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BeitragVerfasst: 17.05.2013, 17:35 
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Heute etwas stillos einen Tag "zu spät", da ich in anderen Foren über zwei Tage gestückelt habe, aber dafür nun hier am Stück ein Tagebucheintrag in Überlänge :)

One year ago today …

Das Tagebuch der Rebecca von Lahnstein

- Teil 10 -


Liebes Tagebuch,

es … hört einfach nicht auf. Nein, vielmehr wird es immer schlimmer. Es ist schon wieder passiert. Vielmehr fast passiert. Aber das ist egal, denn das fast bedeutet diesmal ungleich mehr als ganz. Muss man das verstehen? Meine Güte, ich muss mich erst mal sammeln, bevor ich halbwegs auf die Reihe bekommen werde, zu verstehen, was da heute wieder alles passiert ist. Die Bilder in meinem Kopf zu rekonstruieren, während mein Herz permanent am Fliegen ist. Langsam glaube ich, ich schwebe, träume, fliege und alles zusammen. Vor allem aber werde ich bald komplett überschnappen, und dann werden auch zehn Christians nicht ausreichen, um mich zurückzuholen in die Realität. Bei weitem nicht. Heute ist etwas Unglaubliches geschehen, und spätestens jetzt weiß ich absolut sicher: Marlene hat Gefühle für mich. Daran gibt es keinen Zweifel mehr. Wir hätten uns beinahe geküsst, und diesmal beide bei vollem Bewusstsein und ohne die "Pflicht" bei einem Spiel. Ohne Zuhilfenahme einer Flasche, die dreht, stehen bleibt, auf mich zeigt und uns dazu zwingt. Einfach nur so. Ohne Einfluss von außen. Einfach nur, weil es da war. Weil wir es wollten. Weil wir nicht anders konnten. Ich zittere immer noch, wenn ich daran denke. Es darf einfach nicht mehr aufhören. Ich kann an nichts anderes mehr denken. Und gleichzeitig … darf ich daran nicht mehr denken. Ich bin auf dem besten Wege, in die größte Katastrophe meines Lebens zu schlittern. In das Schönste, was ich je erlebt habe.

Ich werde versuchen, alles aufzuschreiben. Das hat in den letzten Tagen immer geholfen. Man sagt doch immer, wenn man darüber spricht, dann verarbeitet man, dann rückt das Erlebte einen Schritt von einem ab. Wenn man schreibt, passiert dasselbe. Und das tue ich jetzt. Dann werde ich aufwachen, dann wird das alles vorbei sein. Dann wird es keine Katastrophe geben. Es muss aufhören. Das sagt auch Christian. Immer und immer wieder. Er muss so genervt sein von mir, von der ganzen Sache. Heute wieder in der Schlossküche. Er hing über LCL-Werbeanzeigen in einem Magazin, was mich ehrlich gesagt ein wenig zum Schmunzeln gebracht hat. Für die Mode hat er sich da glaub' ich weniger interessiert, eher schon für das männliche Model - also damit musste ich ihn einfach aufziehen. Christian und Olli sind aber auch zu süß. Die beiden lieben sich so sehr, da kann kommen, wer oder was will. Man hat immer das Gefühl, das prallt alles ab an den beiden. Was sie alles zusammen erlebt haben, was sie alles zusammen bewältigt haben, das ist so beeindruckend. Es ist das Nonplusultra. Und das … das wünsche ich mir auch. Marlene. Schon wieder sind sie da, diese Bilder, diese Gedanken. Noch immer spüre ich sie. Noch immer rieche ich sie. Noch immer verfalle ich diesen warmen Schauern, diesem puren Glücksgefühl, das besser ist als irgendeine Droge der Welt. Das mehr Kraft und Energie spendet als man verbrauchen kann. Das dich glauben lässt, dass du alles schaffen kannst. Dass dir nichts, rein gar nichts, passieren kann. Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen. War das Christians Antwort? Ja, ich glaube schon, auch wenn ich manchmal nur die Hälfte mitbekomme von dem, was er sagt. Na toll, dabei habe ich doch gerade wirklich Grund zur Hoffnung. Oder nicht? Warum muss er mir die immer wieder nehmen? Was ist so schlimm daran? Man wird doch noch träumen dürfen. Was soll passieren? Marlene ist mit Tristan zusammen, es wird sowieso nichts passieren, dachte ich. Ich werde herausfinden, was da ist. Ich weiß, dass sie etwas fühlt, dass sie es auch fühlt. Ich werde mir ihr sprechen. Dieser Kuss, da war etwas, ich bin mir so sicher, diese Gefühle können nicht täuschen. Aber Christian hat ja recht, Marlene ist mit meinem Bruder zusammen. Die Frage ist nur: was soll ich tun? Wenn mir jemand den Schalter einbaut, mit dem ich meine Gefühle für Marlene abschalten kann, dann tue ich es. Sofort. Nur was ist, wenn sie sich ihre Gefühle nur nicht eingestehen will, weil ich eine Frau bin? Ich muss das herausfinden, ich muss die Wahrheit wissen. Sonst nimmt das nie ein Ende.

Also bin ich mit zwei Motorradhelmen bewaffnet ins No Limits gefahren. Wir beide brauchen nur ein wenig Zeit miteinander, und dann müssen wir darüber sprechen, was passiert ist. Da sehe ich die beiden, Tristan und Marlene. Wie sie sich küssen. Und da war er wieder, dieser Schmerz. Tausend Nadelstiche, die sich durch mein Herz bohren. Gegen die ich nichts tun kann. Ich wusste, ich sollte umkehren. Ich war schon dabei, das schwöre ich. Mein schlechtes Gewissen tat sein Übriges, ich kann das nicht tun. Er ist mein Bruder. Wir sollten darüber schweigen, ich sollte nichts hochkochen, egal, ob da … etwas ist … oder nicht. Andererseits: ich meine, wie soll es aufhören, wenn man sich nicht sicher sein kann, nicht weiß, was es ist? Nein, ich musste es durchziehen, ich wollte es wissen. Gott, hat mein Herz geklopft. Ein Wunder, dass ich die Treppe nicht raufgestolpert bin. Meine Beine haben gezittert, ich hatte absolut keinen Plan, was ich da tue und was ich jetzt sagen soll. Ob sie ein bisschen Motorrad mitfahren möchte. Was Besseres fiel mir nicht ein. Ich glaube, es wäre auch egal gewesen, was ich gesagt hätte, sie hätte mich so oder so mit Verachtung gestraft. So hat es sich angefühlt. Kalt. Abweisend. Abwertend. Fremd. Sie hat mich ignoriert. Als wäre ich Luft. Als wäre ich gar nicht da. Irgendwie war ich nicht fähig zu reagieren. Erst als Tristan sie angesprochen hatte, hat sie überhaupt reagiert, und direkt abgewiegelt. Josie sei allein an der Bar, und sie hätte viel zu tun. Die totale Ausrede, ich habe es an ihrer Stimme gehört. Sie schafft es ja nicht einmal, mich anzusehen. Geschweige denn mir in die Augen zu sehen. Sie schafft es nicht mal, sich überhaupt zu mir umzudrehen. Das ist doch nicht normal. Tristan meinte, sie solle sich doch ruhig ein paar Stunden freinehmen, eine Pause könne auch sie mal gebrauchen. Wenn Blicke töten könnten, wäre Tristan auf der Stelle tot umgefallen. Ich musste ihr Gesicht nicht sehen. Den Blick konnte man spüren. Sie hat mich behandelt, als wäre ich die Pest. Ganz ehrlich, in dem Moment wusste ich, ich habe mich nicht getäuscht. Seit Wochen hängen wir ständig zusammen, sind uns nahe gekommen, wir sind die besten Freunde. Sie hat immer gelächelt, wenn sie mich gesehen hat, hat sich immer gefreut. Warum dieser plötzliche Sinneswandel? Selbst wenn man die Augen zumacht, sich die Ohren zuhält und alle Sinne abschaltet, würde man es noch merken. Dass das nicht normal sein kann. Dafür gibt es einen Grund. Und was sollte dieser Grund schon sein? Seit dem Flaschendrehen giftet sie mich an oder ignoriert mich. Es liegt auf der Hand. Sie fühlt es auch, ist verwirrt. Sie hat Angst. Und deshalb muss ich auch mit ihr reden. Ganz einfach. Nachdem ihr wohl keine Ausrede mehr eingefallen ist, ist sie dann mitgekommen. Und dann, so ein Mist, echt, wenn einmal was schief läuft … springt diese doofe Maschine nicht an. Mein Motorrad streikt. Es streikt nie! Ausgerechnet jetzt, ich dachte wirklich, die ganze Welt hätte sich gegen mich verschworen. Gegen uns. Auch Christian und Andi konnten nicht helfen. Irgendjemand will nicht, dass wir sprechen.

Als Marlene schon wieder abhauen wollte, musste ich improvisieren. Und zwar schnell. Kartfahren! Klar, wenn nicht Motorrad, dann eben Kart. Da hat doch diese neue Kartbahn aufgemacht. Und schon hatten sich Andi und Christian dran gehängt. Oh man ey, so wird das nie was. Natürlich ist das nicht auf Christians Mist gewachsen. Andi eben. Er hat noch nie wirklich irgendwas um sich herum mitbekommen. Andererseits, DAS kann er vielleicht auch wirklich einfach nicht wissen. Immerhin hat das alles dann aber dazu geführt, dass Marlene zugesagt hat, weil so sind wir ja wieder nicht allein und können schön ignorieren, was da zwischen uns war. Meine Güte, Marlene, deine Panik stand dir sowas von ins Gesicht geschrieben. Deine Panik sagt einfach alles! Andi hat sowieso nicht gecheckt, was da abläuft, und Christian hat beim Rausgehen sein Fett weggekriegt. Wie gesagt, wenn Blicke töten könnten. Er hätte ja auch mal schalten können. Oh man ey, ich möchte doch nur mal ein paar Minuten allein sein mit ihr. Irgendwann müssen wir darüber reden. Naja, gut, so sind wir eben zu viert zum Kartfahren gegangen. Christian hat versucht, Andi abzulenken, damit Marlene und ich ein bisschen Zeit miteinander haben, aber Marlene hing wie eine Klette an Andi. Auffälliger geht's wirklich nicht mehr. Seit unserem Kuss geht sie mir aus dem Weg und ignoriert alles, was mit mir zu tun hat. Sie flüchtet regelrecht vor mir. Und auch wenn … wenn sie unfassbar süß und anziehend ist, wenn sie so unsicher und unruhig ist, ein Sack voller Flöhe ist nichts dagegen … ich muss grinsen, wenn ich daran denke. Nein, aber ich meine, warum tut sie das? Wenn ihr der Kuss nichts bedeutet hätte, dann hätte sie doch jetzt auch kein Problem mit mir und müsste nicht vor mir davonlaufen. Das hab' ich Christian auch so gesagt, und ich glaube, dass ich recht habe. Also hab' ich all meinen Mut zusammen genommen, und bin einfach in die Offensive gegangen. Irgendjemand muss es ja tun. Was habe ich zu verlieren? Im Prinzip … viel. Alles. Meine beste Freundin. Und meinen Bruder. Aber das … das war weg in dem Moment. Ich musste mit ihr reden. Ich muss wissen, was los ist. Ich muss wissen, ob sie es auch gespürt hat. Ich … kann nicht anders. Es zieht mich magisch an. Sie zieht mich magisch an. Es klingt so unglaublich, und ich glaube ja selbst, dass ich nicht mehr alle Tassen im Schrank habe, aber es ist einfach so. Vielleicht muss man es selbst erlebt haben, um es zu verstehen. Um es nachvollziehen zu können. Um es vor allem nachempfinden zu können. Ich habe Marlene von Andi weggezogen und sie unter vier Augen einfach direkt gefragt, ob sie mir aus dem Weg geht. Was sie natürlich verneint hat, in einer Art und Weise, dieses absolut süße und alles sagende leicht zickige Diven-Getue, das einfach alles sagt. Ihre Stimme erhöht sich dann leicht. Manchmal beißt sie sich auf die Unterlippe dabei, und ich kann nicht anders, als einfach nur dahin zu schmelzen. Noch nie habe ich etwas Anziehenderes gesehen. Und ich weiß jetzt genau: sie geht mir aus dem Weg, und sie hat ein Problem mit mir, und das alles hat einen Grund. Mich hat das total aufgeputscht, warum auch immer. Ich war oben auf. Wollte jetzt alles. Und hab' sie herausgefordert. Wenn du spielst, Marlene, dann kann ich das auch. Wollen wir doch mal sehen, wer den Kürzeren zieht. Ich habe sie festgenagelt und beim Wort genommen. Wenn sie kein Problem mit mir hat, dann könne sie ja auch mit mir in einem Team fahren. Sie ist drauf eingegangen. Ich schätze mal, um ... sich nichts anmerken zu lassen.

Das Kartfahren war … der Hammer! Richtig genial, ich habe das so lange nicht gemacht. Ich liebe Geschwindigkeit, dieses Gefühl, es hat was. Fast wie Fliegen. Fast wie Freiheit. Fast wie … fast wie SIE. Fast wie Marlene, wie unser Kuss. Aber eben nur fast, denn mit diesem Gefühl ist keines vergleichbar. Es hat so viel Spaß gemacht. Wir Mädels haben die Männer abgezogen! Marlene hat es auch gefallen, sie war … so anders. Aufgeladen. Energetisch. Aufgedreht. Positiv. Jegliches Ignorieren und Flüchten war vergessen. Wie ausgewechselt. Wie eine andere Person. Ich glaube, es hat sie befreit. Sie war … ja, ich glaube, sie war in diesem Moment einfach nur sie selbst. Marlene. Nicht Marlene, die Diva. Nicht Marlene, der Musical-Star. Nicht Marlene, die Schauspielerin. Nicht Marlene, die mehr Schein als Sein lebt. Einfach nur Marlene. Ohne Druck. Einfach nur sie selbst. Es war wieder da. Wie aus dem Nichts war es einfach wieder da. Dieses was auch immer es ist zwischen uns. Es ist da, wenn alles um uns herum verschwindet. Wenn wir wir selbst sind. Es fühlt sich an, wie … wie wenn ein Traum Wirklichkeit wird. Oder die Wirklichkeit zum Traum. Es hat was von der Wahrheit. Vom Leben. Von dem, was wirklich in uns ist. Ohne Zwänge von außen. Ohne dem Getrieben sein von anderen Menschen oder Dingen. Und auch wenn das kitschig klingt, wenn ich eines absolut sicher weiß, dann weiß ich genau das: es ist da. Und es ist etwas Besonderes. Sie hat mich umarmt. Unüberlegt. Ohne jeden Gedanken an irgendeinen Zwang. Ohne die Frage, ob das nun angebracht ist oder nicht. Ob richtig oder falsch. Spontan. Aus dem Herzen. Weil sie es wollte. Im Siegestaumel. Einfach aus einem instinktiven Impuls heraus. Sie war frei. Und das war es, was mich in diesem Moment so unfassbar berührt hat. Vielleicht sogar noch mehr als der Kuss beim Flaschendrehen. Never change a winning team, das waren IHRE Worte. Bevor sie direkt nochmal fahren wollte, und am liebsten ab jetzt jeden Tag. Sie hat gelacht. Und ich auch. Es war die pure Befreiung. Die Kraft, dass wir es wollen. Dass wir uns nah sind. Ich liebe sie einfach, wenn sie so ist. So befreit und glücklich. Losgelassen. Einfach nur Marlene. Man sieht diese Seite so selten an ihr. Dieselben Szenen nach dem zweiten Rennen, das wir natürlich wieder gewonnen haben. Ich glaube, heute hätte uns keiner schlagen können. Wir waren unbesiegbar. Zusammen. Und irgendwie allein auf der Welt. Marlene stand vor mir und hat nur gelacht. Hat mich ausgelacht wegen meiner Frisur, klassischer Fall von Helmfrisur nannte sie es. Und streicht mir durchs Haar … ich spüre ihre Hand, ihre sanfte Haut. Jede Berührung löst ein Feuerwerk an sprühenden Funken aus. Selbst jetzt noch, wenn ich mir durch die Haare streiche. Es war sofort wieder da. Dieses Gefühl, dieser besondere Moment zwischen uns. Wir waren beide frei, und in diesen Momenten fühlt sich alles so richtig an, wie grenzenlose Freiheit. Sie ist mir durch die Haare gefahren und hat meine Frisur gerichtet, und als sie ihre Hand zurückgezogen hat, war das sehr, sehr langsam. Zeitlupe. Was für eine schöne Idee das gewesen sei, das waren ihre Worte. Ihr Blick hat mich fixiert. Tief berührt. Erreicht. Eine Wärme, die ich nicht beschreiben kann. Wir haben geflirtet. Das weiß ich, und das weiß sie. So aufgekratzt wie ich war, gab' es kein Halten mehr. Ich hab' sie gefragt, ob wir nicht einfach heimlich abhauen wollen, auch wenn die Jungs uns noch einen ausgeben wollten. Und sie hat ja gesagt!

Wir sind zurück ins No Limits, wo ein Schild an der Tür hing "Geschlossene Gesellschaft". Marlene hat aufgeschlossen, wollte wissen, warum da keiner arbeitet. Ein Tisch war vorbereitet. Ein Candle light-Dinner. Bestimmt eine Überraschung von Tristan, dachte ich mir. Ich weiß, wie falsch es ist. Wie dreist von mir, aber ich habe diesen Anblick kaum ertragen können. Es war unser Moment, wir waren uns nah. Sie fühlt es doch auch. Es kann nicht falsch sein. Doch, Rebecca, das ist es. Es war und bleibt falsch. Mir schossen mal wieder Millionen Gedanken gleichzeitig durch den Kopf. Tristan. Mein Bruder. Das geht gar nicht, was ich da tue. Ich flirte mit seiner Freundin. Und ich habe kein schlechtes Gewissen. Doch, das habe ich schon. Aber trotzdem. Ich bin eifersüchtig. Ich kann es nicht ändern. Wenn ich wüsste wie, ich würde es tun. Denn es ist Selbstmord, was ich da tue. Ein Zettel lag da auf dem Tisch, mit der Aufschrift "Zeit für uns". Marlene hat sich gefreut und gemeint, wie umwerfend Tristan sei. Na toll. Also hab' ich gesagt, es sei wohl besser, wenn ich jetzt gehe, er käme ja sicher jeden Moment. Ich habe mich gerade zum Gehen umgedreht, da … klingelt ihr Handy. Tristan sagt ihr, er käme später, er hinge beim Steuerberater fest. Mein Herz macht sofort einen Satz. Ungewollt. Unvermeidbar. Na dann könnten wir beide es uns doch solange gemütlich machen, meinte sie. Und einmal mehr, was soll ich sagen. Was soll ich machen? Ich KANN dieser Frau nicht widerstehen. Sie sieht mich einmal an und erfasst mich komplett. Es gibt keine Möglichkeit. Keinen Fluchtweg. Kein "Nein". Ihr Blick ist eine Waffe. Auch wenn ich weiß, dass es falsch ist und nur umso mehr weh tun wird, je mehr ich mich in ihr verliere. In die Vorstellung, wie es sein könnte. Mit uns. Im entscheidenden Moment spielen all diese von Vernunft getriebenen Gedanken keine Rolle mehr, denn es ist, als zöge mich eine unsichtbare, magische Kraft immer wieder in ihre Nähe, und umgekehrt ist das genauso. Was hat das alles nur zu bedeuten? Wohin wird es führen?

Ich wollte nicht, dass sie den Sekt öffnet. Er war ja schließlich für sie und Tristan gedacht. Marlene hat es sich einfach gemacht, wenn er eben zu spät sei … Sie war so aufgekratzt. So gut drauf. Wir waren schon wieder gefangen. Gefangen in unserer eigenen Welt. Getragen von unserer eigenen Welle. In einer explosiven Mischung aus verbotenem Flirtspiel und unwiderstehlichem Sexappeal. Es war … aufregend. Und prickelnd. Der Sekt tat sein Übriges. Es gab kein Entkommen. Es lag etwas in der Luft, das genauso deutlich zu spüren wie unmöglich zu erfassen ist. Zum Greifen nah und gleichzeitig unerreichbar. Mein Kopf hatte schon lange abgeschaltet. Wir haben uns auf die Liegen am Pool gelegt, und … einfach nur geredet. Die ganze Spannung, die zwischen uns lag, war weg. Wie von Geisterhand verflogen. Ich musste so grinsen. Ich bin jetzt "Super-Rebecca". Denn laut Marlene kann ich einfach alles, und es gibt nichts, was ich nicht kann. Kartfahren, Motorradfahren, Designen. Wohingegen sie für alles immer Hilfe benötigen würde, und man könnte Bücher füllen mit dem, was sie nicht weiß und nicht kann. Ich weiß nicht, was es war, aber plötzlich … ich habe da zum wiederholten Male, aber diesmal mit einer Wucht, die mich selbst erschreckt hat, gespürt, was Marlene bewegt. Wer sie wirklich ist. Was ihr Problem ist. Wie sie tickt, wovor sie Angst hat. Marlene vertraut sich selbst nicht! Sie vertraut nicht dem, was sie kann. Was sie weiß. Was sie erreicht hat. Ich glaube, sie ernährt sich von der Anerkennung von außen. Daher auch die Bühne. Auf der Bühne ist sie Lily Rose. Keiner kann ihr nahe kommen, nicht wirklich nahe, weil keiner sieht, wer sie wirklich ist. Es ist eine Maske. Eine Maske, die sie trägt. Hinter der sie sich verstecken kann. Dahinter liegt etwas ganz anderes: eine weiche, warmherzige und unsichere Frau. Sie ruht nicht in sich selbst. Ich hatte schon vorher solche Gedanken. Während der Zeit nach der Vergewaltigung zum Beispiel. Auch da dachte ich schon, das ist wie der erste Bruch im realen Leben von Marlene, in dem vorher alles nach Plan und vorgegebener Struktur verlief. Ein Leben, geplant wie ein Bühnenstück. Ein Leben als Lily Rose. Die Vergewaltigung damals hat sie da raus geschleudert, auf eine brutale, gewaltsame Art und Weise, die sicher kein Mensch braucht. Langsam wird mir immer klarer, was das für eine Bedeutung gehabt haben muss. Ich meine damit eine Bedeutung noch über die bloße Bedeutung einer Vergewaltigung hinaus, und das ist ja nun mal bei weitem schon schlimm genug. Schon kaum zu verkraften. Bei Marlene kommt da vielleicht noch viel mehr zusammen, wenn man das in einen größeren Kontext einbettet, und als Bruch sieht. Eigentlich der zweite, vielleicht war es schon die Trennung von Hagen, bei der ihr Leben hinter der Maske zu bröckeln begann. Und in dieser normalen Welt, in der Welt, wo sie einfach nur Marlene sein darf hat sie vielleicht nie gelernt, sich zu bewegen - im Gegensatz zur Showwelt, die sie beherrscht, aber die eben eines nicht ist: echt. Sie hat eines nicht zu bieten: Gefühle ohne Bedingung, Gefühle, die einfach nur da sind, ob es nun gute oder schlechte sind. Die man nicht beherrschen kann. Ich glaube, sie ist geprägt von einer hohen Unsicherheit sich selbst gegenüber. Was sie noch nicht versteht, ist, dass sie erstens keinen Grund dazu hat, sich selbst nicht zu vertrauen und zweitens, dass ihr das Verstecken hinter dieser Maske nicht weiterhelfen wird. Denn die größte Anerkennung von außen kann eines nie stillen. Den tief verankerten Wunsch eines jeden Menschen, sich selbst anzuerkennen. Sich selbst zu vertrauen. In sich zu ruhen. Letztendlich sich selbst zu lieben. Was im Grunde der Kern von allem ist, der Kern, aus dem alles andere entsteht. Dieser Moment da im No Limits am Pool … er war so intensiv. Ich habe versucht, ihr diese Zweifel an sich selbst zu nehmen. Marlene, du bist die tapferste Frau, die ich kenne. Ich meine, die Trennung von Hagen, die Vergewaltigung, der Schwangerschaftsabbruch. Sie hat so viel Mist erlebt in den letzten Monaten, aber sie hat eines nicht getan: sie hat nie aufgegeben. Sie hat immer weiter gekämpft. Es geht doch im Leben unter anderem genau darum: man kann hinfallen, sooft man will. Solange man einmal mehr aufsteht als man hingefallen ist. Und das tut sie. Sie denkt, sie hätte all das nicht ohne Tristan und mich geschafft. Auch das macht es mir bewusst: sie glaubt nicht an sich selbst, von innen heraus, an ihre eigene Stärke. Sie hat alles, was sich ein Mensch so gemeinhin wünscht: Erfolg im Job, einen tollen Mann, Geld, eine liebe Familie, Freunde. Und doch hat sie nichts. Sie hat sich selbst nicht. Das wurde mir heute klar. Und es hat mich traurig gemacht. Gleichzeitig war da so viel Nähe zwischen uns, als sie all das sagte. So viel Nähe und Wärme, wie ich es noch nie mit jemandem geteilt habe. Es hatte etwas Ursprüngliches. Etwas Natürliches. Natürlich hat sie ziemlich schnell wieder abgelenkt und witzelnd gefragt, was denn eigentlich "Super-Rebecca" jetzt nicht könne, und ob es da überhaupt etwas gäbe. Mir fiel als Erstes dieser dämliche Kopfsprung ein, den ich nicht kann und vor dem ich Angst habe, seit Tristan mich damals im Schwimmbad ans Dreimeterbrett gehängt hat.

Marlene meinte, das sei doch nicht so schwer, und das könne sie mir beibringen. Und weil ich durch all diese Erlebnisse, diese Intensität unserer Begegnung, diesem berauschenden Wechselbad zwischen Flirten, Lachen und Tiefgang, gerade total aufgekratzt und glücklich war, als gäbe es kein Morgen, habe ich … einfach gefragt, halb rhetorisch, halb hoffend: warum nicht jetzt gleich? Ich hätte nie gedacht, dass sie darauf eingeht, ich dachte, sie lacht, und wir unterhalten uns einfach weiter. Aber wir haben das wirklich und tatsächlich in die Tat umgesetzt. An Ort und Stelle, mitten in der Nacht. Es war so ein schöner Tag, wir waren mehr als befreit und uns so nah wie nie zuvor. Sie versucht also, mir den Kopfsprung im No Limits beizubringen. In Dessous. Mal abgesehen davon, dass ich mich kaum konzentrieren kann, wenn sie so neben mir steht mit diesem … absolut atemberaubenden Wahnsinnskörper … hatte ich natürlich mal wieder Angst. Habe drei Versuche gebraucht, bei denen ich zwei Stufen runtergehen musste. Wie peinlich! Naja, und dann hab' ich einfach mal so getan, als ob ich mich nicht mehr regen würde, im Wasser. Was ein Spaß war, ich wollte sie nur ein bisschen ärgern. Sie ist mir hinter her gesprungen, und hat sich wohl wirklich Sorgen gemacht beziehungsweise einen Schreck bekommen. Aber der Spaß musste sein, ich musste echt lachen. Wir haben herumgealbert im Wasser, uns mit Wasser bespritzt und hatten einfach nur Spaß. Alle Sorgen und erdrückenden Gedanken waren wie weggeblasen. Es war wie beim Flaschendrehkuss, es gab nur noch sie und mich. Die pure Ausgelassenheit. Wir haben uns gejagt, nochmal kriege ich sie nicht, meinte sie. Wie die kleinen Kinder, und Hallo, wenn ich etwas will, dann kriege ich es auch. Marlene von Lahnstein, da bist du nicht die Einzige, die das kann. Ich habe sie gefangen. Berührt. Gespürt. Verloren. Restlos. Würde sie immer und immer wieder fangen. Und dann … waren wir uns plötzlich mehr als nah. Gesicht an Gesicht. Im Pool. Mein Herz hat so laut und schnell geschlagen, hämmernd, pochend, dass ich dachte, ich ertrinke. Schnappe über. Ihre Hand an meiner Wange. Die Wassertropfen perlten in Zeitlupe auf ihrem Gesicht. Diesem sanften Gesicht. Engelsgleich und doch so stark. Der Blick, fest haftend an meinen Augen, sie durchbohrend, tief in sie hinein versinkend. Fixierend. Sexy und tiefsinnig zugleich. Herausfordernd. Verlangend. Sehnsüchtig. Ihre Lippen. Sanft und warm. Sie kam immer näher und näher …

gez. Rebecca süß von Lahnstein


- 16.05.2012 -


Zuletzt geändert von Cubidoo am 01.06.2013, 12:22, insgesamt 3-mal geändert.

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Verfasst: 17.05.2013, 17:35 


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BeitragVerfasst: 17.05.2013, 17:47 
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Beste Quotes der Folge 4076:

Rebecca: Ja, aber das war kein Spiel. Das war ein echter Kuss.

Rebecca: Selbe Konstellation?
Marlene: Never change a winning team.

Marlene: Äh, warte mal. Klassischer Fall von Helmfrisur!

Marlene: Sag' mal, gibt's eigentlich irgendetwas, das du nicht kannst? Du bist die Schnellste auf der Kartbahn, bist ne Top-Designerin, fährst Motorrad und … kannst diese Dinger sogar reparieren.

Marlene: Ich glaube, man könnte Bücher füllen mit dem, was ich nicht weiß.
Rebecca: Okay, lass' mich mal überlegen. Du kannst singen, tanzen, schauspielern und … du hast den coolsten Club der Stadt eröffnet.
Marlene: Ja, aber ohne Tristan hätt' ich das alles nicht geschafft.
Rebecca: Ach, das stimmt doch nicht. Und das weißt du auch. Und es gibt Dinge, die hast du ganz alleine bewältigt.
Marlene: Ach, und was zum Beispiel?
Rebecca: Du bist die tapferste Frau, die ich kenne. Du hast echt ne beschissene Zeit hinter dir, aber … du hast nie aufgehört zu kämpfen. Ich weiß nicht, ob ich das gekonnt hätte.
Marlene: Ohne dich hätt' ich das nicht geschafft. [Schmachtblick] Ja, ähhh, zurück zum Thema, ähhm … gibt's irgendetwas, das Super-Rebecca nicht kann?
Rebecca: Mhhhmm.
Marlene: Also, allein dafür, dass du solange überlegen musst, müsste ich dich schon hassen.
Rebecca: [lacht] Ich kann keinen Kopfsprung! Ja, als ich klein war, da hat mich Tristan mal nur an den Füßen vom Dreimeterbrett baumeln lassen.
Marlene: Ne, das hat er nicht getan.
Rebecca: [nickt] Mhm, er war ne kleine Ratte. Naja, jedenfalls seitdem hab' ich Angst vorm Kopfsprung. Ich hab's schon nen paar Mal versucht, aber … immer nen Bauchplatscher.
Marlene: Wieso, ist doch ganz leicht.
Rebecca: Dann bring's mir bei.
Marlene: Klar! Kann ich gern machen.
Rebecca: Bisschen Zeit haben wir ja noch.

Rebecca: Ich kann zwar keinen Kopfsprung, aber verdammt lang die Luft anhalten.

Marlene: Nochmal kriegst du mich nicht.
Rebecca: Hab' ich dich.


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BeitragVerfasst: 19.05.2013, 19:03 
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Und erneut das Prinzip one day too late wegen Zerstückelungs-Überlänge woanders ;-)

One year ago today …

Das Tagebuch der Rebecca von Lahnstein

- Teil 11 -


Liebes Tagebuch,

ich muss nur die Augen schließen, und der Film läuft erneut ab. Vor meinem inneren Auge, und noch viel tiefer. Näher und näher. Ihre Lippen. Das Wasser, das darauf abperlt wie sanfte, klare Kristalle. Sinnlich ist kein Ausdruck dafür, reicht einfach nicht aus. Es ist die pure Faszination, die mich begleitet. Die mich trägt, immer noch. Jede Sequenz erlebe ich wieder und wieder vor meinem inneren Auge. Jede Sekunde all dieser Momente von gestern, diese Intensität und dieser unerklärbare Zauber, all das hat sich tief in mir festgebrannt. Läuft ab in einer Endlosschleife, von der ich mir nichts anderes wünsche, als eben das: dass sie kein Ende hat. Von der man nicht genug kriegen kann. Deren Bilder keine Bilder sind. Deren Bilder über reines Gefühl übertragen werden, das sich tief in die Seele bohrt. Sich dort verankert, eine Heimat suchend. Diese Momente sind unbeschreiblich. Ich weiß, es klingt beängstigend, aber ich habe das Gefühl, ich kann in Marlenes Augen lesen, lesen, was sich viel tiefer in ihr abspielt, lesen, was sie beschäftigt, was ihr Angst macht und was ihr Herz lachen lässt. Ein Blick reicht aus, um genau dorthin zu reisen, und keinen Ausweg mehr zu finden. Ich bin bereits verloren. Diese Nähe wird mich umbringen, diese Nähe, für das das Wort Nähe beinahe lächerlich erscheint, denn es ist viel mehr als das. Es hat etwas von nah und doch nie nah genug. Ich bin immer noch völlig fertig. Marlene und ich, wir … hätten uns fast geküsst. Richtig geküsst, ohne Spiel, ohne, dass einer dabei schläft, ohne, dass einer irgendwo dabei ist. Ohne irgendeinen Einfluss. Ohne irgendeinen seltsamen Umstand. SIE hat dabei die Führung übernommen. Nicht nur, dass ich Rücksicht nehme und mein unbewusst wohl permanent sprechendes und sich einschaltendes schlechtes Gewissen und die rational gesteuerte Überzeugung, dass all das, was da gerade passiert, absolut falsch ist und einen nie geahnten Berg von Trümmern und verletzten Gefühlen hinterlassen wird, ihr Übriges tun und mich davon abhalten, selbst zu handeln. Nein, ich glaube, es ist viel mehr als das, es ist viel ursprünglicher, was mein Handeln bestimmt … ich überlege da nicht, ich plane nichts. Das alles spielt sich ausschließlich im Bereich des Instinktes ab. Ich bin so paralysiert in diesen Momenten, dass ich schlichtweg mein Handeln nicht steuern und planen kann, ja manchmal sogar gar nicht handeln kann, und in Passivität verfalle. So dass es immer Marlene ist, die den aktiven Part hat. Warum das so ist, darüber könnte ich lange philosophieren, aber vielleicht … MUSS es so sein. Soll es so sein, weil … ja, weil … mir fällt nichts anderes mehr ein, als dazu zu sagen: weil es so sein soll. Ich habe schon immer an Schicksal geglaubt. Nur wusste ich bisher nicht, auf was für eine intensive, durchdringende Art und Weise man das selbst erleben kann. Sie hat es auch gewollt, sie hat es auch gefühlt und auch gespürt, und es wäre passiert, wenn …

Wenn nicht … ja wenn nicht just in dem Moment, als sich unsere Lippen nur noch Zentimeter voneinander entfernt befanden und die Welt einmal mehr um uns herum still stand … die Tür zum No Limits aufgeht, und … Tristan hereinkommt. HIMMEL, haben wir uns erschrocken. Raus aus dem Traum, unserem Traum, rein in die Realität. In Sekundenschnelle, schneller noch. Erstarrt. Versteinert ohne jegliches Gefühl. Ich könnte nicht mehr sagen, was ich in dem Moment gefühlt habe. Außer Schock. Wie, warum oder ob überhaupt man bei einem Schock Emotionen erfassen kann. Ich hatte keine Zeit, irgendwas zu denken oder zu realisieren. Marlene ist wie von der Tarantel gestochen von mir weg und aus dem Wasser raus. Diese Situation war wirklich unangenehm, wie ein kleines Schulmädchen, ertappt beim Abschreiben oder Klauen oder … ach, was rede ich da … es war viel mehr als das. Es war furchtbar, ich war einfach nur erstarrt und hing da im wahrsten Sinne des Wortes wie ein begossener Pudel im Pool. Die Realität hat mich mit einer Wucht erfasst, als hätte mich ein Laster von zehn Tonnen überrollt. All das zerstört, was noch in der Sekunde unmittelbar zuvor meinen gesamten Körper und Geist unbeschreiblich tief in Ekstase versetzt hatte. Mein schlechtes Gewissen hat mit einer solchen Vehemenz angeklopft, dass mein Kopf zu zerspringen drohte. Wie kann man so etwas nur tun? Wie kann man hinter dem Rücken seines Bruders, eines Menschen, der einem nahe steht, mit dem man sein ganzes Leben verbracht hat, nur so etwas tun? Rebecca, wach' endlich auf. Was du da tust, geht gar nicht. Es ist so unendlich mies, es ist das Schlimmste, was ich je in meinem Leben getan habe. Es ist das, wofür ich andere bisher verurteilt habe. Und es ist nicht einmal das erste Mal, dass ich so etwas tue. Es war dasselbe damals bei Christian, gegenüber Olli. Vielleicht wird das jetzt zum Muster bei mir? Und immer bin ich in der Situation die, die am Ende verliert und mit leeren Händen da steht. Die von einem Liebeskummer zum anderen wankt, weil sie so blöd ist, sich immer in den falschen Menschen zu verlieben. Zu blöd für diese Welt. Die, für die sich sowieso niemand interessiert, und es auch nie tun wird. Äh … sag' mal, geht's noch? Du flirtest mit der Freundin deines eigenen Bruders, Rebecca. Deines eigenen Bruders! Das setzt wirklich allem die Krone auf, was du bisher an Unsäglichkeiten fabriziert, was du Falsches getan hast. Und dann hast du nichts Besseres zu tun als dich selbst zu bemitleiden? Manchmal hasse ich mich selbst für diese Gedanken. Ich hasse es, und ich will, dass es verschwindet. Ich möchte auch einmal einfach nur normal lieben können und geliebt werden. Warum ist das so verdammt schwer? So verdammt aussichtslos? Warum?

Marlene und ich sind also schnell raus aus dem Pool, haben uns Bademäntel angezogen und uns abgetrocknet. Wie in Trance. Mich hat ein Zittern erfasst, das drohte, mir die Kontrolle über meinen Körper zu nehmen. Wusste nicht, wo ich hinsehen soll. Sehe ich SIE an, überrollt mich ein Zug voller Emotionen und entführt mich innerhalb von Bruchteilen von Sekunden in eine zauberhafte Welt, die verboten ist. Ein Tabu. Sehe ich Tristan an, schlägt mir das schlechte Gewissen und die Gewissheit, der mieseste Mensch auf Erden zu sein, mit Inbrunst fauchend mitten ins Gesicht. Kein Tabu. Aber kaum zu ertragen. Erdrückend, es schnürt mir abrupt die Kehle zu und lässt mir die lebensnotwendige Luft im Halse stecken bleiben. Soweit ich irgendwas überhaupt wahrgenommen habe, hat Tristan wieder Sprüche geklopft, von wegen, das mit dem Kopfsprung lerne ich schon noch und ich hätte ja andere Talente. Zum Beispiel Bademode entwerfen und warum wir die eigentlich nicht tragen, wenn wir sie bräuchten. Eindeutig-zweideutige Sprüche in Richtung Marlene. Die sofort abgelenkt hat, in dem sie ihn nach dem Termin mit dem Steuerberater fragte. Das war alles so … peinlich. So erschreckend. Die trostlose Wahrheit, der Schatten der Realität. Grau und … kalt. Mir war plötzlich eiskalt.

Einen kleinen Moment hatten wir noch allein, als Tristan die nächste Sektflasche köpfte. Ich habe versucht, es anzusprechen, das, was da gerade fast zwischen uns passiert ist. Es musste raus, ich hatte das Gefühl, ich müsste platzen. Mir kamen die Tränen, es hat sich angefühlt, als zerreiße mich eine unsichtbare Kraft zwischen zwei Welten. Zwischen zwei Polen, die permanent zu mir sprechen, mit einer Eindringlichkeit, die mir Angst macht und der ich hilflos gegenüberstehe. Denken und Gefühl. Verstand und Herz. Schwarz oder weiß, grau oder bunt. Der eine oder der andere Weg. Und alles zusammen. Marlene, bitte hilf mir. Ich kann das nicht mehr, ich weiß nicht, wohin mit all diesen überbordenden Emotionen. Das schlechte Gewissen oder die … Liebe. Die Verbotene Liebe. Verboten … und … während sich die ersten Tränen in meinen Augen sammelten und ich damit beschäftigt war, sie mit aller Kraft zurückzuhalten, hat Marlene … sie hat sofort wieder dicht gemacht, und mich quasi weggeschickt. Abgeblockt. Die Maske. Die Fassade. Alles war schlagartig wieder da. Als wenn ein grauer Vorhang fällt, der eine Mauer erzeugt, gegen die man anlaufen kann. Einmal, zehn Mal, hundert Mal, Millionen Mal. Die schlicht zu hoch ist. Zu hoch ist und zu hoch bleibt. Ein Schritt vor, zwei zurück. Nicht zu durchbrechen. Eine Mauer aus eisigem Stahl. Ich weiß, dass das übertrieben ist, und mit Sicherheit bin ich einfach komplett durch den Wind langsam, aber … genau so fühlt es sich an. Als Tristan fragte, ob ich noch auf ein Glas bleiben würde, kam es wie aus der Pistole geschossen bei Marlene: "Nein". Dieses "Nein" ist wie ein Stoß, der sich in einer einzigen Bewegung durch mich hindurch bohrt und mir zeigt, wer ich bin. Die, die gehen muss. Die, die es nicht wert ist. Die, die verliert. Ich hätte morgen einen Termin und müsse fit sein. Deutlicher geht es nicht. Wieder blieb alles unausgesprochen, und ich bin gegangen. Eines weiß ich zwar jetzt ganz genau: so zickig, wie Marlene hinterher schon wieder reagiert hat, und überhaupt alles, was davor … fast … nein, ganz, ganz und gar … passiert ist … sie fühlt es auch. Marlene ist genauso verwirrt wie ich, und weiß nicht mit all dem umzugehen. So kann man sich nicht täuschen, das bilde ich mir nicht nur alles ein! Und trotzdem … es nützt alles nichts. Die Realität spricht eine andere Sprache, und die Realität wird gewinnen. So wie es eben immer ist. Immer war, und immer sein wird. Mit dem Verlassen des No Limits, und als mir die kalte Brise von frischer Luft einen Hauch von dem zurückgab, was man als klaren Verstand bezeichnen kann, war es mir endgültig klar. Es kann und darf so auf keinen Fall weitergehen. Tristan ist mein Bruder, und ich liebe ihn. Ich kann ihm das nicht an tun. Marlene ist seine große Liebe, das geht einfach gar nicht. Ich muss sie vergessen, all diese Gefühle müssen weg. Raus aus mir. Raus aus meinem Herzen. Weg damit. Endgültig.

Verdammt, keine … Stunde später, da … ging es schon wieder los. Als ich zu Hause unter der Dusche stand, fing es schon wieder an. Keine verdammte, einzige Stunde später. Ich sehe diese tiefen, blauen Augen, ihr zartes Gesicht, ihren sanften, eindringlichen Blick, und fühle diese Magie, die da zwischen uns liegt, sofort wieder, als erfasse sie mich gerade zum ersten Mal mit einer vermeintlich unerwarteten Intensität, die mir den Boden unter den Füßen wegzureißen scheint. Wie eine übermächtige Welle, die mich peitschend durchdringt. So tief, als würde sie … meine Seele streicheln. Sehe ihre Lippen, und denke daran, wie es ist, sie erneut mit den meinen zu berühren. Nein, vielmehr, ich berühre sie tatsächlich erneut. Es ist so tief in mir verankert, dass ich es jederzeit an jedem Ort wieder abrufen kann. So als wenn die Festplatte des Herzens nie vergisst. Es ist so eindringlich. Durchdringend. Leidenschaftlich. Nachdrücklich, vertraut und lebhaft. Es ist immer da, es geht immer mit mir. Sie könnte auf einem anderen Planeten sitzen, es würde nicht vergehen. Ich kann nicht anders, unwillkürlich muss ich dabei lächeln und es fühlt sich gut an, gut und richtig. Ungewollt. Umfassend und glühend. Auf eine Art und Weise, die ich nicht erklären kann. Die ich so noch nie erlebt habe.

Heute Morgen beim Frühstück habe ich versucht, sie anzurufen, aber sie ist nicht ans Handy gegangen. Schon wieder zog mich dieser Magnetismus zu ihr, schon wieder wurde ich von diesem Wunsch erfasst, unbedingt mit ihr sprechen zu müssen. Als wenn darüber sprechen irgendetwas verändern würde. Als wenn die letzten Tage und Versuche es nicht gezeigt haben. Tja, was haben sie denn gezeigt? Im Grunde doch, dass ich Recht hatte, dass da etwas ist zwischen uns. Das kann nun wirklich keiner mehr verleugnen, auch Marlene nicht. Es ist doch immer dasselbe Spiel: sie macht dicht, verbarrikadiert sich, ich gehe auf sie zu, möchte darüber sprechen … okay, möchte ich wirklich nur darüber sprechen? Ist es nicht vielmehr die Tatsache, dass ich genau weiß, wohin dieses sogenannte Sprechen wieder führt, und ist es nicht eher genau das, nachdem ich mich sehne, verzehre? Ist es nicht schon wie eine Sucht? Andererseits, jedes Mal, wenn wir uns dann sehen, selbst wenn wir nur ein paar Sekunden, Minuten für uns haben, immer dann … immer dann fällt doch diese Maske ab von ihr, und ich reiße sie ihr ja nun mal nicht mit Gewalt ab. Es ist einfach so. Es passiert. Ohne jegliches Zutun. Ohne jegliche Einflussnahme. Ohne jeglichen Druck. Jedes Mal entsteht diese Nähe, entstehen diese Momente, von denen man selbst, wenn man noch bei Verstand ist, nur sagen kann: verzaubert. Selbst wenn man noch bei Verstand ist? Abgesehen davon, dass das allein mal wieder zeigt, dass ich jedenfalls nicht mehr bei Verstand bin, kam in dem Moment … Tristan zur Tür herein, und riss mich aus diesen quälenden Gedanken … ich weiß auch nicht, warum ich das mache, aber wie aus einem Reflex heraus habe ich das Handy direkt auf den Tisch gelegt und den Anrufversuch unterbrochen. Es ist so offensichtlich, dass ich etwas zu verbergen habe, und es ist nicht fair, nicht fair meinem Bruder gegenüber. Oh Gott, mir wird schon wieder schlecht, wenn ich nur daran denke. Wie soll ich ihm jemals wieder in die Augen sehen? Was soll ich nur tun, warum muss es ausgerechnet diese Frau sein, die sich in meinem Herzen festgesetzt hat, ohne dass ich irgendeine Chance habe, etwas dagegen zu tun? Wo soll das alles nur hinführen? Er hat direkt nach meinem angeblichen Termin heute Morgen gefragt, und warum ich dann hier beim Frühstück sitzen würde. Auch da habe ich mich wieder gekonnt rausgeredet mit der von ihm als rhetorisch aufgefassten Frage, ob es ihm denn lieber gewesen wäre, ich wäre gestern Abend noch länger da geblieben und hätte die traute Zweisamkeit zwischen ihm und Marlene gestört. Tristan hat einmal mehr gar nichts gemerkt. Er ist viel zu sehr in seinem eigenen Verliebtheitsmodus gefangen. Es wird immer schlimmer. Ich merke, wie der Mechanismus, wie ein Roboter zu funktionieren, programmiert auf das Verstecken meiner immer unkontrollierter wachsenden Gefühle, immer mehr ins Wanken gerät. Wie sich meine Hilflosigkeit in Wut wandelt. Langsam aufbauend, erdrückend und angsteinflößend. Und dann … dann überwiegt doch wieder die Kontrolle. Die Selbstbeherrschung. Ich hasse mich selbst dafür, wie gut ich allmählich lügen kann …

Allmählich zerfressen mich diese Gedanken und diese Schuld. Heute blieb von all den wunderbaren, beflügelnden Momenten nichts mehr übrig. Als wenn der ganze, wahre, tief unter allem liegende Zauber durch die Mühlen der Realität gepresst wurde. Durch riesige mechanische Zahnräder geschleust, ohrenbetäubenden schmerzenden Lärm erzeugt und dabei jegliche Magie verloren. All das Ursprüngliche. Ich habe gemerkt, wie die Wut in mir hochstieg, wie sie sich langsam ihren Weg bahnte, pulsierend und aufbrausend. So wie es immer ist bei mir. Als ich aus dem Esszimmer rausging, hatte ich … Tristan direkt vor der Nase mit zwei Degen in der Hand, die Spitzen auf mich gerichtet. Ausgerechnet jetzt, habe ich gedacht. Tristan, hau' einfach ab und lass' mich in Ruhe, es ist keine gute Idee, das jetzt zu tun. Erschrocken und gleichzeitig von den Gedanken erfasst, ihn zu bekämpfen, ihm zu zeigen, wer ich bin, wer Marlene ist, wo sie hingehört, stand ich … einfach nur da. Verdient hätte ich es ja, dass er mich bekämpft. Und genauso verdiene ich es, für das zu kämpfen, an was ich glaube. Marlene. Schon hatte ich den Degen in der Hand, ehe ich weitere Gedanken daran verschwenden konnte, an richtig oder falsch, an gut oder böse, an Schuld oder Liebe. Tristan warf ihn mir zu, herausfordernd, natürlich im Spaß. Vermeintlich im Spaß. Mitten in der Eingangshalle. Er hat mich gereizt. Und das kann er so gut wie kein anderer. Diese überhebliche, leicht schnöselige Art hat mich schon immer auf die Palme gebracht. Tristan, ein Meister der gespielten Arroganz. Von wegen ich hätte noch nie eine Chance gegen ihn gehabt, er hätte noch nie verloren und so etwas. Ich weiß selbst nicht warum, aber auch wenn das alles nur Spaß ist, es lag etwas Ernstes in dieser Situation, eine Art Konkurrenzkampf, unterschwellig, auch wenn er gar nicht weiß, was da zwischen mir und Marlene abläuft. Es reicht ja, dass ich es weiß. Ich konnte nicht anders, in mir stieg und stieg die Wut. Tobend. Aufgelöst. Hilflos ein Ventil suchend. Ich habe den Kampf angenommen, das Fechten als Vorwand genutzt, als Ventil. Es musste raus. Sein erhabenes, aufgeblasenes und arrogantes Verhalten geht mir auf die Nerven. Vor allem, wenn man weiß, dass alles ganz anders ist, aber nichts sagen kann. Wenn man genau weiß, er hat Marlene, aber Marlene ist nicht wirklich mit vollem Herzen dabei. In ihr schwelt noch etwas ganz anderes. Von dem er nichts weiß. Ich war wütend, ja, das gebe ich zu. Und überfordert. Überfordert von all diesen Gedanken und Gefühlen, die immer und immer wieder wie ein Bumerang zurückkommen und mich langsam aber sicher zermürben. Ich habe mich hinreißen lassen, und für einen Moment war das alles kein Spaß mehr für mich … ich habe alles gegeben. Die Kontrolle über meine Emotionen für einen kurzen Moment verloren. Letztendlich hatte ich Glück, ein glücklicher Moment und die Kraft, dass ich es wollte, dass es um SIE geht, und er war … in die Enge gedrängt. Ich hatte ihn. Ich würde alles tun für Marlene, ich weiß auch nicht, aber es ist so … sie weckt Kräfte in mir, von denen ich nicht wusste, dass ich sie habe. Die aus einer so tiefen Quelle zu kommen scheinen, dass ich ohne Übertreibung sagen kann, diese Kräfte würden alles klein kriegen. Dann das Aufwachen. Zurück in die Realität. Der Schock über meine eigene Aggressivität. Tristan, lachend. Fragt mich, was denn los sei und ob ich plötzlich keinen Spaß mehr verstehen würde. In dem Moment kam Marlene rein, oder sie stand da vorher schon eine Weile, ich weiß es nicht … auf jeden Fall ist sie wortlos einfach so wieder rausgegangen. Ich glaube, es hat sie schockiert, was sie sah. Und mich ehrlich gesagt … auch.

So kann es nicht weitergehen. Ich verliere anscheinend komplett die Kontrolle, und das kann ich so nicht stehen lassen. Das geht einfach nicht. Ich bin also ins No Limits gefahren. Ich meine, irgendwann müssen wir darüber reden, so kann es doch nicht weitergehen. Wer weiß, was noch alles passieren wird, wenn wir das nicht klären. Klären. Was gibt es denn zu klären? Ich weiß es doch auch nicht. Ich bin verzweifelt, ich weiß nicht, was ich tun soll, damit dieser ganze Traum, der sich langsam aber sicher zum Albtraum entwickelt, endet. Das Schlimme ist ja auch, dass ich gar nicht will, dass er endet. Ich … habe keine Ahnung, ich weiß nur, dass ich bald einfach nicht mehr kann. Meine Kraft zieht sich langsam aber sicher aus meinem Körper raus und verteilt sich in solch unsinnig, peinlichen Aktionen wie diesem Fechtkampf mit meinem Bruder, von dem man nicht sagen kann, ob es ein Spaß ist oder mehr. Halt. Stop. Vielleicht sollte ich mal anfangen, ehrlich zu sein. Es ist mehr. Es geht um mehr. Es geht um … Marlene. Um alles. Und es geht um Hilflosigkeit. Darum, wie man das eine denkt und das Gegenteil tut. Ohne jegliche Möglichkeit, das Ruder rumzureißen, zu steuern. Ich weiß nicht, wie lang ich unten an der Treppe zur Empore stand, erstarrt zur Salzsäule, unfähig mich zu bewegen. Ich habe Angst vor diesem Gespräch, denn unabhängig davon, wie es ausgeht, es gibt keine Lösung, keinen Weg, der gut ist. Nur nicht darüber zu reden ist auch keine Lösung. Irgendwann bin ich hoch, und hab' sie zur Rede gestellt. Ich habe sie gefragt, was los sei, warum sie nicht an ihr Handy geht, wenn ich anrufe, warum sie einfach raus gerannt ist vorhin, als sie Tristan und mich beim Fechten sah. Wie immer hat sie versucht, sich rauszureden. Wie immer traf ich auf die Maske. Prallte ab an dieser Mauer, die beeindruckend ist. Beeindruckend angsteinflößend. Beeindruckend mächtig. Beeindruckend kräfteraubend. Und trotzdem, das ist es wert. Sie ist es wert. Ich muss über diese Mauer. Oder dagegen rennen. Was und wie auch immer. Es gibt Dinge, die stehen über den Schmerzen, die sie kosten. Ich habe das, was im Pool passiert ist, also nochmal deutlich angesprochen, weil ich einfach finde, dass wir darüber reden sollten. Sie hat gesagt, wir hätten keinen Grund, da jetzt eine große Sache draus zu machen, wir hätten halt Sekt getrunken und ich hätte die Kontrolle verloren. Das hat mich echt getroffen. Schon wieder. Tränen brannten in meinen Augen. Was soll ich denn noch tun? Verdammt, Marlene, reiß' endlich diese behinderte Mauer ein! Das bringt doch nichts. Weglaufen ist keine Lösung. Und ich … verdammt, ich weiß doch, was ich fühle. Aber ja, ist klar, ICH habe die Kontrolle verloren. Klar, ich habe dich gezwungen, mich zu berühren, mich fast zu küssen. Sag' mal geht's noch, Marlene? Ich habe gar nichts getan. Habe alles dir überlassen. DU hast deine Hand auf meine Wange gelegt. DU kamst immer näher auf mich zu. DU hättest mich geküsst, wäre … ja, wäre Tristan nicht reingekommen, genau in diesem Moment. Und dann hättest du jetzt auch keine beschissene Ausrede mehr parat. Dass er uns unterbrochen hat, macht das, was unweigerlich gewesen wäre, doch nicht ungeschehen oder weniger wert. Es hat weh getan, wirklich weh getan. DU tust mir weh. Wirklich weh. Die ganze Wut, diese Wut auf … auf was auch immer, eben noch auf Tristan, jetzt auf die Situation, hat sich in diesem Moment gewandelt. Aus unbändiger Wut blieb einfach nur Schmerz übrig. Sie ignoriert. Wieder. Ich kann und darf hier nicht weiter gegen anreden, nicht weiter die Mauer eintreten. Auf seltsame Art und Weise hat der Schmerz dazu geführt, dass mein Verstand wieder einsetzte. Es hat keinen Sinn. Auch wenn ich genau weiß, dass es anders war. Marlene gehört zu Tristan, weil sie zu Tristan gehören will. Alles andere, was sie fühlt, blendet sie aus. Ein perfekt erlernter und 1A funktionierender Mechanismus. Es ist unmöglich, diese Fassade zu durchbrechen, und es ist auch nicht meine Aufgabe. Es gibt nur einen Menschen, der das kann, und das ist sie selbst. Es ist ihre Geschichte, es sind ihre Gefühle und es ist ihre Sache, sich zu entscheiden, ein reales Leben zu führen oder eines auf der Bühne. Es ist ihre Entscheidung, zu dem zu stehen, was und wer sie ist. Zu dem, was sie tut und was sie fühlt. Kein anderer kann ihr dabei helfen. Meine Verzweiflung hat mir das heute bewusst gemacht. Ich habe den Rückzug antreten. Und werde nicht weiter auf sie zugehen. Habe den von ihr angebotenen Kaffee abgelehnt, und vorgegeben, ich hätte noch bei LCL zu tun. Habe ihr das erste Mal etwas abgeschlagen. Die Karten liegen nun bei ihr. Sie muss den nächsten Schritt machen, oder es wird insgesamt keinen weiteren geben. Das habe ich jetzt begriffen. Jede weitere Nachfrage meinerseits kommt bei ihr als Bedrängung an, als ein in die Enge treiben. Erzeugt Druck, und das ist das letzte, was ich will. Denn es gibt für mich keinen Menschen auf dieser Welt, der von Natur aus mehr unter Druck steht als Marlene. Der Druck, den sie sich selbst macht, ist unermesslich. Der Käfig, in den sie sich selbst einsperrt, in den sie alles ablegt, was sie wirklich denkt und empfindet, ist beispiellos. Beispiellos und furchteinflößend. Ich finde es beängstigend. Ich mag mir nicht vorstellen, wie es ist, zu verleugnen, was man fühlt. Ich habe ja auch solche Versuche gestartet, aber ich habe längst begriffen, dass es keinen Sinn macht. Im Gegenteil: es macht einen kaputt. Es macht das kaputt, was tief in einem ist. Der, der man wirklich ist. Ich hätte das keine Sekunde mehr länger ertragen. Es tat weh, einfach nur weh.

Was soll ich nur tun, warum muss es ausgerechnet diese Frau sein, die sich in meinem Herzen festgesetzt hat, ohne dass ich irgendeine Chance habe, etwas dagegen zu tun? Wo soll das alles nur hinführen? Die Gedanken haben mich natürlich weiter gequält. Es gibt keine Minute am Tag, wo ich nicht daran denke. Und das alles, was heute passiert ist, war viel. Vielleicht zu viel. Auf jeden Fall hat es mich einer Sache beraubt: der Hoffnung. Ich kann nichts tun, kann es nicht ändern. Und es wird sich auch nichts ändern. Soviel ist jetzt klar. Ich habe keine Kraft mehr. Keine Lust mehr. Es kommt mir vor, als ob nichts mehr so ist, wie es vorher war. Als ob nichts mehr den Sinn hatte, den es vorher hatte. Gottseidank kam später, als könne er Gedanken lesen, mein Aufpasser vorbei, mit Sushi unterm Arm. Christian ist schon ein Schatz, und ich bin mehr als froh, ihn zu haben. Gerade jetzt. Er dachte, ich sei schon im Stadium der Nahrungsverweigerung angekommen. Habe ihm dann lachend klar gemacht, dass es so schlimm noch nicht ist. Tja, das war natürlich gespielt, und da ich das Lügen trotz all der Anstrengungen der letzten Zeit noch immer nicht gelernt habe, und es ehrlich gesagt auch gar nicht lernen will, hat Christian mich sofort durchschaut. Naja, nicht schwer, wenn ich schon wieder, zum tausendsten Mal, über einer Porträtzeichnung von IHR hänge. Ich habe ihm alles erzählt, was nach dem Kartfahren, ohne die Jungs, allein mit Marlene, noch passiert ist. Er hat natürlich die Augen verdreht und wollte mir einmal mehr klarmachen, dass ich mich auf gefährlichem Glatteis bewege und dass das Ganze sowieso zu nichts als Tränen und Leid führen wird. Ach Christian, das weiß ich doch, ehrlich, wem sagst du das. Sieh' mir in die Augen, und du wirst es sehen. Aber da war eben etwas, da war etwas, auch bei Marlene, ich habe es doch genau gespürt. Und die Tatsache, dass sie jetzt so dermaßen und total abblockt und jedes ehrliche Gespräch darüber verweigert, zeigt doch auch nur, dass es bei ihr auch gefunkt hat. Dass sie jetzt eben verwirrt ist. Panik hat. Und das ist ja auch mehr als verständlich und nachvollziehbar. Trotzdem, und das ist für mich heute die Erkenntnis des Tages: Christian hat unterm Strich natürlich recht. Selbst wenn Marlene das auch gefühlt hat, was da zwischen uns ist, heißt das noch lange nicht, dass sie auch in mich verliebt ist, und außerdem ist sie mit meinem Bruder zusammen. End of story. Schreib' dir das endlich hinter die Ohren, Rebecca von Lahnstein. Hör' verdammt nochmal endlich auf, dein Leben nur zu träumen. Komm' zurück und lebe es!

gez. Rebecca süß von Lahnstein


- 18.05.2012 -


Zuletzt geändert von Cubidoo am 20.05.2013, 20:35, insgesamt 1-mal geändert.

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BeitragVerfasst: 19.05.2013, 19:06 
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Beste Quotes der Folge 4077:

Marlene: Ja, wie gesagt, wir wollten nur nen Kaffee trinken.
Tristan: Und daraus ist dann Nachhilfeunterricht im Kopfsprung geworden. Und, hat's was gebracht? Naja ... [streichelt Rebecca über den Kopf] das lernst du auch noch. Außerdem hast du ja andere Talente … zum Beispiel Bademode entwerfen, auch wenn ihr, wenn man sie dann einmal braucht, sie nicht benutzt.

Tristan: En garde! Komm' schon, was ist oder traust du dich nicht? Ach kein Wunder, du hattest noch nie ne Chance gegen mich.
Rebecca: Und du warst schon immer nen schlechter Verlierer.
Tristan: Das liegt daran, dass ich noch nie verloren habe.
Rebecca: Vielleicht wird sich das heute ändern.
[Fechtkampf, Rebecca siegt]
Tristan: Was ist denn mit dir los? Verstehst du keinen Spaß mehr?

Marlene: Das … das war … wegen dem Fechtkampf mit Tristan. Weißt du, ich seh' das nicht gerne, auch wenn's nur Spaß ist. Es war doch nur Spaß, oder?

Rebecca: Wegen gestern … im Pool … ich finde, wir sollten darüber reden.
Marlene: Rebecca … hör' zu, ähm … wir haben Sekt getrunken, du hast für'n kurzen Moment vergessen, dass wir nur Freundinnen sind und nicht mehr. Kein Grund, deshalb nen großes Fass aufzumachen. Du siehst das doch genauso, oder?
Rebecca: Ja. [Tearing Brown Eyes] Klar.


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BeitragVerfasst: 29.05.2013, 17:49 
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One year ago today …

Das Tagebuch der Rebecca von Lahnstein

- Teil 12 -


Liebes Tagebuch,

ich versuche es. Versuche mich damit abzufinden, dass es kein klärendes Gespräch mehr zwischen Marlene und mir geben wird. Sie hat sich entschieden, dass das alles nicht passiert ist zwischen uns. Entscheiden, darüber nicht weiter nachzudenken, es nicht zuzulassen. Und auch wenn ich genau weiß, was gewesen ist, und dass es nichts auf der Welt gibt, das falscher ist, als seine eigenen Gefühle zu verdrängen und zu unterdrücken, weil es nichts gibt, dem wir so ohnmächtig gegenüberstehen wie unsere eigenen Gefühle, so weiß ich eben auf der anderen Seite auch, wann Schluss ist. Wann ich es besser sein lasse. Wann ich verloren habe. Das dachte ich, und habe danach gehandelt. Habe mich abgelenkt, mit Arbeit. So wie ich es immer tue. Die Gedanken begleiten mich natürlich trotzdem. Jeden Tag, jede Stunde, jede Minute. Was soll das auch? Echte Gefühle verschwinden nicht so einfach, und meine Gefühle sind echt. So echt, wie Gefühle sein können. So echt, dass es mir Angst macht. Angst, sie nicht loszuwerden. Ich … gebe wirklich alles, um damit klarzukommen. Es kostet mich eine nie gekannte Überwindung und jedes Mal, wenn ich sie sehe, eine Selbstbeherrschung, die meine kühnste Vorstellungskraft um Lichtjahre übertrifft. Aber ich versuche es. Mehr kann ich nicht tun. Ich halte mich daran. Gehe nicht mehr auf sie zu. Den Kontakt möglichst knapp zu halten, das ist mein Ziel. Es ist besser für uns beide. Ich glaube, Marlene klammert sich an ihre Liebe zu Tristan. Sie macht sich etwas vor. Oder auch nicht, ich weiß es doch auch nicht, und vielleicht sollte ich aufhören, darüber zu sinnieren. In diesem endlosen Zirkel aus trübsinnigen Gedanken und Fragen, die nichts anderes erzeugen als Kopfschmerzen und neue Fragen. Beruflich allerdings müssen wir funktionieren, seitdem die Verantwortung für die neuen Lily Rose-Kostüme in meinen Händen liegt. Aber hey, was soll's. Das, was ich empfinde, verstecke ich nun schon seit Wochen und bis auf wenige Ausnahmen kann ich mit gutem Gewissen vor mir selbst behaupten, dass mir das auch gelingt. Erstaunlich gut, wenn ich dem die Stürme gegenüberstelle, die in mir toben, tief drinnen. Die ich so grandios verstecke, dass man meinen könne, an mir ist ein Geheimagent verloren gegangen. Es ist mir egal, wenn ich irgendwann daran platze. Mir war alles egal in den letzten Tagen. Ich funktioniere. Und das verdammt gut. Im Gegensatz zu Marlene. Die aufspringt wie ein wild gewordenes Tier, sobald ich mich ihr auf drei Meter nähere. Oder sie nur meine Stimme hört. Sie sieht es nicht, sie sieht es wirklich nicht. Es ist unfassbar. War das heute Morgen peinlich. Also eher für Marlene als für mich. Ich habe nur an Tristans Suite geklopft, weil es um das Update der Kostüme geht, also rein geschäftlich. Immerhin hatte ich einen Termin mit den beiden, und hatte im Salon schon eine halbe Stunde gewartet. Dass sie bei meinem Anblick direkt wie von einer Armee von Monster-Spinnen verfolgt aus dem Bett hechtet und sich dann, und das lasse man sich jetzt mal auf der Zunge zergehen, die trockenen Haare mit einem Duschhandtuch abtrocknet, direkt am Bett, ohne jemals unter der Dusche gewesen zu sein, dafür ... kann ich nichts. Hochgeschreckt als wäre der Teufel höchstpersönlich hinter ihr her. Ich möchte nicht wissen, was sie da gerade geträumt hat. Und doch weiß ich es genau. Es war so peinlich. Und gleichzeitig so unbeschreiblich goldig. Zucker. Einfach nur Zucker. Ich musste mich so zusammenreißen, um nicht einfach los zu prusten oder auch, sie einfach nur … in meine Arme zu schließen. So hat mich das berührt, und zugleich belustigt. Marlene, was ist mit dir los? Mache ich dich nervös? Nein, aber ja, ich vergaß. Da war ja nie was zwischen uns. Das war ja nur ich. Ich, die die Kontrolle verloren hat. Und das beim Flaschendrehen war ein Spiel. Deine "Pflicht". Ja genau. Ich weiß es, du weißt es, aber rede dir nur weiter was ein. Oh mein Gott, ich sehe es wieder vor mir, diese Situation. Es war schon … sweet. Und so viel ist sicher: wenn ich nicht sowieso schon hoffnungslos in sie verliebt wäre, dann wäre ich es spätestens jetzt.

Im No Limits später habe ich dieses Szenario Christian erzählt. Der Arme, was der sich zur Zeit alles anhören muss von mir. Wird Zeit, dass Olli bald wieder kommt, dann verteilt sich das zumindest auf zwei Schultern. Aber ich meine, ich habe doch recht. Seltsam ist kein Ausdruck für das, was da heute Morgen passierte. Sie wacht auf, sieht oder hört mich … und Bang, Panik! Trocknet sich die trockenen Haare mit einem Handtuch ab und flüchtet anschließend ins Bad. Ich meine, das sagt doch alles! Irgendwas fühlt sie doch für mich, will sich das aber nicht eingestehen, und das ist auch nur allzu verständlich in ihrer Situation. Wir hätten uns geküsst, im Pool. Wäre Tristan nicht reingekommen. Wer weiß, was dann noch passiert wäre. Ich will es mir nicht ausmalen. Oder doch? Wenn ich ehrlich bin, will ich genau das. Wünsche ich mir nichts sehnlicher. Träume ich von nichts anderem. Mein Denken und all meine Empfindungen, die allmählich bedenkliche Ausmaße annehmen, sind so okkupiert durch SIE. Durch meine Sehnsüchte und Wünsche, die sich auf unerklärliche und unabänderliche Weise ausschließlich um sie drehen. Ich werde noch verrückt. Wie oft habe ich das jetzt gesagt? Bin ich es nicht längst schon? Was auch immer. Dann ist etwas Merkwürdiges passiert. Mit Christian. Christian, der mir die ganze Zeit erzählt, ich solle mir das aus dem Kopf schlagen, der mir die ganze Zeit eintrichtert, ich bilde mir das alles nur ein. Dass auch Marlene etwas fühlt. Der mir ständig einbläut, ich solle Marlene vergessen, sie sei mit Tristan zusammen und und und … genau der Christian sagt plötzlich, vielleicht sollte ich mir Gewissheit verschaffen. Dass Marlene vielleicht wirklich etwas für mich empfindet, aber das eben verdrängt, ablehnt oder sich selbst dafür hasst. Ach Christian, weißt du, als ob ich das nicht schon versucht hätte. Diese Mauer einzureißen, die Marlene errichtet hat, gleicht allerdings dem Versuch, einem Esel das Sprechen beizubringen. Oder auch einen Stein mit bloßem Händedruck in tausend Stücke zerspringen zu lassen. Die Berliner Mauer war nichts dagegen, und ich müsste erst noch wie Obelix in den überdimensionalen Topf von Zaubertrank fallen, um das zu schaffen, das zu durchbrechen. Ich muss grinsen. Wieso fallen mir in solchen Momenten immer solche bescheuerten Dinge ein? Das muss Sarkasmus sein, der mich nun heimsucht, weil ich mir nichts anders zu helfen weiß. Und ständig nur rum heulen und trauern? Ne, keine Lust mehr. Ich habe sowieso das Gefühl, ich habe bereits jede Träne geweint, die mir zur Verfügung steht. Andererseits, Christian hat das ja alles selbst mal durchgemacht, er weiß also, wovon er spricht. Vielleicht ist ja doch was dran. Vielleicht sollte ich weiter kämpfen. Weiter hoffen? Ich weiß es nicht. Es ging mir gerade wieder so, dass ich sagen kann, vielleicht … vielleicht halte ich es irgendwie aus. Gerade war ich soweit, dass ich mich zumindest mal ansatzweise, stundenweise, aus diesem quälenden Gedankenkorsett befreien konnte, dass sich durch meinen Kopf bohrt wie ein einziger langgezogener, ohrenbetäubender Pfeifton. Ein Pfeifton, der, sobald er sich verselbstständigt und mein Herz erreicht, zum großen, unsäglichen Pfeifkonzert wird und mich augenblicklich ermüdet. Quält. Fast umbringt. Und auf der anderen Seite: wer nicht kämpft, der hat bekanntlich schon verloren. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Wer immer nur auf alten, ausgetretenen Pfaden wandelt, beschreitet nie einen neuen. Nur geht es darum? Ist und war es nicht so oder so nicht nur aussichtslos, was ich da betrieben habe, sondern gleichzeitig auch verantwortungslos und einfach nur mies? Und werde ich jemals wissen, was es für sie war? Selbst wenn es so ist, wie Christian jetzt plötzlich sagt, und wie ich es schon lange fühle, selbst wenn ich mich nicht täusche, was mir niemand sagen kann … was ich keineswegs sicher weiß, dann hieße es immer noch, dass noch ein sehr weiter und langer, schmerzvoller Weg vor uns liegen würde. Ja, Rebecca, nur: ist es das nicht wert? Wie oft verliebt man sich auf eine solch fundamentale Art und Weise in einen Menschen? Dieses Gedankenkarussell. Es dreht und dreht sich immer wieder. Immer weiter. Ziel unbekannt. Wehren zwecklos. Einspruch abgelehnt. Es ist, als warte seine hässliche Fratze hinter jeder Ecke und lacht mich an. Oder auch aus.

Später musste ich die beiden treffen, Tristan und Marlene. Sie kamen ebenfalls ins No Limits. Zur Besprechung der neuen Lily Rose-Kostüme. Tristan fand meine Entwürfe super. Ich meinte, es ginge schon noch radikaler, und gemeinsam haben wir den Vorschlag entwickelt, dass Lily Rose nach dem dritten Akt als Mann verkleidet auf den Maskenball kommen sollte. Tristan und ich waren uns einig, und er wollte mich mit den Änderungen beauftragen, wenn Marlene nichts dagegen hat. Aber Marlene war irgendwie überhaupt nicht anwesend, also geistig jedenfalls nicht. Ich habe versucht, mich zusammen zu reißen, den Blickkontakt zu meiden, wo es ging. Schließlich war es gerade wieder ruhig zwischen uns geworden, und mein Gott, vielleicht habe ich mich ja auch komplett getäuscht. Oder das alles zwischen uns passierte auf ihrer Seite nur in geistiger Umnachtung, die sich einfach … keine Ahnung … wieder gewandelt hat? Vielleicht täusche ich mich. Warum sollte sie auch mich wollen? Ich meine, ehrlich, warum ausgerechnet ich? Eine Frau wie Marlene? Vielleicht bin ich größenwahnsinnig geworden, und dass meine Emotionen dazu neigen, gewisse Grenzen zu überschreiten, und dadurch oftmals dafür sorgen, dass ich mir Dinge einbilde, die nicht existieren ... ja, das weiß ich natürlich. Nur warum, warum wirkt sie mal wieder total verträumt, versunken in eine ganze andere Welt? Kann sich scheinbar nicht konzentrieren auf unsere Gespräche, die rein beruflich sind? Ist sie nicht Profi? Bin ich es mehr als sie? Ich habe zumindest gesprochen. Mich konstruktiv sachlich am Gespräch beteiligt. Obwohl mein Herz bis zum Anschlag hämmerte, und es mir mehr als schwer fiel, die Fassung zu bewahren. Sie hat nur geträumt und imaginäre Luftschlösser gebaut. Wovon nur? War es derselbe Traum wie heute Morgen, als sie sich die trockenen Haare mir einem Handtuch abrieb? Handelt der Traum von mir? Komme ich darin vor? Ist es die Fortsetzung unseres Beinahekusses im Pool? Küsst sie mich in diesem Traum wirklich? Oh man ey, Rebecca, ehrlich, komm' runter. Du könntest mal einen ordentlichen Tanja-Einlauf gebrauchen. Ich kann es ja selbst nicht mehr haben. Diese ständigen unsinnigen Gedanken. Sie nerven mich. Nerven und überkommen mich ohne jeglichen Abwehrmechanismus. Abgestellt. Unfähig. Als sie irgendwann nach gefühlten Stunden ihre Sprache wiedergefunden hatte, meinte Marlene nur, klar, Tristan sei der Produzent und entscheidet. Ich wette, sie hat kein Wort verstanden von dem, was Tristan und ich vorher besprochen hatten, was gleichbedeutend damit ist, dass sie auf die Frage, ob sie sich nackt ausziehen und in den Pool springen wolle, vermutlich ebenso mit "Ja" geantwortet hätte. Es klang keinesfalls so, als sei sie sich sicher, dass sie das will, und das habe ich sie auch so gefragt. Schwerer Fehler. Bombenalarm. Ich wage es, sie anzusprechen. Direkt hat sie mich wieder angezickt, klar sei sie sich sicher. Der Ton und ihr unter Hochspannung zu stehen scheinender Gesichtsausdruck sprechen Bände. Fast schon erschreckt es mich. HIMMEL, da brodelt wirklich ein Feuer in ihr. Ich möchte nicht wissen, was für explosionsartige Emotionsschübe ganz anderer Art, also abseits von Wut und Zickerei, sich bei einer Person wie Marlene entladen würden, die so dermaßen unter Strom und Druck steht, weil sie sich selbst und alles, was das ausmacht, permanent unter Höchstanstrengung hinter einer Maske versteckt. Wenn sie nur einmal völlig und aus tiefstem Ursprung freigelassen würde. Frei sein könnte. Sie selbst sein könnte. Das ist übrigens gelogen, denn nichts wüsste ich lieber als das. Nichts würde ich lieber hautnah erleben dürfen. Ich stelle es mir vor wie bei der Büchse der Pandora. Es muss die Leidenschaft in ihrer natürlichsten Reinform sein. Ich … ich drifte schon wieder ab. Nur im Gegensatz zu Marlene merkt man es mir äußerlich nicht an. Kann ich mich beherrschen. Aber ich weiß ja auch, was ich fühle. Ich stehe zu mir selbst statt mich selbst zu verleugnen. Ein entscheidender Unterschied. Ich bin kein Pulverfass, das kurz vor der Explosion steht, weil es sich selbst versagt, das zu akzeptieren, was es fühlt. Also, insofern ein Pulverfass eben fühlen könnte. Marlene wirkte geschockt, als ich meinte, klar setze ich mich direkt da dran und wir könnten noch heute Nachmittag die ersten Anproben zusammen machen. Offensichtlich jagt ihr die Vorstellung, allein mit mir zu sein, eine Höllen-Angst ein. Gott, so sehr kann man sich nicht täuschen, es ist so … es schreit einem ins Gesicht, dass sie mit der Situation nicht klar kommt. Nachdem Tristan meinte, sie hätte doch heute gar nichts anderes mehr vor, bestand sie darauf, dass er als Produzent beim Fitting dabei sein soll. Jaja, nur nicht allein mit mir, schon klar, Frau von Lahnstein. Echt, man kann ihr zehn Meilen gegen den Wind ansehen, wie sie durch denselben ist. Wie aufgewühlt sie ist. Stellt sich die berechtige Frage: und warum?

Christian war sofort wieder auf 180, als ich mich später noch bei einem Cocktail mit ihm ausgetauscht habe. Ja klar, es sei nur mein Job, und wir könnten dann ein bisschen aneinander rumfummeln und so. Sagt mal, habt ihr alle echt nichts Besseres zu tun, als solche dummen, unnötigen Sprüche zu reißen? Was soll das? Tristan hatte vorher auch schon sowas gebracht, von wegen er würde sich das doch nicht entgehen lassen, wenn seine kleine Schwester an seiner kleinen Lily Rose rumfummelt. Mal abgesehen davon, dass ich ihm dafür eine in seine dumme arrogante Fresse hätte klatschen können und meine stechende Eifersucht ihr Übriges tut, wenn er sie anfasst, sie küsst und anflirtet, sich mein Magen umzudrehen scheint, wenn ich nur daran denke ... abgesehen von all dem: muss sowas eigentlich immer sein? Reagiere ich da überempfindlich, oder sind solche Sprüche einfach nur scheiße? Außerdem, meine Güte, was denken die denn alle? Geht's noch? Ich bin Profi, und ich kann mich gerade noch so zurückhalten, ein Fitting auszunutzen, um jemanden anzubaggern. Ich meine, was denken die eigentlich alle, wer ich bin? Was ich bin? Wie ich bin? Notgeil? Außerdem geht es hier um alles andere als um "rumfummeln". Aber es versteht sowieso keiner, um was es hier geht. Es ist viel mehr. Bei mir. Sie bedeutet mir wirklich etwas. Ich habe so etwas noch nie zuvor für jemanden gefühlt. Und für Marlene ist es … was auch immer. Langsam habe ich einfach nur noch die Schnauze voll, die sollen mich alle in Ruhe lassen. Außerdem ist doch Tristan beim Fitting dabei, und Marlene hat sowieso nichts Besseres zu tun, als die ganze Zeit demonstrativ vor meinen Augen mit ihm rumzuknutschen. Das macht sie doch extra! Sie kokettiert damit ganz bewusst, ich spüre doch den Unterschied. Seit unserem Flaschendrehkuss und der Sache im Pool ist alles anders. Verkrampft und … kompliziert. Reden geht nicht, weil sie nicht spricht. Die Mauer und Fassade steht. Ihre Maske sitzt. Und doch bröckelt sie immer und immer wieder, ich bin doch nicht blöd. Christian sagt, sie will mir mit dem übertriebenen Rummachen mit Tristan, wenn ich dabei bin, ein Zeichen geben, dass ich sie in Ruhe lassen soll. Christian, du redest auch mal so, und mal so. Vorhin sollte ich doch noch rausfinden, was Sache ist, weil es ja sein könnte, dass Marlene sich ihre Gefühle für mich nur nicht eingestehen will? Und nun will sie mir Zeichen in Form von Küssen mit Tristan senden, dass ich verschwinden soll? Sieht es in Christians Kopf genauso wirr aus wie in meinem? Eine Hilfe ist das nicht. Diese bescheuerten Karussellfahrten machen mich wahnsinnig, sie rauben mir den letzten Nerv. Meine Kraft ist sowieso schon lang weg, und ich merke einmal mehr, wie ich langsam ermüde. Ich werde das jetzt aufgeben. Will diesen ganzen von Anfang an dem Untergang geweihten Scheiß jetzt endlich hinter mir lassen. Ich bin fest entschlossen. Ich war fest entschlossen. Nein, genau das werde ich in Zukunft tun! Ich werde mich fernhalten von ihr. Werde professionell meinen Job machen, und ansonsten kann sie mich. Ich meine, soll sie doch alleine mit ihren Gefühlen klar kommen. Oder auch nicht. Ist mir egal jetzt langsam. Christian hat nur doof gegrinst, und mir nochmal klar gesagt: es ist wie im französischen Film, ich bin in die Frau meines Bruders verliebt, und diese Filme haben meistens kein Happy End. Jaja, ich hab' es ja verstanden, und eines steht fest: Ich werde keinen Fehler machen. Ich werde mir nichts zu Schulden kommen lassen. Ab jetzt heißt es, Rebecca von Lahnstein, nimm' deinen Verstand und nutze ihn. Setze ihn ein und vergiss' all diesen anderen gefühlsduseligen Mist. Denn der bringt dich nicht weiter. Vielmehr ist er dein Verderben. Und keine Frau der Welt ist das alles wert. Diese Knoten im Kopf. Diese Krämpfe in der Brustgegend. All dieses Gefühlswirrwarr im permanenten Wechsel zwischen Schuld, Liebe und Wut. In 180 Sekunden an die Decke und auf den harten Boden zurück, der bei jedem erneuten tiefen Fall härter zu werden scheint und zunehmend mehr Schmerzen hervorruft. Das Ganze 24/7. Christian meinte, ich solle diese Fitting-Aktion abblasen, um eben genau dies zu tun: keinen Fehler zu machen. Aber ganz ehrlich, würde ich das tun, würde ich damit doch nur noch mehr signalisieren, dass ich etwas für Marlene empfinde. Nein, den Gefallen tue ich ihr nicht. Vielleicht habe ich nicht viel, aber was ich habe, ist Stolz. Ich werde beweisen, dass ich es bin, die hier souverän ist. Da muss ich jetzt durch und hey, wie gesagt: ich bin Profi, und genau so ziehe ich das jetzt auch durch. Wäre doch gelacht. So dachte ich.

Natürlich … kam es anders. Es ist wie immer im Leben. Es kommt immer anders, als man denkt. Es könnte nur auch mal besser kommen als gedacht, so zur Abwechslung. Aber das Glück haben eben andere gepachtet. Eigentlich … war es ja schon immer so, ich meine, worüber wundere ich mich. Es war bei Gregor so. Bei Christian. Miriam, okay, die berühmte Ausnahme, nur … es ist sowieso egal, denn nichts, gar nichts, nichts auf der ganzen, weiten Welt ist in punkto Intensivität auch nur annähernd irgendwie vergleichbar mit dem, was ich für sie, für Marlene, empfinde. Es berührt mich alles so sehr, wie ich es nie für möglich gehalten hätte. Diese ständigen Aufs und Abs, diese Höhen und Tiefen an den Polenden zwischen extrem positiv und extrem negativ. Das Fehlen des Kontinuums in der Mitte. Der Balance. Diese permanente Achterbahn der Gefühle ist das Übelste, was ich je erlebt habe. Und gleichzeitig das Wundervollste. Und gleichzeitig das Wundervollste. Das Faszinierendste. Das Höchste und Tiefste zugleich. Das Fitting. HIMMEL, ist das aus dem Ruder gelaufen. Ich zittere immer noch. Ob aus Schmerz oder Zorn vermag ich nicht zu sagen. Es ist einfach nur da. Ich zittere, und mein gesamter Körper bebt. Vielleicht ist es am Ende einfach die Hilflosigkeit. Eines der schlimmsten Gefühle, die es gibt. Schlimmer ist nur Mitleid. Aber meine Schuld war das nicht. Ach komm' Rebecca, als wenn es hier um Schuld geht. Schuld? Was ist Schuld? Mir ist scheißegal, wer schuld ist. Es ist Scheiße gelaufen, und es hat mich verletzt. Tief verletzt. Heute hat sie es endgültig geschafft. Ich habe mich zusammengerissen, so wie ich es mir vorgenommen hatte. Was mich das gekostet hat, kann ich nicht in Worte fassen. Ich sehe sie an, und bin verzaubert. Ich sehe sie nochmal an, und versinke in ihren blauen Augen. Diese Augen, die wie Kristalle funkeln und je nach Lichteinstrahlung die Farbe von blau nach grün und zurück wechseln wie von einem sanften Zauber begleitet. Will sie berühren, spüren. Sie in den Arm nehmen, streicheln, sie küssen. Ihren warmen Atem auf meinen Lippen spüren. Ihre Nähe. Ihren betörenden Duft. Es laufen Bilder und Filme ab in mir, meine Phantasie läuft zur Hochform auf, mein Magen vibriert. Werde von einem Glücksgefühl erfasst, dass mich beinahe zerspringen lässt. Aber … ich habe mich unter Kontrolle. Ich habe keine Ahnung, warum es klappt, aber ich kann es. Weil ich es will. Weil ich nichts tun möchte, was sie verletzt, was nicht gut ist für sie. Ich möchte nichts, was sie nicht auch möchte. Ich bin paralysiert, und nehme Rücksicht. Eine Mischung aus emotionaler und rationaler Steuerung, und es … es funktioniert. Nur bei ihr, bei ihr funktioniert irgendwie gar nichts mehr. Diesmal ist sie nicht nur zickig geworden. Diesmal hat sie mich nicht nur böse angezischt. Diesmal hat sie nicht kokettiert oder so getan, als sei nichts. Nein, diesmal ist sie komplett und mit allem, was sie hatte, ausgerastet. Sie hatte sich null unter Kontrolle. Solange Tristan dabei war, ging es noch. Wir haben die Änderungen an einem Blazer besprochen. Marlene wollte nicht, dass es aussieht wie ein Sack. Ich habe ihr erklärt, was ich vor hatte, und Tristan schlug dann vor, sie solle es doch einfach mal anprobieren, weil man es sich sonst nicht vorstellen könne. Soweit so gut. Ich habe genau gemerkt, wie Marlene wieder anfing rum zu zicken. Aber das ist man ja gewöhnt von ihr, das fällt niemandem mehr auf. Das ist mehr oder minder der Normalzustand, an den man sich gewöhnt wie eine Mutter an das Kindergeschrei, nämlich indem man auf Durchzug schaltet. Aber diesmal ist es mehr als das. Scheinbar sehe nur ich, dass sie ihr gewöhnliches Raster durchbricht. Dass sie auf einer internen Marlene-Zicken-Skala Stufe für Stufe höher erklimmt. Und ich selbst bin der Faktor, der diesem Vorgang sein exorbitantes Wachstum verschafft. So viel ist klar. Mir jedenfalls. Offensichtlich war es ihr unangenehm, sich vor mir umzuziehen. Klar, weil ich da was sehe, was ich noch nie vorher gesehen habe? Ich gebe ja zu, dass es mich nicht gerade kalt lässt, und sicherlich auch nervös macht, wenn sie sich vor mir umzieht. Nur, wir sind … doch keine instinktgetriebenen Tiere. Ähm, wie war das mit dem Instinkt? Gut, ja Instinkt, mein Instinkt sagt mir, dass ich diese Frau will. Mit Haut und Haaren. Mit allem, was ich habe. Aber dennoch. Hallo? Ich kann mich beherrschen, und du solltest das auch tun, Marlene! Die Frau ist echt anstrengend! Als sie den Blazer angezogen hatte, bin ich zu ihr, und habe gesagt, dass ich den Rock gern durch eine Hose ersetzen würde, und dass sie keine Angst haben bräuchte, es würde trotzdem sexy bleiben. Ich habe mir den Blazer genauer angesehen, und ein wenig hier und da zurecht gerückt, so wie es eben einfach nur normal für eine Anprobe ist. Stechend. Brennend. Stark. Unerträglich. Die ganze Zeit habe ich schon ihre Blicke bemerkt. Es war ihr mehr als unangenehm, von mir berührt zu werden. Es war, als flossen statt Blutkörperchen Millionen Volt durch ihre Adern. Es war, als würde sich das pulsierend auf mich übertragen. Es war, als könne man mit diesen Funken den Strom erzeugen, der ganz New York versorgt. Für eine ganze Woche. Oder mehr. Bei einem professionellen Umgang während eines Fittings durch zwei Kleiderschichten hindurch. Ich bekomme Fieber, wenn ich daran denke. Heiß ist kein Ausdruck. Hallo, das ist doch nicht normal? Ausgerechnet dann … geht Tristan. Er musste weg, wegen der Sache mit dem Steuerberater. Marlene stand das Entsetzen ins Gesicht geschrieben. Ehrlich gesagt, mir innerlich auch. Oder nicht. Keine Ahnung, ich hatte mich auf jeden Fall mehr im Griff als sie. Ich meine, wir waren bei LCL, was soll passieren? Nichts, was nicht schon längst passiert wäre. Ja Marlene, die schlimmsten Wahrheiten sind die, die man sich selbst nicht eingestehen will. Krampf ist kein Ausdruck für dich. Die pure Panik. Ja klar, weil nun ist sie allein mit mir, und das steigert den Druck ins Unermessliche. Sie hat Tristan regelrecht angebettelt zu bleiben und tausend Vorschläge gebracht, wie der Steuerberater das Problem allein lösen sollte. Gerade, dass sie nicht auf Knien vor ihm herumgerutscht ist. Also, unauffällig ist was anderes. Professionell auch. Irgendwann habe ich fast schon in mich rein gegrinst. Andererseits bin ich absolut professionell geblieben und habe ihr nur gesagt, dass wir das wohl gerade noch allein hinbekommen.

Und dann … ehrlich, also plötzlich und ehe ich in irgendeiner Weise reagieren kann, geht sie ab wie eine Rakete. Es ist als wenn unzählige Bomben auf mich einschlagen. Hagel, Blitz und Donner zusammen. Schlimmer als das. Heftig. Feuer frei. Quasi DIE Diva-Super-Action schlechthin. Das geht zu weit. Meine Wut stieg sekündlich. Innerlich. Und doch blieb ich ruhig. Nach außen. Gleichzeitig eine Faszination, die ihres gleichen sucht. Das ist so … sexy. Ich kann es nicht leugnen, will es nicht leugnen. Wenn sie so abgeht, erfüllt sich der ganze Raum mit Energie. Auf einen Schlag. Pure Stromstöße, die einen erfassen und nicht mehr loslassen. Stehe da und sehe sie an. Mir wird heiß. Bin gleichzeitig paralysiert, kann mich nicht bewegen. Nicht reagieren. Nichts sagen. Und dennoch: das geht so einfach nicht. Die Wut gewinnt. Krampft in mir. Steigert die tief verbarrikadierte Energie rapide. Gepaart mit der von Marlene ausgehenden Energieübertragung kommt es auch bei mir zur Explosion. Platzt am Ende auch mir der Kragen. So einen Scheiß muss ich mir nicht bieten lassen. Ich habe lediglich meine Arbeit gemacht, habe sie angesehen und kleine Änderungen am Outfit vorgenommen. Sie sollte sich drehen, und okay, unter dem Blazer hatte sie nur einen BH an. Herrje, eben so, wie es das Kostüm vorsieht. Dafür kann ich nichts. Also schon, weil ich habe es entworfen, aber ehrlich, das … ist keine Argumentation. Abgesehen davon, dass die Art und Weise, wie Marlene und ich in diesem Moment kommuniziert haben, mit Argumentation nichts mehr zu tun hatte. Sinn und Verstand fehl am Platze. Und eigentlich ging es ja auch um etwas ganz anderes. Etwas viel Tieferes, das nicht erst seit gestern in uns beiden brodelt. Auch wenn ich mich innerlich kaum halten kann, es mich umbringt, ich zu platzen drohe vor Verlangen und Begehren, weil … einfach weil diese Frau so verdammt … atemberaubend, schön und anziehend ist und eine Magie auf mich ausübt, für die ich weiterhin keine Worte finde, sich alles in mir erhellt, im Licht, durch diese Reinheit und Anmut, die andere nicht haben, sie alles hat, was mich um den Verstand bringt … ich schwöre, ich war jederzeit Profi und habe nichts anderes getan als meine Arbeit. Alles andere spielt sich in mir ab, in mir allein. Sie sieht mich einfach nicht, und es bringt mich um. Sie sieht mich doch, und es trifft mich wie ein Feuerwerk. Es ist alles so … unfassbar durchdringend. Ich sagte lediglich, dass wir am Blazer wohl noch mit Tape arbeiten müssten, damit er perfekt sitzt, und die Zuschauer nicht mehr zu sehen bekommen, als sie sollen. Das war keine sexuelle Anspielung. Oder doch? Meine Güte, also nein … das war es nicht. Vielleicht habe ich dabei leicht ihr Dekolleté berührt. Ja, sowas kommt vor in einem Fitting. Hin und wieder. Gewöhnlich. Ganz normal. Täglich. Das ist verflucht nochmal nicht der Rede wert. Sie hat sofort zurückgezuckt und den Blazer verschlossen. Nervös. Aufgeregt. Hektisch. Mehr als gereizt. Als ich ihr noch den schmalen schwarzen Schal anlegen wollte, den ich mir sehr gut dazu vorstellen könnte, war es komplett vorbei. Sie ist total ausgerastet. Hat mich angebrüllt, ich solle die Finger endlich von ihr lassen und kapieren, dass sie nix von mir wolle. Ich stand … einfach nur da. Perplex. Konsterniert. Fassungslos. Tief in mir wandelte sich die Bewegungsunfähigkeit und Reaktionsstarre langsam in aufkeimenden Zorn. Die Hände langsam zu Fäusten geballt. Geballt, erhoben und reingeschlagen in den imaginären Sandsack vor meinem inneren Auge. Mit allem, was ich habe. Es muss raus. Und bleibt doch in mir, denn all das spielt sich in meinem Innersten ab, wo sich in solchen Momenten alles stoßweise verkrampft. Die Wut, die in mir tobt wie ein Orkan. Aber kein Ventil nach außen findet. Bebt und schwelt. Gedanken, die meinen Kopf durchfluten. Unsichtbar nach außen. Das Sichtbare übernimmt Marlene. Ganz allein. Fassungslos war auch sie, nur auf … eine andere Art. Gesteuert durch die Umkehrung ihres inneren Drucks nach außen. Komisch, bei sowas kann sie es. Sich nach außen ausdrücken, sich Luft verschaffen. Luft verschaffen. Wie ein Blitz durchfährt mich dieser Gedanke. Vielleicht ist das der Grund, warum sie exakt in dem Moment austickt, als ich ihr einen Schal um ihren Hals lege. Vielleicht bleibt ihr die Luft weg. Die, die sie schon die ganze Zeit anhält, weil sie meine Nähe nicht ertragen kann. Scheinbar steht sie so unter Strom, dass sie wie eine Sicherung plötzlich aus der Fassung knallt. Rein symbolisch lege ich sie mit dem Schal vielleicht an die Kette. Am Hals. Raube ihr den Atem ausgerechnet an der Stelle, an der der Körper zu wesentlichen Anteilen mit Luft versorgt wird. Vielleicht denkt sie so. Nein, fühlt so. Vielleicht unbewusst. Unterbewusst. Nein, vielleicht wirkt es so auf sie. Wirkte es. Vielleicht liegt sie längst an der Kette. Weiß es aber noch nicht. Vielleicht hat sie davor Angst. Fühlte sich wieder bedrängt? An der emotionalen Kette, die keine wirkliche ist im Sinne von gesteuert. Und doch die stärkste, die es geben kann. Denn sie entsteht freiwillig. Aus Gefühlen, die von selbst entstehen. Nur in dir selbst, Marlene. Ich tue nichts. Es ist das, was in dir selbst entstanden ist und dich in Nervosität versetzt, sobald ich dir zu nahe komme. Frage dich, was es ist. Nein, das tut sie nicht. Sie verschafft sich Luft, vermutlich weil sie tatsächlich keine mehr bekommt. Sie brüllt und läuft einfach abrupt weg. Ich stehe da. Reglos. Immer noch. Während in mir das tobt, was sie raus lässt. Ausspuckt und mir entgegen schreit. Wie wäre es mal mit der Wahrheit, Marlene? Wie wäre es mal mit Reden in sinnhafter, geordneter Reichenfolge? Mit ehrlicher Konfrontation mit dem, was zwischen uns war, anstatt nur um dich zu schlagen, ohne Sinn und Verstand? Dein Herz spricht schon lange, bevor du es ahnst. Bevor dein Kopf es begreift, dein Verstand es erfasst. Du weißt es nur noch nicht. Kannst es nicht zuordnen, verstehst dich selbst nicht mehr. Wenn ich daran denke, zittere ich schon wieder. Und ich bin so wütend. Habe keine Lust, immer nur Verständnis zu zeigen. Ich bin auch noch da. Und ich bin nicht dein Fußabtreter, Marlene. Nicht deine Zielscheibe. Ihre Stimme hat gebebt und sich zu mindestens einer Oktave höher aufgeschwungen. Sie hat mich sogar körperlich richtiggehend von sich weggestoßen. Was habe ich denn getan? Das ist doch keine Anmache gewesen. Die spinnt doch total! So einen Scheiß brauche ich mir wirklich nicht bieten lassen. Ich will irgendwo reinschlagen. Aber ich kann nicht. Es dringt nichts nach außen durch. Äußerlich bleibe ich ruhig. Und doch koche ich. Immer noch. Innerlich. Soll sie sich doch mal fragen, warum sie so reagiert.

gez. Rebecca süß von Lahnstein


- 29.05.2012 -


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BeitragVerfasst: 29.05.2013, 17:56 
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Beste Quotes der Folge 4081:

Tristan: Marlene?! Du trocknest dir gerad' die Haare ab.

Rebecca: Das war total seltsam. Sie wacht auf, sieht mich und Bang, Panik. Ich mein', sie ist regelrecht geflohen. Zack ins Bad.
Christian: Und wie deutest du das?
Rebecca: Ich weiß nicht, sie ist durcheinander. Irgendwas fühlt sie für mich, traut sich aber nicht, sich das einzugestehen.

Rebecca: Ach Mann, wenn schon nichts passiert, dann muss ich wenigstens drüber reden.

Christian: Ja, meinst du, ich hätte gedacht, dass ich mich mal in nen Mann verliebe? Und dann kam Olli.

Tristan: Wir nehmen Rebecca, weil sie gut ist, weil sie den Zeitgeist lebt und weil sie hot ist.
Marlene: [verträumter Blick, seufzt] Vielleicht.

Rebecca: Ja, das klingt so, als ob noch ein weiter Weg vor uns liegt!

Josie: Süß, die beiden. Immer schön, wenn sich zwei lieben.
Marlene: [schreckt hoch] Mhm? Was? Ja … ganz toll. [räuspert sich, atmet tief durch]
Josie: Wer von den beiden glaubst du ist der Mann in der Beziehung? Also ich mein' im Bett?
Marlene: [unbezahlbarer, leicht angewiderter Blick]
Josie: Ich würd' sagen, die rechte.
Marlene: [zickig] Keine … Ahnung?!
Josie: Ob die sich rasieren?
Marlene: [stöhnt genervt auf]
Josie: Oder sind das eher so Dschungelkämpfer?
Marlene: Ahhh, verschon' mich mit deiner Klischeehölle, bitte!!! [seufzt] Tisch drei hat keinen Kaffee … wenn du so freundlich wärst? Danke. [interessierter Blick zu den zwei Frauen, leichter Biss auf die Unterlippe = unbezahlbar]

Josie: Ist alles gut bei euch?
Tristan: Ja, wieso?
Josie: Marlene ist heut' irgendwie seltsam.
Tristan: Künstlerin!

Marlene: [verträumter Blick, Tristan legt von hinten seine Hände auf ihre Augen] Hey!!!
Tristan: [hebt abwehrend die Hände] Hey!!! Ich … ich bin's nur.
Marlene: Ja wo … ja woher hätt' ich das denn wissen sollen?
Tristan: Wen hast du denn erwartet? Frankenstein?
Marlene: [entsetztes Gesicht, fällt Tristan um den Hals, atmet mehrmals laut und tief durch] Ich will dich niemals verlieren, hörst du? Nie!

Tristan: Ich lass' es mir doch nicht entgehen, wenn meine kleine Schwester an meiner kleinen Lily Rose rumfummelt.
Marlene: [entsetzter Blick in Richtung Rebecca]

Christian: Ja klar, das Ganze ist nur ein Job. Ihr könnt' nen bisschen aneinander rumfummeln, und äh, könnt' mit den Nadeln und mit den Knöpfen spielen.

Rebecca: Nein, ich bin Profi. Ich hab' mich unter Kontrolle.

Rebecca: Naja, wir müssen hier mit Tape arbeiten.
Marlene: [zuckt zurück] Um … was genau zu erreichen?
Rebecca: Naja, wir wollen ja nicht, dass was verrutscht.
Marlene: Was soll'n verrutschen?
Rebecca: Naja, ich hatte mir vorgestellt, dass du nur diesen BH unter der Jacke trägst, und wir wollen ja nicht, dass die erste Reihe was zu sehen kriegt, wofür sie nicht bezahlt hat.
Marlene: Ist das … denn jetzt das … Outfit für die … für die Maskenball-Szene?
Rebecca: Ja. Für deine große Verführungsszene. Aber in diesem Teil kriegst du glaub' ich jeden rum.
Marlene: [atmet tief durch, holt Luft] Ach, ich … [schüttelt den Kopf] keine Ahnung, ist das nicht irgendwie vielleicht nen bisschen …?
Rebecca: Nein, das ist der Hammer. Kultiviert, androgyn, sexy. Ah, und … ähm … diesen Schal könnt' ich mir sehr gut dazu vorstellen. [legt Marlene den Schal an]
Marlene: [schließt die Augen, rastet aus, stößt Rebecca weg] Boah Rebecca, lass' das endlich, okay?!! Kapierst du's eigentlich nicht, ich … ich will nix von dir, also hör' auf, mich die ganze Zeit anzumachen!!!


Zuletzt geändert von Cubidoo am 30.05.2013, 08:14, insgesamt 1-mal geändert.

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BeitragVerfasst: 29.05.2013, 18:48 
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Cubidoo hat geschrieben:
Marlene: [i]Ahhh, verschon' mich mit deiner Klischeehülle, bitte!!!


Schöne Schmacht-Zitate. :romeo: Danke für's Zusammenstellen. Aber Josie brät in der Klischeehölle, oder? :herzbrennen:


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BeitragVerfasst: 30.05.2013, 08:14 
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Heidi.M hat geschrieben:
Cubidoo hat geschrieben:
Marlene: [i]Ahhh, verschon' mich mit deiner Klischeehülle, bitte!!!


Schöne Schmacht-Zitate. :romeo: Danke für's Zusammenstellen. Aber Josie brät in der Klischeehölle, oder? :herzbrennen:


Äh, ja, natürlich ist das keine Hülle, sondern die Hölle, verbessere es gleich mal, danke dir für den Hinweis :-)


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BeitragVerfasst: 31.05.2013, 17:47 
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Heute hier einen Tag zu spät, da ich wegen Überlänge in anderen Foren gestückelt habe. Hier dafür aber komplett am Stück :D

One year ago today …

Das Tagebuch der Rebecca von Lahnstein

- Teil 13 -


Liebes Tagebuch,

ich könnte mich immer noch aufregen. Nein, vielmehr rege ich mich immer noch auf. Was soll das alles? Was habe ich eigentlich getan? Mir fehlen die Worte für das, was da gerade passiert. Ich habe keine Ahnung, ob ich jetzt traurig oder wütend sein soll. Mich vergraben oder einfach mal alles aus mir rausschreien will. Ich weiß nur, dass ich einem permanenten tief in mir schwelendem Brand ausgesetzt bin wie eine Spinne, die sich in ihrem eigenen Netz gefangen an. Die da nicht mehr raus kommt. Ich drehe mich, alles dreht sich, gefühlt immer und immer wieder im Kreis. Es gibt keinen Anfang und kein Ende. Kein Ziel und kein Entkommen. Ich bin so … wütend. Aber es kommt nichts raus. Also zuerst zumindest. Ich lasse mir einfach alles gefallen von ihr, und wehre mich nicht. Ich kann nicht in Worte fassen, wie verdammt beschissen sich das anfühlt. Was ist das? Ich bin doch sonst nicht auf den Mund gefallen. Und bieten lassen muss ich mir das nun wirklich nicht. Was ist los mit dir, Rebecca. Ernsthaft, was ist los? Die ganze Zeit spreche ich von Druck, von Zwang, von allem anderen als frei sein, wenn ich von IHR spreche. Mache Marlene innerlich und unausgesprochen den Vorwurf, nicht ehrlich zu sein. Nicht das zu sagen, was sie denkt. Nicht so zu handeln, wie sie fühlt. Und jetzt … jetzt fühle ich mich selbst so. Es ist als braue sich ein langsam, aber kontinuierlich stärker tobender Sturm in mir auf, tief drinnen. Ein Sturm, der genauso an meinen inneren Mauern scheitert wie ich an Marlenes äußerer Betonwand. Er nimmt mir die Luft zum Atmen, und das … fühlt sich nicht mehr gut an. Marlene spinnt doch komplett! Sie wirft mir tatsächlich vor, ich hätte das Fitting ausgenutzt, um sie anzugraben. Die hat doch nicht mehr alle Tassen im Schrank. Ich habe meine Arbeit gemacht, und zu einer Anprobe gehört eben auch, dass man sich ab und zu berührt, beim Abstecken. Das ist völlig normal und gehört dazu. Und wenn Madame damit nicht klar kommt, und sich so wenig im Griff hat, dann sollte sie sich vielleicht besser mal selbst die Frage stellen, warum das so ist? Normal ist das nicht. Sie war sowas von aufgeregt, und hat es partout nicht ausgehalten in meiner Nähe. Die Anspannung hätte ich auch noch durch zehn Kleiderschichten so deutlich gespürt als fließe sie durch meine eigenen Adern. Es hat gewirkt, als bekäme sie gar keine Luft mehr. Als halte sie sie an, bis zum Verderben. Bis sie umfällt. Als würde der Schal ihr die Luft zum Atmen nehmen. Oder eben nicht der Schal. Sondern ich? Wem will sie eigentlich etwas vormachen? Oder was auch immer. Ehrlich, ich war so durch den Wind, dass ich völlig unfähig war zu reagieren. Und das ärgert mich. Ich hätte ihr direkt die Meinung sagen sollen. Diva hin oder her, so kann sie nicht mit mir umgehen. Es gibt Grenzen. Ich kann mir nicht alles gefallen lassen.

Nur ist für mich die Lage jetzt klar: sie hat Gefühle für mich. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Und das ist auch der Grund, warum sie derart ausrastet. Warum sie komplett neben sich steht, sobald ich auf der Bildfläche auftauche. Warum sie so durch den Wind ist, dass sie keine Chance mehr hat, sich professionell zu verhalten, sobald ich mich ihr auf weniger als einen Meter nähere. Im Grunde fängt es ja schon an, wenn wir nur irgendwie irgendwo in einem Raum sind. Wahrscheinlich kann sie das alles nicht zuordnen, hat Angst, was weiß ich. Ich meine, ich kenne das ja. Das erste Mal Gefühle für eine Frau zu haben ist keine einfache Geschichte. Es zieht einem den Boden unter den Füßen weg. Es hebt dein ganzes Leben aus den Angeln, nichts scheint mehr so zu sein wie es war. Und man fängt erst einmal an, all das zu verleugnen, was damit im Zusammenhang steht. Ja, ich kenne das. Auch ich habe das erlebt, keiner kann es so gut nachvollziehen und nachempfinden wie ich. Ich verstehe das. Auch, dass es in Marlenes Fall noch viel schwerwiegender ist, weil … eben weil sie mit meinem Bruder zusammen ist. Scheiße, Tristan! Meine Güte, Rebecca, komm' mal runter. Du redest nicht und schreibst dich dafür in Rage. Oder ins Nirvana. Wie man es auch nimmt, kein Mensch weiß, was hier die Realität ist. Ich weiß es jedenfalls nicht mehr. Aber wie auch immer. Was auch immer da vorgeht in Marlene, ob sie Gefühle für mich hat oder nicht, das alles ist verdammt nochmal einfach noch lange kein Grund, mich so dermaßen unverschämt anzufahren und als notgeile Verführerin hinzustellen, die es nötig hat, Anproben zur Anmache auszunutzen. Ich habe auch meine Grenzen, und die sind jetzt erreicht! Auch wenn, oh man ey, aber diese Frau macht mich wahnsinnig. Ich war so sauer, die Stoffballen haben das anschließend zu spüren bekommen. Nur … HIMMEL, irgendwo muss der ganze Mist ja hin. Ich rede nicht. Ich stehe vor ihr und werde jedes einzelne Mal wie von Geisterhand in einen Paralysezustand befördert, der seinesgleichen sucht. Der mich fest umklammert wie ein eisiger Schleier aus einem nie dagewesenen, nie für möglich gehaltenen Potpourri aus Emotionen, die nicht greifbar sind. Die sich anfühlen, als seien es nicht meine, weil ich sie nicht steuern kann. Und die mich dennoch so existentiell erreichen und treffen, dass es mich handlungsunfähig macht. Irgendwohin muss … ich muss … ja, am liebsten wollte ich irgendwo reinschlagen. Die Stoffballen kamen mir gerade recht. Ich habe die Dinger vom Tisch gefegt, und noch einiges mehr, aber … okay, es tat gut. Wenigstens tat es gut. Ändern tut es gar nichts. Es verschwindet nicht. Es geht nicht weg. Es verfolgt mich, und ich bin machtlos. Selbst wenn sie so unfair ist, so dreist, und mich völlig zu Unrecht anblufft, ich kann nicht anders als … das muss aufhören, echt, das muss endlich aufhören. Es macht mich verrückt, sie macht mich verrückt. Warum kann man die Zeit nicht zurückdrehen, warum gibt es keinen Knopf, um Gefühle abzustellen? Ich schmeiße bei LCL Stoffballen durch die Gegend und steche mich vor lauter Wut an Nadeln. Das ist gestört. Und was hilft es? Nichts! Rein gar nichts. Es hört und hört einfach nicht auf … ich weiß nicht, ob vor Wut oder Traurigkeit, aber ich habe geweint nach diesem Auftritt … nachdem Marlene nach ihrem beispiellosen Ausbruch einfach weggerannt ist, obwohl wir noch nicht fertig waren. Ich war verzweifelt. Schon wieder.

Christian. Du musst mir helfen. Bitte. Sag' mir irgendwas, damit ich nicht durchdrehe. Christian konnte gar nicht richtig sprechen am Telefon, weil er … keine Ahnung, wohl in der WG war, und die anderen um ihn herum flaniert sind. Und ja, es weiß ja keiner was davon. Es darf ja auch keiner wissen. Es ist unerträglich. Wieviel innere Spannung kann ein Mensch aufbauen, bevor er platzt? Ich hatte in diesem Moment das Gefühl, ich stehe kurz davor. Lange kann ich es nicht mehr zurückhalten, kann ich mich nicht mehr zusammenreißen. Auch nach außen nicht. Scheiße, ich will auch mal einfach nur schreien. Oder heulen. Oder irgendwo rein treten. Oder … ich weiß es nicht. Es ist sowieso egal, was ich tue.

Christian ist so süß. Ein wahrer Freund. Er kam nämlich sofort vorbei. Wir haben uns in der Mittagspause in der Schlossküche getroffen, nachdem er am Telefon nicht ungestört reden konnte. Er hat sich wieder mal den ganzen Mist anhören dürfen. Okay, ich gebe es zu, ich hab' ihn mit Roter Grütze bestochen, die leckere von Frau Linse und … jetzt muss ich grinsen, aber Essen wirkt ja immer bei Christian. Ich weiß schon, was ich da tue. Ich habe ihm alles erzählt, also dass ich Marlene nicht angemacht habe, und absolut professionell war. Obwohl ich nichts anderes lieber getan hätte, als sie zu küssen, zu streicheln, festzuhalten … wo … wo sie so halb nackt vor mir stand. Gut, das ist übertrieben, aber hey … dieser Blazer mit einem Dekolleté soweit das Auge reicht, ist ohne Zweifel absolut genug, um mich in Zustände zu versetzen, von denen ich jetzt am besten nicht wieder anfange. Aber das ist ja auch egal, denn der entscheidende Punkt ist, dass ich es eben nichts getan habe, und mich absolut im Griff hatte. Ich habe lediglich meinen Job gemacht. Professionell. Souverän. Ruhig und sachlich. Und das ist die einzige Wahrheit. Also abgesehen von der in mir drin. Von diesem Paralleluniversum, in dem mein Herz durchgehende, nicht zu kontrollierende Privatvorstellungen gibt, eher schon wilde Partys feiert, aber das … das sieht ja keiner. Fakt ist, Marlene bildet sich das alles nur ein, also, dass ich sie anmachen will. Und warum wohl rastet sie so aus, wenn wir uns nahe kommen? Selbst im beruflichen Kontext? Es liegt doch einfach auf der Hand, und das habe ich Christian so auch gesagt: Marlene hat Schiss, weil sie sich das erste Mal in ihrem Leben von einer Frau angezogen fühlt! Dafür brauche ich keine Bestätigung, weder von Christian noch von sonst irgendwem. Ich weiß, dass es so ist. Ich weiß es schon lang, und sie … weiß es eben nicht. Noch nicht. Mir wurde sofort wieder heiß, und mein innerer Zornpegel nahm schon wieder gefährliche Ausmaße an. Und auch nach außen habe ich mich diesmal in Rage geredet. Die Fassung kurz verloren. Die Wahrheit gesagt. Oder die meines Traums? Diese meine imaginäre, ganz ureigene und selbstgebastelte Wahrheit, die in Wirklichkeit ein Luftschloss ist? Schlicht und ergreifend nur das ist, was ich mir so sehr wünsche? Wonach ich mich Tag für Tag, Stunde um Stunde mehr sehne? Das, was ich mir einbilde? Es ist zu spät, ich habe es gesagt. Laut. Dass ich Marlene alle Zeit der Welt gebe, ich gebe ihr alle Zeit der Welt, aber eben nicht, wenn sie sich so aufführt, wild um sich schlägt und dabei auf meinen Gefühlen herum trampelt! Ich kriege kaum Luft, als ich es sage. Sage es zu Christian. Gott sei Dank. Ich kann es nicht immer für mich behalten, was ich wirklich denke. Was mir mein Herz sagt, und was ich einfach so tief spüre, dass es nichts anderes sein kann als … irgendwann bin ich wieder da, in der Realität, und sehe, dass Christian mich so komisch ansieht. Drehe mich um. Mir stockt der Atem. Mein Herz rast. Da steht sie. An der Treppe zur Küche. Marlene! Das kann jetzt nicht wahr sein. Schlimmer geht's nicht. Welch grandioser Erfolg. Muss ich eigentlich in jedes Fettnäpfchen treten, das sich so bietet?

Dann kam, was kommen musste. Marlene taucht später wieder bei LCL auf. Ich war gerade in einer Besprechung mit Boris, bei der ich ohnehin schon mehr als unkonzentriert war. Wie auch? Wie kann man konzentriert sein, wenn diese Frau alle zur Verfügung stehenden Gedankenströme okkupiert. Und das auch noch auf eine mehr als unsystematische keineswegs zielführende Art und Weise. Was kommt jetzt? Ich hatte echt Angst. Ein schlechtes Gewissen. Sie hat alles mit angehört. Nun weiß sie, wie ich denke. Das, was an ihrer perfekt errichteten Mauer bisher abgeprallt ist, steht nun im Raum. Hat sich metaphorisch betrachtet zumindest mal ein zaghaftes Zelt vor ihrer Mauer errichtet. Worte, von denen sie nie wollte, dass sie sie erreichen, haben sie nun erreicht. Dinge, die sie mit einer Inbrunst von sich fernhält als sei es das Schlimmste, was ihr widerfahren kann, liegen nun auf dem Tisch. Können nicht mehr ignoriert werden. Im Prinzip ist das etwas Gutes, dachte ich noch. Das war es doch, was ich wollte. Darüber sprechen, klare Worte. Aber ein Blick genügte, um zu wissen, dass ich falsch liege. Dass ihre Armee von Kräften, die sie von der eigenen Selbstreflexion abhalten, völlig intakt ist. Sie baut sich vor mir auf. Stolziert daher. Mit verschränkten Armen. Körpersprache ist alles. Offenheit sieht anders aus. Auf jemanden locker, friedlich oder öffnend zugehen auch. Sie hat mein Gespräch mit Christian mitbekommen. Entweder es hagelt gleich die nächsten divernden Bombeneinschläge oder … oder sie … sie tut einfach so als sei nichts. Jetzt kann ich wählen, ob ich mich am Feuer verbrennen oder im Eis erfrieren möchte. So fühlt es sich an. Ich spüre mein Herz von innen gegen Wände pochen, als möchte es am liebsten aus mir herausspringen. Marlene stichelt sofort los. Ob ich mit Christian meine abenteuerlichen Theorien über ihr Gefühlsleben fertig diskutiert hätte. Und dann macht sie dicht. Ich hatte es geahnt. Sie tut so als sei nichts. Als sei nie etwas gewesen. Ich sehe sie an und sehe, was los ist. Sie kocht innerlich. Feuer nach innen, Eis nach außen. Das hält sie nicht lange durch, denke ich noch. Aber gut Marlene, du willst dir jetzt was beweisen. Es macht dir gar nichts aus. Du bist total professionell. Total ruhig. Souverän. Ausgeglichen. Ja dann … dann machen wir doch mal den Blazer fertig.

Es dauerte genau eine Minute, und das Spiel ist vorbei. Welch Überraschung! Ehrlich gesagt, im ersten Moment hat sich das seltsam genugtuend angefühlt. Ich habe so recht. Schon wieder verliert sie die Fassung. Nur dass ihr diesmal wirklich alle Sicherungen durchbrennen, und mir … mir am Ende auch. Aus der Umkleide heraus motzt sie mich direkt weiter an, im Prinzip macht sie genau da weiter, wo sie beim ersten Versuch aufgehört hatte. Ich bin nicht doof, Marlene. Ich höre dein Herz schlagen wie einen Presslufthammer, ich fühle deinen Puls in Schallgeschwindigkeit rasen, und du willst jetzt wieder so tun, als seien wir gute Freundinnen? Und nur weil im Pool angeblich ich die Kontrolle verloren und eine blühende Phantasie habe, solle ich kein Drama machen? Ganz ehrlich, meine Liebe: Du BIST das Drama. Du bist das Drama in Person. Weil du null zu dir stehst! Weil du behauptest, da sei nichts, du wärst professionell, bist ruhig, und gleichzeitig schimpfst wie ein Rohrspatz, wenn ich dich berühre, allein, um dir einen Blazer abzustecken. Weil du mich entweder ignorierst, beleidigst oder die Berliner Mauer neu erfindest und mich eiskalt abservierst. Du sitzt im größten durchsichtigsten Glashaus der Welt und wirfst mit Steinlawinen. Dein gesamtes Verhalten spricht Bände. Es erzählt die Geschichte von überbordenden Gefühle in einer hochexplosiven Ausprägung. Scheiße Marlene, wach' endlich auf! Frag' dich doch endlich mal, WARUM! Gehst du mit all deinen guten Freundinnen so um? Küsst du die alle beim Flaschendrehen mit einer Intensität, dass die Welt stehen bleibt? Kommst du all diesen Freundinnen im Pool näher, so nah, dass ein Kuss und damit ein Abtauchen in ein Gefühl, das du nicht kennst, aber das dich fasziniert, nur eine Millisekunde entfernt ist? Ich stehe da und sehe dich an, wie du stoßweise und schnaubend deine Unverschämtheiten über mich ausbreitest, als wäre ich dein ganz persönlicher Blitzableiter. Ob ich eigentlich auch mal an Tristan denken würde, wenn ich da lautstark in der Schlossküche herum posaunen würde, dass sie jetzt auf Frauen stehe. Irgendeine Bedienstete hätte das ja aufschnappen und weitererzählen können, und das wäre mir ja scheißegal. Stattdessen würde ich ihr Christian auf den Hals hetzen, damit der sie jetzt umpole. Das alles in einem solch lauten Tonfall, im Stakkato-Rhythmus, dass sich halb LCL zu uns umgedreht hat. Mir war schwindelig. Spürte, wie die Wut in mir, die ganze angestaute Wut der letzten Tage, langsam stieg und stieg. Sich ihren Weg suchte. Langsam, aber nachdrücklich. Unaufhörlich. Und diesmal, ich wusste es, wird sie ihn auch finden, werde ich ein Ventil nutzen. Ich lasse mir ja Einiges bieten, aber irgendwann ist echt Schluss. Was bildet sie sich eigentlich ein? Dass sie allein ist auf der Welt? Dass sich alles und jeder Scheiß immer um sie dreht? Dass sie mit mir reden kann, wie es ihr gerade passt? Der Ton macht immer noch die Musik, und diese Basse höre ich immer noch dröhnen. Es war drüber. Über dem, was ich ertragen kann. Klar, Marlene, du beschwerst dich, dass ich in normaler Tonlage in der Schlossküche vertraulich mit einem guten Freund spreche. Denn ja, stell' dir vor, mit irgendjemandem muss auch ich mal über all das sprechen, was zwischen uns passiert ist. Was du in deiner Welt nachdrücklich und eindrucksvoll an deinen überdimensionalen Stacheldrahtzäunen und Mauergebilden abprallen lässt, dass einem wirklich nichts mehr dazu einfällt. Und was machst du? Du brüllst es in 100 Dezibel wie ein wild gewordener Ghettoblaster einmal quer durch LCL? Ehrlich, dazu fällt mir nicht mehr viel ein, und außerdem ist dieser Ton einfach unverschämt. Okay, ich meine, es war nicht richtig von mir, dass ich in der Schlossküche offen darüber gesprochen habe. Und dass offensichtlich Christian danach nichts Besseres zu tun hatte, als zu ihr zu gehen und ihr was weiß ich denn zu erzählen, ist auch nicht gerade eine Glanzleistung. Auch wenn ich dafür ja nun herzlich wenig kann. Aber das, was du hier abziehst, dafür fehlen mir die Worte. Das Brüllen ging weiter. Immer weiter. Aus der Umkleidekabine heraus. Ich solle das doch einfach alles vergessen, das beim Flaschendrehen sei ein Spiel und im Pool rein gar nichts gewesen. Ja klar, rein gar nichts. Erzähl' das deiner Großmutter, und außerdem tu' mir den Gefallen, und leg' endlich mal eine andere Platte auf. Ich habe vor Wut gezittert. Meine Halsschlagader trat hervor, pumpte sich auf, und ich hätte auf der Stelle platzen können. Irgendetwas schlägt mich von innen und zerreißt mich in tausend Teile. Etwas, das ich nicht deuten kann, aber das mich immer unruhiger werden lässt. Diese Frau ist so … was bildet sie sich ein, wer sie ist? Mit wem sie spricht? Und für wie blöd hält sie mich eigentlich? Ich bin vielleicht manchmal ein Trampel und flipper' mich in irgendwas rein, aber erstens steht sie mir da wohl in nichts, rein gar nichts, nach … im Gegenteil, sie schlägt mit ihrem Temperament dem Bombenfass erst so richtig den Boden aus, wenn sie einmal in Fahrt ist. Und zweitens kann ich schon noch Emotionen wahrnehmen und habe keinen EQ von minus Hundert wie Madame selbst anscheinend. Da war etwas zwischen uns, das weiß ich, und das weiß sie auch. Aber es hilft ja nichts, wenn wir uns nun permanent, und jetzt auch noch in aller Öffentlichkeit, anzicken und gegenseitig hochschaukeln.

Also hab' ich mich - mal wieder - zusammengenommen, einmal tief durchgeatmet und ihr eine ganz ruhige Ansage gemacht. Wo auch immer ich das hernehme in diesen Momenten. Es wundert mich selbst am allermeisten, denn im Prinzip, und wenn alles mit rechten Dingen zugehen würde, hätte ich schon lang, wirklich schon lang, ausrasten müssen. Aber nein, ich atme ruhig aus und wieder ein, und bewahre immer und immer wieder die Haltung. Wie lang das gut gehen kann, weiß ich nicht, denn den Tanz, den Marlene offen nach außen aufführt, der tobt in mir, tief drinnen, ganz genauso. Ich habe ihr in die Augen gesehen, und mich zusammengerissen, meine Blicke auch ja vom Dekolleté fernzuhalten. Damit es bloß keinen neuen Zündstoff für ihre offensichtlich vorhandenen und sprudelnden, überschäumenden und vielseitigen Phantasien gibt. Es ist schon faszinierend, wie man inmitten eines innerlich tobenden Orkans, der einen fast zur eigenen Ohnmacht treibt, ganz plötzlich an einen Punkt kommt, an einen Punkt, an dem man instinktiv weiß, es ist der entscheidende und … dann absolut … ruhig wird. Es ist, als wisse der eigene Körper ganz genau, was zu tun ist. Als agiere er völlig unabhängig von deinem Denken und Fühlen. Als sei er es, der in diesen Momenten dein Herz und deinen Verstand beherrscht, weil beide schon lang resigniert haben, weil sie sich in ihrem ständigen internen Zwist letztlich für keine Handlung entscheiden können. Als gäbe dir dein Körper ohne Herz und Verstand die einzige Richtung vor, die möglich ist. Adäquat. Die die Situation in den Griff bekommt. Mit ruhiger, fast monotoner Stimme, aber dennoch eindeutig und bestimmt, habe ich mit ihr gesprochen. Ich glaube, das ist mir ziemlich gut gelungen. Sie hat gemerkt, dass es jetzt keinen Widerspruch mehr von ihrer Seite geben kann. Dass sie drüber war. Ich habe ihr gesagt, ich täte ihr einen Gefallen, und vergesse, wie sie gerade mit mir gesprochen hat, sie solle sich einfach ruhig hinstellen und sich endlich wie ein Profi benehmen, damit ich meinen Job machen kann. Fertig. Ich bin auf nichts eigegangen, was sie da psalmartig herunter gebrüllt hat. Was bringt das auch schon. Meine Güte, irgendjemand muss ihr mal beibringen, dass es für alles Grenzen gibt! Unglaublich.

Das Ganze ist eine Weile ganz gut gelaufen. Ich konnte den Blazer weiter abstecken, die Hose auch. Als ich fertig war, habe ich einfach nur gesagt: "Hey, du bist jetzt erlöst". Ich war in diesem Moment ehrlich gesagt sichtlich erleichtert, dass das Ganze überstanden zu sein schien. Ich wollte die Stimmung auflockern, denn schließlich hatten wir es hinter uns gebracht. Etwas, das uns beiden schwer gefallen ist. Wohl irgendwie … für uns beide eine Erlösung. Und prompt … wirklich wie auf Knopfdruck geht das ganze Drama wieder von vorne los. Jetzt ist Schluss. Ehrlich Marlene, es reicht. Du hast doch wirklich gerade die Dreistigkeit mit Löffeln gefressen. Ich bin nicht dein Fußabtreter, denn du mit Dreck bewerfen kann, wann immer du lustig bist, nur weil du mit deinen eigenen Gefühlen nicht klar kommst. Ich … ich bin so verdammt sauer. Möge man mich lange genug reizen, aber irgendwann … irgendwann raste auch ich aus, und zwar egal, was mein Herz sagt. Was mein Verstand sagt. Irgendwann hält auch mein Körper die Klappe, und es gibt keine Schonung mehr. Ich konnte mich diesmal einfach nicht mehr zurückhalten. Und bin ebenfalls ausgeflippt. Ich meine, wer glaubt sie denn, wer sie ist? Glaubt sie, ich sei ihr Punchingball, auf den sie nach Belieben einschlagen kann, immer, wenn es ihr gerade passt? Ich muss mit ihr zusammenarbeiten, und sie ist nur am Rumzicken. Es ist kein normales Gespräch mehr möglich. Nicht mal annähernd. Null. So geht das nicht. Mir reicht es jedenfalls. Vielleicht sollte sie sich allmählich wirklich mal fragen, ob das alles an mir liegt, oder ob sie nicht selbst das Problem ist. Und sie wirklich so verliebt in Tristan ist, wie sie vorgibt. Ich meine, warum rastet sie sonst bei jeder Berührung von mir aus? Schlägt sie so dermaßen wild um sich, immer dann, wenn etwas mit mir zu tun hat? Sie steht so unter Strom, knallt förmlich aus der Fassung bei einem einzelnen Wort, einer einzigen Berührung, das ist nicht mehr zu fassen. Ich habe sowas noch nie erlebt, noch nie gesehen. Was geht da nur vor in ihr? Und dann schiebt sie alles auf die anderen. Dann habe ich sie angemacht beim Fitting. Dann habe ich im Pool die Kontrolle verloren. Was für ein Quatsch, ehrlich. Es wird Zeit, dass sie sich selbst mal einige Fragen stellt. Das alles habe ich ihr heute in genau dieser Deutlichkeit auch endlich mal an den Kopf geknallt. Schonungslos. Ungeschönt. Unverfälscht. Authentisch. Einer muss es sagen und sie mal runterholen von ihrem Thron. Ich habe mich jetzt so lang zurückgehalten, habe mir das so lang in einer stoischen Ruhe angehört, die mich mehr als all meine Überwindung gekostet hat. Aber irgendwann ist einfach das Maß voll. Ich lasse mich nicht schikanieren. Fertig. Die Zeit war mehr als reif dafür. Für eine derartige Ansage meinerseits. Nachdem sie mich erneut angeblökt hatte, von wegen, ich müsse sie nicht erlösen, weil es stelle kein Problem für sie da, in meiner Nähe zu sein, und schon wieder diesen absolut unvergleichlichen Diven-Unterton in ihrer Stimme hatte, konnte ich meine eigenen Gefühle, all diese exorbitant angestauten Gefühle der letzten Wochen, auch nicht mehr im Zaum halten. Entluden sich all diese lang zurückgehaltenen Emotionen auch bei mir in einem einzigen Schwall an deutlichen Worten. Ich meine, ich kann es verstehen, was in ihr abläuft. Wie gesagt, ich habe das alles selbst erlebt, wie es ist, wenn man das erste Mal Gefühle für eine Frau hat. Und ich war damals nicht verlobt, fühlte mich nicht ausgerechnet von der Schwester meines Verlobten angezogen. Ja klar, das alles ist krass, und kann einen total aus der Bahn werfen. Aber dennoch: es gibt für alles Grenzen, und sie kann nicht auf mich einhauen, wie sie will. Ich habe auch meinen Stolz, und Gefühle. Und ich kann nur sagen, auch wenn ich ausgeflippt bin heute, und das wirklich richtig gut getan hat, es mich irgendwie befreit hat ... gut geht es mir mit dem Ganzen deswegen nicht. Geht es mir schon lang nicht mehr. Ich bin einfach nur fertig mit der Welt. Erschöpft und gerädert. Ich fühle mich, als hätte ich wochenlang an einer Hochspannungsleitung gehangen, die mich all meiner Energie beraubt hat. Als wäre ich wochenlang im Cockpit eines Formel 1-Wagens gesessen. Als wäre ich durch die Mühlen jeder einzelnen Emotion gepresst worden, die ein Mensch empfinden kann. Mit einer Wucht und Eindringlichkeit, die für ein ganzes Leben reicht. Ich fühle mich, als könne ich nichts mehr fühlen. Leer. Matt. Es tut einfach nur noch unendlich weh. Weh zu sehen, wie sie sich quält. Wie ich mich quäle. Zu sehen, wie sie strampelt, um sich schlägt, sie ausfallend wird, im sicheren Wissen, dass es ihr schlecht dabei geht. Dass das alles nur Ausdruck ihrer eigenen Hilflosigkeit ist, weil sie es nicht schafft, ihre eigenen Mauern zu durchbrechen. Aus dem Käfig zu fliehen, in den sie sich selbst eingesperrt hat. Sich und ihre Gefühle. Weh zu sehen, wie wir uns anzicken. Weh zu sehen, dass es keinen Ausweg gibt. Weh zu sehen, dass ich sie nicht einfach in den Arm nehmen kann, ihr Halt geben kann. Weh zu sehen, dass ich ihr nicht einfach das Gefühl vermitteln kann, dass alles gut wird. Dass irgendwann einfach alles gut wird.

Aber das kann ich nicht. Später kam alles hoch. Ich war irgendwann allein bei LCL. Was soll ich auch zu Hause? Wo ich heule, ist doch egal. Dieser ganze Streit, er hat so viel Kraft gekostet. Ich hatte danach versucht, mich mit Arbeit abzulenken. Zu allem Überfluss kam auch noch Tristan vorbei. Ich meine, er kann ja nichts dafür, und außerdem … ist es einfach das Hinterletzte von mir, was ich ihm antue, aber ich kann … ich konnte es einfach in dem Moment nur schwer ertragen, ihn zu sehen, und schon wieder so zu tun, als sei alles in Ordnung. Schon wieder eine Rolle zu spielen. Eine Rolle, die ich nicht bin, die mich nicht repräsentiert. Die nicht authentisch ist. Die eine Lüge ist. Manchmal denke ich, ich bin schon gar nicht mehr ich selbst. Bin zu einer einzigen Lüge geworden. Bei der das Innen- und Außenbild so divergiert, dass einem schlecht wird. So wollte ich nie sein. Nie werden. Ehrlichkeit und Authentizität. Glaubwürdigkeit. Im Einklang mit sich selbst sein. All das sind Dinge, an die ich glaube. Sie scheinen unerreichbar. So weit entfernt von mir, dass ich mich frage, wer ich bin. Wer ich gerade zu werden scheine. Tristan begrüßt mich mit den Worten "Versuch's mal mit Gefühl", weil ich irgendwelche Stoffteile nicht auseinander bekam und in Gedanken versunken daran gewaltsam herumgerissen hatte. Na toll, das sind genau die Worte, die ich gerade hören will. Natürlich hat er mir auch sofort angesehen, dass ich mitgenommen war. Ich möchte gar nicht wissen, wie ich gerade aussehe. Wenn ich nur halb so schlimm aussehe, wie ich mich fühle, dann sollte ich das Haus nicht mehr verlassen. Mich niemandem zumuten. Und wieder eine Lüge. Langsam bekomme ich Übung darin. Habe es darauf geschoben, dass ich nur müde sei. Wobei das nicht mal gelogen ist. Ich bin müde. Ich kann nicht mehr. Es ist, als hätte mir dieses Fitting die letzte Energie aus den Adern gezogen. Den letzten Impuls. Die letzte Kraft. Tristan soll natürlich von alledem nichts mitbekommen. Er sieht es auch nicht. Letztlich will er ja nur Marlene abholen, die aber schon länger weg war. Ich habe keine Ahnung warum, und ich lüge nicht, wenn ich sage, dass es mir genau in diesem Moment auch wirklich einfach nur noch egal war. Ich hätte sie heute keine Sekunde mehr länger ertragen können. Genug ist genug. Und das war es. Mehr als das. Als Tristan weg war, war es vorbei. Die Tränen brannten in meinen Augen, meine Augenlider wurden immer schwerer. Ich konnte es nicht mehr zurückhalten. Dieser stechende Schmerz scheint in mein Herz einzutauchen und sich dort mit einer Vehemenz einzunisten, dass es erfriert. Es ist nicht auszuhalten, alles in mir zieht sich zusammen auf den kleinstmöglichen Raum, bis nichts mehr übrig ist als ein Hauch von Funktion. Ich bin müde. Leer. Ausgelaugt. Ich habe noch nie so etwas empfunden, und ich will es auch nie wieder empfinden müssen. Das ist doch alles Mist. Es frisst mich langsam von innen auf … was hat diese Frau nur mit mir gemacht? Was hat sie aus mir gemacht?

gez. Rebecca süß von Lahnstein


- 30.05.2012 -


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BeitragVerfasst: 01.06.2013, 10:45 
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Beste Quotes der Folge 4082:

Rebecca: [entgeisterter Blick] Ich mach' dich an?
Marlene: Ja, die ganze Zeit schon und … jetzt tu nicht so!
Rebecca: Also entschuldige mal. Wir machen hier gerade ne Anprobe für dein neues Outfit, ja, mit der Tristan und du mich beauftragt habt. Wenn ich dich daran erinnern darf. Und, und dazu gehört halt auch, dass ich dich beim Abstecken ab und zu berühre, aber das ist rein professionell.
Marlene: Ja, genau das hab' ich gerade bemerkt.
Rebecca: Sag' mal, weißt du eigentlich, wie du mich hier gerade hinstellst? Als notgeile Verführerin, die sich nicht zurückhalten kann, weil du so unwiderstehlich bist? Also ich hab' mich im Griff - im Gegensatz zu dir.
Marlene: [rennt raus]

Tristan: Das ist genau der androgyne Touch, von dem ich gesprochen habe.
Marlene: Was hast du eigentlich immer mit diesem androgyn?
Tristan: Nicht zu feminin, aber trotzdem weiblicher Sex!

Rebecca: Als könnt' ich die Finger nicht von ihr lassen. Natürlich kann ich das! Auch wenn's schwer fällt … ich mein', sie steht halb nackt vor mir und ich … ich schau' sie an, ich … ich schau' ihr in die Augen und … will sie einfach nur küssen. Scheiße!

Rebecca: Marlene hat Schiss, weil sie sich das erste Mal von einer Frau angezogen fühlt. Und jetzt schlägt sie wild um sich. Ich mein', ist doch wahr. Ich habe ihr gesagt, ich gebe ihr die Zeit, die sie braucht. Aber nicht, wenn sie dabei auf meinen Gefühlen rumtrampelt. [dreht sich um, da steht Marlene] Mist!

Marlene: Und außerdem, was wird das hier, ne Selbsthilfegruppe? Hallo, ich bin Marlene, ich hab' beim Flaschendrehen ne Frau geküsst, und das muss ich jetzt unbedingt mit einem Schwulen besprechen?
Christian: Krass! Du hast ja wirklich Redebedarf.
Marlene: Nein, hab' ich nicht. Und falls du's vergessen hast: dich hab' ich auch geküsst, und das war nicht gerade ein schneller Schmatzer.
Christian: Mhm … das hab' ich nicht vergessen.
Marlene: Möchtest du vielleicht darüber reden?
Christian: Nö.
Marlene: Wie wundervoll, dann können wir die Selbsthilfegruppe ja wieder auflösen.

Christian: Und wusstest du eigentlich, dass ich mal mit ner Frau zusammen war? Mit Nico? Und sie war nicht die Einzige …
Marlene: [nachdenklich] Ne, das wusst' ich nicht. Aber egal, spätestens jetzt geht dieses Gespräch in ne völlig falsche Richtung.
Christian: Boah, und ich war so sauer auf Olli. Der hat mein ganzes Gefühlsleben durcheinander …
Marlene: [richtet sich auf, angespannt, Stimmlage erhöht sich] Aber mein Gefühlsleben ist total in Ordnung! Ich bin mit Tristan zusammen, wir sind glücklich. Das ... [kokettiert, schlägt die Beine übereinander] könntest du Rebecca ausrichten.
Christian: [geht]
Marlene: [schließt die Augen, nachdenklicher Blick]

Marlene: Hast du mit ihm auch deine abenteuerlichen Theorien über mein Gefühlsleben diskutiert?
Rebecca: Nein.
Marlene: Es tut mir leid, dass ich … vorhin abgehauen bin. Wir müssen den Blazer noch abstecken.
Rebecca: [unbezahlbare vielschichtige Blicke] Willst du dir jetzt was beweisen?
Marlene: [geht in die Umkleide, seufzt, dann wütend und ziemlich laut] Sag' mal, denkst du auch nur eine Sekunde lang an Tristan? Du sitzt da unten in der Schlossküche und plapperst wild drauf los, dass ich jetzt auf Frauen steh', oder was? Ich mein, irgendne Bedienstete hätte das Gespräch aufschnappen können und weitererzählen. Aber das ist dir natürlich scheißegal. Stattdessen hetzt du mir noch Christian an Hals, dass der mich jetzt umpolt, oder was?
Rebecca: Christian war bei dir?
Marlene: Vergiss' es einfach! Ich will nur nicht, dass du dich da in etwas hineinsteigerst, was einfach nicht so ist. [seufzt] Das Flaschendrehen, das war'n Spiel und im Pool, da ist nicht passiert, verstehst du? Rein gar … nichts! [geht mit Blazer zu Rebecca zurück]
Marlene: Du kannst anfangen.
Rebecca: [ruhig und bestimmt] Ich tue dir jetzt nen Gefallen und vergesse, wie du gerade mit mir gesprochen hast. Und jetzt stell' dich bitte ruhig hin und benimm dich wie nen Profi, dann kann ich meinen Job machen.

Rebecca: So, fertig. Du bist erlöst.
Marlene: Du brauchst mich nicht zu erlösen. Ich hab' kein Problem damit, in deiner Nähe zu sein.
Rebecca: [wütend] Nein, natürlich nicht! Sag' mal, glaubst du eigentlich, ich bin dein Punchingball, und du kannst auf mich einschlagen, wann immer du Lust hast?
Marlene: Fängst du … wieder damit an?
Rebecca: Du regst dich nur auf, weil ich recht habe.
Marlene: [wütend] Weißt du was, Rebecca? [Reißt sich den Blazer vom Leib und haut ihn auf den Tisch] Dann lass' es verdammt nochmal einfach sein!
Rebecca: Schau' dich doch mal an! Du … du stehst doch völlig unter Strom. Ich hab' dich vorhin nicht angemacht. Im Gegenteil, ich hab' mich bemüht, professionell zu sein. Und wegen Tristan, weißt du ... [Tearing Brown Eyes] ich möchte auch, dass er glücklich ist. Aber wenn du wirklich so verliebt bist, ja, wie du behauptest, dann wärst du vorhin nicht so ausgeflippt. Ich hab' mir deine Beleidigungen gefallen lassen, weil ich … weil ich sehe, dass du … dass du völlig durch'n Wind bist. Und weil wir eigentlich Freundinnen sind. Aber weißt du … irgendwann ist Schluss!
Marlene: [schuldbewusster Blick auf den Boden]
Rebecca: Aber wenn du unbedingt willst, ich lass' dich in Ruhe! Aber wenn du dann immer noch verwirrende Gefühle hast, dann solltest du dich mal fragen, ob wirklich ich das Problem bin. Oder doch du selbst!

Marlene: Also … das, was du vorhin … was du vorhin über … über Olli und … und … was du vorhin über und … verdammt nochmal, ich stotter' nie, was soll das denn?
Christian: [schaut in seinen Einkaufsbeutel] Mhm … Kaffee, Kekse, Karotten und … ach, guck mal hier … was haben wir denn da? Rotwein? Wie wär's?
Marlene: [lächelt] Ja. Sehr gerne.

Marlene: [lacht] Tee und Kekse. Jetzt fühle ich mich endgültig wie in einer Selbsthilfegruppe.

Christian: Olli war schuld. Das hab' ich damals so gedacht. Er war schuld daran, dass ich total verwirrt war, er war schuld daran, dass ich mich nicht mehr wie'n Mann gefühlt habe. Ja. Ich hab' lange gebraucht, um zu merken, dass ich mich … einfach in einen … Menschen verliebt habe. Egal, ob Frau … oder Mann … einfach ein Mensch.
Marlene: Ja. Vielleicht … vielleicht ist das wirklich die richtige Einstellung. Wenn ich an Rebecca denke, dann … [Andi kommt zur Tür rein, mit einem Sixpack in der Hand]
Andi: [rülpst] Stör' ich euch etwa?
Christian: Ja.
Andi: So wird das übrigens nichts, Leute. Ich beende mal eben gerad euren kleinen Teekranz, denn gleich geht's kernig weiter mit Bier und Bruce Willis. [dreht sich um]
[Die Tür fällt ins Schloss, Christian und Marlene gehen]

Marlene: Hach, früher, weißt du, da fand' ich Flaschendrehen echt witzig. Du tust Dinge, die du sonst nie tun würdest, das Meiste davon findest du schrecklich, aber du bist so betrunken, dass du es schon wieder lustig findest. [bleibt stehen]
Christian: [geht weiter, bleibt stehen, dreht sich um]
Marlene: [verträumter Blick, seufzt] Aber dieser Kuss … [beißt sich auf die Unterlippe] der war weder schrecklich noch … lustig. Das hat mich einfach umgehauen. Sowas hab' ich noch nie erlebt! Seither … ich … [verzieht das Gesicht] träum' von ihr … ziemlich … eindeutige Sachen, falls du verstehst, was ich meine. Was Rebecca da heute gesagt hat … ich glaube, es stimmt. Obwohl ich nie in eine Frau verliebt war! Noch nicht mal als Teenager hab' ich was mit einer Frau angefangen, noch nicht mal aus Spaß … nie!
Christian: Verliebt?
Marlene: Verliebt. Also nicht dass du jetzt denkst, ich … nein, ich bin nicht in Rebecca verliebt! Ich kann nur verdammt nochmal nicht aufhören, an sie zu denken!


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BeitragVerfasst: 01.06.2013, 19:00 
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One year ago today …

Das Tagebuch der Rebecca von Lahnstein

- Teil 14 -


Liebes Tagebuch,

ich habe kaum geschlafen. Ehrlich gesagt weiß ich nicht, wie lang ich das alles noch mitmachen soll. Wie lang ich es noch mitmachen kann. Ständig sehe ich sie vor mir. Wie sie mich anmotzt. Beleidigt. Beschuldigt, dass ich ihr nur an die Wäsche wolle. Sehe Marlene vor mir, wie sie sich mit schwarzen Schals stranguliert, sich selbst geißelt. Solche Dinge ereilen mich mittlerweile im Traum. Immer und immer wieder, und es ist … es ist die Hölle, ehrlich gesagt. Ich muss zugeben, dass mich diese Vorwürfe von ihr mehr getroffen haben, als ich bisher zugeben wollte. Ich frage mich, wie sie so etwas denken kann. Gut, sie denkt es ja nicht wirklich, sie ist selbst hilflos. Dann eben, wie sie sowas sagen kann. Weiß sie nicht, wie verletzend das ist? Ist es ihr egal, wenn sie mich verletzt? Bin ich ihr egal? Völlig egal? So egal, dass sie auf mich einschlagen kann, wie und wann immer sie will? Sieht sie nur sich selbst, ist sie so selbstbezogen? Dass sie meine Professionalität als Designerin damit angreift, damit könnte ich vielleicht sogar noch leben, irgendwie. Aber wie ... wie um alles in der Welt kann sie denken, es gehe mir darum, ihr an die Wäsche zu gehen, sie ins Bett zu kriegen. Denkt sie, ich will eine schnelle Nummer, denkt sie, ich habe es so nötig. Ist das ihr Bild von mir? Ist das ihr Bild von uns, von dem, was zwischen uns ist? Sieht sie denn nicht, dass es etwas ganz anderes ist, was mich zu ihr hinzieht? Was auch sie zu mir zieht? Was uns verbindet? Fühlt sie es nicht? Fühlt sie es am Ende doch nicht? Was wir, so wie ich dachte, seit dem Flaschendrehen beide wissen? Das ist es, was mich so sehr enttäuscht, was mich innerlich zerreißt. Ich frage mich, wie man so viel weinen kann. Meine Augen brennen und tun mir weh. Und es ist mir egal, weil es Lichtjahre entfernt ist von dem Schmerz, der sich viel tiefer in mir abspielt. Es ist, als ob es in meinem Herzen regnet. Als ob meine Seele weint. Träne um Träne. Gefühl um Gefühl. Und wieder von vorn. Es ist der schlimmste Kreislauf, den ich je erlebt habe. Ich muss raus da, es bringt mich um. Was muss ich tun, dass das aufhört? Am liebsten möchte ich weglaufen. Alles hinschmeißen. Vielleicht sollte ich zurück nach New York gehen? Da war alles unkompliziert. Frei. Stark. Unabhängig. So habe ich mich vor einigen Monaten noch gefühlt. Ich dachte, das war ein Schritt für mich, dachte, es hätte mich verändert. Hat es das? Bin ich nicht immer noch die, die verliert? Die, auf der alle herumhacken, wie es ihnen gerade in den Sinn kommt? Die, die nicht glücklich sein wird? Es nicht sein darf? Ich weiß es nicht. Nur fühle ich mich kraftloser als vor New York, und das ist nicht unbedingt der Zustand, den ich mir wieder wünschen würde. Ich fühle mich schwach. Klein. Wertlos. Es ist, als ob alles, was mich dort stark gemacht hat, plötzlich verloren ist. Mit einem Schlag. Einem einzigen vernichtenden Schlag. An den Mauern dieser Frau abgeprallt. Es ist sinnlos. Immer wenn ich denke, ich bin nahe dran, die eine Wand einzureißen, an sie heranzukommen, wenigstens mal ehrlich mit ihr sprechen zu können oder … oder auch einfach nur mal wieder normal mit ihr umgehen zu können, errichtet sie eine neue. Eine noch höhere, noch größere, noch breitere, noch tiefere. Unüberwindbar. Und alles wird noch schlimmer. Wird der Schmerz noch einmal getoppt, obwohl man es für unmöglich gehalten hat. Einer der Dinge, die ich gelernt habe, ist eigentlich: "Aufgeben gibt es nicht". Eine meiner obersten Gebote. Nur hier? Ich verliere meine Energie. Langsam. Aber sicher. Jede Träne, die ich geweint habe, fühlt sich an wie eine Perle wertvoller Kraft, die von mir weicht. Die ich nie wieder einfangen kann. Und ich habe viele Tränen geweint. Zu viele. Ich habe keine Kraft mehr für diese Anproben, sie machen mich fertig. Sie rauben mir mehr als alle Nerven, die ich imstande bin aufzubringen. Es ist mein Job, und Marlene hat nichts Besseres zu tun als zu behaupten, dass ich meine Position ausnutze, um …

Ach, ist ja eigentlich auch egal. Denn darum geht es nicht. Es geht darum, dass es so oder so keinen Ausweg gibt. Ich kann nicht weglaufen. Allein schon wegen dem Job, der mein Traum ist. Dafür habe ich so lange gearbeitet. Das lasse ich mir nicht nehmen. Das kann und darf ich mir nicht nehmen lassen. Also, was jetzt, Rebecca? Was willst du tun? Was kannst du tun? Wo ist der Weg da raus? Ich habe … wirklich … keinen blassen Schimmer. Aber so, wie es jetzt ist, halte ich es nicht mehr lange aus. Ich habe das Gefühl zu implodieren. Und das ist schlimmer als jede offene Explosion. Ich bin in der einen Sekunde so rasend wütend auf Marlene, dass ich sie an die nächste verdammte Mauer klatschen könnte. Von mir aus an eine derjenigen, die sie so unermüdlich selbst errichtet. Nur um in der nächsten Sekunde innerlich zusammenzusacken und und schwache Tränen zu weinen, die mir langsam ausgehen, mich aber trotzdem aussaugen. Um mich im nächsten Moment zu fühlen wie eine luftleere Hülle ohne jegliches Leben. Um dann wieder auf sie zu treffen und festzustellen, dass sie es … einfach ist. Ich … ich liebe sie. Ja, ich liebe sie, verdammt, ich liebe sie. Und es gibt nichts, was ich dagegen tun kann. Es gibt nichts, was sie tun kann. Es gibt nichts, was das jemals ändern könnte. Sie könnte mich behandeln wie den letzten Dreck, und ich würde sie unterm Strich … lieben. Es ist zum kotzen. Wirklich, man kann es nicht mehr anders sagen, es ist zum kotzen. Zum Verzweifeln. Gestern war die Hölle für mich. Ich schwanke permanent zwischen rasendem Zorn auf Marlenes unmögliches Benehmen, was ich nicht raus lassen kann, außer an blöden Stoffballen, und … naja, und … eben … ach, ich weiß auch nicht, am liebsten würde ich zu ihr gehen, sie in den Arm nehmen und ihr eben doch sagen, dass alles gut wird. Würde ihr zeigen, dass es eine Möglichkeit gibt, dass sie sich öffnen kann. Dass sie sie selbst sein kann. Dass sie mir alles sagen kann. Dass ich sie nicht bedrängen werde. Aber all das geht nicht. Letzten Endes bin ich immer allein. Ich weiß nicht mehr weiter. Ich möchte, dass es aufhört und weiß zugleich, dass es das nicht wird. Was mache ich, wenn es nie aufhört?

Wieder einmal musste Christian herhalten. Ich habe ihm gesagt, wie Marlene sich aufgeführt hat, und auch, dass mir diesmal der Kragen geplatzt ist. Dass ich ihr gesagt habe, dass sie nicht mich dafür verantwortlich machen soll, wenn ihre Gefühle verrücktspielen. Und überhaupt, warum denkt Marlene eigentlich, dass ich Christian zu ihr geschickt hätte? Irgendwas muss da doch vorgefallen sein? Mir wurde das in dem Moment erst richtig bewusst. Was verschweigt Christian mir da? Hängt er die ganze Zeit parallel mit Marlene ab, erzählt sie ihm alles? WAS erzählt sie ihm? Christian, wir sind jetzt schon so lange so gute Freunde. Es kann nicht sein, dass du mir sowas nicht erzählst. Überhaupt, was hat Marlene denn bei ihm verloren? Christian ist echt ein harter Brocken, es war partout nichts aus ihm herauszubringen. Irgendwie kann man ihm das ja auch nicht übel nehmen. Er ist eben ein guter Freund, und erzählt nicht alles weiter, was man ihm anvertraut. Das hat er mir so auch gesagt: Gleiches Recht für alle, er würde Marlene ja auch nicht weiter tratschen, was ich ihm anvertraue, und umgekehrt gelte das genauso. Warum ist er nur so … anständig und vertrauensvoll! Ich wollte das nicht. Wollte nicht wieder wütend werden, aber meine Güte, ein klitzekleiner Tipp hätte doch schon gereicht. Ich muss einfach wissen, was sie denkt, was sie sagt, was sie fühlt, was sie macht … ich werde noch wahnsinnig. Hat sie sich am Ende vor Christian geöffnet? Hat ihm erzählt, dass sie auch Gefühle für mich hat? Dass sie verwirrt ist? Angst hat? Dass sie an mich denken muss? Die Gedanken kreisen in mir wie wildgewordene Geier, zerfressen von der Gier nach Nahrung in Form von Informationen. Nahrung, die ihnen so lange verwehrt wurde.

Gott, mir war schlecht, und dann … Tristan! Plötzlich stand zu allem Überfluss auch noch Tristan in der Küche neben uns. Gerade als Christian wieder in den Stall wollte. Diesmal habe ich mich nicht erschrocken. Diesmal hatte ich kein schlechtes Gewissen. Diesmal war ich nicht sauer, und auch nicht eifersüchtig. Ich glaube, ich bin gerade viel zu sehr mit mir selbst beschäftigt. Der Knoten in meinem Kopf wird immer größer, geplagt von unzähligen Fragezeichen, die über mir tanzen, dass mir schwindelig wird. Ich verstehe langsam gar nichts mehr. Bin verwirrt. Der Blick von Tristan war irgendwie … seltsam. Er fragte, ob er uns störe. Irgendwas ist da doch im Busch … und er hat Christian gefragt, ob Olli sich endlich gemeldet hat, weil er sich doch Sorgen gemacht hätte. Das hätte er gehört. Ich hab' ehrlich gesagt nur Bahnhof verstanden, und irgendwie hat Christian so gewirkt, als ginge es ihm genauso. Er hat irgendwas von schwierigem Kontakthalten wegen dem Zeitunterschied zur Karibik geantwortet, aber das wirkte fast so, als wüsste er gar nicht, worum es überhaupt geht. Als ob die beiden völlig aneinander vorbei reden. Und Tristan sagte, dass diese Geschichte Marlene ganz schön mitgenommen hat, und dass es ja schön wäre, wenn man jemanden hat, der für einen da ist. Ganz ehrlich, ich glaube, ich muss ausgesehen haben wie ein Auto. Was für eine Sprache ist das? Was für einen Film fährt Tristan da? Macht sich Gedanken um das Liebesleben von Christian und Olli? Das verstehe, wer will, aber ich verstehe es nicht. Und es ist mir auch egal, was genau dahinter steckt. Mir hat das alles nur eine einzige Sache verraten, und die ist mir nicht egal: irgendwas stimmt da zwischen Marlene und Tristan nicht. Irgendein Misstrauen schwelt in Tristan. Wem oder was auch immer gegenüber. Nur was ist das? Was wollte er uns mit diesen kryptischen Fragen und Anspielungen mitteilen? Weiß er etwas? Ich meine, kann er etwas … wissen? Von Marlene und mir? Aber woher? Wenn er es bis jetzt nicht gesehen hat, dann … Gott, mein Kopf brummt. Es ist, als ob mir jemand mit einem Hammer über den Schädel gehauen hat. Wenn ich mir die Hände vor das Gesicht halte, und fest zudrücke, so als wolle ich all diese Gedanken gewaltsam aus mir herauspressen, könnte ich zerspringen. Vor Wut. Vor Neugier. Vor Sehnsucht. Vor Müdigkeit. Und Traurigkeit. Ich … kann nicht mehr. Das ist alles viel zu kompliziert. Ein ganz schlechter Film. Und er hört und hört nicht auf. Es ist wie das Gefangensein in diesen schlechten, bedrohlichen Träumen. Denen, die krank machen. Albträume, aus denen man sich wünscht zu erwachen, was nie passiert. Das passiert immer nur bei den angenehmen Träumen. Es wird nicht weniger, egal was ich tue. Was hat Tristan mit Christian und Olli zu tun? Christian hat mir nicht erzählt, dass es da irgendein Problem mit Olli gibt. Das hätte er aber doch, wenn es so wäre. Spinnt Tristan sich da was zusammen? Aber warum? Warum interessiert ihn das überhaupt? Mein Bruder hat sich noch nie für die beiden interessiert. Da muss doch irgendwas anderes dahinter stecken …

gez. Rebecca süß von Lahnstein


- 01.06.2012 -


Zuletzt geändert von Cubidoo am 02.06.2013, 09:49, insgesamt 1-mal geändert.

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Beste Quotes der Folge 4083:

Rebecca: Naja, dass sie auch Gefühle für mich hat.
Christian: [unbezahlbarer Blick]
Rebecca: Ich weiß, was du jetzt wieder denkst. Die Hoffnung stirbt zuletzt.
Christian: Nicht unbedingt, aber … von uns beiden hast du auf jeden Fall die bessere weibliche Intuition.
Rebecca: Wieso denkt Marlene eigentlich, ich hätte dich zu ihr geschickt?
Christian: Rebecca, gleiches Recht für alle. Ich sage Marlene nicht, was du mir anvertraust und andersrum … genauso.
Rebecca: [süßester RsvL-Dackelblick] Ach komm' schon!
Christian: So, und jetzt … muss ich auch leider, leider wieder in den Stall.
Rebecca: Bitte, nur nen ganz kleiner Tipp …
Christian: [verschließt symbolisch mit den Händen seinen Mund]
Rebecca: Grrrr …


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BeitragVerfasst: 05.06.2013, 21:09 
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One year ago today …

Das Tagebuch der Rebecca von Lahnstein

- Teil 15 -


Liebes Tagebuch,

Antworten habe ich keine gefunden. Wo auch? Die, die ich suche, liegen nicht einfach so auf der Straße herum und schreien "Hier bin ich". Vielmehr scheint man auf dieser Art von Antworten permanent herum zu trampeln. Sowohl man selbst als auch andere. Oder sie sind ganz generell unsichtbar. Imaginär. Die Kopfschmerzen sind geblieben. Die Traurigkeit auch. Nein, vielmehr wurde sie neu befeuert. Dieses ganze bescheuerte Drama setzt sich weiter fort, es nimmt einfach kein Ende. Es verfolgt uns. Wir ziehen es an wie die Motten das Licht. Das Drama, das keiner haben will. Die verbotene Frucht, die einen umbringt und die man trotzdem essen muss, weil … ja, warum eigentlich? Okay, einmal Luft holen, Rebecca. Hol' verdammt nochmal einmal tief Luft, atme aus und wieder ein und versuche nachzudenken. Zurück zum Anfang. Schreibe es auf, es hilft dir. Es hat dir immer geholfen. Scheiße, ich wollte mir doch nur eine Flasche Wasser in der Küche holen, als ich vom Motorradfahren zurück kam. Gerade ging es wieder. Gerade hatte ich mich wieder gefangen, wenigstens ein bisschen frische Luft durch Kopf und Herz ziehen lassen können. Drehe mich um und … Marlene. Herzstillstand. Pulsrasen. Ohne Ende. Wut weg. Angst weg. Traurigkeit weg. Das pure Adrenalin. Explosionsgefahr. Von ganz tief drinnen, aber nichts davon kann raus. Dass die Flasche in meiner Hand blieb, ist ein Wunder. Das sie ganz blieb, ist ein Wunder. Bei der Krafteinwirkung meiner Hände, durch die jede einzelne Empfindung sich in gewaltsames Krampfen zu verwandeln schien, das sich in Sekundenschnelle in mir gebildet hatte, hätte die Flasche in Millionen Stücke zerspringen müssen. Was ist das nur? Was machst du mit mir, Marlene? Ich bin nicht das erste Mal verliebt, und komme mir vor wie der erste Mensch auf Erden, der von diesem übermächtigen Gefühl erfasst wird. Was macht diese Frau nur mit mir? Ich habe so etwas noch nie erlebt … Christian, Gregor … Miriam, aber das … das ist einfach mit nichts zu vergleichen. Ich sehe sie, und mir fehlen die Worte. Mein Herz schlägt mir bis zum Hals, und ich bringe kein Wort raus. Es ist als ob sich die Zeit selbst verliert. Als ob keine Sekunde vergehen würde. Eine Sekunde wird zu Stunden. Es gibt keine Zeit in diesen Momenten. Und ich weiß … ich weiß einfach, dass das nicht nur von mir ausgeht. Ich meine, kann man sich sowas wirklich einbilden? Sie sieht jedes Mal genauso verstört aus wie ich. Gesetzt den Fall, ich wüsste, wie ich in diesen Momenten aussehe, oder wenn ich nur halb so umnachtet aussehe wie ich mich dabei fühle.

Und direkt ging sie wieder auf Konfrontationskurs. In 180 Sekunden an die Decke, wenn man mal von den gefühlten Stunden, die wohl in realer Zeit in einigen Sekunden vergangen sind, absieht. Wenn man diese stillstehende Zeit, in denen sich unsere Augen magisch anziehen und ineinander versinken als gäbe es nichts anderes auf der Welt … wenn man, also wenn man die abzieht, dann braucht sie keine drei Minuten, um an der Decke zu kleben. Es ist schlichtweg kein normales Wort mehr möglich zwischen uns. Dialogmöglichkeit konvergiert gegen Null. Jetzt zickt sie mich schon bei einem bloßen "Nein" auf die Frage hin an, ob sie auch etwas Wasser möchte. Und dann wieder diese Blicke. Wir sehen uns an und, ja, die Welt steht eben still. Herrje, wenn Blicke eine Sprache hätten ... halt. Stop. Blicke haben eine Sprache. Eine sehr intensive sogar. Im Fall von Marlene und mir würde ich sagen, unsere Blicke sprechen die einzige Wahrheit. Ihr Aufeinandertreffen gleicht jedes einzelne Mal einem funkelnden Feuerwerk, das mir den Atem raubt, und gleichzeitig einem sanften Meeresrauschen, das mich beruhigt. Das mir das Gefühl von Heimat schenkt. Es ist als wäre ich endlich angekommen. Als hätte ich endlich das gefunden, wovon ich immer geträumt habe, ohne zu wissen, dass ich davon träume. Ohne zu wissen, was es ist, was ich gesucht habe. Wenn ich ein nur ein einziges Wort hätte, das mir zur Verfügung stünde, um diese Blicke zu beschreiben, es wäre … Tiefe. Ich bin direkt ein paar Schritte weggegangen, weil diese Situation mehr als schwer ist. Ihr so nah gegenüber zu stehen. Lieber nehme ich die Spannung raus. Zumindest ist es das, was ich instinktiv tue, denn mein Verstand hat Sendepause. Mal wieder. Und gleichzeitig schrecke ich zurück vor ihr. Ich meine, ich habe keine Angst vor ihr, aber … dieses permanente Anbluffen verletzt mich. Ich weiß, warum sie es tut. Das weiß ich mittlerweile. Sie ist genauso hilflos wie ich, und das ist eben ihr Ventil. Mich als Punchingball zu benutzen. In ihren Augen bin ich schuld daran, dass sie diese verwirrenden Gefühle hat, und nun schlägt sie um sich. Bevorzugt schlägt sie dabei auf mich ein, denn ich bin ja der Grund für all dieses Übel. Es verletzt mich trotzdem. Jedes ihrer angreifenden Worte bohrt sich in mein Herz tief hinein wie ein giftiger Pfeil, der darin stecken bleibt, tief in mir, und den ich nicht vergessen kann. Jetzt motzt sie mich sogar schon nur dafür an, dass ich sie ansehe. Was denn los sei. Und das in einem Ton, ehrlich, das ist sowas von nicht normal. Soll ich mich in Luft auflösen, sobald Madame den Raum betritt? Das könnte ihr so passen. Wenn hier einer unter Strom steht … naja, ich bin natürlich wieder ruhig geblieben. Diesmal war ich es sogar wirklich. Jedenfalls eher als beim letzten Fitting. Ich habe Angst vor jeder neuen Verletzung, und auch wenn ich nicht behaupten kann, die Lage im Griff zu haben und nicht so genau weiß, ob es mein Verstand ist, der da spricht, aber irgendetwas, etwas Undefinierbares in mir, das ich nicht greifen kann und von dem ich nicht weiß, woher ich es nehme, woher es kommt ... irgendetwas weist mir intuitiv den Weg. Den ruhigen Weg. Dass es besser ist, still zu sein, ruhig zu bleiben. Vielleicht ist das ein Automatismus: wenn der eine an die Decke geht, verliert der andere nicht den Kopf, damit die Situation nicht vollends eskaliert. Zumindest macht das bei Marlene und mir den Anschein. Und dabei bin ich normalerweise nicht so still. Nicht so ausgeglichen. Vielleicht eine Frage der Perspektive, denn so wie Marlene gerade ein ums andere Mal schon beim reinen Anblick von mir komplett aus der Fassung knallt, das sucht schon seinesgleichen. Das muss man erst mal schaffen. Ich bin ein paar Schritte weggegangen und hab' ihr nur nett gesagt, dass ich ihr Kleid schön finde. Aber meine Güte, das geht natürlich auch nicht. Was ich auch sage, es fliegt mir in jedem Fall verpackt als hochexplosive Mine prompt wieder um die Ohren. Ich glaube, es ist wirklich egal, was ich sage. Sie würde so oder so Feuer spucken. Denn Hallo? Das war nur ein ehrliches Kompliment. Mehr nicht. Sofort geht sie wieder ab wie eine Rakete. Gerade dass sie zwischendrin noch daran gedacht hat, Luft zu holen. Ich würde ihr unterstellen, sie sei paranoid, und ich könne ja an nichts anderes mehr denken als an sie und den Kuss beim Flaschendrehen, und immer wieder müsse ich davon anfangen. Das also ist Marlenes phantasievolle und bedeutungsschwere Interpretation von "dein Kleid ist schön". Ah ja. Ist klar. Plötzlich muss ich grinsen. Ich habe ehrlich keine Ahnung, warum eigentlich, aber es war … skurril. Es scheint so, als ob mein Anblick und jedes einzelne gesprochene Wort, ganz egal zu welcher Art von Sätzen ich es im Zusammenspiel mit weiteren forme, nur noch eine einzige eindimensionale Reaktion von ihr hervorrufen können: eine erneute Explosion. Ich weiß nicht, ob ich schon mal einen Menschen erlebt habe, der so dermaßen und dauerhaft unter Spannung brannte. Ganz ehrlich, in der Situation konnte ich einfach nicht anders, als sie damit ein wenig aufzuziehen. Ich war bewusst ironisch, von wegen, ja klar, ich könne halt die Finger nicht von ihr lassen und würde jede Gelegenheit nutzen, um an ihr rumzufummeln. Sie meinte, sie sei ja so froh, wenn diese Fittings endlich vorbei wären. Ich auch, dachte ich still für mich, ich auch, Marlene, das kannst du mir glauben. Aber fragt sie sich eigentlich auch mal, warum? Diese Panik sagt einfach alles. Sie kann mir erzählen, was sie will, aber so verkrampft, wie sie mir gegenüber ist … sie hat verwirrende Gefühle, und das ist am Ende nicht meine Schuld. Aber sie wird sich das sowieso nie eingestehen, ich sollte das alles schnell vergessen. Sie ist so dermaßen verbohrt und in ihrer eigenen Welt gefangen, und ich bin nun eben der Sündenbock für einfach alles, mit dem sie nicht klar kommt. Ich hab' sie am Ende nur angelächelt, und einen schönen Tag gewünscht. Irgendwie war ich echt stolz auf mich, dass ich mich nicht drauf eingelassen habe, und wieder mit an die Decke gegangen bin. Am Ende liegt es an ihr. Sie muss es sich selbst eingestehen, und daran kann ich nichts ändern.

Ich hab' mich danach einfach wieder in meine Arbeit gestürzt. Irgendwie muss ich mal wieder zur Normalität zurückkehren, sonst flippe ich entweder aus oder heule rum und bemitleide mich selbst. Alles zum x-ten Mal. Und das ist beides nicht das Wahre. Außerdem schwirrt die Polizei bei LCL herum, und ich muss allein mit Sonjas Kollektion klarkommen, seit sie … naja, seit diesem furchtbaren Unfall. Und das ist nicht so trivial. Sonja hatte eben ihre Visionen im Kopf und nicht auf irgendeinem Papier. Bei manchen Modellen geht es, und bei anderen … ist es eben schwierig. Die Ablenkung funktionierte gerade einigermaßen gut, und ich dachte wirklich, ich könnte für heute einmal aufatmen, eine kleine Auszeit von diesem Drama nehmen, das wirklich anstrengend ist. Passenderweise aber kam dann Tristan vorbei und fragt mich, ob ich überhaupt noch Zeit für die Kostüme von Marlene habe. Marlene. Immer wieder Marlene. Gibt es noch irgendwas anderes auf dieser Welt? Warum versteht keiner, dass ich im Stress bin? Ich muss eine Kollektion fertigstellen, die nicht von mir ist und von der mir jeder erzählt, dass sie über die Zukunft von LCL entscheidet. Dazu läuft mir permanent Marlene über den Weg und überschüttet mich mit Vorwürfen, ich wolle ihr an die Wäsche. Können mich nicht einfach mal alle in Ruhe arbeiten lassen? Ich hab' Tristan gesagt, dass Lily Rose-Anproben momentan einfach nicht drin sind, die LCL-Kollektion geht vor. Ich weiß weder, wie ich das Clarissa erklären sollte, noch geht mich der Zeitplan von Lily Rose irgendwas an. Okay, zugegeben, es passte mir gut in den Kram, weil ich einfach nicht mehr kann und mal meine Ruhe brauche von diesem Psychoterror, den Marlene da fährt. Und zugegeben, von alledem weiß Tristan weder etwas noch kann er was dafür. Aber was macht das für einen Unterschied? Am Ende bin immer ich die Doofe. So auch diesmal. Denn was macht Tristan? Er schlägt mir ein Abschluss-Fitting mit Marlene vor, für heute noch. Ich habe natürlich versucht, es abzuwenden und ihm auszureden, aber er hat nicht locker gelassen, es ginge doch schnell, weil Marlene und ich uns in allem einig wären. Einig. Selten so gelacht. Wie soll man sich einig sein, wenn man kein normales Wort miteinander austauschen kann? Ein Ding der Unmöglichkeit. Gut, er weiß ja auch nichts von … na, von all dem eben. Jedenfalls hab' ich blöde Kuh mich natürlich breitschlagen lassen. Wie immer.

Gott sei Dank kam Christian sofort zu LCL, nachdem ich ihn angerufen habe. Wir brauchen ihn. Dein Freund und Helfer in der Not. Friedensstifter. Ich meine, wie soll das bloß ablaufen beim Fitting nach dem letzten Mal, was jawohl mehr als im Desaster geendet ist? Marlene ist so dermaßen verkrampft, und versteht sowieso alles falsch, was ich sage. Sie stellt sofort auf Angriff um, egal was ich tue und sage. Und alter Schwede, die Frau versteht was von Angriff. Einfach alles, was ich mache, ist für sie sowieso ein einziger großer Annäherungsversuch. Bestimmt wird sie auch hellauf begeistert sein, wenn sie mich wieder auf Stecknadelabstand vor sich hat, wo sie ja schon völlig durchdreht, wenn ich ihr nur einen Schluck Wasser anbiete. Jedenfalls kriegen wir beide das nie auf die Reihe, also das mit der Anprobe. Also hab' ich Christian gefragt, ob er nicht die Schweiz sein will … also ich meine, weil Marlene und ich eben jemand zwischen uns brauchen, der neutral ist. Damit das Ganze nicht mehr so ausartet wie beim letzten Mal. Ich fand ja, dass das eine meiner besseren Ideen war, und Christian ist auch tatsächlich dageblieben, auch wenn er nicht gerade begeistert gewirkt hat. Aber da muss er eben durch. Schließlich hat er Olli versprochen, auf mich aufzupassen.

Als Marlene dann zur Tür rein kam … oh man ey, sie sah einmal mehr einfach nur atemberaubend schön aus in ihrem hellen kurzen Mantel, die Haare hochgesteckt … mir ist mal wieder das Herz in die Hose gerutscht, oder besser gesagt … ich weiß auch nicht … ich war auf jeden Fall aufgeregt und komplett durch den Wind. Nervös. Ruhelos. Immer dasselbe. Nur ist diese Frau aber auch einfach eine absolute … Ausnahmeerscheinung. Sie ist so schön, so anmutig, so grazil und kraftvoll zugleich, das einem nur der Atem stocken kann, so man nach diesem Anblick überhaupt noch Luft zu sich führen kann. Sie ist verboten hübsch. Verboten attraktiv. Verboten einnehmend. Ich habe noch nie eine schönere Frau gesehen. Wenn sie strahlt, durchfährt mich das dadurch erzeugte Licht wie ein Blitz und ich denke, ich kann Berge versetzen. Einer dieser Blicke scheint mir Kraft für Jahre zu geben, und lässt alle Anstrengungen, Verletzungen und Achterbahnfahrten schlagartig verblassen. Meine Güte, ich bin wirklich restlos verloren, und mir ist absolut nicht mehr zu helfen. Als sie gesehen hat, dass auch Christian da ist, war sie glaub' ich ein wenig irritiert. Jedenfalls hat sie so gewirkt. Zugegeben, wenn Christian sagt, er sei ja auch schon so gespannt auf die neuen Kleider, kommt das natürlich auch nicht unbedingt allzu glaubwürdig rüber. Aber was soll das ganze Getue auch. Ich werde all das Lügen und Verstecken sicherlich nicht unnötig noch weiter steigern. Es ist ohnehin schon völlig aus dem Ruder gelaufen. Vielleicht sollten wir einfach mal das benennen, was wirklich los ist. Das bringt doch alles nichts. Wir sollten mal anfangen, ehrlich zu sein. Deswegen habe ich ihr auch direkt gesagt, dass ich Christian gebeten habe, dabei zu sein. So hätten wir eine neutrale Meinung und würden uns nicht mehr streiten. Das hat gesessen. Offensichtlich. Ihr Blick. Mein Herz. Erweichend. Ergreifend. Herausreißend. Ihr Blick. Viel zu lang. Intensiv. Inständig. Berührend und sanft. Ich war kurz davor, zusammenzufallen wie ein Kartenhaus und ihr einfach um den Hals zu fallen. Für diesen einen Blick, genau diesen einen … lohnt sich alles. Leise sagt sie, dass sie das auch hoffe. In diesem einen Moment hatte ich mal wieder alles vergessen, was vorher passiert ist. Sie ist einfach unglaublich, sie sieht mich an, ich sehe diese tiefblauen Augen, dieses zarte schöne und zugleich faszinierend ausdrucksstarke Gesicht … und vergesse alles. Es ist einfach nur ein Gefühl, ein einziges großes Gefühl, was diese Frau bei mir auslöst. Ein Gefühl, das ohnmächtig werden lässt. Das jegliche Gedanken abschaltet und einfach nur erfasst. Mit allem, was dazu gehört. 100%. Ohne Rückversicherung. Einmal gefangen, für immer verloren. Komme ich da jemals wieder raus? Wird das nun für immer so bleiben? Wenn Christian nicht gesagt hätte, jetzt geht's los, ich weiß nicht, wie lang wir da noch einfach nur dagestanden und uns angesehen hätten. In uns versunken wären. Vertieft und weggetreten. Unsere eigene Welt, zu der kein anderer Zutritt hat. Marlene hat dann das erste Kleid angezogen, und ist zurück zu Christian und mir. Christian sagte nur "schön", aber naja, er ist da ja nicht so … bewandert, seine Meinung ist jetzt nicht unbedingt so wahnsinnig aussagekräftig. Ich habe Marlene also aufgefordert, sie solle sich doch mal so bewegen wie auf der Bühne, damit ich feststellen könne, ob die Träger verrutschen. Und wollte ihr dann den Rückenausschnitt etwas enger machen. Und dann … schon wieder. Es ging schon wieder los. Wow, das waren diesmal bestimmt fünf Minuten, das ist neuer Rekord. Sie hat bei der winzigsten kleinen Berührung von mir wieder nur gezuckt und gezappelt, und ich wette um alles, was mir lieb und teuer ist, sie war wieder ganz kurz davor, die zickige Diva raus zu kehren und mich anzumotzen. Ich mache sie an. Will ihr nur an die Wäsche. Nutze meinen Job als Vorwand, an ihr rumzufummeln. Gott, ich kann es nicht mehr hören. Diese Worte hallen als imaginäres Echo in meinen Ohren wie ein gemeiner, nicht enden wollender Tinnitus. Ich höre diese Worte mittlerweile, ohne dass sie ausgesprochen werden. Ich habe es satt. Ich bin auch nur ein Mensch. Ein Mensch mit Gefühlen und Stolz. Und jetzt ist Schluss. Endgültig. Ich lasse mir das nicht länger gefallen. Alle Vorwürfe waren wieder da. Zwar nur in meiner Vorstellung, denn sie hat diesmal gar nichts gesagt. Wahrscheinlich war es ausgerechnet das einzige Mal, wo sie wirklich nichts gemacht hat, wo sie ruhig blieb. Aber sie hätte und … und außerdem war mir das heute einfach völlig egal. Es reicht. Allein schon dieses gestörte Zucken ist zu viel. Diesmal sind mir alle Sicherungen durchgebrannt. Ich habe es nicht mehr ausgehalten. Es musste raus, ich konnte mich keine Sekunde mehr länger beherrschen. All diese angestaute Wut, die in mir brennt, seit Wochen, besonders in den letzten Tagen, diese bekloppten Fittings. Kein normales Wort ist mehr möglich. Alles ist in einer so bescheuerten Sackgasse, aus der es keinen Ausweg zu geben scheint. Entweder ich renne mich in mir selbst fest oder pralle an ihren elendigen Schutzmauern ab, deren Fassade mich so dermaßen ankotzt, dass … ich explodiere. Es war eine Implosion zu viel. Mindestens. Wobei ich das Gefühl hatte, eine Implosion zeitgleich mit einer Explosion zu erleben. Innen- und Außendruck völlig überlaufend. Ich meine, sie sagt, ich habe kalte Hände. Wie kann ich kalte Hände haben, wo ich doch so heiß auf sie bin und die Finger nicht von ihr lassen kann? Und wie bitte schön soll ich ihr Kleid abstecken und die Kostüme ändern, wenn ich sie nicht anfassen darf? Die spinnt doch! Ich habe mich so in Rage geredet und aufgeregt, und ihr letztlich den Vorwurf gemacht, hier würde ja nur einer an was anderes als Arbeit denken. Die Umkehr von allem. Gott, ich bin keinen Deut besser als sie. Nur treibt sie mich zur … Weißglut. Das war systematische Vorbereitung bis zu diesem einen Punkt. Diesem einen Punkt, wo auch ich ausflippe. Bitte, was habe ich mir alles gefallen lassen müssen. Irgendwann reicht es doch. Marlene war geschockt. So sah es aus. Mir war das egal. Ich stand so unter Strom, ich habe nichts mehr gemerkt. Hinterher natürlich schon und ja, das war natürlich zu viel. Es war drüber. Und nicht besser als das, was sie die ganze Zeit getan hat. Es ist Kinderkacke und kein erwachsener Umgang, was wir da nun schon mehr als lang genug betreiben. Aber meine Güte, was soll ich denn tun, wenn kein ehrliches Gespräch möglich ist, ich auf der anderen Seite aber auch keine Chance bekomme, einfach alles zu verdrängen und zu verarbeiten, weil sie mir ständig mit Mimik, Gestik, Körpersprache und allein schon durch ihre schmachtenden Blicke diese Signale sendet, die eine ganze andere Sprache sprechen als die Worte, die sie spricht? Was soll ich tun, wenn mich schon meine eigenen Gefühle fast umbringen, ich nicht klar komme, damit mehr als alle Hände zu tun habe, und dann noch permanent angegriffen werde? Wenn ich nicht mal meinen Job in Ruhe ausüben kann? Da war plötzlich so verdammt viel Verdruss und Unmut in mir. So viel Kraft und so viel Wut, ich konnte nicht anders. Ich hatte in diesem Moment keine Chance mehr, das zu steuern. Im Nachhinein sehe ich natürlich ein, dass das zu viel und dumm war. Wieder runtergekommen war es mir fast peinlich. Dennoch, wie soll man sich da auch immer zusammenreißen? Da steht diese wunderschöne Frau vor dir, du musst dich ohnehin schon mehr als konzentrieren, um dich professionell zu verhalten, und dann macht sie dir ständig Vorwürfe, du würdest deine Position ausnutzen, um sie anzufassen und sie anzumachen … echt, das hält auf Dauer doch kein Mensch aus.

Marlene ist wortlos gegangen und hat das Fitting abgebrochen. Das kann ich sogar verstehen. Und die Schweiz hat sich auch zurückgezogen. Christian muss gedacht haben, er sei im falschen Film bei diesem Zickenterror. Hätte ich auch gedacht, hätte ich das Ganze rational betrachten können. Auch das kann ich, jetzt im Nachhinein, nachvollziehen. Ich hatte mich ziemlich schnell wieder beruhigt. Es ist seltsam. Wenn sich etwas über Wochen so in dir anstaut, dass dich deine eigene Wut mit wilden, unkontrollierten Faustschlägen von innen mit einer solchen Wucht trifft, und das in so vielen Wiederholungen, dass du immerzu drohst zu platzen, es aber die ganze Zeit nicht kannst, und es dann in einer einzigen Welle aus dir herausströmt, wenn also die Explosion der einzige Weg ist, die viel schmerzhaftere finale Implosion zu verhindern, dann bist du im Anschluss einfach nur eines: erleichtert. Um Tonnen von Druck erleichtert. Und ruhig. Ganz ruhig. Kannst wieder klar denken. Einsicht zeigen. Und einen neuen Versuch starten. Es war als entdecke ich neue Kräfte, nachdem ich das, was die alten zermürbt hatte, vernichtet hatte. Indem ich es aus mir heraus gestoßen hatte. Das war ja schon immer so bei mir, erst fresse ich alles ewig lang in mich rein, dann gehe ich in 180 Sekunden an die Decke und zurück, nur um kurz danach einzusehen, dass es an diesem einen Kulminationspunkt drüber war. Dass es besser gewesen wäre, schon vorher nicht so lange alles stumm und wehrlos geschluckt zu haben. Hinterher ist man eben immer schlauer. Und diesmal war ich diejenige, die empfindlich reagiert hat. Das weiß ich, und deswegen bin ich nach ein paar Minuten Marlene auch hinterhergegangen, die sich auf die Toilette zurückgezogen hatte, um sich umzuziehen. Ich habe es dann ein letztes Mal in ruhiger, aber durchaus bestimmter Tonlage probiert: Tristan bräuchte die finalen Schnitte, und wenn ich das machen soll, dann müsste sie wohl oder übel ertragen, dass ich sie anfasse. Und sie solle sich jetzt bitte entscheiden, ob sie das will. Darauf sagte sie, ich wäre heute so gereizt. Und sieht mich an wie eine beleidigte Leberwurst. Wie ein Kind, dem man das Spielzeug weggenommen hat. Wie … wie eine Diva, der man mal die Meinung gegeigt hat. Also ehrlich, so geht das nicht. Wen wundert's, dass auch ich langsam die Nerven verliere? Diese Frau treibt einen in den Wahnsinn! Ich hab' ihr gesagt, es wäre wohl besser, sie würden sich einen anderen Designer suchen. Tristan würde das schon verstehen, und Marlene hat zugestimmt und wollte dann gehen.

Da entscheidet man sich schon mal gemeinschaftlich für etwas, und wenn es die Flucht voreinander ist, und dann? Kommt die Polizei. Ausgerechnet dann kommt die Polizei rein, die immer noch bei LCL wegen Sonjas Unfall alles durchsucht. Wir müssen alle an Ort und Stelle bleiben. Na super, zusammen mit Marlene, besser geht's nicht. Ich konnte mir wirklich nichts Schöneres in diesem Moment vorstellen. Und sie wohl auch nicht. Dementsprechend fielen auch unser beider Blicke aus. Aber irgendwie war das glaub' ich ganz gut, weil uns die Sache mit Sonja wohl beiden klargemacht hat, dass es wichtigere Dinge als unseren Kleinkrieg gibt, und dass das Ganze eigentlich ziemlich albern und unnütz ist. Dass wir uns mal ein klein wenig zusammenreißen sollten. Ich meine, Sonja liegt im Koma. Tanja sitzt im Knast. Emma vermisst ihre Mutter. Sebastian denkt, dass seine Frau seine beste Freundin umbringen wollte. Und Marlene und ich streiten uns darüber, ob meine Hände zu kalt sind. Wenn man sich das einmal so vor sich selbst aufsagt, dann merkt man, was Sache ist. Dass es lächerlich ist. Es gibt im Leben immer Momente, wo Dinge passieren, die wichtiger sind. Oder schlimmer. Existentieller. Das macht die anderen Dinge nicht weniger wichtig. Oder weniger schlimm. Aber es rückt Einiges zurück in die richtige Perspektive. In das richtige Verhältnis. In solchen Momenten sehen wir alles mit anderen Augen. Und reißen uns am Riemen. Als Marlene das so sagte, und zum ersten Mal seit dem Abend im No Limits, wo wir uns beinahe geküsst hatten, dabei eine normale Tonlage hatte, da wurde auch mir klar, dass wir wohl beide drüber waren in letzter Zeit, und dass es Zeit ist, dass wir uns wieder normal verhalten. Das Problem ist nur, dass allein durch diese kleinen Schritte, aufeinander zuzugehen, diese minimalen Eingeständnisse und Kompromisse prompt auch wieder so etwas wie Nähe zwischen uns entsteht. Und auf diese Art und Weise schlittern wir ja schon die ganze Zeit von einem Problem ins nächste, von einem Extrem ins nächste. Es ist als gäbe es nichts, was zwischen uns nicht extrem ist. Dennoch war das seit Langem das erste Gespräch, indem wir einander überhaupt zugehört haben. Und das tat gut, egal was nun danach kommen mag, denn machen wir uns nichts vor, das ändert nichts, rein gar nichts an unserem "Problem". Aber immerhin: heute hat sie offen zugegeben, dass sie überreagiert hat, und mich gefragt, ob sie denn da die Einzige wäre, die ein Problem mit uns hat. Ich habe ihr ehrlich gesagt, dass das nicht so ist, aber dass es mich eben sehr getroffen hat, dass sie wirklich denkt, ich würde meinen Job als Designerin ausnutzen, um mich bei Anproben an jemanden ranzumachen. Ich meine, ich bin Profi! Würde ich mich da nicht im Griff haben, wäre ich schon längst gescheitert. Da muss ich nur an New Yorker Zeiten mit all den Supermodels denken. Ich hatte das Gefühl, Marlene hat das eingesehen. Wirklich eingesehen. Und verstanden. Ich habe mich zum ersten Mal seit unserem Gespräch am Pool im No Limits wieder wirklich verstanden gefühlt von ihr. Und das war ein sehr schönes Gefühl. Ein wunderbarer Moment zwischen uns. Ohne weiter darüber nachzudenken, habe ich diesen Moment direkt genutzt, um sie zu fragen, ob sie denn wüsste, warum sie so überreagiert, und tatsächlich … hat sie gesagt, sie musste in letzter Zeit oft an mich denken. Mein Herz hat so laut geschlagen, dass es durch halb LCL gehallt haben muss. Und dieses Pochen war zur Abwechslung mal ein schönes Gefühl. Eines, das sich aus der Brustgegend heraus genauso schnell auf den gesamten Körper verbreitet wie dieser krampfartige Schmerz der letzten Tage, aber im Gegensatz zu dessen eisiger Kälte wie ein warmer, wohliger Schauer begleitet von einem leise vibrierenden Kribbeln wirkt. Sie war … sie war gerade dabei, über das zu sprechen, was sie fühlt, da … kommt ausgerechnet in dem Moment dieser Polizist wieder vorbei und sagt, wir könnten jetzt weiterarbeiten. Wie ein Gongschlag. Für mich vorbeifliegende Worte, deren Sinn ich nur erahnen konnte. Der sich mir nicht erschloss, weil es für mich ein einziges Geräusch war. Ein Geräusch wie ein lang gezogener unangenehm pfeifender Ton, der den Moment abrupt und unsanft beendet. Der Moment war verflogen, und auch wenn wir noch ein wenig herumgealbert haben, ich nannte sie kleine Zicke und sie mich Designerdiva, hatte Marlene wieder dicht gemacht. Die Maske saß, die Mauer war wieder errichtet. Das ist wie An- und Ausziehen. Mittlerweile kann ich das in Sekundenschnelle spüren bei ihr. Weiß immer ganz genau, mit wem ich spreche. Mit Marlene oder mit ihrer Außenfassade, die sie hervorragend und bemerkenswert penetrant vertritt.

Erneuter Wechsel, erneute Chance. Später beim Kleid abstecken, da war sie wieder da, diese Nähe. Die wahre Marlene. Wir beide allein. Umgeben von einem magischen Schleier, den nur wir sehen können. Der uns den Atem raubt und auf eine unerklärliche, faszinierende Weise gleichzeitig neue Luft schenkt. Ich habe mich wirklich bemüht, vorsichtig zu sein, und habe nochmal angesetzt, wo wir vorhin aufgehört hatten. Was wollte sie denn vorhin noch sagen? Als sie meinte, sie hätte in letzter Zeit oft an mich gedacht? Gott, war ich aufgeregt. Habe vergessen zu atmen und ihr einfach nur in die Augen gesehen. WIRKLICH in die Augen gesehen. Fordernd. Ehrlich. Entwaffnend. Und war erstaunlicherweise doch noch fähig, parallel das mit dem Abstecken auf die Reihe zu bekommen. Wahnsinn, unter was für Bedingungen man noch halbwegs professionell arbeiten kann. Aber dafür … ich … ich weiß gar nicht, wie ich das beschreiben soll, aber sie hat gestottert, was mich verrückt gemacht hat, weil es wirklich mehr als anziehend und einfach nur süß war … sie hätte ein paar Mal an den Abend mit dem Flaschendrehen gedacht … und an den Abend, wo wir im Pool gelandet sind. Ich konnte nicht mehr sprechen, nicht mehr atmen. Wie kann man so sein? So verführerisch. Charmant. Betörend. Endlos bezaubernd. Allein schon, wie sie diese Worte ausgesprochen hat, so sinnlich … und ich könnte schwören, da lag ein verträumtes Lächeln auf ihren Lippen. Ich könnte sogar schwören, dass ihr Blick immer wieder auf meine Lippen abgedriftet ist. Richtig erinnern kann ich mich nicht mehr. Ich bin zu sehr Karussell gefahren. Schwindel. Achterbahn der Gefühle. In einer Eindringlichkeit, die man nicht annähernd greifen kann. Die man kaum aushalten kann. Meine Knie waren weich und … ich … sie hat … sie hat mir die Frage gestellt, ob es nicht vielleicht doch sein könnte, dass … dass ich mich in sie verliebt habe. Ich bin mir sicher, mein Herz hat kurz aufgehört zu schlagen.

gez. Rebecca süß von Lahnstein


- 05.06.2012 -


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BeitragVerfasst: 05.06.2013, 21:12 
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Beste Quotes der Folge 4085:

Rebecca: Schickes Kleid.
Marlene: Was soll das jetzt heißen?
Rebecca: Das heißt, dass dein Kleid schön ist. Es gefällt mir. Das war'n ganz normales Kompliment. Also wenn du da jetzt wieder irgend nen doppelten Boden vermutest, dann ist das dein Problem und nicht meins.
Marlene: Willst du damit etwa sagen, dass ich paranoid bin?
Rebecca: Was?
Marlene: Ich wär' einfach froh, wenn du solche Unterstellungen in Zukunft lassen könntest, das … ist echt ziemlich plump.
Rebecca: Plump. Klar. Und beim Flaschendrehen hab' ich dich natürlich gezwungen, mich zu küssen.
Marlene: Siehst du! Fängst du schon wieder mit diesem Thema an. Ich mein', kannst du an nichts anderes mehr denken?
Rebecca: Als an was?
Marlene: An mich!
Rebecca: Es tut mir wirklich leid, wenn ich deine Phantasien zerstören muss, aber das kann ich sogar sehr gut. Zufrieden?
Marlene: Ja. Weißt du was? Ich bin einfach nur froh, wenn diese Fittings endlich vorbei sind.
Rebecca: Ja, kann ich mir vorstellen. Weil ich ja auch keine Gelegenheit auslassen, an dir rumzufummeln.
Marlene: Ja, tust du auch nicht.
Rebecca: Deine Panik sagt einfach alles!
Marlene: Panik? Quatsch, ich … hab' überhaupt keine … Panik!
Rebecca: [grinst] Schönen Tag noch.

Tristan: Und Marlene und du, ihr seid euch doch in allem einig. Also, es geht flott.
Rebecca: Sagt wer?
Tristan: Beim letzten Mal kam sie nach Hause und … war völlig beseelt.

Rebecca: Entschuldigung, aber ich hab' gerad andere Probleme als so'n hängendes Dekolleté. Christian, da bist du ja endlich, ich brauch' dringend deine Hilfe.
Christian: Es geht um Dekolletés? Kein Problem.

Marlene: Das Fitting findet nicht statt. Punkt.
Tristan: Hast du wieder irgendeinen lästigen Termin am anderen Ende der Stadt oder … musst du Christian vielleicht über seinen Liebeskummer hinwegtrösten?
Marlene: Mit Christian hat das nichts zu tun. Ich hab' vorhin Sebastian getroffen und mit ihm über Tanja gesprochen und jetzt … [seufzt] muss ich die ganze Zeit an sie denken.

Rebecca: Marlene kommt in einer Stunde.
Christian: Dann habt ihr's aber endlich hinter euch.
Rebecca: Das hat Tristan auch gesagt. Ihr Männer habt wirklich keine Ahnung.
Christian: Ihr Mädels … kriegt das schon hin. [will gehen]
Rebecca: [entsetzt] Warte! Du musst hierbleiben.
Christian: Warum?
Rebecca: Wir brauchen … Neutralität. Stell' dir einfach vor, du bist die Schweiz.

Rebecca: So geht das nicht.
Marlene: Es tut mir leid, es ist nur … du hast einfach … kalte Hände.
Rebecca: Und wie kann das sein, wenn ich angeblich so heiß auf dich bin?
Christian: Rebecca!
Rebecca: Ne wirklich, könnt' ihr mir mal bitte sagen, wie ich Marlene's Kostüm ändern soll, wenn ich sie dabei nicht anfassen darf?
Christian: Sie hat doch gesagt, du … du hast zu kalte Hände.
Rebecca: Aber damit gemeint hat sie, dass ich die Finger nicht von ihr lassen kann. Dabei denkt hier nur einer an was anderes als Arbeit. Und das bin garantiert nicht ich.
Marlene: Vielen Dank für diese Unterstellung. [geht]
Rebecca: Was wird das jetzt?
Marlene: Das Fitting ist vorbei.
Rebecca: Siehst du! Hier sind die Garderoben, aber sie schließt sich zum Umziehen in die Toilette ein.
Christian: Du, ich … kann euch hier nicht weiterhelfen. Die Schweiz zieht sich zurück.

Rebecca: Marlene? Also Tristan braucht die endgültigen Schnitte. Und wenn ich das machen soll, dann musst du wohl oder übel ertragen, dass ich dich anfasse. Aber nochmal mach' ich das nicht mit. Also entscheide dich, ob du das willst, und zwar jetzt.
Marlene: Du bist heute irgendwie so … gereizt. [beleidigter Diven-Blick]

Marlene: Bin ich wirklich die Einzige, die überempfindlich reagiert? Hast du da überhaupt kein Problem damit?
Rebecca: Doch natürlich. Als du das letzte Fitting abgebrochen hast, wie du es abgebrochen hast … [seufzt] ich mein', das war wirklich kein Annäherungsversuch, ehrlich. Und dass du das glaubst, das trifft mich einfach. Ich bin Designerin, ich bin Profi. Glaubst du wirklich, ich würde einen Termin wie ne Anprobe dafür ausnutzen, um jemanden anzumachen?
Marlene: Okay. Vielleicht hab' ich ja nen bisschen … nein, ich hab' total überreagiert. Es tut mir leid.
Rebecca: Und was meinst du, warum?
Marlene: In letzter Zeit, da … da hab' ich oft an dich gedacht.
[beide drehen sich um]
Polizei: Die Hausdurchsuchung ist beendet. Sie können wieder an die Arbeit zurück.
Rebecca: Danke. Marlene … wegen eben …
Marlene: Ja, find' ich auch. Lass' uns den Streit endlich vergessen, ja? Ich will dich nicht verlieren.
Rebecca: Ich dich auch nicht. [haut Marlene verspielt] Obwohl du ne ganz schön kleine Zicke bist.
Marlene: Hey! Das sagst ausgerechnet du … du Designerdiva!

Rebecca: Okay, wir sind gleich fertig. Nur noch einmal abstecken.
Marlene: [lächelt] Klar, steck' mich ab. Ich halt' still.
Rebecca: Okay, ich bin auch ganz vorsichtig. Was wolltest du vorhin … nochmal sagen? Dass du in letzter Zeit öfter an mich gedacht hast …
Marlene: [seufzt] Ja, ich hab' … ich hab'n paar Mal an den … Abend gedacht, an dem wir Flaschendrehen gespielt haben, und … als wir dann nen paar Abende später im Pool gelandet sind … ich, ich weiß, dass ich dich das schon mal gefragt habe, und … du hast es abgestritten, aber …
Rebecca: Was denn?
Marlene: Könnte es nicht vielleicht doch sein, dass … du dich in mich verliebt hast?


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