Nein, sie werden sie nicht umsonst leiden lassen, dazu sind sie zu ordentlich. Meistens geht eine Antagonistin alleine weg, doch sicher nicht unsere Nesselhemdschwester Margret.
Und jetzt zu Margret.
Am Freitag wurde es geradezu pornografisch
. Angekündigt wurde es so:
"Als Margret begeistert von ihrer ersten Flugstunde zurückkommt, gibt sie einem spontanen Impuls nach – und flieht
verstört aus der Situation."
Ein heißer Kuss? Nein, sie wagt es, Agnes' Hände zu fassen und diese sanft zu drücken, entschuldigt sich sofort und später noch einmal für ihre "Übergriffigkeit".
Zum Augenrollen - eigentlich, aber nein. Nicht nur ich liebe Margret heiß und innig, sondern auch ihre Schauspielerin, das Kostüm und das Szenenbild.
Sie ist so knutschig in ihren zwei getrennten Welten und der sich jetzt für sie durch Agnes eröffnenden, verstörenden Zwischenwelt.
Margret hat tief verinnerlicht was sich nicht gehört. Sie zählt für mich zu solchen Kindern, die in Gesellschaft nur durch einen tadelnden Blick der Eltern sofort aufhören zu lachen, zu kippeln oder das Besteck wieder hinlegen bis das Essen "aufgetragen" wird.
Sicher und souverän ist sie nur in ihrer Zahnarztpraxis, da kann sie offen lachen, Patienten beruhigend an die Schulter fassen, sich trittsicher bewegen, alles.
Abends saß sie oft allein mit Elisabeths Bild in der Hand traurig auf einem ihrer cremeweißen Sofas, die so angeordnet sind, dass keine Berührungen zwischen den auf den jeweiligen Sofas Sitzenden möglich ist. Hinter dem einen ist ihre vorgesehene Vergangenheit symmetrisch angeordnet, zwei Tischchen, darauf Lampen, die nicht erhellen. Ganz sicher alte Erbstücke, die so angeordnet werden müssen – waren sie wohl schon immer.
Zwischen den Tischchen ist ein Fakekamin, der dezent vor sich hinglüht. Dieses Arrangement wirkt oft geradezu brutalistisch wie ein Portal von Albert Speer - und düster.
Auf dem Sims, meistens der Familienaltar, gibt es nur Bilder von ihrem Mann und ihrem Sohn. Auch sonst nur Bilder von denen. Der Mann beim Segeln, der Sohn beim Hockey.
Die einzig bunten Bilder hängen zum Ausgang hin, zum Flur, wirken aber nicht fröhlich oder interpretierbar – eines deutet auch eher ein Meermotiv an. Dann gibt es noch ein Segelschiff plus wahrscheinlich diverser Reisemitbringsel ihres Mannes auf einer Kommode vor den einzigen zwei Fenstern.
Die Mitte mit den zwei Sofas, dem akkuraten Tischchen, der weißen, sauberen Orchidee – das ist das geordnete Leben mit ihrem Mann. Die blöde unordentliche Decke stört da.
Das einzige was für sie ist, ist ein Bild von Afrika, zwei Bäume, keine glutrote Sonne, keine Person.
Dieses Bild hängt oben zwischen den zwei Fenstern, so dass Margret beim sehnsuchtsvollen Betrachten in den Himmel sehen kann. In die Freiheit. Durch das Gitter der Fenstersprossen.
Wenn diese Kulisse nicht so ikonisch traurig-romantisch ist, so kalt klammernd, gefangen, dann weiß ich nicht.
Ihre Kleidung ist der Hit. An der Peripherie, den Bündchen, gerne mal mit einem verspielten Schößchen, ein unschuldig weißer Maiglöckchenpullover. Am Hals ist alles dicht geschlossen, wenn doch mal ein Blüschen, dann durch eine Perlenkette verriegelt.
Margret ist einbruchssicher.
Und jetzt ist Agnes als Verbindungsstück zwischen ihren Welten da, zieht sie mal aus der einen, mal aus der anderen in Zwischenräume, in denen sie nicht souverän zurechtkommt.
Was ich an Solveig August bis an die Obergrenze beschmachtenswert finde, ist ihre Darstellung.
Margret kann sich in der Zwischenwelt nicht dosieren. Möchte sie sich auf dem Sofa mehr zu Agnes hinbewegen, hüpft sie eher, auch sonst nicht vollständige, etwas linkische Bewegungen. Und Margret weist sich dann immer schnell selber zurecht, scheint auch ständig ihre Hände desinfizieren zu wollen, was manchmal todkomisch wirkt, aber auch traurig, weil sie so gar nicht bei sich ist.
Agnes ist wichtig für Margrets trippelschrittgroße Entwicklung, aber sonst finde ich sie nicht geeignet für sie. Da sie als einzige nach Lüneburg importierte Lesbe aber wohl auch ihr Love Interest geben muss, nun denn. Agnes ist ganz kullerig, aber auch etwas leidenschaftslos. Das hätte ich Margret gewünscht, mehr Leidenschaft, denn sie steckt eigentlich bis zum Rand voll davon.
Mit der Richtigen spränge sie auf wie eine Piñata, wenn an
der Schleife gezogen wird.
Denke, das zieht sich…. aber Margret…
Bildquelle, alle: ARD | Degeto