmer angekommen, sah sie Jasmin, die ihre Arme auf dem Küchentisch und ihren Kopf darauf, hemmungslos weinte. Nele zerriss es fast das Herz. Die Frage, ob alles ok sei, verkniff sie sich, es war ja offensichtlich, dass dies nicht der Fall war. Sanft, um sie nicht zu erschrecken, sprach sie Jasmin an. „Hey Jasmin, was ist denn passiert?“ Sie trat an den Tisch, ging in die Hocke und legte Jasmin einen Arm um die Schultern. „Sie ist weg“, brachte Jasmin zwischen zwei Schluchzern undeutlich hervor. „Komm mal her.“ Nele führte Jasmin aufs Sofa und nahm sie in den Arm. Die Tränen flossen ungehindert und Nele strich beruhigend über Jasmins Rücken. Diese vergrub ihr Gesicht an Nele’s Schulter und kam nur langsam zur Ruhe. Nach einigen Minuten verstummten die Schluchzer und auch die Tränen wurden weniger. Jasmin klammerte sich an Nele wie eine Ertrinkende an einen Rettungsring. „Willst du mir erzählen, was passiert ist?“ Jasmin löste sich langsam aus der Umarmung, putzte sich die Nase und wischte sich die letzten Tränen weg. „Ich hab alles vermasselt. Ich hab sie vor den Kopf gestossen und verletzt…“ Die Worte kamen Jasmin nur mühsam über die Lippen. „… wieder einmal“, setzte sie noch hinzu. „Sie hat mit allem Recht. Ich kann nicht mal ehrlich zu mir selbst sein, wie soll ich da ihr gegenüber ehrlich sein?“ „Das ist auch alles neu und ungewohnt für dich. Da ist doch klar, dass du unsicher bist.“ „Danke Nele, ist lieb von dir, dass du versuchst, mich aufzumuntern. Aber da hab ich jetzt wirklich Mist gebaut. Und ich muss mir erst mal selber über einiges klar werden.“ Jasmin blickte ins Leere und schwieg. Nach einiger Zeit begann sie leise: „Sie hat gesagt, ich würde immer nur an mich denken und die anderen wären mir egal. Dass ich Angst davor habe, wie die Leute reagieren könnten. Sie hat gesagt...“ Jasmin stockte, die Bedeutung und das Ausmass dieser Aussage waren ihr erst jetzt so richtig klar geworden. „Was hat sie gesagt?“ hakte Nele nach. „Sie hat gesagt, dass sie mich liebt. Nicht nur, dass sie mich toll findet oder in mich verknallt ist. Nein, sie hat gesagt, ich liebe dich.“ Jasmin schien überrascht und schockiert zu sein. Nele musste schmunzeln. Sie hatte die Worte natürlich gehört, da Anni diese nicht gerade leise ausgesprochen hatte. „Was gibt es da zu Grinsen?“ Jasmin schaute fragend zu Nele. „Naja, mir was das eigentlich schon länger klar. Wie sie dich immer angesehen hat und so.“ „Echt jetzt?“ „Ja echt. Und hey, du kennst Anni. Sie hat das jetzt nicht einfach so in ihrer Wut gesagt. Was sie sagt, meint sie auch so und sie steht voll dahinter.“ „Ja, da hast du absolut Recht. Aber ich weiss nicht, ob ich unsere Freundschaft wieder gerade biegen kann.“ „Freundschaft?“ Nele schaute Jasmin ungläubig an. "Glaubst du nicht, dass das zwischen euch mehr ist? Das geht doch schon lange über eine Freundschaft hinaus. Ich denke nicht, dass Anni noch an einer „Freundschaft““, Nele malte die Gänsefüsschen mit ihren Fingern in die Luft, „interessiert ist. Entweder ganz oder gar nicht.“ Einen Augenblick lang schaute Jasmin Nele nachdenklich an. „Glaubst du?“ Nele nickte. „Einen Grund mehr also, mich endlich mit meinen Gefühlen auseinander zu setzen.“ Jasmin wirkte entschlossen. „Darf ich dich noch etwas fragen?“ Jasmin nickte. „Also naja…“, druckste Nele herum. „Nun spuck’s schon aus.“ „Wie ist der Sex mit einer Frau?“ platzte es aus Nele heraus. Jasmin wurde augenblicklich rot. Verlegen strich sie sich eine Haarsträhne hinters Ohr. „Es ist fantastisch. So viel zärtlicher und gefühlvoller als mit einem Mann. Ich hätte das nie erwartet.“ „Du meinst, Anni ist zärtlich und gefühlvoll?“ Nele schaute schmunzelnd zu Jasmin. „Ähm ja, also… ähm.“ Jasmin druckste unsicher herum. Nele begann zu lachen und dann lächelte auch Jasmin erleichtert. „Du, ich muss langsam los. Kommst du alleine klar?“ „Ja. Danke für deine Unterstützung und dein offenes Ohr.“ „Dafür sind Freunde doch da.“ Jasmin umarmte Nele nochmals kurz, dann machte diese sich auf den Weg zur Arbeit. *** Anni irrte ziellos durch die Strassen von Berlin. Jasmin war ihr nicht nachgelaufen. Einerseits war sie froh darüber, es hätte eine wüste Szene auf offener Strasse gegeben. Andererseits war sie auch etwas enttäuscht, dass Jasmin nicht mal versuchte hatte, sie aufzuhalten. Sie wollte einfach nur noch weg… weg von Jasmin, weg von dem Schmerz, weg von ihren eigenen Gefühlen. Nur leider liessen diese sich nicht so einfach abschalten. Ihr Blick war unklar und verschwommen, sie sah alles durch einen Tränenschleier. Sie konnte die Tränen nicht stoppen und es war ihr auch egal. Manche Leute drehten sich nach ihr um, aber Anni würdigte sie keines Blickes. Wie hatte sie nur zulassen können, dass ihr Gefühle für Jasmin so tief gingen? Sie war doch sonst immer so kontrolliert und beherrscht? Eine Beziehung kam für sie eigentlich nicht in Frage. Sie wollte einfach Spass aber ohne Verpflich-tung. Doch Jasmin hatte alles über den Haufen geworfen. Anni hatte Jasmin in ihr Herz gelassen und Schritt für Schritt waren ihre Gefühle stärker geworden. Jasmin’s Verhalten, dass sie Anni nicht kon-sequent von sich gestossen hatte, hatte diesen Vorgang noch beschleunigt, die Hoffnung in Anni genährt.
Anni blieb stehen und blickte auf. Irgendwie kam ihr die Gegend vertraut vor. Sie stand vor einem Freibad, aber nicht irgendeinem, sondern vor dem, in dem sie letzten Sommer mit Jasmin nach ihrer durchzechten Nacht am Morgen „eingebrochen“ waren. Das Freibad war natürlich noch geschlossen, es war noch zu früh im Frühling. Unbewusst hatten ihre Füsse sie hierher getragen. Anni ging an der Hecke entlang und entdeckte die Stelle, an der sie sich schon im Sommer Zutritt verschafft hatten. Sie schaute kurz über die Schulter nach rechts und links, ob auch niemand zu sehen war. Doch die Strasse war leer und so kletterte Anni kurzerhand durchs Gebüsch ins Freibad. Sie hoffte einfach, drinnen nicht gleich einem Mitarbeiter in die Arme zu laufen.
Sie ging direkt zum grossen Schwimmbecken. Hier hatten sie im letzten Sommer herumgealbert. Jasmin und sie, beide total überdreht vom Alkohol und vor lauter Müdigkeit. So unbeschwert wie an diesem Morgen im Freibad hatte sie sich schon lange nicht mehr gefühlt. Heute war das Becken noch leer. Anni setzte sich an den Beckenrand und liess ihre Beine ins leere Becken baumeln. Sie wurde langsam etwas ruhiger. Die letzten 12 Stunden hatten doch arg an ihren Nerven gezerrt. Ihr Blick schweifte umher und blieb am 3-Meter-Turm hängen. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. Oh Mann, was hatte sie doch Schiss gehabt, von dort runterzuspringen? Doch mit Jasmins gutem Zuspruch hatte sie sich doch getraut. Was war das für ein Spass gewesen. Ihr Blick glitt weiter und sie sah die Dusche. Dort hatte alles angefangen. Erstmals hatte sie Jasmin mit anderen Augen gesehen, nicht mehr nur als guten Kumpel, sondern als Frau, als schöne und begehrenswerte Frau. Wie sie da ihr nasses Shirt ausgezogen und nur mit BH bekleidet unter der Dusche stand, hatte Anni ihren Blick nicht mehr von ihr wenden können. Die Wasserperlen auf ihrer sanften, perfekten Haut, die Rundungen ihrer Brüste… Anni war hin und weg gewesen. Auch jetzt noch, wenn sie daran zurückdachte, bekam sie eine Gänsehaut. Anni schüttelte energisch den Kopf. Schluss jetzt mit dieser Gefühlsduselei. Sie hatte Jasmin heute Morgen klipp und klar gesagt, dass sie sie nicht mehr wollte. Sie musste nun versuchen, Jasmin irgendwie aus ihrem Kopf zu bekommen. Das Problem war nur, dass ihr Herz noch immer für Jasmin schlug. Es würde das Beste sein, wenn sie Jasmin in der nächsten Zeit aus dem Weg ging. Aber da sie ja zusammen wohnten, hiesse das, sie müsste sich eine neue Bleibe suchen. Seufzend zog sie ihr Handy aus der Tasche und wählte eine Nummer.
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