Aktuelle Zeit: 19.04.2024, 01:11

Alle Zeiten sind UTC




Ein neues Thema erstellen Auf das Thema antworten  [ 48 Beiträge ]  Gehe zu Seite Vorherige  1, 2, 3, 4
Autor Nachricht
BeitragVerfasst: 07.06.2013, 21:21 
Offline
Benutzeravatar

Registriert: 04.08.2012, 13:47
Beiträge: 66
Heute mal wieder einen Tag zu spät wegen Stückelung in anderen Foren, wo der Tagebucheintrag heute erst beendet wurde :)

One year ago today …

Das Tagebuch der Rebecca von Lahnstein

- Teil 16 -


Liebes Tagebuch,

direkt und deutlich. Offen und gerade heraus. Sie hat es mich gestern gefragt. Gefragt, ob ich mich in sie verliebt hätte. Während ich fortwährend gegen mein innerliches Verlangen ankämpfte, sie zu umarmen, zu küssen, zu spüren oder für immer im tiefen Blau ihrer Augen versinken zu dürfen, und es mir schwer fiel, einen klaren Gedanken zu fassen, stand mein Herz still. Es war mein Herz, das sie ansah, und ich habe vergessen zu atmen. Meine Antwortmöglichkeiten tanzten vor mir Samba, und es war schier unmöglich, diese zu sortieren und den richtigen Weg zu finden. Ich stand irgendwie leicht unter Schock. Ja? Nein? Vielleicht? Was soll ich tun? Sie anlügen? Sagen, dass ich rein platonische Gefühle für sie habe? Dasselbe tun, was mich an ihrem Verhalten so aufregt? Sie würde es mir ohnehin nicht glauben. Wie soll ich etwas glaubhaft rüberbringen, was aus meiner Seele entspringend wie ein Donnergrollen durch meinen gesamten Körper rollt, bis es als hässliche Lüge mit gnadenlos eingebauter Sirene aus mir herausschießt, sodass es ein Blinder mit dem Krückstock in drei Sekunden erkennen kann? Was macht das für einen Sinn? Nun ja, zum einen den, dass ich meinen Bruder nicht verletze, in dem ich mich in seine Freundin verliebe und dann auch noch so dreist bin, es ihr auf die Nase zu binden. Vielleicht, dass ich Marlene nicht noch mehr verwirrende Gedanken und unruhige Stunden aufbürde. Halt. Das ist Quatsch, und das weißt du auch. Rebecca von Lahnstein, reiß' dich zusammen, und tue das, an das du glaubst. Es gibt nicht viele Dinge, an die ich glaube, aber wenn es eines gibt, dann ist es der Punkt, dass die Wahrheit immer der richtige Weg ist. Sie kommt immer ans Licht, und man tut gut daran, sie aktiv auf dem Weg dahin zu begleiten. Nun dann, dachte ich, die pure Flucht nach vorn als die Flucht aus dem dunklen Tunnel der Unehrlichkeit. Ich werde ihr sagen, was ich für sie empfinde. Was auch immer das für Folgen hat, ich werde mit ihnen klarkommen und jegliche Konsequenzen tragen. Schluss mit dem Schmierentheater. Wir waren uns so nah in diesem Moment, und ich gebe zu, mein Verstand hatte schon längst abgeschaltet. Ich hätte … es ihr tatsächlich … gesagt. Hätte. Denn Marlene hat direkt wieder einen Rückzieher gemacht, als ich offensichtlich ansetzte, um ihr meine wahren Gefühle zu gestehen. Es ihr zu sagen. Meine Antwort ist JA. JA, ich habe mich in dich verliebt. So sehr, dass ich bald überschnappe. So sehr, dass ich an nichts anderes mehr denken kann als an dich. So sehr, wie ich es noch nie zuvor gefühlt habe. So sehr, dass es weh tut. So sehr, dass ich an mir selbst zu verzweifeln scheine. Dass ich bald verrückt werde. Platze. Der Ansatz war da. Sie wüsste ja, dass sie meine Freundin und ein ganz besonderer Mensch für mich sei, und dass ich es ihr vielleicht daher auch schon lange hätte ehrlich sagen müssen … in dem Moment sah ich eine Nadel vor Marlene auf dem Boden. Habe sie aufhoben, damit sie nicht rein tritt, und das … verdammt, das hat mich völlig aus dem Konzept gebracht. Ich glaube, sie hat genau gemerkt, was jetzt kommen würde. Das war die eine Sekunde, die ich ihr zu viel Zeit zum Nachdenken gegeben habe. Zum Bau einer neuen Mauer. Um die Fassade hochzuziehen wie ein kaltes Gefängnisgitter. Ein Gefängnis für jegliche ehrliche und tiefe Emotion. Fest verschlossen. Eingesperrt. Weg und verloren. Einmal mehr. Marlene hat es gestoppt. Hat mich gestoppt. Für einen winzigen Moment hatte ich das überraschende und überwältigende Gefühl, sie sei sie selbst. Hätte diese Maske abgelegt. Der Himmel auf Erden. Gefühlte Stunden dauerten diese Sequenzen für mich. In der Realität erfasst sind es Sekunden, höchstens Minuten. Maske aus, Maske an. Meistens an. Marlene hat erneut dicht gemacht. Ich bin mir sicher, sie wusste, was ich nun sagen würde. Sie wollte es nicht hören. Sie hat mich unterbrochen. Hat diesen nahen Moment zwischen uns unterbrochen, und mir gesagt, wir beide seien Freundinnen, und nicht mehr. Gefolgt von einem leisen, als sanfte einfühlsame Frage formulierten "Ja". Hingehaucht. Vorsichtig. Tastend. Ertastend, was es für eine Reaktion in mir hervorrufen könnte. Berührend. In diesem Moment hätte ich sterben können. Erdrückende, Luft abschnürende Emotionen brachten mich zurück auf den Boden der Tatsachen. Ich habe einmal tief aus- und eingeatmet und bin … zur Tagesordnung übergegangen. Das Kleid war fertig abgesteckt. Und just in diesem Moment tauchte dann auch Tristan auf, dem es sichtlich gefallen hat, das Kleid. Marlene hat ziemlich erleichtert gewirkt, als Tristan da war.

Er war total begeistert von meinen Entwürfen. Sagte, niemand könne Marlene besser aussehen lassen als ich und ich hätte ab sofort freie Hand bei der Anfertigung aller Kostüme für Lily Rose. Ich hätte Marlene das Kleid nicht nur auf den Leib, sondern auf die Seele geschneidert und alles erfasst, was ihr Wesen ausmacht: ihre Zartheit, das Fragile, die Klarheit, Kraft und ihre Sensibilität. All das würde man in dem Kleid wiedererkennen. Zum wievielten Mal es mir das Herz in tausend Stücke zerrissen hat, weiß ich nicht mehr. Ich habe aufgehört zu zählen. Es ist wie wenn man weiße Schafe zählt, weil man nicht einschlafen kann. Man tut es. Und wieder. Immer wieder. Man schläft doch nie ein. Es ist wie ein Kartenhaus. Man weiß schon, dass es nicht auf festen Füßen steht, dass es jederzeit umfallen kann. Und doch, von der Hoffnung getragen, von der Hoffnung auf mehr, baut man immer noch eine Karte darauf. Von der Hoffnung, noch einmal das einzuatmen, was man schon gekostet hat und was sich für immer festgesetzt hat. Tief in einem drin. Atmet man es weiter ein und nie wieder aus. Schließt man jemanden in sein Herz, und er bleibt dort für immer. Trägt diesen Menschen bei sich, scheinbar für immer. Hat sich abgewöhnt, dagegen anzukämpfen, zu strampeln, weil man genau weiß, das ist sinnlos. Es kostet einen sowieso schon übermenschliche Kräfte, dorthin zu gelangen, damit zu leben. Wenn da nicht die Hoffnung wäre, die als sanfte Begleitmusik bei allem Bemühen, die Macht der Vernunft sprechen zu lassen, doch immer mitschwingt, hätte man schon längst aufgegeben. Und dann steht man da, das Kartenhaus sackt in sich zusammen. Die eine Karte zu viel. Dann steht man da am Ufer, die Flut unter einem, das Wasser bis zum Halse. Was tue ich da eigentlich? Ich bin verliebt in die Freundin meines Bruders, der mir voll und ganz vertraut. Das geht gar nicht. Ich möchte ihm doch nicht weh tun. In meinem Kopf kreisten Schuldgefühle wie gierige, ausgehungerte Geier auf der Suche nach Beute. Beute wie Licht. Wie Glück. Ich hatte keine Zeit, weiter darüber nachzudenken, mir selber weiter und wieder leid zu tun und meinem undurchsichtigen Spiel der Hilflosigkeit, welches sich irgendwo zwischen unerfüllter Liebe, Schuld und Wut abspielt, nachzugehen. Denn Marlene rief nach mir, sie hatte sich zum Umziehen mal wieder - wie immer - auf die Toilette verzogen, anstatt die Umkleiden zu benutzen. Da stand sie dann. In meinem Kleid. Der eine Träger war schon unten, sodass sozusagen ihre Brust … also, ich meine ihr BH natürlich … halb heraus hing. Also … ganz ehrlich: das war ein Bild für die Götter. Sie kam aus dem Kleid nicht mehr raus, und … musste dann einfach lachen. Was ist das auch für eine bescheuerte Situation. Diese ganze Schwere, dieses erdrückende Gefühl von Beklommenheit und Schuld Tristan gegenüber und von sehnsuchtsvollem Schmerz gegenüber Marlene hat sich in diesem Moment sonderbar angenehm in Luft aufgelöst. Ich konnte nicht anders, ich musste einfach mit lächeln. Nach einigen Anlaufschwierigkeiten habe ich den Reißverschluss dann auch aufbekommen, und … okay, die Situation war irgendwie eine merkwürdige Mischung aus komisch und peinlich berührt. So peinlich, dass es schon wieder witzig war. Als sie den zweiten Träger abstreifte, habe ich aber doch lieber dezent weggesehen. Nicht dass gleich wieder die nächste Diven-Arie auf mich nieder prasselt. Außerdem weiß ich ja selbst mit diesen Situationen nicht umzugehen, und ja, auch ich kenne Verdrängungstaktik. Auch wenn ich im Vergleich zu Marlene in dieser Disziplin ein blutiger Anfänger und Dilettant bin. Dem Himmel sei Dank, denn ich für meinen Teil kann nicht ständig verleugnen, wer und was ich bin, was ich tue und fühle. Ich möchte dazu stehen und es offen sagen dürfen. Dass ich es momentan nicht kann, macht mir schon mehr als genug zu schaffen. Im Endeffekt war dann alles halb so wild, und wir haben das Ganze seltsam vernünftig zu Ende gebracht. Irgendwie hatte Marlene sich gefangen, und sich nun wohl mal wieder in den Kopf gesetzt, sich und mir zu beweisen, dass doch alles ganz normal und in Ordnung sei. Imaginär verdrehe ich die Augen, wenn ich daran denke, wie oft wir das alles jetzt schon hatten. Wir drehen uns in einem endlosen Kreis aus "Wir brüllen uns an, weil unsere Emotionen überborden, und tun danach so, als seien wir die besten Freundinnen, und weiter ist da nichts". Ein tolles Spiel. Ein Spiel ohne Anfang, und vor allem ohne Ende. Und warum? Weil wir die Wahrheit dabei konsequent aussparen. Nicht aussprechen, um was es wirklich geht. Was wirklich das Problem zwischen uns ist. Nun ja. Ändern kann man es wohl momentan nicht. Sie schlug also vor, dass wir am Abend doch einfach feiern gehen sollten. So richtig. Aha. Langsam wird mir schwindelig von diesen Stimmungsschwankungen. Wie kann man so exzentrisch, sprunghaft und launisch sein? Heute küss' ich dich, morgen ignorier' ich dich, übermorgen zick' ich dich an, und dann gehen wir zusammen feiern. Weil wir es geschafft haben, ein Kleid abzustecken, ohne uns selbst dabei in die Luft gejagt zu haben. Emotions-Jumping at its best. Es gibt nichts, wirklich nichts, was anstrengender ist.

Später bin ich erst mal wieder bei Christian auf einen Kaffee vorbei. Wie lange ich wohl meine Freunde noch habe? Das muss wahnsinnig nerven, sich dieses Drama immer und immer wieder anzuhören. Endlosschleife. Es muss sein wie in Punxsutawney, wo das Murmeltier täglich grüßt. Aber Christian hatte schon immer die Geduld für sich gepachtet. Bewundernswert. Er ist ein Schatz. Ich habe ihm erzählt, dass ich Marlene fast gestanden hätte, was ich für sie empfinde, und wie sie direkt wieder zurückgerudert ist, noch bevor ich es aussprechen konnte. Und dass wir nun am Abend unsere platonische Freundschaft feiern wollen. Letztendlich, so sagte er, sollte ich es einfach am Abend nochmal probieren, und wenn unsere Freundschaft danach im Eimer sei, so what, da müsse ich jetzt eben durch. Da hat er nicht ganz unrecht. Denn wenn ich den Schnabel nicht aufkriege, wird sie nie erfahren, was ich für sie empfinde. Und dann wird sich auch nie etwas ändern, und ich werde weiterhin an diesem Druck der Lügen kaputt gehen. Aber ob das überhaupt das Richtige ist? Oh man ey, allein schaffe ich das nie. Bestimmt gibt es direkt wieder den riesengroßen Zickenkrieg. Also hab' ich Christian gefragt, ob er nicht mitkommen mag. Gouvernante beim Mädels-Abend, ja, etwas Schöneres kann er sich sicher nicht vorstellen. Ich weiß ja, was ich ihm da momentan zumute, aber meine Güte, Olli ist nicht da, er hat Zeit. Er ist dann also am Abend wirklich mit ins No Limits gekommen, wo Marlene schon mit Tristan wartete. Tja, ein ganz normaler Abend unter Freunden. Schon die Begrüßung und die dazugehörigen Gesten sprachen leise, aber unübersehbar die Wahrheit aus, auch wenn wir uns noch so sehr und noch so lange das Gegenteil einreden. Deswegen verschwindet das alles ja nicht. Die Begrüßungsküsschen von Marlene und mir waren mehr als zaghaft. Es lag mehr als ein Hauch von Unsicherheit darin. Gehemmt. Verlegen. Etwas zögerlich habe ich sie aber eben so begrüßt, wie man Freunde nun mal begrüßt. Jaja, wir waren ganz locker. Von wegen. Es war verkrampft. Mehr als das. Aber gut, ich hatte nichts anderes erwartet.

Marlene und ich lagen später wieder auf den Liegen am Pool. Zum ersten Mal seit langer Zeit haben wir uns wieder einigermaßen locker unterhalten. Wobei das ganze Getue von Marlene etwas zu aufgesetzt locker war. Ich kenne sie, und das ist wieder nicht die echte Marlene. Das ist ihre gespielte Maske, und ich hasse das, wenn sie die aufsetzt. Ich sehe doch, was sich dahinter verbirgt. Wem will sie da etwas vormachen? Spürt sie nicht, dass ich ohnehin hinter diese Fassade sehe? Ich sehe es. Tatsächlich genügt ein Blick in ihre wunderschönen Augen, die entweder funkeln wie feine, lichtdurchflutete blau-grüne Kristalle oder sich zu kaltem Eis verdunkeln. Ein Blick, der tiefer geht. Der in die Seele blickt. Der hinter der Kraft und der Ausstrahlung die Sensibilität und das Fragile sieht. Letztendlich das Wahre. Welches zusammen mit der Oberfläche das Komplettpaket ergibt. Die wahre Marlene. Tristan hat recht: ich kann Marlene Kleider auf die Seele schneidern. Ich kann das, weil ich eine tiefere Verbindung zu ihr habe, als ich sie jemals zuvor bei einem Menschen gespürt habe. Vielleicht kann ich in ihre Seele blicken. Was auch immer das bedeutet. Vielleicht darf man darüber gar nicht nachdenken, also, was so etwas bedeutet, weil es einem nur Angst einjagen würde. Wichtig ist das, was man fühlt, und das kann man ohnehin nicht in Worte fassen. Nicht adäquat beschreiben. Ich muss nicht lange beschreiben, was Marlene und mich verbindet. Ich spüre es, und das ist genug für mich. Ich habe sie gefragt, was los sei. Wollte unser Gespräch wieder aufgreifen, die Mauer wieder durchbrechen. Ich hatte Kraft. Woher auch immer. Hoffnung. Ich werde sie nie aufgeben. Das kann ich gar nicht, ob ich nun wollte oder nicht. Es gibt Dinge, gegen die kann man nichts unternehmen. Manchmal handelt man wie von einer imaginären Schnur gezogen. Als gäbe es einen Marionettenspieler, der dein Schicksal lenkt, dir die Entscheidungen abnimmt, die wirklich wichtig sind. Auf die es ankommt. Bei denen du keine Wahl hast. Weil du es fühlst. Weil es Liebe ist. Prompt bekam ich die Antwort aus der Realität. Die Ablehnung dessen, was da ist zwischen uns. Über was wir zwischen den Zeilen immer sprechen. Es ist wie die Geschichte mit dem heißen Brei. Nein, es hätte nichts mit mir zu tun. Es sei wegen Tanja, die wegen dem Unfall von Sonja unter Verdacht steht und jetzt im Gefängnis ist. Weil selbst Sebastian nicht an ihre Unschuld glaube, und sie Hannes und Emma vielleicht nie wieder sehen kann. Natürlich kann ich sehr gut verstehen, dass sie sich Gedanken wegen Tanja macht. Ich meine, ich kann das persönlich zwar nicht nachempfinden, aber ich kann es nachvollziehen. Denn ich weiß, dass Tanja ihre Freundin ist, und Marlene sie wahrscheinlich einfach anders kennt oder sieht. Entweder Tanja verhält sich Marlene gegenüber wirklich entscheidend anders, oder es ist auch ein wenig der gutgläubigen, leicht naiven Art Marlenes geschuldet, dass die beiden tatsächlich schon seit Längerem eine gute Freundschaft pflegen. Um zu verstehen, dass Marlene sich Sorgen macht, ist nur wichtig, dass es diese Freundschaft gibt, warum auch immer. Irgendwann war es wieder da. Wie bei jedem öffnenden, ehrlichen Gespräch und jeder nahen Begegnung und Berührung zwischen uns war es wieder da. Dieses eine Gefühl, das mehr sagt als alle auf dieser Welt existierenden Worte und Gedanken. Als jede Spekulation. Fast flüsternd trafen mich ihre Worte und sorgten für einen Wärme spendenden Schauer in mir. Dankbar sei sie mir für's Zuhören. Vermisst hätte sie unsere Gespräche. Ich kann nicht anders, als sie anzusehen, und tief in mir zu spüren, dass sie ... es ist. Es einfach ist. Dass es nichts Schöneres gibt als diesen Gedanken. Diesen einen Gedanken, der die Kraft hat, alles zu verändern.

Sie hat weiter Sekt getrunken. Ein weiteres wirkliches Herankommen war nicht mehr möglich. Jeder Ansatz von mir, das Gespräch auf eine ernstere Ebene zu ziehen, ist fehlgeschlagen. Abgeblockt. Bezogen auf ihre Frage, ob ich in sie verliebt sei, kamen nur noch solch witzelnden Sprüche wie sie könne ja vielleicht Groschenromane schreiben mit ihrer blühenden Phantasie, falls ihre Stimme irgendwann mal weg sein sollte. Naja, das war im Endeffekt für mich auch okay. Denn erstens ist das im No Limits in der Öffentlichkeit nicht wirklich der richtige Ort für diese Art von Gesprächen, denn Zuschauer brauche ich nun auch nicht bei unseren Zickenkämpfen, die wir da ständig austragen. Zu befürchten ist ja immer, dass wir wieder austicken. Alles andere, alles ehrliche, führt sowieso wieder dazu, dass wir uns gegenseitig anbluffen. Also dann vielleicht besser so. Marlene und ich sind Freunde, nicht mehr und nicht weniger. Wie oft will ich gegen Mauern anrennen, mir den Kopf einschlagen und das Herz in Stücke reißen lassen, bevor ich das endlich begreife? Und ich meine, wirklich begreife. Als sie mich allerdings dann in den Arm nahm, und das Ganze sich wieder anfühlte wie Stunden, habe ich zum tausendsten Mal gemerkt, dass es nicht geht. Wie soll ich diese Gefühle abschalten, wie geht das? Ich habe keine Ahnung. In dem Moment kam auch schon Christian zu uns rüber, der vorher mit Tristan und Andi an der Bar herum lungerte, und klatschte ab, wie er sagte. Wenn wir nicht weiter rumknuddeln wollen würden. Einen ernsten, vielsagenden Blick mit leichtem Vorwurf darin gelegen habe ich noch gratis dazu bekommen. Christian und Marlene haben dann mit den Füßen im Pool geplantscht und herum geblödelt. Das war irgendwie süß anzusehen, die beiden. Bis Tristan dazwischen ging. Keine Ahnung, ist er etwa eifersüchtig auf Christian? Nein, bestimmt nicht, ich meine, warum auch? Es sah nur … irgendwie so aus. Nur ist das doch Quatsch, ich meine … wegen dem Flaschendrehkuss? Das ist doch Blödsinn, der Kuss zwischen den beiden war so mechanisch wie ein Kuss es sein kann. Rational. Gespielt. Dagegen der zwischen Marlene und mir … das war … etwas ganz anderes. Wenn ich daran denke, durchzuckt mich ein Hitzegefühl ohnegleichen. Läuft es mir heiß den Rücken runter. Spüre ich ihre warmen, weichen Lippen sofort wieder auf meinen. Ihre Zunge, die mit meiner spielt, erst sanft, dann schneller, den Druck erhöhend. Fordernd. Forschend. Suchend. Suchend und findend. Von einer unerwarteten Sehnsucht begleitet. Die weichen Knie. Dieses Kribbeln. Schmetterlinge in meinem Bauch. Tausende. Millionen. Nie dagewesen. Nie hätte sein dürfen. Und doch dagewesen. Übermächtig und bahnbrechend. Seitdem hat sich alles verändert. Es ist komplizierter geworden. Es hat mich unfassbar viele Tränen gekostet. Es ist das Schönste, was ich je erlebt habe. Um nichts in der Welt würde ich es rückgängig machen wollen. Zurück im Hier und Jetzt … ging Tristan dazwischen, und Marlene und er … haben sich geküsst. Ich konnte kaum hinschauen, so weh tut es mittlerweile … wie auf Knopfdruck lief der Film von Marlene und mir im Pool ab, der sich in meinem Herzen genauso fest getackert hat wie der Kuss beim Flaschendrehen. Jede Sekunde, die ich mit ihr verbracht habe, habe ich tausende von weiteren Malen in meinen Träumen erlebt. Immer und immer wieder. Jedes Mal so intensiv wie beim ersten Mal. Es gibt keine andere für mich. Das wurde mir einmal mehr bewusst. Es wird nicht vergehen. Es wird keine andere geben, die ich so lieben kann. So lieben werde. Es wird am Ende keine andere geben, die mich so … vollendet. Die mich so bewegt. Ich weiß, dass ich diese Gefühle und Gedanken nicht haben sollte. Allein schon wegen Tristan. Aber ich kann es nicht verhindern. Ich kenne das Gegenmittel nicht, und ich frage mich, ob es überhaupt eines gibt. Es war zu viel für mich. Mein Puls schlug hart, die bereits getroffenen Pfeile bohrten sich immer tiefer in mich hinein, und ich hatte das Gefühl, dass ich ersticke. Oder sich der Inhalt meines rebellierenden Magens seinen Weg bahnt. Hastig habe ich meine Sachen gepackt, und bin wortlos gegangen. Soweit ich mich erinnere, habe ich dabei noch fast Andi über den Haufen gerannt. Ich konnte es keine Sekunde mehr länger ertragen.

Kaum zu Hause angekommen, hatte ich auch schon eine SMS auf dem Handy, von … na von wem wohl. Von IHR natürlich. Was denn los sei. Ob alles okay sei. Hey, warum in aller Welt lässt sie mich nicht einfach in Ruhe, wenn da doch so gar nichts ist zwischen uns? Dann hätte ich wenigstens eine Chance, das Ganze für mich abzuschließen. Ich wollte schon zurückschreiben, dass das Ganze nichts mit ihr zu tun hätte. So wie sie es auch immer zu mir sagt. Es hat ja alles nichts mit mir zu tun. Ich habe es nicht getan. Es ist einfach nicht die Wahrheit. Es wäre gelogen. Nur musste das Ganze irgendwohin. Ich muss es ihr sagen. Die Wahrheit ist unzerstörbar, sie sucht sich sowieso einen Weg. Lieber gestalte ich diesen Weg aktiv. Beschreite ich ihn selbst, anstatt zu warten, bis es andere für mich tun, und dadurch dunkle Schatten die Kraft der Wahrheit trüben. Ich habe Marlene einen Brief geschrieben. Einen Brief, in dem ich alles aufgeschrieben habe. Was ich für sie fühle, was sie mir bedeutet. Eben die ganze Wahrheit. Es war schlimm. Ich habe gefühlte hundert Ansätze gebraucht dazu, und ich habe keine Ahnung, ob es richtig ist, das zu tun. Zuerst wusste ich auch absolut nicht, ob ich Marlene diesen Brief jemals werde zukommen lassen, denn eigentlich ist es vielleicht … einfach falsch, es ihr überhaupt zu sagen, denn sie ist immerhin mit meinem Bruder zusammen, und ich will Tristan nicht verletzen. Anderseits spüre ich, ich spüre es tief in mir drinnen, und ich kann es schlecht mit Worten erklären, dass da etwas ist zwischen Marlene und mir, und das ist nicht nur bei mir so. Außerdem denkt sie nun, es sei alles in Ordnung, und wir wären wieder beste Freundinnen. Ich aber lüge sie an und werde grün vor Eifersucht, wenn sie Tristan küsst. Und halte es keine Sekunde mehr länger aus, es ihr nicht zu sagen, besonders, wenn wir uns nahe sind. Und machen wir uns nichts vor, das wird immer wieder passieren. Aus dem Weg gehen, was ich tun würde, wäre es nicht ausgerechnet die Freundin meines Bruders, ist in diesem Fall ja gar nicht möglich. Wenn Christian gestern nicht dazwischen gegangen wäre, wer weiß, was passiert wäre … er hatte völlig recht: ich kann nicht so tun, als sei alles in Ordnung. Als sei ich Marlenes beste Freundin. Und ich kann auch meine Gefühle nicht einfach so wegdrücken. Es ist auch sowieso alles egal jetzt, denn ich habe Christian den Brief heute Morgen mitgegeben, als ich ihn in der Küche traf. Mit der Bitte, ihn Marlene zu geben. Ich möchte nicht dabei sein, wenn sie ihn liest, das kann ich nicht. Außerdem soll sie in Ruhe überlegen können, wenn sie ihn liest, wie oder ob überhaupt sie mir noch begegnen will. Ich habe Angst, wohin das nun führen wird. Angst, wie ich sie noch nie in meinem Leben hatte. Aber eines erleichtert mich: Die Lügen haben nun ein Ende. Hoffentlich.

gez. Rebecca süß von Lahnstein


- 06.06.2012 -


Nach oben
 Profil  
Mit Zitat antworten  
 Betreff des Beitrags:
Verfasst: 07.06.2013, 21:21 


Nach oben
  
 
BeitragVerfasst: 07.06.2013, 21:22 
Offline
Benutzeravatar

Registriert: 04.08.2012, 13:47
Beiträge: 66
Beste Quotes der Folge 4086:

Marlene: [lacht leicht hysterisch] Es tut mir total leid, dass ich das jetzt so … direkt gefragt hab'.
Rebecca: Marlene … du bist meine Freundin und … ein ganz besonderer Mensch für mich. Das weißt du. Und vielleicht … hätt' ich dir das auch schon früher sagen sollen, aber … uups die Nadel, nicht dass du rein trittst [bückt sich] … [kommt wieder hoch] … okay, nochmal von vorn …
Marlene: Tut mir leid, das war jetzt wirklich … völlig daneben von mir, das wär' … schön, wenn du das einfach vergessen könntest.
Rebecca: Nein! Ich …
Marlene: Wir … wir sind Freundinnen, weißt du, und das ist … das ist okay so. Und nicht mehr. Ja?
Rebecca: [atmet tief durch] Ja. Wo war'n wir stehengeblieben?

Tristan: Verdammt gute Arbeit.
Rebecca: Danke.
Tristan: Du hast Marlene die Kostüme … nicht nur auf … auf Leib, sondern auf die Seele geschneidert. Ich mein' das ernst, du hast ihr Wesen genau erfasst, ihre … ihre Zartheit, das Fragile … die Kraft, die Klarheit und … und ihre Sensibilität, das ist alles … in deinem Kostüm wiederzuerkennen. Warum guckst du denn so geknickt?

Tristan: Weißt du was? Du hast absolut freie Hand bei der Anfertigung. Ich glaube, niemand kann Marlene besser aussehen lassen als du.
Rebecca: Ich geb' mein Bestes.
Tristan: Ich weiß. Ich vertrau' dir voll und ganz.

Rebecca: Willst du nicht einfach mitkommen? Dann … kannst du mir auch den Gnadenschuss geben, wenn die Gäule mit mir durchgehen?
Christian: Durchgehende Pferde erschießt man nicht gleich, Rebecca.
Rebecca: [rollingeyes] Dann eben an die Leine nehmen. Oder an die Kandare, ach man, du weißt doch, was ich mein' ...
Christian: Gouvernante beim Mädels-Abend, ich kann mir nichts Schöneres vorstellen.

Rebecca: Ja, ich dachte, in der Gruppe … isses doch schöner als zu zweit.
Marlene: Ja, und … [erleichtertes, und doch leicht verkrampftes Lachen] lockerer.

Marlene: Danke für's Zuhören. Ich hab' unsere Gespräche wahnsinnig vermisst.

Marlene: Obwohl, weißt du … irgendwie ist das ja auch nützlich. Sollte meine Stimme irgendwann mal weg sein, dann kann ich mit meiner blühenden Phantasie Groschenromane schreiben.


Nach oben
 Profil  
Mit Zitat antworten  
BeitragVerfasst: 10.06.2013, 20:52 
Offline
Benutzeravatar

Registriert: 04.08.2012, 13:47
Beiträge: 66
One year ago today …

Das Tagebuch der Rebecca von Lahnstein

- Teil 17 -


Liebes Tagebuch,

ich habe es tatsächlich getan. Ich habe Marlene meine Liebe gestanden. Es ist raus. Es steht alles in meinem Brief. Ich habe mich darin bei ihr entschuldigt, dass ich vorgestern einfach so verschwunden bin, ohne ein Wort zu sagen. Dass ich dafür aber einen guten Grund hätte, den ich ihr nicht länger verschweigen kann. Dass ich realisiert hätte, dass wir nicht einfach "Freundinnen" sein können, vielmehr … dass ICH es nicht kann. Und auch wenn ich mir noch so sehr wünschte, dass alles nicht so kompliziert wäre … so habe ich mir etwas vorgemacht. Letztendlich auch ihr. Dass ich sie nicht länger anlügen kann und will. Dass ich es im Grunde schon lange weiß. Und sie wüsste es auch. Denn es ist wahr. Was sie schon lange vermutet: Ich habe mich in sie verliebt. Damit habe ich alles zerstört, mir selbst von hinten ins Knie und mitten ins Herz geschossen. Glück im Job, Pech in der Liebe. So würde ich den heutigen Tag betiteln. Andersrum wär's mir lieber gewesen, aber solange das Leben kein Ponyhof ist, kann man sich sowas eben lange wünschen. Es zählt nicht. Es zählt sowieso alles nicht mehr. Es hat sich ausgezählt. Sozusagen. Final. Ultimativ. Endgültig. Ich weiß gerade gar nicht mehr, was ich denken soll. Was ich fühlen soll. Insofern man das überhaupt wissen kann, denn man fühlt ja nun mal leider nicht das, was man bewusst fühlen will. Das wäre ja auch zu einfach. Eigentlich fühle ich so gut wie gar nichts mehr. Aus all den übermächtigen, sich durch meinen gesamten Körper ziehenden Schmerzen der letzten Zeit ist lediglich eine große, nichtssagende Leere geblieben. Es ist, als wäre ich eine Hülle, die man jederzeit und ohne größeren Kraftaufwand wie ein einfaches Blatt Papier auseinanderreißen kann. Ein Kartenhaus, auf Sand aufgebaut, das durch einen einzigen Windstoß in sich zusammenfällt, und keine Chance hat, zu einer bewohnbaren Heimat zu werden. Solange in einem die Hoffnung für Leben sorgt, gibt es Licht am Horizont. Dieses Licht ist zu Dunkelheit geworden. Der Tunnel wirkt unendlich.

Meine Briefaktion hatte eine einschlagende Wirkung. Nur leider nicht die, die ich mir erhofft hatte, so ich denn überhaupt erfassen oder begreifen konnte, ob nun vorher oder in der Rückschau, was genau ich damit bezweckt habe. Ich glaube, ich habe auch gar nichts damit bezweckt. Wie alles, was mit Marlene zusammenhängt, habe ich aus reinem Instinkt gehandelt. Intuitiv. Gesteuert von all diesen Emotionen. All diesen in mir tobenden, mir einmal ungeahnte Höhenflüge bescherenden Emotionen, die mich in der unmittelbaren Sekunde danach orkanartig durchschütteln, um mich letztendlich in diesem dunklen, beängstigenden Tunnel zurückzulassen. Einem Tunnel, der, wäre er akustisch wahrnehmbar, einem einzigen, langgezogenen Ton gleichen würde, der dich bis ins Mark erschüttern lässt. Der dich nie wieder los lässt. Leer oder voll, still oder leise, es ist alles egal. Marlene ist weg. Sie will mich nicht mehr sehen. Ich habe es geschafft. Jetzt habe ich sie auch noch als Freundin verloren. Ich habe es geschafft, einfach alles kaputt zu machen. Warum musste ich ihr auch unbedingt meine Gefühle mitteilen? Warum diesen Brief schreiben? Warum hat mich keiner davon abgehalten? Warum hat es keiner verhindert? Halt. Hör' auf mit so einem Müll, Rebecca, du hast das ganz allein geschafft. Wer bitte soll etwas dafür können? Wen willst du jetzt zum Sündenbock deiner eigenen Taten machen? Reicht es nicht langsam, was du getan hast? Du hast der Freundin deines eigenen Bruders deine Liebe gestanden. Außer dir kann keiner etwas für irgendwas. Du allein, du ganz allein bist verantwortlich für all das. Keiner hat dich gezwungen, deine Gefühle auszuplaudern. Christian hatte seinen Job als Briefträger natürlich prompt und sofort erledigt. Schneller als ich dachte, und schon im nächsten Moment, der irgendwie möglich ist … ja, direkt, wie es der "Zufall" mal wieder wollte, bin ich Marlene heute exakt in dem Moment in der Eingangshalle über den Weg gelaufen, als sie anscheinend gerade fertig war. Als sie gerade meinen Brief gelesen hatte. Sie hatte ihn noch in der Hand. Ich stand einfach nur da. Versteinert. Verzweifelt versuchend, all die angesammelten, sich immer weiter bis ins Unermessliche steigernden Emotionen in meinem Innersten zurückzuhalten. Die jeden meiner Muskeln zum Zucken brachten und mein Herz kurzfristig erfrieren ließen. Ich glaube, ich habe in dem Moment schon gewusst, was passieren würde. Habe es in ihrem Gesicht gesehen, in dem sich die pure Panik durch weit aufgerissene Augen und einem offenstehenden Mund Ausdruck verlieh und mich zur Salzsäule erstarren ließ. Ich war absolut unfähig, mich zu bewegen, geschweige denn etwas zu sagen. Marlene hat auch nur gestottert und irgendwas gestammelt von wegen, sie wüsste gar nicht, was sie dazu sagen soll, und sie hätte mich ja wahnsinnig gern, aber … und in dem Moment kam auch Papa schon und hat mich zu sich gebeten. Es war unsäglich. Unsagbar unangenehm. Ein bisschen peinlich. Ein bisschen panisch. Vor allem aber war es schmerzhaft. Meine Beine waren schwer wie Blei, als ich Papa ins Arbeitszimmer folgte. Völlig paralysiert. Mich nochmal umdrehte. Sie da stehen sah. Hilflos wirkend. Verloren. Völlig schockiert. Überfordert. Ich wollte ihr so nicht begegnen. Nicht in diesem Moment. Sie sollte den Brief allein lesen, damit sie in Ruhe darüber nachdenken kann, wie sie mir in Zukunft begegnen will. Ob sie das überhaupt noch will. Sie hätte die Chance haben sollen, meine Zeilen langsam auf sich wirken zu lassen, um in sich hinein zu horchen, was sie empfindet. Ganz für sich. Für sich allein. So aber habe ich mit meinem Liebesgeständnis einfach nur dafür gesorgt, dass sie völlig überfordert ist. Wohin das eine Marlene führt, weiß ich doch nur zu gut. Sie wird wild um sich schlagen. Wilder als je zuvor. Wilder als sie es ohnehin schon getan hat. Sie wird Panik schieben und irgendwelche Kurzschlussreaktionen zeigen. Und ich weiß auch schon, wem es weh tun wird. Wer ihre erste Zielscheibe dabei sein wird. Außerdem habe ich mich nun erst richtig schuldig gemacht. Ich meine Hallo! Was fällt mir eigentlich ein? Ich schreibe der Freundin meines Bruders, meines eigenen Bruders, einen Liebesbrief. Ich habe es nicht besser verdient. Und auch wenn mich mein schlechtes Gewissen nun aus allen Richtungen völlig überrollt hat, Tristan gegenüber, Marlene gegenüber, der von mir erschaffenen Situation gegenüber, war ich ... war ich, und ich weiß wie dreist das von mir ist, aber ... ich ... ich war Papa irgendwie dankbar dafür, dass er mich aus dieser Situation sozusagen gerettet hat. Denn sie hat nicht nur Marlene vollends überfordert. Es war mehr als unpassend, dass wir uns ausgerechnet jetzt über den Weg laufen. Wenigstens konnte ich ihr so noch sagen, dass ich einfach nur wollte, dass sie die Wahrheit kennt. Aber Marlene hat so verzweifelt ausgesehen, was mir auf der anderen Seite erneut das Herz rausgerissen hat. Dass ich es bin. Ausgerechnet ich es bin, die dafür sorgt, dass sie sich so fühlen muss. So fühlen muss, wie sie ausgesehen hat. Mir war regelrecht schlecht. Mir ist immer noch schlecht. Ich hasse mich für das, was ich getan habe. Dafür, dass ich meine Gefühle nicht einfach für mich behalten konnte.

Als ich danach mit Tristan bei Papa am Schreibtisch saß, und er mit uns gesprochen hat, geschäftlich natürlich, habe ich ehrlich gesagt überhaupt nichts mitbekommen. Alles verschwamm um mich herum, die Silhouetten der beiden als trostlose Gestalten, die Dinge sagen, die doch egal sind. Nichtssagende Worte, die sich über mich ergossen, ohne meine Wahrnehmung auch nur annähernd irgendwie zu erreichen. Worte, die mein Verstand nicht in irgendwelche Bedeutungszusammenhänge übersetzen konnte. Weil er abgeschaltet war. Okkupiert. Den Gedanken an und meinen Gefühlen für Marlene widerstandslos zum Opfer gefallen. In meinen Gedanken gab es nur Marlene, gibt es nur Marlene, und wie es ihr jetzt wohl geht, wenn sie weiter über den Inhalt meines Briefes nachdenkt. Was wird das für uns bedeuten? Werde ich sie nun ganz verlieren? War es falsch? Richtig? Überlegt? Dumm? Habe ich sie überfordert? Emotional gequält, überlastet, überfahren, überrollt …? Rebecca! Irgendwann hat Papa mich so direkt angesprochen, das ich gewaltsam hochgeschreckt bin. Völlig verwirrt. Ehrlich, ich wusste überhaupt nicht, worum es hier gerade geht … dabei … also unwichtig war es nicht: Papa will, dass ich zur neuen Chefdesignerin von LCL ernannt werde. Was für eine Ironie des Schicksals, das war mein erster Gedanke. Glück im Spiel, Pech in der Liebe, so der zweite. Ich meine, was für ein Karrieresprung, und in dieser kurzen Zeit. Damit habe ich nicht gerechnet, obwohl es natürlich klar ist, dass wir ob der Situation mit Sonja eine schnelle Lösung brauchen. Tristan hat sehr auffällig Fürsprache für mich gehalten, was meinem schlechten Gewissen gegenüber ihm sofort unangenehm quälende neue Nahrung gab. Aber … ich weiß auch nicht. Ausgerechnet ich? Ausgerechnet jetzt? Ich kann an nichts anderes denken als an Marlene, und nun soll ich die alleinige Verantwortung für die Kollektion übernehmen? Das kann nur ein Desaster werden! Bin ich überhaupt weit genug dafür? Bin ich überhaupt fähig für eine solch verantwortungsvolle Position? Jetzt schon? Selbst wenn es mir rundum gut gehen würde, wäre das eine heftige Herausforderung. Selbst wenn es Marlene und das ganze Desaster nicht gäbe, hätte ich Angst. Zumindest riesengroßen Respekt. Aber so? Nur weiß davon ja niemand etwas. Papa und Tristan haben so auf mich eingeredet, und … naja, irgendwie wäre ich ja auch bescheuert, wenn ich diese Chance nicht nützen würde. Auch wenn die Umstände unglücklich und irgendwie auch unrühmlich sind, denn einen Platz von jemandem einzunehmen, der im Koma liegt, ist nicht gerade ... erstrebenswert, moralisch betrachtet. Nur muss es ja so oder so irgendjemand machen. Vermutlich muss man solche Chancen am Ende einfach nehmen, wie sie kommen. Wenn sie dir vor die Füße fallen, aus welchen Gründen und unter welchen Rahmenbedingungen auch immer, sollte man wohl zugreifen. Das ist mir schon klar. Letzten Endes habe ich mich breitschlagen lassen. Leicht entkräftet zugestimmt. Unter den sich immer stärker zuziehenden erdrückenden Knoten in meinem Kopf und in meinem Herzen. Die diesmal nicht nur Marlene, sondern auch Sonja galten. Ab heute bin ich also die neue Chefdesignerin von LCL. Wahnsinn! Mein Leben ist gerade wirklich eine einzige Achterbahnfahrt, und ich habe keinen Plan, wie lang ich diese ständig wechselnden Extreme durchhalten kann. Unter anderen Umständen hätte ich jetzt sicher Luftsprünge gemacht und gefeiert, aber so …

Naja, aber erstens ist die einzige Konstante im Leben die Veränderung und Entwicklung immer gut, und zweitens hat das Ganze noch etwas anderes Gutes: ich werde ab jetzt keine Zeit mehr haben, mich um die Kostüme von Lily Rose zu kümmern. So kann ich Marlene besser aus dem Weg gehen. Das habe ich mit Tristan auch direkt abgeklärt. Sie werden schon eine andere Designerin finden, und ich denke, es ist ganz gut so, dass ich da raus bin. Danach ging alles ganz schnell. Ehe ich mich versah, habe ich noch heute vor dem Team meine offizielle Antrittsrede als neue Chefdesignerin gehalten, und versprochen, die Kollektion nach bestem Gewissen und mit voller Kraft ganz im Sinne von Sonja weiterzuführen. Das ist Ehrensache, das bin ich Sonja schuldig. Das hat sie verdient, es ist ihre Kollektion. Ihre Kollektion, die ich nun zum Abschluss bringen muss. Hoffentlich zum Abschluss bringen werde. Hoffentlich erfolgreich. Hoffentlich tatsächlich so, wie es Sonja gefallen hätte, so wie sie es sich vorgestellt hat. Ich habe Angst vor dem Druck, zugegeben. Gerade jetzt, wo ich ohnehin angeschlagen bin. Alles andere wäre gelogen, und auch nicht normal. Ich meine, Chefdesignerin von LCL. In ein paar Monaten an die Spitze des Teams. Von der Mitarbeiterin zur Führungskraft. Das allein ist genug zu tragen, daran hat man zu knabbern. Also ja, ich habe Angst. Großen Respekt. Aber am Ende ist es vielleicht gar nicht das Schlechteste, dass das genau jetzt passiert, denn es wird mich ablenken. Ich kann mich voll in die Arbeit stürzen. Und ich habe Erfolg dabei, ich meine, was Besseres konnte mir vielleicht im Moment gar nicht passieren.

Kaum hatte ich meine Rede gehalten und drehe mich um, wer steht da vor mir? Mit einem Blumenstrauß in der Hand? Klar, Marlene. Wer sonst. Herzlichen Glückwunsch zur Beförderung und herzlichen Glückwunsch zum Herzstillstand. So in etwa hat sich das angefühlt. Sie fragte natürlich direkt, ob wir kurz reden können. In mein Büro wolle sie aber nicht mitkommen, es würde nur kurz dauern. Im Prinzip hätte sie schon an dieser Stelle nicht mehr weiterreden brauchen. Sie war erneut am Zurückrudern. Dafür habe ich mittlerweile die perfekten Antennen. Weil ich aber sowieso schon abgeschlossen hatte, und diese Gefühle mich umbringen, wenn ich noch irgendwie länger darauf eingehe, und auch einfach, weil ich allmählich darauf echt keinen Bock mehr hab' und das sowieso alles total sinnlos ist, bin ich ihr einfach direkt entgegengekommen, und hab' mich entschuldigt für den Brief, den ich ihr vielleicht besser nicht hätte geben sollen. Und habe ihr vorgeschlagen, dass wir das doch besser vergessen. Das könne sie aber nicht. Ja, toll, meint sie vielleicht ich? Ich habe ihr versichert, dass ich genau weiß, dass ich nie eine Chance bei ihr habe, und dass ich das auch immer gewusst habe, aber dass ich eben ehrlich zu ihr sein wollte. Von wegen, ehrlich, irgendwo ist da immer ein Fünkchen Hoffnung, und ich hab' einfach keine Ahnung, wie ich das abstellen soll. Aber das ist jetzt sowieso nicht mehr nötig, denn die Katastrophe folgte auf dem Fuße. Und das habe ich von alldem eben jetzt. Zu Recht. Sie will mich nicht mehr sehen! Sie hat das Gefühl, dass sie Tristan hintergeht, wenn wir uns treffen. Was? Meine Güte Marlene, das verstehe ich nun wirklich nicht, denn du hast doch gar keine Gefühle für mich? Wenn du dir deiner Gefühle für Tristan sicher bist, dann ist das alles doch ausschließlich mein Problem, mit dem ich klarkommen muss. Aber nicht deins. Wie dem auch sei, sie hat es ausgesprochen, und ich habe alles verloren. Die Quittung kassiert, die ich am Ende vielleicht einfach verdient habe. Game over. Es ist das passiert, was das Allerschlimmste bedeutet. Ich habe Marlene komplett verloren. Aber was hab' ich auch erwartet? Verdammt, warum musste ich diesen blöden Brief auch schreiben? Warum konnte ich nicht einfach meinen Mund halten? Hätte ich nicht einfach still sein können, irgendwie damit für mich allein klarkommen können? Dann hätte sie es nicht erfahren. Dann hätten wir Freunde bleiben können. Ach, hätten wir ja doch nicht, auch das hat ja nicht funktioniert. Außerdem hätte, hätte … liegt im Bette. Jetzt ist sowieso alles egal, es ist vorbei. Wenn es zuvor tausende von kleinen Nadelstichen waren, die mein Herz immer wieder angriffen, dann war es heute ein Dolch, der zugestoßen hat. Der es final durchbohrt hat. Ich habe alles falsch gemacht.

Meinen ganzen Kummer hat wieder einmal Christian abbekommen. Zum wievielten Mal jetzt eigentlich, und wann wird er genervt die Segel streichen? Vermutlich auch eine Frage der Zeit. Und dann werde ich nicht einmal mehr einen Freund haben, dem ich mich anvertrauen kann. Bei dem ich mich anlehnen kann. Ich bin zu ihm ins No Limits, und habe ihn einfach nur angesehen. Er wusste direkt, was Sache ist. Ohne dass ich auch nur ein Wort sagen muss. Er hat versucht, mir Mut zu machen, von wegen okay, jetzt gehe Marlene eben auf Abstand, aber das würde eben noch ein paar Mal passieren, und irgendwann könnten wir beide dann wieder normal miteinander umgehen. Tja, wer's glaubt. Ich glaube es jedenfalls nicht. Am Ende ist mir jetzt nicht einmal mehr die Freundschaft zu ihr geblieben, nur weil ich unbedingt die Wahrheit sagen musste. Das einzig Gute an der Sache ist, dass ich meinen Bruder nicht verlieren werde. Ihm nicht weh tun werde, indem ich ihm die Frau ausspanne. Aber ansonsten weiß ich nicht, was ich momentan daran positiv sehen soll. Wobei, vielleicht das hier: Ich glaube, wenn er nicht schon Pferdewirt wäre, aus Christian wäre auch ein guter Therapeut geworden. Aber was hilft mir das? Ist jetzt sowieso alles egal. Einfach alles. Eines schwöre ich: nie wieder werde ich mich verlieben. Nie wieder in meinem ganzen Leben. Das war's, ich habe endgültig genug davon.

gez. Rebecca süß von Lahnstein


- 07.06.2012 -


Nach oben
 Profil  
Mit Zitat antworten  
BeitragVerfasst: 10.06.2013, 20:53 
Offline
Benutzeravatar

Registriert: 04.08.2012, 13:47
Beiträge: 66
Beste Quotes der Folge 4087:

Marlene: Aber man sollte schon ab und zu mal was Neues versuchen. [seufzt] Diese Entscheidungen … wie ich das hasse.
Christian: Wenn du mich jetzt nach diesem Brief von Rebecca fragst …
Marlene: [zischt ihn an] Was soll ich denn bitte ihrer Meinung nach tun? Mit wehenden Fahnen das Ufer wechseln und ihren Bruder hintergehen?
Christian: Sie wollte einfach klare Verhältnisse schaffen …
Marlene: [unterbricht ihn und giftet] Was ist daran denn klar? Wir war'n mal Freundinnen, und jetzt? Wir können uns noch nicht mal mehr in die Augen sehen. [steht auf und will flüchten]
Christian: Hey, pass' mal auf, jetzt hör' mir mal zu, ja? Es kommt vor, dass sich Menschen ineinander verlieben, auch wenn sie vorher befreundet waren, und das ist auch eigentlich überhaupt kein Drama.
Marlene: Aber …
Christian: [unterbricht sie] Das Drama machst du dir selber. Weil du dich nicht entscheidest. Und glaub' mir, ich weiß, wovon ich rede. Ich hab' das nämlich alles … selber mitgemacht.
Marlene: Was soll ich'n jetzt tun, um sie aus meinem Kopf zu kriegen?
Christian: Egal, welche Gefühle du hast … auf Dauer kannst du die nicht ignorieren.

Tristan: Ich hatte das dringende Bedürfnis, dich zu sehen, Lily Rose.

Christian: Mhm … hey! Oh nein … schon wieder? Krass … hätt' ich jetzt noch Latschen an, dann halten mich alle für'n Therapeuten. So schlimm?
Rebecca: Noch schlimmer. [herzzerreißender Sad-Brown-Eyes-Blick]

Rebecca: Jetzt ist mir nicht mal mehr unsere Freundschaft geblieben. Der einzige Trost ist, dass ich meinen Bruder nicht verliere, indem ich ihm die Frau ausspanne.

Tristan: Marlene? Ist alles in Ordnung mit uns?


Nach oben
 Profil  
Mit Zitat antworten  
BeitragVerfasst: 11.06.2013, 14:30 
Offline
Benutzeravatar

Registriert: 04.08.2012, 13:47
Beiträge: 66
Hallo Ihr Lieben,

ich stelle hier ja schon seit ein paar Wochen das Tagebuch von Rebecca ein bzw. lese daraus vor ;-) Da doppelte Vorlesungen doch recht anstrengend für die Stimme sind, habe ich beschlossen, das Tagebuch hier ab sofort nicht mehr einzustellen. Leider kam hier sehr wenig Feedback, und dann fragt man sich natürlich schon, warum man das tut bzw. ob es sich lohnt oder es vielleicht auch einfach nicht interessiert oder nicht der richtige Ort ist. Was ja gar kein Thema ist :-)

Wer weiterlesen möchte: das Tagebuch geht im "Rosanen" (ARD Forum) auf jeden Fall weiter, wo der Thread auch schön "lebt". Ihr findet es dort im FF Bereich, der vor wenigen Wochen eröffnet wurde. Titel des Threads ist derselbe wie hier.

Lieben Dank und viele marbeccanische Grüße,

Cubi :herzschlag:


Nach oben
 Profil  
Mit Zitat antworten  
BeitragVerfasst: 01.07.2013, 22:05 
Offline

Registriert: 28.01.2013, 18:40
Beiträge: 10
Take me all i have , leave me alone
but in the world where you are in my arms
make my sky completely gray
and if i fall, to fall with you
but you are forbidden to me
and every street has a wall on its end

Tell me how to forget the
look in your eyes ?
How to act like don't feel nothing ?
How not to listen to my heart ?
If having you near me is painful ?
If our love is a bad word ?
How to anesthetize my heart ?

It there's a way to forget you ,
tell me how

Rob me the time , forbid me to breathe
but no one can take me this dream

Althougt you are forbidden to me,
every moment is a new starting point

Großartig geschrieben und ein sehr gefühlvoller Rebeccas Tagebuch :herzschlag: DANKE


Nach oben
 Profil  
Mit Zitat antworten  
Beiträge der letzten Zeit anzeigen:  Sortiere nach  
Ein neues Thema erstellen Auf das Thema antworten  [ 48 Beiträge ]  Gehe zu Seite Vorherige  1, 2, 3, 4

Alle Zeiten sind UTC


Wer ist online?

0 Mitglieder


Ähnliche Beiträge

Jasmin Lord (Rebecca von Lahnstein)
Forum: Verbotene Liebe Darsteller
Autor: sunshine
Antworten: 16
Miriam Lahnstein (Tanja von Lahnstein)
Forum: Verbotene Liebe Darsteller
Autor: sunshine
Antworten: 60
Tatjana Kästel als Rebecca von Lahnstein
Forum: Marlene & Rebecca
Autor: chubby
Antworten: 250

Du darfst keine neuen Themen in diesem Forum erstellen.
Du darfst keine Antworten zu Themen in diesem Forum erstellen.
Du darfst deine Beiträge in diesem Forum nicht ändern.
Du darfst deine Beiträge in diesem Forum nicht löschen.

Suche nach:
Gehe zu:  
cron
Powered by phpBB® Forum Software © phpBB Group



Bei iphpbb3.com bekommen Sie ein kostenloses Forum mit vielen tollen Extras
Forum kostenlos einrichten - Hot Topics - Tags
Beliebteste Themen: Liebe, NES, TV, USA, Erde

Impressum | Datenschutz