Hach, schön, Heidi.M, dass du mit mir diskutierst
. Ich glaube, unsere Sichtweisen auf den Film sind sehr ähnlich
.
Zitat:
man kann sich über diesen film sicher ernsthaft aufregen
Oh ja, das könnte man. Diverse Dinge finde ich in dem Film wirklich echt und ernsthaft daneben, aber an anderen Stellen wiederum finde ich ihn richtig gut und gelungen und auch eine Bereicherung. Man kann den Film mit freundlichen oder mit kritischen Augen sehen (und ich habe mich für den freundlichen Blick entschieden).
Zitat:
es war schon sehr seifig, pathetisch bzw. stellenweise auch irrtierend oberflächlich
Im Vergleich zu "Elena Undone" finde ich "A perfect ending" geradezu nüchtern, aber wenn man sich mit der Oberflächlichkeit anfreundet, findet man schöne Dinge vor - ich jedenfalls
.
Zitat:
der film ist von lesben für lesben, eine maßgeschneiderte low budget-phantasie, klar würde ich sowas auch mal gerne in kathryn-bigelow-qualität sehen, aber solange die frau mit ihren drehteams durch afghanistan marschiert und nicht durch frauenbetten, müssen wir eben solchen halbgöttern wie nicole conn oder auch shamim sarif zuschauen, bzw. glücklicherweise in diesem fall barbara niven und ihrer spielpartnerin
LOL! Sehr schön ausgedrückt
. Also, abgesehen davon, dass ich nicht finde, dass Nicole Conn eine begnadete Filmemacherin ist, gefallen mir ihre Werke wie gesagt zunehmend besser und ich bin ihr ausgesprochen dankbar dafür, was sie für den lesbischen Film tut.
Gerade der Eindruck einer "lesbischen low budget-phantasie" hatte mich davon abgehalten, den Film schon eher zu sehen, ich hatte nämlich wenig Lust darauf, Zeugin von Nicole Conns sexuellen Phantasien zu werden. "Frustrierte Hete erlebt ihren ersten Orgasmus mit einer Frau" - das Thema klang jetzt nicht so attraktiv für mich, ehrlich gesagt
. Nachdem ich den Film aber nun gesehen habe, geht es mir danach schon sehr anders, denn er ist aus meiner Sicht weit mehr geworden als eine sexuelle Phantasie:
Ich finde dass die Figur der Rebecca durchaus für viele Upper-Class-Women in den USA stehen kann. (Sylvie entlarvt diesen Lebensstil ja auch sehr bei ihrer ersten Begegnung mit Rebecca.) Materiell hat sie alles, was man sich wünschen kann, und ihr Leben besteht aus Bridge-Turnieren und GolfClub-Dinnern. Sie hat drei Kinder großgezogen, die alle ihren Weg gehen - also oberflächlich betrachtet ist alles in Ordnung und bestens. Wenn man aber genau hinsieht, merkt man erst, dass Rebecca in ihrem eigenen Leben überhaupt nicht vorkommt. Sie ist quasi gar nicht da (nur im Kontakt mit ihren beiden lesbischen Freundinnen wird sie ein bisschen sichtbar.)
Das heißt, diese Frau steht nun am Ende ihres Lebens und merkt, dass es in ihrem Leben eigentlich nie um sie ging und dass sie eigentlich nicht wirklich gelebt hat. Die Tatsache, dass sie noch nie einen Orgasmus hatte und nicht weiß, was Leidenschaft eigentlich ist, ist durchaus symbolisch zu sehen und sie merkt, dass sie noch etwas vom Leben will.
Und abgesehen von der Oberflächlichkeit und Sexlastigkeit dieses Films, finde ich es sehr schön und auch beeindruckend, wie Rebecca eine sehr umfassende Wandlung durchmacht. Sie kommt nämlich zu sich und bei sich an. Sie wendet sich ab von dem oberflächlichen Leben und will stattdessen das richtige. Und sie bekommt es auch. Das finde ich sehr berührend.
Besonders die Szene, als Rebecca sich ein zweites Mal mit Sylvie trifft, hat mich berührt. Da sieht man, dass da jemand völlig anderes auf der Bank sitzt als zu Beginn des Films. Die Fassade ist weg und da sitzt Rebecca und es wird deutlich, wie viel Kraft und Haltung diese Frau hat und wie viel Liebe, die sie in ihrem Leben bisher so wenig geben konnte.
Das ist das Schöne an diesem Film: Rebeccas Wandlung und im Grunde genommen auch "Heilung". Und dass sie im Gegenzug beginnt, die traumatisierte Paris zu heilen, wärmt auch mein Herz - auch wenn es kitschig ist.
Zitat:
wäre es eventuell möglich, dass du mir die längere fassung zur verfügung stellst?
. Wie denn? Also, ich kann auf jeden Fall mal beschreiben, was die längere (herausgeschnittene) Version der "Love Scene" für mich so anders macht: In der gekürzten Version, die in dem Film jetzt so ist, sehe ich als Zuschauerin die sexuelle Erfüllung, die sich Rebecca gewünscht hat.
Aber eigentlich ist dies ja symbolisch dafür, dass es vielleicht zum ersten Mal in ihrem Leben (oder zumindest nach sehr, sehr langer Zeit) um sie geht. Sie ist diejenige, die im Mittelpunkt steht und etwas bekommt. Das ist völlig neu für sie und sie hat Angst vor dem, was da passiert, und sie hat auch Angst vor sich selbst. Angst, ihre so vertraute Fassade abzulegen und sich zu zeigen, wie sie ist. Deswegen ist sie ja auch schon ein paar Mal vorher lieber geflohen.
Und in der herausgeschnittenen Szene sieht man meiner Meinung nach erst wirklich, was während der Bettszene neben der sexuellen Ebene noch passiert. Rebecca und Paris reden nämlich beim Sex. Rebecca hat solche Angst und Paris versucht sie, so gut es geht zu beruhigen. Erregungstechnisch befindet sich Rebecca schon jenseits von Gut und Böse, aber ihre Angst hält sie davon ab, sich ganz zu zeigen, und Paris nimmt auf alles Rücksicht, um ihre Grenzen nicht zu überschreiten.
Dieses Miteinander fehlt in der offiziellen Version. Es fehlt Rebeccas Angst und unglaubliche Verletzlichkeit, und es fehlt, wie fürsorglich Paris mit Rebeccas Verletzlichkeit umgeht - der "heilende" Aspekt sozusagen. In der Langversion tritt die sexuelle Ebene also mehr in den Hintergrund und dafür der enorme Schritt, den Rebecca gerade macht, mehr in den Vordergrund: Es ist der Moment, in dem Rebecca sich verwandelt - und deswegen ist das Symbol des Schmetterlings auch so passend: Es ist der Moment, als Rebecca ihre Larve verlässt und entdeckt, wer sie ist. Deswegen verleiht Paris ihr später in einem Gemälde symbolisch Schmetterlingsflügel und nennt das Bild "La petite mort". Abgesehen von der bekannten Orgasmus-Metapher verdeutlicht dies, dass da etwas stirbt und etwas Neues geboren wird.
Ja, was soll ich sagen, ich neige selbst zur Pathetik, das kann ich jetzt nicht mehr verheimlichen
. Ich höre jetzt mal auf, sonst wird das hier noch länger - kann ja kein Mensch mehr lesen...
.
P.S.: Achso, noch kurz ein Nachtrag: Ich habe versucht, den Aspekt von Rebeccas Wandlung in dem Musikvideo zu verdeutlichen, das ich geschnitten habe, aber ich glaube, dass es mir nicht gut gelungen ist. Trotzdem poste ich hier nochmal den Link (hoffe, das ist okay):
[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=Dlhaokd8130[/youtube]