OK, Weihnachten ist zwar bereits rum, aber ich hoffe, die Geschichte gefällt euch trotzdem! Viel Spass!
Eine Weihnachtsgeschichte
Ich sass auf dem Sofa, meine Nase tief in ein Buch vergraben und genoss den seltenen Moment von Ruhe in der WG. Als hätte jemand meine Gedanken gelesen, hörte ich vor der Wohnungstüre Stimmen, die zu meinen Mitbewohnerinnen gehörten. Noch während ich versuchte, mein Kapitel zu Ende zu lesen, wurde bereits die Türe aufgeschlossen und die beiden traten unter lautem Geplapper und Gekicher ein. Ich räusperte mich und Nele blickte ertappt auf mich. „Oh Anni, dich habe ich gar nicht gesehen. Stören wir etwa?“ Schuldbewusst schlug sie sich die Hand vor den Mund. Ich rollte leicht amüsiert mit den Augen. „Nee, ist schon ok“, sagte ich und schlug mein Buch zu. „Ruhe und Privatleben gibt es in einer WG nicht.“ Jasmin hatte mittlerweile ihren Mantel, Mütze und Schal abgelegt und sah mich an. „Wir wollen Weihnachtsplätzchen backen. Bist du dabei?“ Erschrocken riss ich die Augen auf. „Ich??? Auf gar keinen Fall. Ihr wisst ja, Weihnachten und das ganze Drumherum ist nicht so mein Ding.“ Ok, das war jetzt gelogen. Eigentlich liebte ich Weihnachten. Aber ich konnte mich jetzt nicht outen, dies würde meinem coolen Lesben-Image schaden. Also packte ich mein Buch und stand auf. „Ich bin sicher, ihr zwei schafft das ganz gut ohne mich.“ Mit diesen Worten zog ich mich in mein Zimmer zurück.
Zwei Stunden später hielt ich es dann doch nicht mehr aus in meinem Zimmer. Der Duft nach frischen Plätzchen lockte mich in die Küche. Dort standen Nele und Jasmin, welche eifrig dabei waren, die frischen Gebäckstücke zu dekorieren. Jasmin hatte Mehl in den Haaren und sah damit besonders süss aus. „Anni! Na, willst du uns doch noch helfen?“ Und bevor ich Nele antworten konnte, hatte sie mir bereits die Glasur in die Hände gedrückt. „Hier, du kannst gleich anfangen. Aber nicht alles wegnaschen, ok?“ Ich nickte ergeben und machte mich daran, die Plätzchen zu verzieren. Wir lachten, alberten herum und hatten viel Spass. Sowieso fühlte ich mich in letzter Zeit in der Gesellschaft von Jasmin extrem wohl. Dem Ganzen schenkte ich jedoch keine weitere Bedeutung. Bis jetzt. Während wir in der Küche werkelten, berührten wir uns immer mal wieder zufällig. Nele streifte mich beim Verbeigehen, Jasmin drängte sich neben mich, um ein Plätzchen zu verschönern, meine Finger berührten Neles, als ich ihr die Glasur reichte. Und da musste ich mir eingestehen, dass ich mehr für Jasmin empfand, als nur Freundschaft. Während ich Nele problemlos berühren oder umarmen konnte, spürte ich jedes Mal ein Kribbeln im Bauch, wenn ich Jasmin berührte. Ich kannte mich selbst gut genug, um zu wissen, was dies bedeutete: ich begann, Gefühle für Jasmin zu entwickeln. Leider war dies nicht gerade die beste Idee, da Jasmin ziemlich eindeutig hetero war und ich bei ihr keine Chance haben würde.
Das Ganze wurde mir gerade zu viel und ich hob kapitulierend die Hände. „Ok Mädels, das reicht für mich für heute. Ich helf dann gerne wieder, wenn es darum geht, diese Dinger zu verputzen.“ Ich wollte mich gerade wegdrehen, als ich eine Hand auf meinem Arm spürte. Ein Blitz durchzuckte meinen Körper und ich wusste genau, es war Jasmins Hand, die da auf meinem Arm lag. „Och Anni, komm schon, sei kein Spielverderber.“ Jasmin sah mich mit ihren braunen Augen mitleidig an. Diesem Blick konnte ich fast nicht widerstehen und ich blickte zu Boden. „Wir wollen nachher noch auf dem Weihnachtsmarkt einen Glühwein trinken. Du kommst doch auch mit, oder?“ Sie hielt noch immer meinen Arm umklammert und es fühlte sich wunderbar an. Ich getraute mich, meinen Blick zu heben und versank direkt wieder in ihren braunen Augen. „Ähm, eher nicht. Ich muss noch was für die Berufsschule machen.“ Ich wusste, die Ausrede klang lahm, aber ich konnte nicht. Ich brauchte etwas Abstand, um meine Gefühle zu ordnen. Etwas enttäuscht sah mich Jasmin an und liess meinen Arm los. Nun machte sich in mir ein Gefühl der Enttäuschung breit und mein Körper schrie nach einer weiteren Berührung von ihr. „Geht ihr mal ohne mich. Ich komm dann vielleicht morgen mit.“ „Ich nehm dich beim Wort.“ Jasmin hob drohend ihren Zeigefinger und ich konnte nur noch nicken. Irgendwie schaffte ich es in mein Zimmer und dort angekommen, lehnte ich mich gegen die Türe und atmete einmal tief durch. Ok, ich konnte es nicht mehr abstreiten, ich hatte mich in Jasmin verliebt!
***
Am nächsten Tag stand ich im Wohnzimmer und betrachtete etwas überrascht den Weihnachtsbaum. Anscheinend hatte die zwei am Tag zuvor nebst Glühwein-Trinken noch einen Baum besorgt. Dieser thronte nun mitten in unserem Wohnzimmer und war bereits festlich geschmückt. Ich versank beim Anblick der Tanne in Erinnerungen an meine Kindheit, als ich immer helfen durfte, den Baum zu schmücken. Dies war immer ein Highlight an Weihnachten gewesen. Unser Baum hier war kunterbunt. Aber genau diese Tatsache machte ihn besonders. Ich lächelte leicht und begab mich ins Badezimmer.
Ich öffnete gerade schwungvoll die Tür zu unserem Wohnzimmer, als ich direkt Jasmin gegenüberstand. Automatisch machte ich einen Schritt zurück, damit wir nicht zusammenstiessen. „Oh hey Jasmin, ich wusste gar nicht, dass du auch zu Hause bist?“ „Hey Anni. Na, hast du den Weihnachtsbaum schon gesehen?“ „Naja, der ist ja nicht zu übersehen.“ Ich schmunzelte leicht. „Aber sieht hübsch aus, gefällt mir.“ Wir standen uns noch immer im Türrahmen gegenüber. Da zeigte Jasmin noch oben. „Du weisst, was das heisst, oder?“ Ich hob meinen Blick und entdeckte einen Mistelzweig, der über uns am Türrahmen hing. Fuck, ging es mir durch den Kopf, wer hatte den denn dort angebracht? Ich sah Jasmin an. „Ach komm schon, diese alte Tradition von wegen küssen unter dem Mistelzweig. Das willst du doch nicht ernsthaft durchziehen, oder?“ „Oh doch, genau solche Traditionen gehören doch zu Weihnachten.“ „Und wenn du auf Mesut triffst? Dann willst du ihn küssen?“ Etwas angewidert verzog ich das Gesicht. Jasmin schien ebenfalls einen Moment nachzudenken. „Naja, Mesut ist ja momentan nicht da. Jetzt hat es eben dich getroffen.“ „Aber es geht doch darum, dass sich Frauen und Männer küssen“, versuchte ich es ein letztes Mal, mich rauszureden. Mein Herz schrie danach, Jasmin zu küssen, während mein Kopf eher Alarm schlug. Ich wusste echt nicht, wie es enden würde. „Ja, aber du stehst schliesslich auf Frauen, deshalb müssen wir die Tradition ein wenig ausweiten.“ Siegessicher sah sie mich an. „Aber du stehst nicht auf Frauen“, gab ich ihr schlagfertig zurück und zeigte mit dem Finger auf sie. „Wer weiss?“ Mit einem geheimnisvollen Blick sah sich mich intensiv an. Mein Herz schlug mir bis zum Hals und ich hatte Angst, Jasmin würde bemerken, wie nervös ich war. Dann stellte sie sich direkt vor mich, schloss die Augen und näherte sich meinem Gesicht. Ihr Gesicht war bereits so nah, dass ich ihren Duft riechen konnte. Dieser Duft raubte mir die Sinne. Er war mir bereits früher, bei Umarmungen, aufgefallen. Mein letzter Widerstand war gebrochen. Ich schloss ebenfalls die Augen und überwand die letzte Distanz zwischen uns. Und dann berührten sich unsere Lippen. Ich fühlte mich, als wäre ich endlich am Ziel meiner Träume angekommen, es fühlte sich perfekt an. Ihre Lippen waren weich und lagen sanft auf meinen. Eine gefühlte Ewigkeit standen wir einfach so da und ich wusste, dass ein Kuss unter dem Mistelzweig normalerweise nicht so lange dauerte. Ich nahm all meinen Mut zusammen und bewegte meine Lippen ganz zärtlich auf ihren. Meine Hände lagen locker auf ihren Hüften und ich zog sie etwas näher an mich heran. Und wirklich, sie begann, den Kuss zu erwidern. Sie legte ihre Hände in meinen Nacken und hielt mich fest. So küssten wir uns und ich vergass alles um mich herum. Irgendwann lösten wir uns langsam voneinander und sie schlug die Augen auf. Ich sah in ihre braunen Augen und schlagartig wurde ich in die Realität zurückgeholt. Was hatte ich gerade getan? Erschrocken blickte ich sie an. „Ich ähhm… also ich muss los. Bis später.“ Ich schob mich an ihr vorbei und liess Jasmin etwas überrascht stehen. Ich schnappte mir Jacke, Schlüssel und Tasche und schon war ich zur Wohnungstür raus. Ja, ich bin ein Feigling. Aber ich konnte mich in diesem Moment der Situation nicht stellen. Sobald die Wohnungstüre hinter mir zugefallen war, lehnte ich mich an die Wand und atmete tief durch. Die Schmetterlinge in meinem Bauch flogen noch immer Achterbahn und mein Herzschlag normalisierte sich nur langsam. Ich konnte nicht glauben, was gerade passiert war. Ich hatte soeben die tollste Frau der Welt geküsst und sie hatte den Kuss erwidert.
***
Den Rest des Tages war ich unterwegs, hauptsächlich, um Jasmin aus dem Weg zu gehen. Ich war im Vereinsheim und später musste ich für das Mauerwerk noch eine neue Soundanlage testen. Die Ablenkung tat mir gut, so musste ich nicht ständig an den Kuss mit Jasmin denken. Es war wunderschön gewesen und gleichzeitig so verwirrend. Ich hätte nie gedacht, dass sie den Kuss so intensiv erwidern würde. Mein Gefühlschaos war nun komplett, denn ich wusste überhaupt nicht mehr, woran ich bei ihr war und wie ich mit ihr umgehen sollte. Ihre geheimnisvolle Bemerkung, bevor wir uns geküsst hatten, machte die Sache nicht gerade einfacher. Zurück in der WG, war es bereits spät am Abend. Ich war froh, dass die anderen entweder schon im Bett oder nicht zu Hause waren. Ohne jemanden anzutreffen, begab ich mich in mein Zimmer und legte mich wenig später ebenfalls aufs Ohr. Doch ich konnte nicht schlafen. Meine Gedanken kreisten ständig um Jasmin und so wälzte ich mich unruhig im Bett hin und her. Nach einer halben Stunde wurde es mir zu bunt. Ich stand auf und schlich mich leise ins Wohnzimmer. Dort steckte ich den Stecker für die Lichterkette in die Steckdose und sofort erstrahlte der Weihnachtsbaum in einem angenehm-warmen Licht. Ich setzte mich auf das Sofa, zog die Knie an und legte meinen Kopf darauf. Langsam spürte ich, wie ich zur Ruhe kam. Schon immer hatten Weihnachtsbäume eine beruhigende Wirkung auf mich gehabt. „Du magst Weihnachten, stimmt’s?“ Die Frage kam von Jasmin, die im Türrahmen von ihrem Zimmer stand und mich beobachtete. Wie lange sie schon dastand, konnte ich nicht beurteilen. Aber sie trug nur ihr Schlafshirt, welches knapp über ihren Po reichte. Dies registrierte mein Hirn sofort und augenblicklich schlug mein Herz wieder schneller. Sie kam auf mich zu und deutete auf den Platz neben mir. „Darf ich?“ Ich nickte und sie setzte sich neben mich. Fast ein wenig zu nah, aber ich getraute mich nicht, wegzurutschen. Dies wäre etwas gar auffällig gewesen. „Du hast meine Frage nicht beantwortet“, unterbrach Jasmin die Stille. Ich nickte nochmals. „Ja du hast Recht. Ich mag Weihnachten, sehr sogar. Aber bitte verrat mein Geheimnis nicht, ja?“ Ich blickte sie verschwörerisch an. Sie demonstrierte mit ihrer Hand, dass ihr Mund geschlossen war. „Ich werde schweigen wie ein Grab.“ Wir lachten beide gleichzeitig und die Stimmung wurde etwas lockerer. Ich begann, Weihnachtsgeschichten aus meiner Kindheit zu erzählen und wurde dabei, trotz Jasmins Anwesenheit, wieder etwas entspannter. Bis Jasmin überraschend den Kuss zur Sprache brachte. „Anni“, begann sie vorsichtig, „die Sache heute unter dem Mistelzweig…“ Unsicher blickte ich sie an. „Ja?“ „Ich muss dir gestehen, dass mir der Kuss nicht mehr aus dem Kopf geht.“ Sie blickte zu Boden und fuhr mit leiser Stimme fort. „Du gehst mir nicht mehr aus dem Kopf. So etwas ist mir noch nie passiert.“ Ich war mir nicht ganz sicher, ob ich sie richtig verstanden hatte und doch machte sich ein wenig Hoffnung in mir breit. „Ich bin nicht ganz sicher, was du damit meinst?“ Ich sah sie fragend an. Sie erwiderte meinen Blick und lächelte dabei leicht. Das gelbliche Licht des Weihnachtsbaums umhüllte ihr Gesicht und sie sah einfach atemberaubend aus in diesem Moment. Sie griff nach meiner Hand und sofort spürte ich wieder das Kribbeln auf meiner Haut, dort, wo sie mich berührte. „Ich meine damit, dass dieser Kuss etwas in mir ausgelöst hat. Etwas, dass ich nicht beschreiben kann. Aber es fühlt sich unglaublich toll an. Vielleicht können wir es ja gemeinsam herausfinden?“ Ein leichtes Lächeln umspielte nun meine Lippen und ich streichelte mit meinem Daumen über ihren Handrücken. „Spürst du das?“ Sie blickte auf unsere Hände und nickte. „Ja“, hauchte sie. „Ich spüre dasselbe“, antwortete ich leise. „Der Kuss heute war wie eine Bestätigung für mich. Du bist wunderbar und wenn du mich ansiehst, mich berührst, habe ich tausend Schmetterlinge im Bauch.“ Mein Herz klopfte wieder so heftig, als wolle es mir aus der Brust springen. Wir sahen uns an und langsam näherten sich unsere Gesichter, bis sich unsere Lippen wieder berührten. Dieses Mal begann ich sofort, meine Lippen zu bewegen und Jasmin erwiderte den Kuss genauso. Ich getraute mich jedoch noch nicht, meine Zunge zu gebrauchen. Ich wollte Jasmin nicht überfordern. Als wir uns voneinander lösten, atmete sie heftig. Wir lehnten unsere Stirn aneinander und genossen einfach noch einen Moment die Nähe des anderen. Ich unterbrach die Stille. „Ich denke, wir sollten nun schlafen gehen.“ Ich wollte schon aufstehen, als mich Jasmin zurückhielt. „Anni? Darf ich… ich meine… kann ich heute Nacht bei dir schlafen?“ Hoffnungsvoll sah sie mich an und ich konnte ihrem Blick nicht widerstehen. „Ok.“ Ich zog sie vom Sofa hoch und gemeinsam gingen wir in mein Zimmer. Ich kroch als erste ins Bett und legte mich ganz nah an die Wand. Ich wollte sie nicht bedrängen und ihr den Freiraum geben, den sie brauchte. Sie legte sich neben mich und ich deckte uns beide zu. Dann drehte sie ihren Kopf zu mir. „Gute Nacht Anni.“ Und bevor ich etwas erwidern konnte, lagen ihre Lippen bereits auf meinen. Dann drehte sie sich auf die Seite, schnappte sich meinen rechten Arm und legte ihn um sich. Ich zog scharf die Luft ein. Wow, sie wollte, dass ich sie berührte. Nur leider wusste ich nicht, ob ich dies durchstehen würde. Sie schien mein Zögern zu bemerken. „Ist es ok für dich, wenn du mich einfach in den Armen hältst?“ Ich atmete einmal tief durch und antwortet: „Natürlich. Wir gehen die Sache langsam an.“ Ich wagte es, ein Stück näher an sie zu rutschen und legte meinem Arm um sie. Sie hielt meine Hand fest und langsam beruhigte sich auch mein Körper. Es war wunderbar, mit meiner Traumfrau im Arm im Bett zu liegen. Ich schloss die Augen. Dies war das schönste Weihnachtsgeschenk, das ich je erhalten hatte.
|