Ich habe mir erstmal diesen Thread gesucht, damit ich wusste, welche Folge ich gucken muss - die ganze Mediathek voller IAF - soviel KH wollte ich denn doch nicht gucken.
Ja, betulich, trifft es, aber gut betulich gemacht. Absolut perfekt umgesetzt finde ich das Gesamtfarb-und Lichtkonzept. Alles in korrespondierenden Farben gehalten, die sauber aber nicht kalt wirken, sehr feine Akzentfelder in der Ausstattung. Das strahlt selbst in den Privatbereich der Figuren hinein, sogar an den See, von dem aus telefoniert wird. Ein bisschen wie am Meer, aber nicht verspielt, alles mit klaren, gehaltenen Konturen, zuverlässig, durchdacht, verlässlich wie die Ärzte, wohlfühlig wie ein Spa. Scheint dort auch nicht so zu riechen wie in anderen Krankenhäusern. Eher so wie Listerine. Finde ich gut.
Auch die Patienten im "Wartebereich" hatten sich passend angezogen. Nun, der Wartebereich hatte einen Pulsschlag wie eine sich sonnende Leguankolonie - so dass der kleine Aufstand der Enkelin doch etwas überzogen wirkte. Aber Schwester Miriam beruhigte damit, dass sie Sorge von Anspruchsdenken oder so unterscheiden könne. Sicher schön für ältere Semester zu sehen, wenn sich Enkel solche Sorgen machen und das auch wahrgenommen wird.
Überhaupt ist die Zuschauerperspektive interessant. So richtig "Götter in Weiß" sind die Ärzt/innen nicht, dazu haben sie doch ein oft sehr unsicher daherkommendes Privatleben. Am Tisch funktionieren sie, wie das sein sollte, und man darf mit in ganzen gesprochenen Sätzen dabei sein. Souverän wird auf entsprechende Bedenken hin gekontert, dass selbstverständlich eine Gefäßprothese an den Start kommt, um Beine zu retten, aber auch "Leben geht vor Gliedmaßen!". Bisher war Prof. Dr. Brinkmanns "Ich bin Chirurg, kein Psychologe!" mein Lieblingskrankenhausspruch. Der hat, trotz allen privaten Philosophierens dort, immer noch Bestand: "Ob wir Ihr Bein retten könne, entscheidet sich in den nächsten 24h!" wird der Patient gefühlvoll in viel Leidensschauspiel und Text in eine ruhige Nacht entlassen. Auf der anderen Seite: ist ja auch ein Bankräuber. Oma wird besser behandelt.
Schön finde ich auch den schon oft gegebenen Hinweis, dass man sich besser nicht selbst tödliche Krankheiten diagnostiziert und sich dann zu so lebensvernichtenden Dingen hinreißen lässt wie Bankräuberei zur vermeintlichen Existenzsicherung der Nachkommenschaft. Einfacher gesagt: wer seine Krankheiten googelt, stirbt an einem Tippfehler. Nein, immer in die Sachsenklinik, Leute.
Niedlich fand ich den leicht sächselnden Polizeiwelpen, der bei seiner zarten Statur besser seinen freien Tag nehmen sollte, wenn Chemie gegen Lok spielt. Aber das Bedenken des Opas gegen diesen Beruf entzaubert den OP-Künstler geschickt. Die Zielgruppe sind sicher keine Mediziner und Polizist ist ein ehrbarer Beruf. Man nicht so hochgestochen, Herr Doktor.
Schön fand ich in dieser Folge die Abwesenheit sämtlicher Krankenhauswitze. Alles eher sachlich, auch wie es sein sollte. So hat mir auch die Rolle der Miriam gefallen, sachlich, aber nicht kühl ohne penetrante Überpatentiertheit.
Mein Lieblingsbild war das hier:
Quelle: ARD | degetoAlles Ton in Ton, die wartende Patientin unbesorgt, entspannt. Und wenn es mal nicht klappt mit der Gefäßprothese, so scheint so eine Art Stargate einen direkt von der beschaulichen Sachsenklinik ohne weitere Plagen durch das Licht in den Himmel zu transportieren. Nix mit "per aspera ad astra".
So, genug der KH-Philosophie, alles gut gemacht.
Auch die beiden Frauen - toller Schachzug, eine bekannte, eher positive TN-Besetzung hier einzusetzen. Sympathische, leicht aufgedrehte Kullerkeksin, die ihre Oma liebt. Die Landebahn bei einem Teil der Hauptzielgruppe ist planiert. Miriam ist freundlich, zuwendig und wirkt gestanden. Und ja, sehr schön, dass die Rieke nicht mit einem Mann verbandelt ist und wir einer der üblichen Weglaufknutschszenen möglicherweise entgehen. Vllt. habe die Macher auch mal SoKo-Stuttgart usw. geguckt und sich kommentargestählt getraut, die lesbischen Medienbeobachterinnen zu informieren. Mal sehen was sie sich einfallen lassen. Hoffentlich ist Riekes Freundin einfach nur nicht die richtige und plagt sich nicht mit einer beziehungsverhindernden PBM-Krankheit rum.
Da macht mir das bereitwillige Mitspielen der Oma beim Telefonnummernaustausch Hoffnung. Sie findet die Freundin bestimmt nicht so toll. Kann sein, dass man den einen Teil der Zielgruppe mitnimmt, die das auch von ihren Enkeln und deren Freundinnen kennt.
Lassen wir uns überraschen. Kommt diesen Dienstag die nächste Folge mit den beiden? Möchte nicht mehr Folgen gucken als unbedingt notwendig.