EBeth hat geschrieben:
So, Charfreitag. Ich habe es nun gesehen und werde wohl das Forum vollschreiben, mal sehen.... wenn es zu lang wird, unterteil ich… aber ich hatte eben vorher keine Zeit.
Ich bleibe bei den einzelnen Frauen, die ganze Charité ist mir zu komplex
Zunächst noch mal einen Ausflug in den Artikel von Lieds mit Oberschwester MarthaSie schreibt:
>> In Folge 3 sagt die Oberschwester zu Therese, dass sie längst ihre „unnatürliche Hinwendung zu Wärterin Lenze” bemerkt hätte.
Dieser Satz hat mich völlig unvorbereitet und mit Härte getroffen. Dabei würde man erwarten, dass ich, als langer Serienfan und Teil der LGBT-Gemeinschaft, den Aufbau dieser Beziehung hätte mitkriegen oder vermuten sollen. Dies tat ich aber nicht…..>>Ist für mich ein gutes Beispiel dafür wie Figuren gesehen werden und auf welche man achtet und auf welche nicht.
Mal abgesehen davon, dass man uns Therese frühzeitig im Bett Idas Bild anschmachtend serviert, warum sollte das Oberschwester Martha mitbekommen? Und diese eindeutige Szene hat sie noch nicht mal gesehen. Viel anderes spielte sich auch nicht vor ihr ab, außer das Gekichere im Verbandraum.
Wer sieht sowas? Jemand, der genauso fühlt. Und wer sieht besonders gut? Eifersüchtige. Oberschwester Martha hegt Gefühle für Therese. Sie bevorzugt sie manchmal im Rahmen ihrer Möglichkeiten unter den Schwestern und gibt Ida gerne mal eine unschöne Sonderaufgabe.
In Folge vier, als sie Therese beim Packen zusieht, sieht man ihre Zuneigung deutlich. Sich selber ertappend versucht sie sich mit einen Blick auf das Kreuz unter Kontrolle zu bringen. Blickt Therese sie an, strafft sie sich in ihre Rüstung.
Ihre Worte dort sind eindeutig. "Ihre Mitschwestern sind schrecklich betrübt über Ihre Erkrankung. Sie werden Sie vermissen." Um dann tief nachzulegen. "Wir alle… werden Sie vermissen!". Das "Ich" versagt sie sich.
Auch "Schwester Therese – Sie und ich, wir haben bei den Diakonissen unsere Berufung gefunden. Sie kennen die Regeln genauso gut wie ich".
Später als Therese meinte, sie komme wegen ihrer "unnatürlichen Gefühle" nicht in den Himmel, zeigt sie bis auf einen kleinen Niederschlag ihrer Augen keine Regung, dreht sich wortlos um. Sie lebt in der gleichen Zeit und denkt genauso.
Ihre nächste Szene ist quasi ein Zitat der Betszene von Therese nach dem Kuss. Sie wirkt sehr in sich gekehrt, entmutigt und müde. Ich denke, Sie bittet für Therese um Gnade und weiß aber auch, dass es, nach damaliger Anschaung, zwecklos ist. Von Virchow fühlt sie sich eindeutig gestört und erlaubt sich eine kleine traurige Regung als er auf Therese zu sprechen kommt. Später schleicht sie um Thereses Krankenzimmer herum.
Die Geschichte, dass sie wegen der Ehe ihrer Eltern nicht heiraten will, ist sicher auch richtig, aber es hätte gereicht, wenn sie sich eine weniger schwere Last aufgetragen hätte.
Nein, sie lastet sich Bürden auf, kasteit sich. Ist streng gegen sich und andere. Sie will in den Himmel, was eben damals noch wichtig war.
Martha ist für mich dort die authentischste Zeitgeistlesbe. Was anderes als die Kirche blieb ihnen kaum übrig, wenn sie nicht verheiratet werden wollten.
Schön fand ich, dass sie geradezu erleichtert war, aus der Charité in ihr Mutterhaus abberufen zu werden. Sie selber hätte sich nie die Last von den Schultern genommen.
Für mich ist sie dort die facettenreichste Frauenfigur – und ich wiederhole mich: Ramona Kunze-Libnow stellt sie großartig hintergründig dar.
Elsie, Danke für Deinen interessanten detaillierten Blick auf Martha. Vielleicht schaue ich mir doch noch mal die ersten zwei Folgen an... Bin gespannt, wie sich das für mich dann aufbaut und ob ich es genau so sehe...
So blieb sie für mich tendenziell ein aus Einzelszenen bestehendes Wesen, dass mich manchmal sehr verblüfft hat.
Mir ist Martha das erste Mal aufgefallen, als sie Therese anfuhr, dass ihr deren unnatürliche Gefühle für Ida aufgefallen sind...
Aber das war für mich da ohne Vorgeschichte und Zusammenhang...
Als sie über ihre Eltern spricht, ja, klar, da steckt ne Menge drin.
Und wenn Du so etwas hörst, als Nonnenkloster-, Fernseh- und Lesbenversteherin klappen sich da ne Menge Möglichkeiten auf, was das zu bedeuten hat...
Aber das? Wie gesagt... Ich schau da noch mal rein...
Die Abschiesszene mit ihr mochte ich auch. Und auch die, mit der Schwester, die den Pflegeverein gründen will.
Wie schnell und einsichtig sie losgelassen hat, das ist mir auch außergewöhnlich aufgefallen.
Aber ich wäre darüber weggegangen.
Mir ist aufgefallen, dass sie am Ende dieser Geschichte eine der wenigen eindeutigen Sympathiefiguren war.
Ida hat sie nicht umarmt, hätte es aber gerne gemacht.
Und gerade deshalb war ich gespannt, wie ihre Gegenspielerin dargestellt wird, die den weltlichen Pflegeverein aufmachen wird.
Die hat mich tatsächlich sowieso auch sehr interessiert.
Ein etwas grober, uneindeutiger Charakter. Und interessanter Typ Frau.
Sönke und die Drehbuchautorinnen hätten sie mit Leichtigkeit in der letzten Folge vor den Bus werfen können. Denn es war ja schon ein wenig link, um nicht zu sagen links
, dass sie sich an die Presse gewandt hat, um über die (angeblichen?) Zustände im Krankenhaus zu reden. Aber wohl auch notwendig. Und sie wurde danach trotzdem als jemand dargestellt, der Ideale hat.
Das fand ich gut, dass sie nicht als ein böse, verschlagene Strippenzieherin dargestellt wurde, die sich an die Macht mobbt. Es hätte ja inhaltlich auch nicht gepasst, zusätzliche Gewerkschaftsarbeit ist ja nun echt nichts Schlechtes, was verteufelt werden müsste, aber was haben wir nicht alles schon gesehen im Fernsehen.
Und wie gesagt, es ist mir dann auch aufgefallen, dass dieser scheinbare Gegensatz, weltliche Pflegerin gegen Oberin, sich am Ende praktisch aufgelöst hat. Denn Martha war nicht die böse Gegenmacht, Martha wollte gar nicht kämpfen. Martha war müde.
Dieser Satz: "Nicht in diesem Leben." Schon bemerkenswert.
Irgendwie hat das alles da sie auch zusammengehalten.
Und danach kommt nichts.
Was Du zu Else gesagt hast. Total einverstanden. Die war eigentlich gar keine Figur. Die war nur ein Platzhalter für "Behring entscheidet sich für Geld und Karriere".
Habe auch über sie gelesen und dachte, wenn die nicht tausendmal komplexer und wertvoller war, als das, was im Fernsehen von ihr zu sehen war, dann futter ich Behrings Versuchspferdchen.
Sehr symbolisch aufgeladen übrigens die Szene, in der das weggeführt wurde zum Abdecker.
Elsie, wenn wir mit den Frauen durch sind, sollten wir unbedingt noch über die Tiere reden!
Aber schreib mal bald noch was über die anderen Weibsen.
Und am Ende ziehen wir dann die große (selbst-) kritische Abschlussbilanz!
Always a pleasure!!