Ich kann euch wärmstens die am 1.9.20 beginnende Mini-Serie
"Mrs. America" empfehlen. Sie besteht aus 9 Folgen und ich hatte das Glück, die Serie bereits im englischen Original zu sehen. Die für 10 Emmys nominierte Serie wurde (bis auf einen Mann) nur von Frauen produziert, nur von Frauen geschrieben, und es haben nur Frauen Regie geführt (bis auf einen Co-Regisseur). Und die Darstellerinnen sind naturgemäß auch fast nur Frauen. Es hat mir ein unerwartet großes Vergnügen bereitet, die Serie zu schauen, aber zunächst mehr zum Hintergrund, bevor ich näher beschreibe, worum es dort geht:
Im deutschen Grundgesetz ist, wie in vielen anderen Ländern auch, verankert, dass Frauen und Männer gleichberechtigt sind (war ein zäher Kampf, wie wir wissen). Umso erstaunter war ich zu hören, dass es diesen Passus in der amerikanischen Verfassung (noch) nicht gibt. Um das zu verstehen, muss man weit in die Frauenbewegung zurückgehen, denn Alice Paul hat schon 1927 (oder so) ein Dokument im Kongress eingebracht, dass Frauen und Männer vor dem Gesetz gleich stellen sollte. Der Kongress hat abgelehnt und erst als in den 1960igern und 1970iger Jahren die Frauenbewegung neu erstarkte, übten die Frauen so viel Druck auf die amerikanische Politik aus, dass das "Equal Rights Amendment" (der neue Anhang in der Verfassung, der die Ebenbürtigkeit von Männern und Frauen feststellt) endlich vom Kongress verabschiedet wurde.
Das verabschiedete ERA konnte allerdings erst dann offizielles Gesetz werden, wenn 3/4 der US-Staaten den Verfassungsanhang ratifizierten. Dazu wurde den Staaten eine Zeitspanne von sieben Jahren (!) zugebilligt. Viele Staaten waren zwar etwas zögerlich, aber nach und nach unterschrieben immer mehr die Zustimmung zum ERA. Die Frauenbewegung jubelte und hielt es nur für eine Frage der Zeit, bis die nötige Anzahl von Staaten zusammen war. Aber dann geschah etwas, womit niemand gerechnet hatte:
Die konservative Politikerin Phyllis Schlafly, die sich eigentlich auf Atomwaffen und den kalten Krieg spezialisiert hatte, empfand das ERA dermaßen als Bedrohung für die amerikanische Gesellschaft, dass sie Tausende von konservativen Hausfrauen und Mütter mobilisierte, um gegen das ERA vorzugehen. Tatsächlich schaffte sie es, dass das Ratifizieren der Staaten ins Stocken geriet und schließlich die Deadline der sieben Jahre überschritten war. Zu dem Zeitpunkt (1979) fehlten noch 4 US-Staaten für die 3/4 Mehrheit. Im Rahmen der "#metoo-Bewegung" und "Times Up"-Bewegung flammte die Diskussion wieder auf und im Mai 2020 hat der letzte notwendige Staat (Virginia) das ERA ratifiziert. Allerdings ist ja die Deadline längst abgelaufen und jetzt streiten sich die Jurist*innen, ob das ERA nun Gesetz ist oder nicht.
Die Serie "Mrs. America" spielt in den Jahren 1971-1979 und befasst sich mit dem Kampf um das ERA. Die Frauenbewegung auf der einen Seite und die konservativen Hausfrauen auf der anderen Seite. Ehrlich gesagt, hatte ich zwar von der Serie gehört, aber zunächst überhaupt keine Lust darauf. Wer will sich anschauen, wie die Frauenbewegung scheitert? Wer will sich neun Folgen lang anschauen, wie Frauen sich gegenseitig bekriegen
? Auf derartige Catfights hatte ich keine Lust. Ich hielt es für eine typische "Masche", dass nicht das Patriarchat als Ursache für den Kampf um das ERA gezeigt wird, sondern mal wieder suggeriert wird, dass Frauen sich nicht einigen können und sich selbst die größten Feinde sind. So nach dem Motto "Selbst schuld..." Aber...
Was mich aber stutzig machte war, was ich oben erwähnte: Wie konnte es sein, dass sich ein Haufen feministischer Produzentinnen, Drehbuchautorinnen, Regisseurinnen und Schauspielerinnen zusammen tat, um ausgerechnet eine erklärte Anti-Feministin (Phyllis Schlafly) in den Focus einer Serie zu stellen? Irgendwie war da etwas, was nicht zusammenpasste und ich wurde neugierig
.
Anhand von Interviews habe ich schließlich die Absicht der Serie verstanden. Die US sind ein tief gespaltenes Land und vielen von uns ist vollkommen unverständlich, wieso so viele Frauen Donald Trump gewählt haben. Die Serie versucht aufzuzeigen, wie es zu der Spaltung kam und sie versucht, eine Brücke in der Bevölkerung zu bauen, indem sie die Beweggründe von beiden "Frauenbewegungen" (den Feministinnen und den Konservativen) darstellt. Sie versucht dies, ohne zu urteilen, ist aber letztlich klar auf der Seite der Feministinnen und die konservativen Frauen werden letztlich schon als diejenigen dargestellt, die "den Schuss nicht gehört haben"
. Lesbische Themen werden ebenfalls dargestellt und es kommen lesbische Paare vor. Allerdings hätte das für meinen Geschmack noch stärker herausgearbeitet werden können. Schließlich war es damals eine FrauenLesben-Bewegung.
Und als Zuschauerinnen können wir den Feministinnen über die Schulter schauen, Gloria Steinem, Betty Friedan und wie sie alle heißen. Die Serie zeigt uns die geballte Frauenpower (von beiden Seiten) und es machte mir großes Vergnügen, einzutauchen in die 1970iger Jahre und diesen starken Persönlichkeiten bei der Arbeit zuzusehen. Die Musikauswahl in der Serie macht ebenfalls richtig Spaß (schöne alte 70iger Jahre Songs) und die schauspielerische Leistung ist beachtlich. Cate Blanchett ist als beste Hauptdarstellerinnen für den Emmy nominiert, und allein drei der Schauspielerinnen, die eine Feministin spielen, sind für einen Emmy für die beste Nebenrolle nominiert.
Als Feministin ist es nicht wirklich "leicht", die Serie zu sehen und manchmal muss man schon ziemlich schlucken. Aber im Großen und Ganzen fand ich es toll, beeindruckend und sehr lehrreich. Die Serie wird ab dem 2.9. auf dem Sender FOX gezeigt, aber ich gehe davon aus, dass sie bald auch über
Amazon prime, iTunes und andere Anbieter gestreamt werden kann. Eine DVD scheint auch schon in Arbeit zu sein. Nun hoffe ich sehr, dass die deutsche Synchronisation die Serie nicht verhaut...
Langer Rede kurzer Sinn: Empfehlung
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