Guten Abend Elsie,
ich habe ja noch mal ein bisschen geschaut und in den Szenen besonders auf Schwester Martha geachtet. Die bei mir im Windschatten der Geschichte um die Seeligwerdung Thereses leider ein bisschen untergegangen ist.
Ich finde, Du hast das schön beobachtet. Ich denke, sie ist jemand, der genau versteht, was in Therese vor sich geht.
Besonders aufgefallen ist mir diese Situation, wo sie vor dem Krankenzimmer steht und lauscht, wie Therese mit Ida redet.
Wir wissen nicht, wie lange sie da schon steht, vielleicht bereits das ganze Gespräch über? Und sie geht nicht harsch dazwischen, sie hört zu und geht nachdenklich weg, wie jemand, der gerade vielleicht zum ersten Mal von einer Frau gehört hat, die ihre Gefühle für eine andere beschreibt. Und die das und die Reaktion darauf nicht verpassen wollte.
Als sie Ida Thereses Geld gibt, sagt sie ihr ja auch, dass Therese sie sehr geliebt hat. Da ist sie offen. Das muss sie ja nicht mit diesen Worten sagen. Und auch dass sie ihre eigene Geschichte erzählt. Sie sieht in Ida wohl jemand, der sie deswegen nicht verurteilt. Einerseits vielleicht, weil Ida selbst außerhalb steht, weil sie etwas Ungewöhnliches will, aber auch weil sie eben Therese nicht weggestoßen hat, sondern um sie trauert. Also traut auch Oberin Martha sich Ida zu öffnen.
Es kann gut sein, dass Martha wie Therese empfindet. Aber wie Du bereits geschrieben hast, wird die Figur sehr schön subtil gespielt und nicht jede Botschaft auf einem Silbertablett serviert. Das macht es interessant, über sie nachzudenken.
Die Charité ist eigentlich keine Serie, wo einem richtige Personen begegnen. Mehr so Ausschnitte.
Aber Martha ist so gut gespielt und vielleicht auch geschrieben, dass sich die Tür nen Spalt öffnet und Du nen Blick werfen kannst auf das, was sie als Mensch ausmacht. Martha ist so eine Figur.
Edith, wo ich die Schauspielerin auch mag, hat nicht so eine private Geschichte.
EBeth hat geschrieben:
Edith ist was für die, die in Geschichte aufgepasst haben.
Du hast Edith eine zweite Sissi genannt. Aber als platte Heldin empfand ich sie trotzdem nicht. Sie wahr ne wirklich ungewöhnlich nüchterne Sissi. Ohne einen Hauch Wiener Nachkriegsdeutsch und süße Ponyrettungsaktionen.
Das Regie und Drehbuch diese beiden Figuren nicht platt gegeneinander ausgespielt haben, fand ich wirklich gut. Passte aber auch dazu, dass in dieser Serie die Frauen die positiven Identifikationsfiguren waren, wie Du schon geschrieben hast.
Müsste ich mich bei den Männern entscheiden, wen ich interessant dargestellt fand, würde ich vielleicht Virchow nehmen.
EBeth hat geschrieben:
Im Kontrast dazu, der doch eigentlich liberale Virchow. Er sieht ärztemäßig in ihr nur die attraktiven Pocken und bittet Hagenbeck um "lassen Sie sie hier". "Nur" ein Versuchstier. Korrekterweise wäre noch zu erzählen gewesen, dass Teile von ihr sicherlich in einem der virchowschen Gurkengläser gelandet sind. Hat man uns erspart, wäre aber ehrlich gewesen. Bei dem rachitischen Becken einer verstorbenen Arbeiterin waren sie nicht so zimperlich.
Er war eine hübsche Mischung aus liberal, spießig, altklug und menschlich beschränkt.
Behring war auch gut. Ich habe nicht das Gefühl, den echten Behring in irgendeiner Minute dieser Serie kennengelernt zu haben, aber dieses hochfahrende in Uniform mit einem Schaf spazieren, kriegt nicht jeder hin. Er hat es als unzuverlässiger manisch-depressiver Anschmacht-Mann gebracht.
Aber jetzt kommen wir schon echt in Richtung Telenovela.
Ich kann nicht genau sagen, was ich von Therese halte. Frau Lied hat das in ihrem Text gut beschrieben. Therese als Figur läuft auf so absolut bekannten Bahnen. Zum einen, weil sie eine Fernsehlesbe ist und auch weil sie ein Telenovela-Support ist. Und das ist einfach frustrierend. Noch vom Sterbebett aus verkuppelt sie ergeben und sich selbst verleugnend ihre Freundin weg. Und das Letzte, was Ida ihr in den Hades hinterherflüstert, ist ja dann auch, dass Therese doch ihre Trauzeugin werden sollte. What?
Mir war früh klar, was Therese blüht und ich konnte ihr nicht unvoreingenommen zuschauen. Mir war bei der Geschichte unwohl. Und als sie vorbei war, ging's mir besser.
Sie hat gut mit der Ida-Darstellerin zusammengespielt. Es war manchmal echt berührend.
Aber sie war eine Figur, wo ich Stationen abgehaken konnte, und registriert habe, was sie jetzt gerade nicht machen oder sagen durfte, um nicht zu stören.
So was macht mich traurig.
Zur Hauptdarstellerin habe ich schon was geschrieben. Ich glaube nach Folge 4? In Folge 5 hat sie mich dann echt fertig gemacht mit ihrer Romy 2.0-Attitüde. In Folge 6 wurde das Ganze dann wieder zurückgefahren.
Aber da ist das ganze Telenovela-Schmonz-Gebäude ja dann sowieso kurz und schmerzhaft in sich zusammengestürzt. Was ich erfrischend fand.
Sie war das Gegenstück zu Behring. Eine tolle Heldin. Und nicht doof dargestellt.
Es hat mir gefallen, dass sie am Anfang da bleiben musste, um ihre Schulden abzuzahlen. Dass das nicht von ihr ausging, war schön prosaisch.
Ich mochte auch die ausgewählte Zeit, in der das Ganze spielt. Ne wirklich gute Idee, daraus eine historische Serie zu machen.