Nachschub
Teil XII
Stella musste schlucken bei dem Anblick von Carla. Sie sah einfach wieder wunderschön aus. Sie trug eine schwarze Stoffhose und eine weiße Bluse. Okay, über die Haare ließ sich streiten, die hatte sie wie immer an der Uni streng nach hinten zu einem Knoten gebunden. Sofort machte sich in Stella wieder dieses warme Gefühl breit, sie spürte eine ganze Schar Schmetterlinge in ihrem Bauch umher flattern, ihre Hände fingen an zu schwitzen. Sie beobachtete jeden Schritt von Carla, doch diese schaute sich zwar im Hörsaal um, ließ jedoch die Gegend in der Stella saß aus. Streng nach Lehrplan führte sie ihre Lesung und beantwortete souverän aufkommende Zwischenfragen. Stella klebte förmlich an ihren Lippen, als wollte sie von diesen lesen. Von was genau Carla sprach, wusste sie nicht, Stella war einfach nicht in der Lage sich auf den Unterricht zu konzentrieren, immer wieder schweiften ihre Gedanken in weite Ferne. Immer wieder landeten ihre Gedanken an dem letzten Tag bei Carla, doch je sehr sie auch überlegte, sie hatte keine Ahnung warum Carla sie so abwürgte.
Endlich war es soweit, die Vorlesung war beendet. Schnell packte Stella ihr Zeug zusammen und eilte zu Carla. Da noch nicht alle den Hörsaal verlassen hatten, blieb Stella auf der „Sie-Schiene“.
Stella: „Frau von Lahnstein, ich muss mit Ihnen reden.“
Carla: „Ich habe keine Zeit!“
Stella: „Es ist aber dringend!“
Da sich die anderen bereits zu ihnen umdrehten und fragend schauten, lenkte Carla schließlich ein, denn es ist sonst nicht ihre Art Studenten so einfach stehen zu lassen. Mittlerweile hatten alle den Hörsaal verlassen.
Stella: „Carla, was ist passiert, warum hast du plötzlich keine Zeit mehr, warum redest du nicht mit mir?“ die Fragen sprudelten nur so aus Stella heraus.
Carla: „Frau Mann, ich habe Ihnen doch gesagt, dass ich eine Menge Arbeit an der Uni habe.“
Stella: „Ja das hast du, nur komisch, dass dir das Mitten in der Nacht einfällt und am Wochenende. Das glaube ich dir nicht, wenn du keine Lust mehr hast, dann sage es doch einfach und such nicht nach irgendwelchen Ausreden.“
Carla: „Professor Rheinbach hat am Samstag morgen angerufen und gefragt, ob ich ein Schülerprojekt übernehmen könnte, es sei dringend.“
Stella: „Achso, Professor Rheinbach also. Und das kannst du mir nicht sagen oder was?“
Carla: „Ich wusste nicht, dass ich Ihnen Rechenschaft ablegen muss, außerdem…“, doch weiter kam Carla nicht.
Stellas Augen füllten sich mit Tränen, denn sie wusste, dass dies nur Ausreden waren. Schnell drehte sie sich von Carla ab, denn diese Blöße wollte sie sich nicht geben und heulend vor Carla stehen. Im Rausgehen rief sie noch zu Carla: „Machen Sie doch was Sie wollen Frau von Lahnstein.
Zum Glück war es die letzte Vorlesung für heute, denn Stella wollte nur noch eins, so schnell wie möglich weg von der Uni, weg von Carla.
Die Tage und Wochen vergingen. Stella versuchte so gut wie möglich Carla aus ihrem Kopf zu bekommen, was aber mehr schlecht als recht gelang. Wie auch. Fast täglich traf sie auf Carla an der Uni und zu Hause saß sie über ihrer Hausarbeit, die ihr Carla gegeben hatte.
An der Uni ignorierten sie sich gegenseitig, keiner schaute auch nur den anderen an, geschweige denn sprach ein Wort mit dem anderen. Doch dann kam der Tag, an dem sie sich ansehen mussten und wohl oder übel auch ein Wort miteinander sprechen mussten. Stella musste ihr Referat über die Balanced Score Card abhalten. Sie war wahnsinnig aufgeregt, nicht weil sie vor allen ihren Kommilitonen sprechen musste, sondern weil sie so dicht wie lange nicht mehr neben Carla stand. Der Duft von Carlas Parfüm suchte sich den Weg in Stellas Nase. Welch ein vertrauter und himmlicher Duft. Oh Gott, wie hatte sie das vermisst. Von Carlas Duft betäubt hielt sie ihr Referat. Stella war von sich selbst überrascht, wie leicht das ganze ihr von den Lippen ging. Bei der Benotung sahen sich beide direkt in die Augen. Dann vernahm Stella Carlas Worte: „1,7. Ich bin zufrieden, Sehr schön gemacht.“ Ihre Worte unterstrich Carla noch mit einem Zwinkern. Stella nickte zurück: „Danke.“