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BeitragVerfasst: 27.07.2015, 17:12 
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Hallo :huhu:,

in Absprache mit Dani und ihrem Einverständnis werden Sterni und ich in der kommenden Zeit ihre beiden FFs "Vom Regen in die Traufe" und "Die Kraft der Liebe" aus dem Rosanen hierher überführen. Zwei derartig großartige Marbecca-FFs können der VL- und Marbecca-Fangemeinde schließlich nach dem baldigen Ladenschluss im Rosanen nicht vorenthalten werden. :mrred:

Gepostet wurde die Geschichte zwischen dem 28.04.2014 und dem 10.02.2015.

dani2503 hat geschrieben:
Liebe Marbecca Fans,

wie angekündigt, starte ich heute mit meiner Kurzgeschichte, deren Titel vielleicht schon erahnen lässt, worum sie sich dreht und wo sie am Ende hinführen wird. Es handelt sich um die Fortsetzung dessen, was bei VL bis zur heutigen Folge passiert ist. Ungeachtet dessen, ob die Marbecca Trennung endgültig ist oder nicht, habe ich mich ganz spontan dazu entschlossen, genau da anzusetzen und die Liebesgeschichte der beiden zu einem (für mich) würdigem Abschluss zu bringen. Es ist also nichts weiter als eine mögliche Variante, wie es weitergehen könnte und natürlich ist es mein ganz persönlicher Abschied von diesem wundervollen Paar, das mich fasziniert hat, wie kein anderes, besonders in ihrer Anfangszeit, die einfach unbeschreiblich intensiv, gefühlvoll und in gewisser Weise auch zauberhaft war.
Sollte es uns noch vergönnt sein, nach der VL Zwangspause und der anschließenden WM, eine Marbecca Wiedervereinigung zu erleben, wäre ich natürlich sofort dabei, aber bis dahin vergeht noch viel Zeit. Von daher hat es mich einfach in den Fingern gejuckt, ihnen schon jetzt ein Ende zu geben, welches mich persönlich zufriedener stimmt. Ich kann es nun mal nicht haben, die beiden dauerhaft getrennt zu wissen und deshalb musste ich diese Geschichte einfach schreiben. Sie ist zwar nicht mit meiner anderen FF zu vergleichen, weil sie deutlich schneller erzählt wird und nicht so viele Handlungsstränge hat, aber sie entstand ja auch ganz spontan und ebenso schnell habe ich sie umgesetzt.

Soviel also dazu, und nun geht es genau an der Stelle weiter, an der die beiden Frauen sich heute Abend voneinander verabschiedet haben. Marlene geht mit ihrem Koffer davon und hinterlässt eine zutiefst traurige Rebecca...




Marlene & Rebecca - Die Kraft der Liebe
- Unsere zweite Chance -


Kapitel 1: Rebecca


Da lief sie fort, ohne sich noch einmal umzudrehen, und verschwand langsam in der Dunkelheit. Rebecca blickte ihr nach, unfähig sich zu bewegen, und unfähig einen klaren Gedanken zu fassen. Alles in ihr schrie danach ihr nachzulaufen und sie aufzuhalten, aber sie tat es nicht. Sie konnte es nicht und sie durfte es nicht, denn sie hatte verstanden, dass sie Marlene gehen lassen musste, wenn sie nicht wollte, dass ihre Freundin länger unglücklich war. Der Schmerz und die Erkenntnis darüber, dass sie es nicht geschafft hatten, aneinander dauerhaft glücklich zu machen, war für Rebecca genauso unerträglich wie die Vorstellung, dass sie Marlene für immer verloren hatte. Sie stolperte ein paar Schritte zurück und stieß gegen eine Wand, an der sie sich langsam zu Boden gleiten ließ. Immer wieder tauchten Bilder ihrer gemeinsamen Zeit mit Marlene vor ihrem inneren Auge auf, Bilder auf denen sie verliebt und glücklich waren, Bilder die Rebecca in diesem Moment in die Knie zwangen und ihr die letzte Kraft raubten. Jetzt brachen alle Dämme der jungen Gräfin, die bis zuletzt noch gehofft hatte, dass ihre Liebe es schaffen konnte, und dass sie einen Weg finden würden, wieder gemeinsam glücklich zu sein, so wie früher. Viel zu spät hatte Rebecca erkannt, dass es nicht alleine darum ging, sondern dass es in erster Linie um Marlene ging und darum, dass sie wieder zu sich selbst finden musste. Anfangs war Rebecca wütend auf ihre Freundin gewesen und enttäuscht, weil sie Marlenes Festhalten an der Trennung als Ablehnung empfunden hatte, und weil sie einfach nicht hatte verstehen können, dass Marlene so hart und konsequent war, was das Aus ihrer Beziehung anging. Nachdem sie noch einmal miteinander geschlafen hatten, war es fast wie früher gewesen, sie waren einander nah und tief verbunden, und während sie selbst unendlich erleichtert darüber gewesen war, war es für Marlene ein Abschied gewesen. Rebecca fing erneut an heftig zu schluchzen, ihr zarter Körper zitterte vor Kälte und doch war sie nicht in der Lage sich zu bewegen. In diesem Moment wollte sie am liebsten sterben, damit der Schmerz ein Ende hatte und sie endlich aufhören konnte Marlene zu vermissen. Natürlich würde das nicht passieren, aber Rebecca war gerade egal, was mit ihr geschah, denn alles was sie sehen konnte, wenn sie nach vorne blickte, war nichts...Da war nichts mehr, worauf sie sich freuen konnte, wenn sie nach Hause kam, in eine leere Suite, da war kein Strahlen mehr und keine Freude, wenn sie LCL betrat, und sie fühlte keinen Antrieb mehr, um weiter an ihrer beruflichen Karriere zu arbeiten. Alles fand plötzlich ein jähes Ende und fühlte sich nur noch sinnlos und schwer an. Als es anfing zu regnen, rappelte Rebecca sich auf und versuchte in das Hier und Jetzt zurück zu kehren, doch eigentlich wollte sie das gar nicht. Das neue Jetzt machte ihr Angst und sie war noch nicht bereit für dieses Leben, das ihr schon jetzt fürchterlich einsam und trostlos vorkam.

Als sie einige Zeit später das Schloss erreichte, lief sie wortlos an Justus vorbei, der sofort merkte, dass etwas nicht stimmte, der sich aber nicht wagte nach den Gründen zu fragen. Auch Tristan lief seiner Schwester über den Weg, die ihn jedoch keines Blickes würdigte, auch nicht, nachdem sie ihn im Vorbeigehen angerempelt hatte „was ist denn mit Dir los? Du siehst schlimmer aus als ich, nach einer durchzechten Nacht“ bemerkte er in seiner üblich flapsigen Art, doch Rebecca ignorierte ihn, ging in ihre Suite und schloss die Tür hinter sich. Tristan überlegte einen Augenblick, und obwohl er wusste, dass er zur Zeit nicht der beste Ansprechpartner für seine Schwester war, folgte er ihr und betrat ohne anzuklopfen den Raum „okay, was ist passiert? Ist es wegen Marlene? Habt Ihr Euch immer noch nicht eingekriegt?“ fragte er fast schon gelangweilt, woraufhin Rebecca ihm einen bösen Blick zuwarf, der noch immer von den vielen Tränen verschleiert war „spar Dir Deine blöden Sprüche, Tristan! Ich weiß, dass es Dich nicht die Bohne interessiert, dass meine Beziehung kaputt ist, Du bist wahrscheinlich noch der Meinung, dass ich es verdient habe und dass Marlene an Deiner Seite besser aufgehoben gewesen wäre. Aber soll ich Dir mal was verraten? Du irrst Dich! Dass Marlene gegangen ist, hat nichts damit zu tun, dass sie mich nicht mehr liebt, so wie bei Dir damals, aber das wirst Du nie verstehen, weil Du sie niemals richtig gekannt hast! Du hast doch keine Ahnung, was wirkliche Liebe bedeutet, alles was Du kannst ist andere zu zerstören und noch nachzutreten, wenn es längst vorbei ist. Oder wieso hast Du die erst beste Gelegenheit genutzt, um mit Marlene zu schlafen, obwohl Du gemerkt haben musst, in was für einem Zustand sie war? Ich sage Dir warum, Tristan, weil Du krank bist und ich habe es satt, dass Du immer wieder alles kaputt machen musst! Wenn Du etwas gelernt hättest, und wenn Dir etwas an mir liegen würde, dann hättest Du einmal Deinen Verstand eingeschaltet, anstatt die Situation auszunutzen und Dich mal wieder in Deiner Außenseiter Rolle einzuigeln, in der Du Dich ja ach so wohl fühlst. Ich weiß, dass auch ich schlimme Fehler gemacht habe, aber ich habe niemals etwas aus Boshaftigkeit getan, oder weil es mir gerade mal so in den Sinn gekommen ist, und schon gar nicht habe ich es getan, um einen anderen Menschen zu verletzen. Und genau das unterscheidet uns beide, Tristan, denn Du wirst niemals in der Lage sein glücklich zu sein, weil Du Dir permanent selbst im Weg stehst und Dich lieber in Deinem Selbstmitleid badest, als etwas zu verändern. Warum sonst säufst Du wieder den ganzen Tag lang, schmeißt Dir irgendwelche Drogen ein und scheißt auf alles, was Dir mal etwas bedeutet hat? Ach, weißt Du was, ich will es gar nicht wissen, es interessiert mich nicht mehr. Du interessierst mich nicht mehr und jetzt verschwinde und lass mich in Ruhe!“ schrie sie ihn an, während erneut Tränen über ihr Gesicht liefen. Die beiden Geschwister starrten einander an, Rebecca wusste, dass sie gerade wild um sich schlug, aber es tat ihr nicht leid, es war befreiend und außerdem war es genau das, was sie fühlte „und was bringt Dir diese Erkenntnis jetzt? Du bist trotzdem alleine, hast Marlene verloren und wirst damit leben müssen, genauso wie ich damals. Ich habe keine Ahnung, was da genau bei Euch abgegangen ist, aber wenn Ihr so schnell aufgebt, dann kann die Liebe so groß ja nicht gewesen sein. Vielleicht musst Du einfach mal einsehen, dass Du es verbockt hast, Rebecca, anstatt die Schuld auf mich abzuwälzen, aber das ist natürlich unangenehm, weil Du dann einsehen müsstest, dass Du auch nicht so perfekt bist, wie Du denkst“ erwiderte er mit monotoner Stimme, und Rebecca fragte sich, ob er mal wieder was eingeworfen hatte, oder ob er inzwischen schon so abgestumpft war, dass er keinerlei Emotionen mehr zeigen konnte. Sie schüttelte traurig den Kopf „ich habe niemals behauptet, dass ich perfekt bin, niemand ist perfekt. Und ich habe auch nicht gesagt, dass Du Schuld an der Trennung bist, denn das würde heißen, dass die Sache zwischen Marlene und Dir etwas bedeutet hätte, aber das hat sie nicht. Es ist nur dazu gekommen, weil ich sie so tief verletzt habe...Es geht mir nicht um das, was da zwischen Euch passiert ist, es geht darum, dass Du mein Bruder bist und dass es Dir völlig egal war. Damit hast Du einmal mehr bewiesen, wie gleichgültig Dir das alles ist, auch ich, und auf so einen Bruder kann ich verzichten, Tristan. Und jetzt geh und mach die Tür von außen zu, ich kann Dich nicht mehr ertragen“ ließ sie ihn wissen und wandte sich ab. Der Graf schien mit sich zu ringen und zu überlegen, ob er noch etwas entgegnen sollte, doch er beließ es dabei und verließ lautlos die Suite. Er verspürte den starken Drang sich einfach wieder zu betrinken und genau das würde er auch tun, denn schließlich war es doch genau das, was alle von ihm erwarteten und er wollte schließlich niemanden mehr enttäuschen. Rebecca hatte sich unterdessen ausgezogen, stieg in die Dusche und ließ das heiße Wasser auf sich hinab strömen, in der Hoffnung, dass es einen Teil der Kälte vertrieb, die sich langsam in ihr ausbreitete. Gerade als sie anfing sich ein wenig zu entspannen, fiel ihr Blick auf das Shampoo von Marlene, das noch immer an seinem Platz stand und welches dafür sorgte, dass das beklemmende Gefühl mit voller Wucht zurück kam. In Gedanken sah sie sich wieder in der Wohnung der Wolfs, lag neben ihrer Marlene im Bett, hielt ihre Hand und schaute in ihre Ozean blauen Augen, die sie glücklich und traurig zugleich ansahen. Rebecca griff nach dem Shampoo, trug ein bisschen davon auf ihre Hand auf und verteilte es in ihrem dunklen Haar. Der Duft von Marlene, den sie immer verbreitet hatte, wenn sie sich mit frisch gewaschenen Haaren zu ihr ins Bett gelegt, und sich noch einmal an sie kuschelt hatte, stieg der Gräfin in die Nase, ließ sie für einen kurzen Moment ruhig werden und ermöglichte es ihr, sich voll und ganz in dieser Erinnerung zu verlieren. Die Kälte verflog, doch Rebecca wusste, dass sie schon bald wieder zurückkehren würde.


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Verfasst: 27.07.2015, 17:12 


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BeitragVerfasst: 27.07.2015, 17:15 
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Kapitel 2: Marlene

Als Marlene endlich im Flugzeug saß, war es, als würde einiges an Gewicht von ihr abfallen, doch da war auch noch etwas anderes, was sich weitaus weniger gut anfühlte. Sie lehnte sich in ihrem Sitz zurück und schloss die Augen. So vieles war geschehen in den letzten Wochen und wieder war sie an einem Punkt in ihrem Leben angekommen, an dem sie vor dem Nichts stand. Sie hatte nicht zum ersten Mal alles verloren, aber diesmal fühlte es sich noch viel schlimmer an, als all die Male zuvor. Von dem Moment an, als sie erkannte hatte, dass nicht nur ihre Beziehung, sondern ihr ganzes Leben in Trümmern lag, war sie wie ein wandelnder Geist gewesen, der zwar für alle sichtbar war, aber den doch niemand wirklich wahrnahm, sie selbst eingeschlossen. Wie hatte es soweit kommen können? Wie hatte aus ihrem größten Glück dieses Unglück werden können, und warum hatte sie es erst so spät erkannt? Viel zu spät. Sie hatte Rebecca mehrmals vorgeworfen mit Scheuklappen durchs Leben zu laufen und erst jetzt war ihr klar geworden, dass sie selbst noch viel schlimmer gewesen war, was das anging. Marlene hatte nicht nur ihre Probleme mit Rebecca verdrängt, sie hatte auch sich selbst immer mehr verloren und am Ende war ihr all das buchstäblich um die Ohren geflogen. Und jetzt saß sie hier, alleine in einem Flieger nach L.A., eine ungewisse Zukunft vor sich und ohne zu wissen, wie es weitergehen sollte. Dennoch fühlte sie sich mit jedem Meter, den sie sich von Düsseldorf entfernte besser, das Atmen fiel ihr wieder leichter und der ewige Spießrutenlauf hatte vorerst ein Ende. Es war ein Ausbruch und vielleicht auch eine Flucht, aber es war der einzig richtige Weg, das spürte Marlene, auch wenn diese Erkenntnis schmerzte, denn sie hatte sich eigentlich vorgenommen nie wieder vor etwas davon zu laufen. Marlene seufzte, natürlich war weg laufen keine Lösung, doch diesmal war es anders, denn sie lief nicht vor sich selbst und ihren Gefühlen davon, wie damals, sondern sie ging fort, um wieder zu sich selbst zurück zu finden. Sie musste wieder unabhängig sein, zu ihrer alten Stärke finden und sie brauchte neue Ziele in ihrem Leben, damit sie sich endlich wieder lebendig fühlen konnte. Aber sie hatte auch Angst zu scheitern und etwas zurück zu lassen, das viel wertvoller war, als alles, was ein Mensch besitzen konnte. Rebecca war nicht nur eine gescheiterte Beziehung, sie war viel mehr als das und Marlene wusste, dass sie nie wieder jemanden finden würde, der sie so lieben würde, und den sie selbst so tief lieben konnte. Aber das war auch nicht der Grund für ihren Weggang, sie wollte keine neue Liebe finden, oder irgendetwas vergessen, sie wollte einen Neuanfang. Nur für sich und ohne irgendwelche Fesseln, die sie davon abhielten. Wieder dachte sie an Rebecca, an ihre traurigen Augen und wie verletzt sie gewesen war, als sie realisiert hatte, dass es keine Chance mehr für sie geben würde. Marlene hatte ein schlechtes Gewissen deswegen, natürlich hätte sie sich nicht noch einmal auf Rebecca einlassen dürfen, mit dem Wissen, dass sie trotzdem gehen würde, aber sie war auch nur ein Mensch und sie hatte sich in diesem Moment genauso nach der Nähe der anderen gesehnt. Es gab nun mal keinen Schalter den man betätigen konnte, um Gefühle abzustellen, und selbst wenn es einen gäbe, dann würde sie ihn nicht drücken wollen, denn die Liebe zu Rebecca war nichts, das sie bereute. Marlene würde niemals aufhören sie zu lieben, das hatte sie ihrer Freundin gesagt und sie hatte es auch genauso gemeint, jedes einzelne Wort. Aber sie wusste auch, dass es keinen Sinn gemacht hätte in Düsseldorf zu bleiben, denn sie kannte sich gut genug, um zu wissen, dass sie wieder schwach geworden wäre. Rebecca zu widerstehen war ihr niemals auf Dauer gelungen und wenn sie weiter umeinander herum geschlichen wären, wäre es mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Versöhnung gekommen. Das Problem dabei war, dass es nicht lange gut gegangen wäre, denn selbst wenn Rebecca etwas an ihrem Verhalten geändert hätte, so änderte das noch lange nichts daran, dass sie selbst unzufrieden war. Sie, Marlene von Lahnstein, die immer gewusst hatte, was sie in ihrem Leben erreichen wollte, konnte nicht länger in einer Beziehung leben und so tun, als mache das allein sie glücklich. Eine ganze Zeit lang hatte es funktioniert, Rebecca war zum Mittelpunkt in ihrem Leben geworden, hatte sie ausgefüllt und die Erfolge ihrer Freundin, waren auch ihre gewesen, denn es hatte sie mit Stolz erfüllt zu sehen, wie Rebecca ihre Träume verwirklichte. Aber irgendwann war das Ganze gekippt, war völlig aus dem Gleichgewicht geraten und sie war nicht länger die starke und selbstbewusste Frau an Rebeccas Seite gewesen, sondern nur noch die vorzeigbare Freundin, die alles mitmachte und die keine großen Ansprüche mehr an sich selbst stellte. Sie war immer mehr abgestumpft, ohne es zu merken, hatte sich angepasst und eingefügt in ihr Leben an der Seite einer erfolgreichen Designerin, und damit hatte sie wahrscheinlich auch den Respekt von Rebecca ein Stück weit verloren. Wer wollte schon ein Frauchen an seiner Seite haben, das immer nur kuschte und sich mit allem zufrieden gab? Marlene sicher nicht und sie selbst wollte auch nicht so sein. Auch das war ihr erst im Nachhinein klar geworden, dass es nicht möglich war den anderen glücklich zu machen, wenn man mit sich selbst nicht zufrieden war. Wenn man sich selbst nicht mehr liebte. Am Ende hatte auch Rebecca das gespürt, da war sich Marlene sicher, aber sie hatte genauso wenig einen Ausweg gewusst und stattdessen dort Zuwendung und Bestätigung gesucht, wo man sie verstand. Thore Hellström. Es wäre so einfach ihm die Schuld an allem zu geben, aber in Wahrheit war er nur der Tropfen gewesen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hatte. Natürlich hatte es verdammt weh getan erst betrogen und dann wochenlang angelogen zu werden, und das alles von dem Menschen, den man liebt, dem man vertraut und für den man sich selbst fast aufgegeben hat. Letztlich hatte es aber nur aufgezeigt, wie weit es zwischen ihnen schon gekommen war und dass sie nicht mehr in der Lage gewesen waren ihre Probleme zu lösen, indem sie miteinander sprachen, wie sie es zu Beginn immer getan hatten. Am Anfang ihrer Beziehung war alles so einfach gewesen, trotz der ganzen Probleme mit Tristan, denn sie hatten aufeinander aufgepasst und immer ein Gespür für das gehabt, was die andere gerade brauchte. Marlene wurde es schwer ums Herz, sie hatte so lange nicht zu ihren Gefühlen stehen können, aber als es dann endlich so weit gewesen war, hatte sie sich geschworen, dass sie ihr Glück mit Rebecca nie wieder los lassen würde. Und dann passierte es, schleichend und lautlos, während sie daneben stand und nichts dagegen unternommen hatte. Auch hier hatte sie versagt und was fast noch schlimmer war, sie hatte sich selbst verraten, als sie sich ausgerechnet auf Sex mit Tristan einließ, nachdem sie von Rebeccas Betrug erfahren hatte. Wenn sie jetzt darüber nachdachte, kam ihr das Ganze so absurd vor, dass es fast schon surreal wirkte, als wäre es gar nicht geschehen. Sie wünschte wirklich es wäre so, aber auch diesen Fehler musste sie mit auf die Liste der Dinge setzen, die sie falsch gemacht hatte und das waren eine ganze Menge. Aber Marlene wollte nicht länger der Vergangenheit nachhängen, sondern nach vorne schauen, denn noch hatte sie eine Chance etwas in ihrem Leben zu verändern und diese Chance würde sie nutzen. Sie wischte sich die Tränen aus den Augen und versuchte nicht an ihre Familie zu denken, die sie sehr vermissen würde, auch wenn sie zuletzt das Gefühl gehabt hatte, dass keiner von ihnen richtig verstehen konnte, wie es in ihr aussah. Aber vielleicht war das auch zu viel verlangt, wenn man bedachte, wie lange sie selbst gebraucht hatte, um es zu erkennen. Als sie ihre Augen wieder schloss und in einen leichten Schlaf fiel, träumte sie von ihrer Zeit als Musical Star, bevor ihre Mutter auftauchte, um ihr zu sagen, dass sie auf dem richtigen Weg war, und der Rest des Traumes von Rebecca eingenommen wurde, die sie aus ihren großen Augen ansah und ihr versprach, dass sie immer bei ihr war, ganz egal, wohin sie auch gehen würde.


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BeitragVerfasst: 27.07.2015, 17:16 
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Kapitel 3: Weitermachen, aber wie?

Erst ein paar Tage nach Marlenes Weggang fand Rebecca die Kraft aufzustehen und sich ihrem neuen Leben zu stellen, das sie noch immer nicht haben wollte, aber sie musste sich irgendwie damit arrangieren. Seit ihrer Begegnung mit Tristan hatte sie mit niemandem mehr gesprochen und obwohl es in ihr tobte, verspürte sie nicht das Bedürfnis sich ihrer Familie mitzuteilen, die es ohnehin nicht zu interessieren schien, dass ihr Leben gerade zusammengebrochen war. Als sie den Speisesaal betrat, saßen Elisabeth, Sebastian und Tanja noch am Esstisch „Rebecca, wie schön, dass Du uns Gesellschaft leistest“ begrüßte ihre Stiefmutter sie freundlich und Elisabeth war in der Tat die einzige, die überhaupt noch wahrzunehmen schien, wie dreckig es ihr in letzter Zeit ging „irgendwann muss ich ja mal wieder etwas essen“ erwiderte sie und setzte sich mit einem Teller Obst an den Tisch. Tanja blickte sie von der Seite her streng an „ich habe gestern übrigens kurz mit Marlene telefoniert, sie ist gut angekommen und scheint sich recht wohl zu fühlen. Dieser Bekannte von ihr, Jacob heißt er glaube ich, ist offenbar total angetan von ihr und ehrlich gesagt habe ich Marlene schon lange nicht mehr so begeistert von etwas erzählen gehört. Es scheint ihr wirklich gut zu gehen dort und Du solltest Dich lieber für sie freuen und zusehen, dass Du selbst Deinen Hintern wieder hochbekommst, anstatt Deine Wunden zu lecken. Bei LCL brennt der Baum und ich erwarte, dass Du Dich zusammenreißt, Rebecca. Eine Trennung mag schwer sein, aber sie ist kein Weltuntergang. Andere Mütter haben sicher auch schöne Töchter, falls Du inzwischen nicht doch wieder auf den Geschmack gekommen bist und Männer bevorzugst“ bemerkte sie und spielte damit offensichtlich auf Thore an, woraufhin die Gräfin ihre Gabel geräuschvoll auf den Teller fallen ließ. Elisabeth warf Tanja einen vernichtenden Blick zu und Sebastian versuchte wie immer, den Vermittler zu spielen „Schatz, bitte...Rebecca weiß selbst, dass sie bei LCL gebraucht wird und wie Du siehst, ist sie ja jetzt wieder im Einsatz. Manche Dinge brauchen nun mal ihre Zeit und die sollten wir ihr auch zugestehen“ bemerkte er und klang dabei wie ein Anwalt, was Rebecca erst recht wütend machte „Dinge? Was denn bitte für Dinge? Meine Freundin hat mich verlassen und ist mal eben nach Los Angeles ausgewandert. Aber das interessiert hier ja offenbar niemanden, oder warum sonst fragt nicht einer von Euch mal nach, wie es mir geht?“

Sebastian wirkte plötzlich überfordert, Tanja schnaubte nur verächtlich und Elisabeth versuchte es mit einem mitfühlenden Blick „natürlich wissen wir, dass es sehr schwer für Dich ist, aber Du weißt doch selbst, was in letzter Zeit hier los war. Wir alle müssen im Moment viel aushalten, aber es kommen auch wieder bessere Tage und wenn Du eine Auszeit brauchst, um Dich etwas zu erholen, dann lässt sich das bestimmt lösen, oder Tanja?“ sagte der Graf versöhnlich und blickte seine Freundin abwartend an, doch ehe diese antworten konnte, betrat Tristan den Raum und setzte sich neben seine Schwester. Die Chefin von LCL stöhnte „meine Güte, von mir aus, wenn es der guten Sache dient, dann nimm Dir halt eine Auszeit. Aber maximal eine Woche, danach will ich Dich wieder an Deinem Arbeitsplatz sehen, verstanden?“ erwiderte sie genervt „und was genau soll mir das bringen? Davon kommt Marlene auch nicht zurück, aber das kapiert Ihr natürlich nicht“ bemerkte sie angefressen. Tristan verkniff sich einen Kommentar, aber Rebecca erkannte an seinem Gesichtsausdruck, dass er vorgehabt hatte etwas zu sagen „was? Kommt jetzt wieder irgendeine dumme Bemerkung von Dir, oder hast Du zur Abwechslung mal was Sinnvolles beizutragen?“ wollte sie wissen und merkte, wie ihr Puls sich beschleunigte „wozu, Du willst die Wahrheit doch eh nicht hören“ entgegnete Tristan knapp und schmierte sich ein Brötchen. Sebastian und Elisabeth schauten sich fragend an, Rebecca rückte ihren Stuhl ab und schmiss die Servierte auf den Tisch „okay, das reicht für heute an familiärem Beistand. Vielen Dank dafür und noch einen schönen Tag. Ich gehe jetzt arbeiten“ verkündete sie geläutert und lief eilig aus dem Raum. Als Tristan die Blicke der anderen spürte, zuckte er nur mit den Schultern „ich habe nichts gemacht“ beteuerte er, doch Sebastian wusste es besser „nein, natürlich nicht, Du hast es nur als Deine Pflicht angesehen noch einmal mit Marlene ins Bett zu gehen, um der alten Zeiten willen, nehme ich an“ bemerkte er spitz. Tristan tupfte sich den Mund mit der Serviette ab und verzog das Gesicht „willst ausgerechnet Du mir jetzt einen Vortrag halten? Du hältst Dir gleich zwei Frauen auf dem Schloss, zwischen denen Du Dich nicht entscheiden willst, weißt nicht mal, was genau passiert ist und meinst trotzdem mich maßregeln zu müssen? Kehr erst mal vor Deiner eigenen Tür, Bruderherz. Und jetzt entschuldigt mich bitte, ich habe noch zu tun.“ Er erhob sich und verließ ebenfalls den Saal, während die drei anderen zurück blieben „langsam weiß ich wirklich nicht mehr was ich noch machen soll, um diese Familie zusammenzuhalten. Vielleicht ist es ja besser so, also dass Marlene jetzt weg ist, dann hat wenigstens dieses Drama ein Ende“ sagte er hörbar erschöpft und fing sich dafür einen giftigen Blick von Tanja ein „Marlene war die einzig normale auf diesem Schloss, neben Emma und mir, versteht sich“ ließ sie ihn wissen und stand auf „ich bin in der Firma, falls mich jemand sucht.“ Elisabeth wandte sich verwundert an ihren Stiefsohn „habt Ihr auch Ärger?“ erkundigte sie sich, was Sebastian mit einem Nicken bestätigte „es ist wegen Frida...ich glaube, ich habe das nicht mehr im Griff“ gab er zu und vergrub seufzend sein Gesicht in den Händen.

Bei LCL angekommen stürzte Rebecca sich direkt in die Arbeit, wie sie es immer tat, wenn es ihr schlecht ging, doch es war mehr ein Funktionieren, als ein kreatives Schaffen, was auch Thore nicht verborgen blieb, der sich ihr langsam von hinten genährt hatte „ich will Dich ja nicht kritisieren, aber was genau soll das darstellen?“ fragte er leicht amüsiert. Rebecca riss das Blatt ab, zerknüllte es und schmiss es auf den Boden „würdest Du mich bitte einfach in Ruhe lassen? Ich kann das gerade nicht, okay?“ erwiderte sie, blickte bedrückt auf das Foto von Marlene und sich, welches auf ihrem Tisch stand und steckte es schnell in die Schublade „das nimmt Dich ganz schön mit, was? Es tut mir wirklich leid, dass Ihr das nicht mehr hinbekommen habt...vielleicht wäre es doch besser gewesen mit ihr zu reden, aber hinterher ist man ja immer schlauer“ redete er einfach weiter und obwohl er es gut meinte, konnte Rebecca es einfach nicht annehmen. „Was weißt Du denn schon? Du kennst Marlene nicht und Du hast keine Ahnung von dem, was zwischen uns war...“ sagte sie und schluckte, weil es weh tat in der Vergangenheitsform über ihre Liebe zu sprechen, doch so war es nun einmal und sie musste sich daran gewöhnen. Thore merkte, dass es besser war sich zurück zu ziehen „Du hast Recht, aber ich weiß, wie es sich anfühlt verlassen zu werden. Aber glaub mir, es geht vorbei und eines Morgens wachst Du auf und bist wieder glücklich. So ist es immer, weil das Leben weiter geht und noch viele wunderbare Dinge für jeden von uns bereit hält“ erklärte er bedeutungsschwer und ließ sie dann alleine. Rebecca fasste sich benommen an die Stirn und schüttelte den Kopf, sie konnte diesen ganzen Mist einfach nicht mehr hören, nichts davon war wahr. Sie öffnete vorsichtig die Schublade und holte den Bilderrahmen wieder raus „wie soll ich denn ohne Dich weitermachen? Ich will es ja, aber ich weiß einfach nicht wie“ flüsterte sie traurig und stellte das Bild zurück an seinen Platz. Marlene komplett aus ihrem Leben zu verbannen funktionierte nicht, sie brauchte einfach das Gefühl, dass sie immer noch ein Teil von ihr war. Ohne weiter darüber nachzudenken, schrieb sie eine SMS und schickte sie ab, bevor sie es sich anders überlegen konnte. Vielleicht war es falsch, aber das war Rebecca egal, Marlene musste einfach wissen, wie sehr sie ihr fehlte und dass sie es kaum ertragen konnte, ohne sie zu sein. Am Ende ging es Marlene womöglich genauso und sie traute sich einfach nicht es zu sagen. Dabei musste sie noch viel einsamer sein, alleine in L. A., wo sie doch kaum einen Menschen kannte. Rebecca stand auf, packte ihre Sachen zusammen und beschloss sich ein bisschen abzulenken, um das Warten auf eine Antwort von Marlene zu verkürzen. Plötzlich sah sie nicht mehr alles nur negativ, sondern glaubte wieder daran, dass es einen Weg gab, sie musste ihn nur finden und weiter fest daran glauben.


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BeitragVerfasst: 27.07.2015, 17:17 
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Kapitel 4: Loslassen

Marlene beobachtete fasziniert, wie Jacob seinen Schüler mit gezielten Übungen dazu brachte völlig aus sich heraus zu gehen und alles um sich herum zu vergessen. Jedenfalls wirkte es so und das war auch das, was Marlene stets beim Singen empfunden hatte, doch hier ging es nicht mal um eine Bühne, sondern nur um eine einzelne Stimme und um das, was sie zu leisten imstande war. Sie fühlte sich schon nach den ersten Tagen wohl in L. A., besonders das Zusammenarbeiten mit Jacob gefielt ihr und es sorgte dafür, dass sie sich frei fühlte. Endlich tat sie wieder etwas für sich, konnte mitreden und wusste, worauf es ankam. Einige der Schüler hatten sie direkt erkannt und sie mit unzähligen Fragen zu ihrer Zeit als Musical Sängerin bombardiert, die Marlene ihnen gerne beantwortet hatte. Sie spürte das ehrliche Interesse der jungen Leute, sie nahmen sie nicht nur wahr, sie bewunderten auch das, was sie in ihrem Leben bereits erreicht hatte und das tat Marlene unendlich gut, denn sie hatte fast vergessen, dass auch sie Grund hatte stolz auf sich zu sein. Als ihr Handy ein Signal von sich gab, griff sie danach, um die Nachricht zu lesen, aber als sie den Absender sah, zögerte sie. Sie SMS war von Rebecca, sie hatte damit gerechnet, dass sie sich zuerst melden würde, aber dennoch war sie überrumpelt und wusste nicht, was sie tun sollte. Am Ende entschloss sie sich dafür, sie zu lesen, bereute es aber im nächsten Moment, denn sofort sprang etwas von Rebeccas Traurigkeit und Verzweiflung auf sie über. Marlene konnte es beinahe körperlich spüren, legte das Handy zurück in ihre Tasche und lief nach draußen an die frische Luft, wo sie einige Male tief ein und aus atmete. Nach ein paar Minuten tauchte ihr Freund neben ihr auf und sah sie besorgt an „Deine Ex-Freundin?“ fragte er nur, was Marlene mit einem Nicken bestätige, da sie zu mehr nicht in der Lage war. Dass er von ihrer Ex-Freundin sprach, erschien ihr plötzlich merkwürdig, aber das lag wohl einfach daran, dass sie sich noch nicht daran gewöhnt hatte. Jacob wusste nicht alles, aber genug, um zu ahnen, was in seiner Freundin vorging „ich weiß, dass das hart klingt, aber manchmal muss man einen Schlussstrich ziehen, auch wenn es noch so schwer ist. Du bist hergekommen, weil Du gemerkt hast, dass Dein Leben eine Sackgasse ist und Du etwas daran ändern wolltest, und ich merke schon nach kurzer Zeit, wie gut Dir diese Veränderung tut. Auch wenn es nicht leicht ist, aber Du musst jetzt an Dich denken und darfst Dich nicht von Rebecca runter ziehen lassen. Dass sie leidet ist klar, das tust Du auch, aber Ihr müsst loslassen, anders funktioniert es nicht. Wenn es stimmt, was Du mir über sie erzählt hast, dann wird sie es verstehen. Lieben bedeutet manchmal eben auch den anderen gehen zu lassen. Das ist schmerzhaft, aber es muss sein, wenn man wirklich etwas erreichen möchte. Schreib ihr nicht sofort zurück, lass es erst Mal sacken und überlege in Ruhe, wie Du damit umgehen möchtest. Jetzt machen wir erst mal weiter, ich möchte Dir gerne eine Schülerin vorstellen, die ich persönlich für ein Ausnahmetalent halte, und ich bin sehr gespannt, ob Du meine Meinung teilst“ erklärte er und lächelte ihr aufmunternd zu. Marlene spürte, dass sie sich langsam beruhigte und lächelte zaghaft zurück „okay“ sagte sie dankbar und folgte ihm zurück in das Gebäude. Für die nächsten Stunden gelang es ihr nicht an Rebecca zu denken, aber es folgten auch noch ein Abend und eine Nacht, und spätestens dann, wenn sie in ihrem kleinen Appartement hocken würde, das Jacob ihr organisiert hatte, kämen sie wieder, die Gedanken, die Zweifel, das schlechte Gewissen und sie Sehnsucht. Aber auch das gehörte zu ihrem neuen Leben dazu und Marlene würde lernen damit umzugehen.


Später am Abend, nachdem sie geduscht und eine Kleinigkeit gegessen hatte, saß Marlene auf dem kleinen Sofa und hielt nachdenklich ihr Handy in den Händen. Sie hatte sich unzählige Formulierungen überlegt, doch keine erschien ihr geeignet, um sich Rebecca zu erklären. Außerdem kam es ihr falsch vor das Ganze in eine SMS zu verpacken, da sie nicht wusste, wie es auf Rebecca wirken würde und wie sie damit zurecht kam. Eigentlich war zwischen ihnen alles geklärt gewesen, aber Rebecca hatte offenbar beschlossen, doch noch einmal um ihre Liebe zu kämpfen, was Marlene nicht großartig verwunderte, denn sie kannte es nicht anderes von der Gräfin, die niemals einfach aufgab, wenn ihr etwas wichtig war. Eigentlich war es ein sehr schönes Gefühl, doch Marlene konnte es nicht annehmen und sie hatte gehofft, dass Rebecca dies auch verstanden hatte. Nun passierte genau das, was sie hatte vermeiden wollen, es hemmte sie, machte sie traurig und es verhinderte, dass sie sich auf ihr neues Leben einlassen konnte. Seufzend wählte sie die Nummer ihrer Freundin, ohne darüber nachzudenken, dass es in Deutschland gerade mitten in der Nacht war, doch Rebecca ging trotzdem bereits nach dem zweiten Klingeln dran „Marlene?“ fragte sie, als könnte sie nicht glauben, dass sie es wirklich war. Auch die Blondine brauchte einen Moment um sich zu sammeln, es war schön und schrecklich zugleich Rebeccas Stimme zu hören, die unweigerlich dazu führte, dass Marlene Heimweh bekam „hallo Rebecca...ja, ich bin es. Es tut mir leid, bei Euch ist es noch mitten in der Nacht, oder? Ich habe nicht daran gedacht...“ sagte sie, doch die Gräfin wirkte hellwach „das macht nichts, ich habe eh nicht geschlafen...Das geht schon so, seit Du nicht mehr da bist. Es ist so schön Deine Stimme zu hören. Wie geht es Dir denn?“ wollte sie wissen und spürte, dass ihr Herz mit jeder Sekunde schneller schlug. Marlenes Herz dagegen wurde schwer, denn sie wusste, dass sie Rebecca mit dem, was sie ihr gleich sagen musste, enttäuschen würde „deshalb rufe ich Dich an...es ist wegen Deiner Nachricht. Rebecca, ich kann das nicht. Du weißt, warum ich gegangen bin und ich dachte, dass wir uns einig wären, was unsere Trennung angeht. Aber wenn Du jetzt wieder anfängst mir solche Sachen zu schreiben, dann reißt Du alles wieder auf...“ versuchte sie der anderen ihr Dilemma zu erklären, doch Rebecca war noch immer nicht bereit es zu akzeptieren „was heißt denn schon einig? Du weißt genau, dass ich mich nicht trennen wollte, aber Du hast mir ja keine andere Wahl gelassen. Ich habe zwar verstanden, dass es wichtig für Dich war zu gehen, aber das bedeutet doch nicht, dass ich deshalb einfach aufhören kann Dich zu lieben und an Dich zu denken. Ich vermisse Dich in jeder Minute, Marlene, ich kann nichts daran ändern und ich komme einfach nicht damit zurecht, dass Du aus meinem Leben verschwunden bist. Und ich kann nicht glauben, dass es Dir so leicht fällt...Du hast selbst gesagt, dass Du mich auch noch liebst. Wir können das doch nicht einfach aufgeben und so tun, als wäre alles in Ordnung. Wir gehören zusammen, Marlene, das spüre ich und seit Du gegangen bist, ist es mir noch viel bewusster geworden. Ohne Dich macht einfach nichts mehr einen Sinn.“

Nachdem sie die Worte ausgesprochen hatte, war es still in der Leitung, nur das leise Atmen ihrer Freundin war zu hören, die überfordert mit der erneuten Liebeserklärung war „das ist nicht fair, Du weißt ganz genau, dass es mir schwer gefallen ist zu gehen. Mir fällt überhaupt nichts leicht und ich kann meine Gefühle genauso wenig abstellen, wie Du. Aber ich kann auch nicht länger an ihnen festhalten, weil ich sonst daran kaputt gehe. Verstehst Du das, Rebecca? Ich versuche gerade etwas zurück zu bekommen, was ich in Düsseldorf verloren habe und ich brauche es, damit ich irgendwann wieder glücklich und erfüllt sein kann. Wenn ich das jetzt nicht tue, gehe ich ein und in diesem Zustand bin ich für niemanden zu gebrauchen, auch nicht für Dich, versteh das doch bitte. Natürlich vermisse ich Dich, aber ich habe mich nun mal für diesen Weg entschieden und ich weiß, dass es richtig war. Wir beide hatten eine wunderschöne Zeit zusammen, Du wirst immer einer der wichtigsten Menschen in meinem Leben sein, aber jetzt müssen wir einander loslassen. Wenn wir das nicht tun, schaffe ich es nicht und wir werden auf Dauer beide wieder unglücklich sein. Willst Du das? Ich denke nicht und ich weiß, dass Du stark genug dafür bist, Rebecca. Mach bitte Dein Leben nicht von mir abhängig, dann machst Du den gleichen Fehler wie ich und das ist nicht richtig. Du warst schon immer sehr willensstark und ich möchte, dass Du Deinen Weg weiter gehst und das tust, was Dich erfüllt. Wir beide müssen das tun, jeder für sich und deshalb sollten wir auch vorerst keinen Kontakt mehr haben. Versteh mich bitte nicht falsch, ich will Dich nicht aus meinem Leben verdrängen, aber im Moment tut es mir einfach nicht gut, weil es mir meine letzte Kraft raubt und mich daran hindert mich auf das zu konzentrieren, weshalb ich hergekommen bin. Bitte mach es mir nicht noch schwerer, als es ohnehin schon ist...und Dir selbst auch nicht“ bat sie die andere unter Tränen, denn sie hatte längst aufgegeben dagegen anzukämpfen. Auch Rebecca weinte, obwohl sie gefühlt keine Tränen mehr übrig haben dürfte, nachdem sie in den letzten Tagen kaum etwas anderes getan hatte „und was ist, wenn ich das nicht kann? Vielleicht bin ich einfach nicht so stark wie Du...Ich war doch immer nur stark, weil Du bei mir warst und mir die Kraft gegeben hast, die ich brauchte“ erwiderte sie leise „nein, das stimmt nicht, Rebecca, und das weißt Du auch! Du bist eine der stärksten Frauen, die ich kenne und das ist nur eine von vielen Eigenschaften, die mich immer an Dir fasziniert haben. Bitte verliere nicht den Glauben an Dich selbst, das will ich nicht, ich möchte, dass Du weitermachst und dass Du glücklich bist. Und irgendwann, wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist, dann werden wir uns wiedersehen, das verspreche ich Dir, und dann wird es uns beiden gut dabei gehen. Und jetzt möchte ich, dass Du noch ein bisschen schläfst und morgen gehst Du zur Arbeit und beendest Deine Kollektion, denn die ist verdammt gut. Versprichst Du mir das?“

Wieder entstand eine längere Pause, Marlene hörte, dass Rebecca sich die Tränen weg wischte und ihre Nase hochzog „ich versuche es“ sagte sie schließlich „aber wann werden wir denn dann wieder voneinander hören? Ich muss doch wenigstens wissen, dass es Dir gut geht.“ Marlene fühlte sich elend, und hätte sie die Möglichkeit gehabt Rebecca zu erreichen, wäre sie auf der Stelle zu ihr gerannt, um sie in den Arm zu nehmen „Du musst Dir keine Sorgen um mich machen, mir geht es gut hier. Und wenn was ist, dann melde ich mich bei Dir, versprochen. Und jetzt lass uns auflegen...pass bitte auf Dich auf und vergiss nicht, worum ich Dich gebeten habe“ sagte sie „pass Du auch auf Dich auf...und vergiss mich bitte nicht“ flüsterte Rebecca und wieder flossen die Tränen über ihre Wangen „das kann ich gar nicht, Du bist für immer in meinem Herzen“ ließ Marlene sie wissen und legte danach schnell auf, weil sie es nicht länger aushalten konnte.


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BeitragVerfasst: 27.07.2015, 17:19 
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Kapitel 5: Einsichten

Es dauerte noch eine ganze Weile ehe Rebecca der Bitte von Marlene folgen konnte, doch irgendwann schaffte sie es tatsächlich sich wieder auf ihren Alltag einzulassen und fand vor allem in ihrer Arbeit die nötige Ablenkung und den Halt, der ihr dabei half, auch ohne Marlene weiterzumachen. Natürlich gab es immer wieder Rückschläge und Rebecca hatte nach wie vor das Gefühl, dass es nicht richtig war, diese einzigartige Liebe aufzugeben, die für sie mit nichts auf der Welt zu vergleichen war, aber sie fand auch keinen Weg etwas dagegen zu tun, denn das konnte sie nur, wenn Marlene mitspielte. Das letzte Telefonat hatte ihr einmal mehr bewusst gemacht, wie wichtig Marlene für sie war, denn trotz der schweren Situation hatte sie ihr Mut gemacht und sie mit ihren Worten dazu gebracht den Kopf nicht einfach in den Sand zu stecken. So war es immer gewesen, auch wenn Rebecca manchmal nichts um sich herum wahrgenommen hatte und mit einem Tunnelblick durch die Gegend marschiert war, Marlene hatte es immer geschafft sie zu erreichen und sie durch eine klare Ansage zum Nachdenken zu bringen. Irgendwann hatte es allerdings aufgehört, das war Rebecca erst im Nachhinein klar geworden, und vielleicht war genau das der Anfang allen Übels gewesen und die ersten Anzeichen dafür, dass Marlene innerlich aufgegeben hatte. Dabei waren ihre Klarheit und das Temperament mit dem sie sich oftmals durchgesetzt hatte, genau das gewesen, was Rebecca manchmal brauchte, um nicht abzuheben. Aber was hatte Marlene gebraucht? Wenn Rebecca heute darüber nachdachte, dann wünschte sie sich, dass sie ihre Freundin einfach viel öfter danach gefragt hätte, und sie warf sich insgeheim vor, dass sie nicht gemerkt, einfach nicht gespürt hatte, wie schlecht es Marlene gegangen und wie unzufrieden sie zuletzt mit ihrer Lebenssituation gewesen war. Wenn sie weniger an sich und ihre Karriere gedacht und stattdessen mehr mit Marlene geredet hätte, dann hätten sie das Unheil vielleicht abwenden und rechtzeitig etwas tun können, um ihre Entfremdung zu verhindern. „Hätte, hätte, liegt im Bette...“ murmelte sie in Gedanken versunken, als Tanja hinter ihr auftauchte „sieht gar nicht mal so schlecht aus, aber das musst Du noch ändern. Die Farben gehen gar nicht, das habe ich Dir bereits letzte Woche gesagt“ bemerkte sie vorwurfsvoll und wartete auf eine entsprechend Bestätigung. Rebecca seufzte „und ich habe Dir schon gefühlte tausend Mal erklärt, dass das nicht Deine Entscheidung ist, sondern meine. Du kennst meinen Arbeitsvertrag, ich habe die kreative Freiheit und die lasse ich mir von Dir auch nicht nehmen. Außerdem weiß ich ganz gut, welche Farben zur Zeit angesagt sind, also gib endlich Ruhe und lass mich meine Arbeit machen“ erwiderte sie genervt, weil sie keine Lust mehr auf die ewig gleichen Diskussionen hatte. Rebecca würde niemals verstehen, wie Sebastian diese Frau einer Frida vorziehen konnte, obwohl doch offensichtlich war, dass er Gefühle für die hochschwangere Frau hatte, die schon bald ihren gemeinsamen Sohn zur Welt bringen würde „ich pfeife auf diesen Vertrag, denn unter mir hätte es den in dieser Form nie gegeben. Außerdem sind Verträge kündbar, das solltest Du nicht vergessen. Ich werde noch einmal mit Deinem Bruder darüber reden und danach werden wir sehen, wer hier am längeren Hebel sitzt. Deine letzten Kollektionen waren gut, Rebecca, aber Du bist nicht unersetzbar. Denk in Ruhe darüber nach und anschließend sprechen wir noch einmal über die Farben“ stellte sie fest und ging dann ihres Weges. Die junge Gräfin schüttelte den Kopf, irgendwann würde es einen großen Knall geben, das spürte sie schon lange und dabei konnte sie sich nicht mal mehr auf die Unterstützung ihrer Familie verlassen, das hatten ihre Brüder schon mehr als einmal unter Beweis gestellt. Ihre Beziehung zu Tristan war mittlerweile so weit herunter gekühlt, dass sie kaum noch ein Wort wechselten, und wenn sie es taten, dann waren es in der Regel keine Nettigkeiten. Auch ihr Verhältnis zu Sebastian war nicht mehr dasselbe, denn ihr großer Bruder interessierte sich kaum noch für etwas anderes, als die Leitung des Unternehmens und seine Probleme mit Tanja und Frida. Er hatte sich sehr verändert, seit ihr Vater und Hagen tot waren schien er nicht mehr zu wissen, was wirklich wichtig war im Leben und verrannte sich in den Gedanken, dass er auf Teufel komm raus den Fortbestand der Lahnstein Dynastie retten musste. Dafür griff er zu Mitteln, die ihm früher zu wider gewesen waren und lieferte sich einen Machtkampf nach dem anderen mit Ansgar, wobei es niemals einen Sieger zu geben schien. Rebecca seufzte erneut, wenn sie an ihre Familie zurückdachte, dann erinnerte sie sich vor allem an die Zeit, bevor sie nach Königsbrunn gekommen waren, denn da waren sie tatsächlich noch eine Familie gewesen, obwohl ihr Vater schon damals nicht mehr da gewesen war. Aber dafür hatten sie ein relativ normales Leben gelebt, ohne Machtgerangel und Intrigen, sie waren Geschwister gewesen, die aufeinander aufgepasst hatten und die immer respektvoll miteinander umgegangen waren, auch wenn es natürlich oft Streit gegeben hatte. Wieder musste sie an Marlene denken und an die Wolfs. Auch diese Familie hatte vieles ertragen müssen, aber sie hatten es immer geschafft sich zusammenzuraufen und ihre Probleme gemeinsam zu lösen. Bei ihnen zählte nicht die Leistung, die jeder brachte, sondern es ging darum, dass sie eine Einheit waren, das Wolfsrudel, wie es Marlene immer genannt hatte, und ihre Augen hatten dabei jedes Mal Glück und Liebe ausgestrahlt. Rebecca wusste nicht, woran es lag, dass sie mache Dinge plötzlich derart anders sah, aber es wühlte sie auf und es löste den Drang in ihr aus, etwas zu verändern. Aber gleichzeitig hatte sie Angst vor noch mehr Veränderungen in ihrem Leben, wo sie doch schon mit der Trennung von Marlene kaum zurecht kam, und deshalb schob sie die trüben Gedanken lieber beiseite, bis sie irgendwann von ganz alleine wieder auftauchten. Sie schaute sich müde in ihrer Abteilung um, außer Caro war niemand mehr da und wenn sie ging, würde Rebecca noch bleiben und auch heute bis spät in den Abend arbeiten, um nicht mehr Zeit als nötig auf dem Schloss und in ihrer Suite verbringen zu müssen. Sie hatte schon überlegt eine neue Suite zu beziehen, die nicht mit Erinnerungen an Marlene behaftet war, aber sie hatte die Idee schnell wieder verworfen, weil sie im Grunde nichts tun wollte, was sie noch weiter von Marlene entfernte. Rebecca schüttelte erneut den Kopf, sie musste damit aufhören, das wusste sie, aber es war so verdammt schwer. Trotzdem riss sie sich zusammen, erkundigte sich am Empfang danach, ob ihr Bruder noch im Büro war und beschloss ihn aufzusuchen, bevor Tanja es tun konnte, und auch, um irgendwie weiterzumachen, denn das hatte sie Marlene schließlich versprochen.

Sebastian sah ähnlich fertig aus, wie sie selbst sich fühlte, was ihren Groll gegen den großen Bruder etwas abmilderte „gut, dass ich Dich noch antreffe, ich muss mit Dir reden. Es geht um Tanja und um meinen Vertrag“ ließ sie ihn wissen und nahm vor seinem Schreibtisch Platz. Der Graf rieb sich die Augen, er war Hunde müde und konnte trotzdem so gut wie keine Nacht schlafen. Er machte sich Sorgen um seinen ungeborenen Sohn, fühlte sich noch immer zu Frida hingezogen und hatte deshalb ein schlechtes Gewissen Tanja gegenüber „Deine kreative Freiheit, ich weiß...hör zu, Rebecca, können wir vielleicht ein anderes Mal darüber sprechen? Ich bin echt kaputt und muss noch diese Unterlagen hier durchgehen“ erwiderte er, doch seine Schwester war nicht bereit schon wieder zurückzustecken „nein, das können wir nicht, denn Deine Freundin begreift es einfach nicht und liegt mir täglich damit in den Ohren. Ich bin damals zu bestimmten Bedingungen wieder eingestiegen und ich habe LCL gemeinsam mit Thore wieder auf Erfolgsspur gebracht. Das waren wir und NICHT Tanja. Ich lasse mich von ihr nicht länger gängeln, aber da sie sich nicht für das interessiert, was ich sage, brauche ich Deine Unterstützung. Ich bitte Dich doch um nichts, was nicht im Bereich des möglichen liegt, Sebastian, schließlich habe ich einen Vertrag und der ist eindeutig.“ Sie lockerte ihre Haltung und blickte ihn erwartungsvoll an „ja, schon, aber...jetzt ist Tanja nun mal wieder da, für sie ist das halt ihr Job, und sie hat nun mal immer das letzte Wort gehabt...Du kennst sie doch. Ich kann ja verstehen, dass es Dich ärgert, aber siehst Du denn keinen Weg Dich mir ihr zu arrangieren? Ihr habt das doch vorher auch irgendwie hinbekommen und wart trotz allem erfolgreich damit. Ich will damit nur sagen, dass es deutlich besser für den Frieden bei LCL wäre und für die Stimmung...und außerdem gibt der Klügere doch in der Regel nach, oder nicht?“ versuchte er es mit ein wenig Humor, aber der kam gar nicht gut an. Rebecca stand von ihrem Stuhl auf und verschränkte die Arme vor der Brust „ich hätte es wissen müssen, es ist doch immer das Gleiche! Tanja beschwert sich, und Du kuschst, Tanja sagt spring, und Du fragst wie hoch! Warum kannst Du nicht einmal hart ihr gegenüber bleiben, aber wenn es darum geht Deiner eigenen Schwester in den Rücken zu fallen, bist Du sofort dazu bereit! Weißt Du eigentlich, wie leid ich diesen ganzen Mist bin? Warum kann ich mich nicht ein einziges Mal auf Euch verlassen? Du hast Dich wirklich verändert, Sebastian, ich erkenne Dich kaum noch wieder...und das macht mir ehrlich gesagt Angst“ sagte sie mit gesenkter Stimme, nachdem sie zuvor etwas laut geworden war, und zu ihrem Erstaunen zeigte es sogar Wirkung. Sebastian erhob sich und ging um den Tisch herum zu ihr „vielleicht hast Du Recht...“ gab er zu und berührte sie sanft an der Schulter „aber ich weiß manchmal einfach auch nicht mehr weiter. Das alles wächst mir über den Kopf und es gibt Tage an denen ich in den Spiegel sehe und mich selbst frage, wer dieser Typ ist, der mir da gegenüber steht. Ich werde noch einmal mit Tanja reden, das verspreche ich Dir, okay? Diese Sache muss sich doch lösen lassen, ohne dass einer dabei auf der Strecke bleibt“ erklärte er versöhnlich, und Rebecca überkam plötzlich das Bedürfnis ihn in den Arm zu nehmen, was sie dann auch tat „danke“ flüsterte sie und war um einiges erleichtert.


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BeitragVerfasst: 27.07.2015, 17:20 
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Kapitel 6: Befreit

Nach drei Monaten war Marlene nicht nur in ihrem neuen Leben angekommen, sie fühlte sich inzwischen sehr wohl in L. A., und obwohl sie ihre Familie sehr vermisste, konnte sie sich vorstellen, dass dieser Ort zu ihrer neuem Heimat werden könnte. Hier gab es keine Vorgeschichte, keine erdrückenden Altlasten und sie musste für niemanden Verantwortung übernehmen, außer für sich selbst. Als große Schwester war dies eine völlig neue Erfahrung für sie, denn obwohl sie auch früher schon längere Zeit von ihrer Familie getrennt gewesen war, so hatte sie sich niemals so frei gefühlt, wie sie es jetzt tat. Die ersten Wochen waren hart gewesen, nicht nur das Heimweh hatte sie gequält, sondern auch die Zweifel, ob es wirklich richtig gewesen war alle Zelte in Düsseldorf abzubrechen. Sie hatte Rebecca schrecklich vermisst, tat es immer noch, aber sie tröstete sich mit dem Gedanken, dass sie ihre Freundin irgendwann wiedersehen würde, und darauf freute sie sich. Je mehr Zeit vergangen war, desto besser hatte Marlene sich gefühlt, sie spürte sich wieder, fühlte den Umbruch und die Energie, die wieder durch ihre Adern floss. Sie stand morgens auf und freute sich auf den Tag, weil sie wusste, dass er sie fordern würde und dass sie am Abend erschöpft, aber zufrieden in ihr Appartement zurück kehren würde. Seit ein paar Wochen ging sie abends vor die Tür, besuchte Clubs und ein paar nahegelegene Kneipen, die zum Teil deutsche Inhaber hatten und wo sie schon einige nette Kontakte geknüpft hatte. Manchmal begleitete Jacob sie, er war inzwischen ein sehr enger Freund geworden und Marlene war sehr froh, dass sie ihn damals angerufen hatte und seiner Einladung gefolgt war. „Habe ich mich eigentlich jemals richtig bei Dir bedankt? Du hast so viel für mich getan, dass ich gar nicht weiß, wie ich das jemals wieder gut machen soll“ stellte sie fest und stieß mit ihm an, aber Jacob gab sich gewohnt bescheiden „ach was, im Grunde habe ich doch gar nichts gemacht, außer Dir zu sagen, dass Du hier jederzeit willkommen bist. Alles andere hast Du ganz alleine geschafft. Du hast Deine Ängste überwunden, den inneren Schweinehund besiegt und Du hast Dein Leben in die Hand genommen. Du bist eine verdammt starke Frau, Marlene, und Du kannst sehr stolz auf Dich sein. Ich jedenfalls bin es und es macht mich sehr glücklich mit Dir zusammenzuarbeiten. Wir ergänzen uns perfekt und wenn ich es nicht besser wüsste, dann würde ich glauben, dass das Schicksal uns nicht ohne Grund zusammengeführt hat“ erklärte er mit einem charmanten Lächeln, das regelrecht entwaffnend war. Marlene erwiderte das Lächeln und war leicht verlegen, ob seiner Komplimente, aber sie taten ihr gut und eigentlich wusste sie, dass es stimmte. Sie hatte wirklich das meiste aus eigenem Antrieb geschafft, nur deshalb fühlte es sich so unglaublich toll an und plötzlich erschien ihr keine Hürde mehr zu hoch, als dass sie sie nicht überwinden konnte. Die beiden aßen noch zusammen und Jacob bestand darauf, seine Begleitung anschließen nach Hause zu fahren „magst Du noch auf einen Absacker mit rauf kommen?“ fragte Marlene spontan, was Jacob lächelnd bestätigte. Oben angekommen, machte er es sich auf dem Sofa bequem, während Marlene etwas zu trinken holte, wobei sein Blick auf eine Zeitschrift fiel, die auf dem Couchtisch lag „das ist doch Deine Ex-Freundin, oder?“ Er betrachtete das Titelbild und blätterte dann zu der Seite mit dem Artikel „ja, das ist Rebecca. Sie hat letzte Woche ihre neue Kollektion vorgestellt und LCL damit einen großen Erfolg beschert“ klärte sie ihn auf und der Stolz in ihrer Stimme war nicht zu überhören. Jacob nickte, blickte aber weiter auf das Foto von der Gräfin „sie ist ziemlich hübsch“ stellte er fest, was für Marlene eine glatte Untertreibung war „sie ist wunderschön, besonders ihre Augen. Wenn man einmal in sie hinein gesehen hat, möchte man am liebsten in ihnen versinken...naja, jedenfalls ging es mir so“ bemerkte sie leicht verlegen und trank schnell etwas von ihrem Champagner. Jacob runzelte die Stirn und deutete auf das Bild „sie sieht aber nicht besonders glücklich aus, dafür dass sie gerade sehr erfolgreich ist, oder bilde ich mir das nur ein?“ wollte er wissen und schaute Marlene aufmerksam an „das liegt sicher nur an dem ganzen Stress, Rebecca ist immer extrem angespannt, bevor ihre Kollektion raus kommt“ erklärte sie, aber insgeheim hatte sie das gleiche gedacht, als sie das Foto gesehen hatte. Allerdings wollte sie nicht mit Jacob über Rebecca reden, weshalb sie geschickt das Thema wechselte. Nach einer guten Stunde verabschiedeten die beiden sich voneinander und Jacob nahm Marlene wie gewohnt in den Arm, wobei er sie etwas länger als üblich festhielt, jedenfalls kam es ihr so vor „bis morgen früh“ sagte er lächelnd, bevor er sich abwandte und ihr Appartement verließ.

Nachdem Jacob gegangen war, hatte Marlene sich ein ausgiebiges Bad gegönnt und begab sich eingehüllt in ihren Bademantel zurück zum Sofa, wo sie erneut die Zeitschrift zur Hand nahm und das Foto von Rebecca betrachtete. Es stimmte, sie sah nicht wirklich glücklich aus, ihr Lächeln wirkte gezwungen und ihre Augen glänzten nicht so schön, wie sie es normalerweise taten, wenn sie zufrieden und gelöst war. Marlene ahnte, was dahinter steckte, sie hatte engen Kontakt zu ihrer Familie und sie wusste, was in den letzten Wochen in Düsseldorf vor sich gegangen war. Der tot geglaubte Hagen war zurückgekehrt, nachdem Ludwig es leider nicht geschafft hatte und in den Armen seines ältesten Sohnes gestorben war. Es hieß, er habe sich für Hagen geopfert, auch wenn Marlene nicht genau wusste, was damit gemeint war. Dana hatte ihr unglaublich viel erzählt bei ihren letzten Telefongesprächen, sie war natürlich total durch den Wind, überglücklich auf der einen Seite, aber auch überfordert, da sie inzwischen mit Ricardo zusammen und sogar mit ihm verlobt war. Durch Hagens Rückkehr wurde ihr Leben auf den Kopf gestellt, ihre Gefühle spielten verrückt und plötzlich musste sie sich zwischen zwei Männern entscheiden, die sie liebte. Marlene wollte wahrlich nicht in ihrer Haut stecken, aber sie hatte ihrer Schwester auch keinen wirklich Rat geben können, außer den, dass sie auf ihr Herz hören musste, denn nur dann würde sie mit ihrer Entscheidung dauerhaft glücklich werden. Für Rebecca wäre es eigentlich ein Grund zur Freude, aber Marlene wusste von Dana, dass die Lahnsteins mal wieder nichts besseres zu tun hatten, als um den Chefposten zu kämpfen. Dass Hagen lebte war für sie kein Grund sich zusammenzuraufen und sich einfach darüber zu freuen, dass sie wenigstens ihren Bruder wieder hatten, nein, sie fühlten sich durch ihn bedroht, weil er Ludwigs letzten Wunsch erfüllen und die Leitung der Firma übernehmen wollte. Marlene konnte sich bildlich vorstellen, wie das Ganze ablief, sie war lange genug Teil dieser Familie gewesen und das war nicht immer ein Segen. Zwischen all diesen Kämpfen saß Rebecca, die im Grunde nichts für all das übrig hatte und sich einfach nur eine Familie wünschte, bei der es in erster Linie um die Menschen ging und nicht um die Macht, oder das Unternehmen. Sie hatten oft darüber gesprochen und Marlene wusste, wie sensibel Rebecca insgeheim war, auch wenn sie sich nach außen hin gerne stark gab, weil sie allen beweisen wollte, dass auch sie als Nesthäkchen etwas drauf hatte und mit den anderen mithalten konnte. Das Schlimme war nur, dass es sie nicht wirklich glücklich machte und genau das war das Problem, denn egal wie sehr sie sich abstrampelte und wie erfolgreich sie war, es änderte nichts daran, dass sie nicht die Geborgenheit bei ihrer Familie fand, nach der sie sich sehnte. Marlene war mehrmals kurz davor gewesen sich bei ihr zu melden, aber sie hatte sich noch nicht stark genug gefühlt und so war es dabei geblieben, dass sie ihre Schwester regelmäßig über die aktuellen Geschehnisse ausgefragt hatte. Sie blickte nachdenklich auf das Foto und dann, aus einem Impuls heraus, stand sie auf und ging zu der kleinen Kommode, die gegenüber vom Sofa stand. Sie öffnete die oberste Schublade, nahm den Rahmen heraus und schaute lächelnd auf das Bild, auf dem sie zusammen mit Rebecca zu sehen war, und welches entstanden war, kurz nachdem sie zusammengekommen waren. Sie liebte dieses Foto, weil es echt, voller Glück und Freude war, genauso wie man sich eben fühlte, wenn man frisch verliebt war. Marlene hatte es lange Zeit nicht ansehen können, weshalb sie es in die Schublade verbannt hatte, doch jetzt war sie bereit Rebecca wieder ein bisschen in ihr Leben zu lassen und stellte es auf die Kommode. In der Schublade befand sich jedoch noch etwas anderes, dem sie sich bisher nicht gestellt hatte. Nach kurzem Zögern nahm sie es zur Hand und ging damit zurück zum Sofa. Es waren Briefe von Rebecca, die sie ihr innerhalb der letzten drei Monate geschrieben hatte, obwohl sie vereinbart hatten, den Kontakt vorerst abzubrechen. Marlene hatte sie nicht gelesen, weil sie Angst gehabt hatte, dass der Inhalt sie zu sehr belasten würde, und auch jetzt war sie nicht sicher, ob es eine gute Idee war sie zu lesen, doch irgendetwas sagte ihr, dass sie es tun sollte. Sie trank den Rest ihres Champagners, öffnete den ersten Umschlag und fing an zu lesen, was Rebecca ihr vor Wochen schon geschrieben hatte.


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BeitragVerfasst: 27.07.2015, 17:23 
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Kapitel 7: Rückschläge

Auch in den Wochen nach ihrem großen Erfolg schaffte Rebecca es nicht, diesen wie üblich zu genießen. Der ständige Ärger in der Familie, bei dem es um nichts anderes ging, als darum, wem der Chefposten zustand und wie man sich gegenseitig ausstechen konnte, zerrte an ihren Nerven. Seit Hagens Rückkehr, über die sie natürlich sehr froh war, auch wenn sie ihren Bruder kaum wiedererkannte, war es noch schlimmer geworden und plötzlich bildetet sich Allianzen, die vor wenigen Monaten nicht einmal denkbar gewesen wären. Auch bei LCL hatte sich erneut einiges getan, was jedoch ebenfalls nicht als Fortschritt zu verbuchen war, denn Caro und Thore hatten Düsseldorf gemeinsam verlassen, nachdem sie doch noch ihre Gefühle füreinander entdeckt hatten. Für Rebecca bedeutete das, dass sie mal wieder ohne fähige Assistentin auskommen musste, wodurch sie noch mehr Arbeit hatte, als ohnehin schon, doch das war bei weitem nicht das Schlimmste. Tanja hatte Thores Weggang sofort genutzt, um die alleinige Entscheidungsgewalt bei LCL an sich zu reißen und natürlich war es ihr auch gelungen, Rebecca die kreative Freiheit zu nehmen. Alles mit freundlicher Unterstützung von Sebastian, der mal wieder eingeknickt war, entgegen seinem Versprechen und weil er alles tat, um Tanja zu besänftigen, denn obwohl Frida das Schloss nach der Geburt des Kindes verlassen hatte, war die Beziehung ihres Bruders alles andere als intakt, da es zwischen Frida und ihm zu Annäherungen gekommen war, die der guten Tanja gar nicht passten. Jedenfalls war nun alles genauso ätzend wie zuvor und Rebecca verspürte kaum noch Lust sich einzubringen, geschweige denn sich großartig anzustrengen, denn am Ende lagen doch sämtliche Entscheidungen wieder bei Tanja. Die junge Gräfin seufzte und starrte auf die Zeichnungen, die vor ihr lagen, und die allesamt nicht zu gebrauchen waren. Sie fegte den Block mit einer Handbewegung vom Tisch, wobei auch ein paar andere Dinge zu Boden gingen, was ihr die klirrenden Geräusche verrieten. Erschrocken schaute sie nach unten und entdeckte den Bilderrahmen, dessen Glas zerbrochen war. Rebecca ging in die Hocke und nahm ihn vorsichtig in die Hände „alles geht kaputt“ flüsterte sie traurig und nahm das Foto von Marlene und sich aus dem Rahmen. Sie setzte sich auf den Boden, betrachtete es stumm und spürte eine unendliche Sehnsucht in sich aufsteigen, die ihr für heute den Rest gab. Warum nur hörte es nicht endlich auf? Das fragte Rebecca sich nicht zum ersten Mal, aber bis heute fand sie keine Antwort darauf. Marlene war seit mehr als fünf Monaten weg und sie hatte auch auf keinen der Briefe reagiert, die Rebecca ihr geschickt hatte. Dabei ging es in den Briefen gar nicht darum, dass sie Marlene zu irgendetwas überreden wollte, es waren viel mehr Erzählungen von ihrem Leben und wie sie es seit der Trennung empfand. Es glich fast schon einem Tagebuch, aber aus irgendeinem Grund hatte das Aufschreiben alleine Rebecca nicht genügt, sie wollte, dass jemand es las. Nicht irgendjemand natürlich, sondern ein Mensch, der sie verstand und dem sie vertraute, und es gab nur eine Person auf dieser Welt, auf die beides uneingeschränkt zutraf. Dass Marlene nie geantwortet hatte, empfand Rebecca zwar nicht als Ablehnung, aber sie fragte sich natürlich schon, ob es bedeutete, dass ihre Freundin mit ihr abgeschlossen hatte, endgültig. Allein der Gedanke, dass es so sein könnte, und dass sie Marlene niemals wiedersehen, nie mehr etwas von ihr hören würde, jagte Rebecca eine Heidenangst ein und schnürte ihr die Kehle zu. Wie oft hatte sie sich in den letzten Monaten nach einer kurzen Nachricht von ihr gesehnt, oder danach, einfach kurz ihre Stimme zu hören, damit sie etwas hatte, was ihr neuen Antrieb gab, doch es war nichts gekommen. Sie nahm es Marlene nicht übel, schließlich hatte sie es ihr erklärt und Rebecca wusste, dass sie sehr konsequent war, wenn sie erst mal einen Entschluss gefasst hatte. Auch dafür liebte sie Marlene, weil sie keine halben Sachen machte. Trotzdem war es schwer zu ertragen und Rebecca hatte das Gefühl, dass sie an einem Punkt angekommen war, an dem sie nicht mehr weiter kam, jedenfalls nicht aus eigener Kraft. Sie kam sich plötzlich verloren vor, als wäre sie völlig allein auf der Welt, ohne einen guten Freund, der ihr zur Seite stand, und ohne den Halt einer Familie, die sich um sie sorgte. Neulich war sie bei Ricardo gewesen, aber auch er steckte in einer schweren Krise, nachdem seine Beziehung zu Dana nur noch an einem seidenen Faden hing. Er hatte fürchterlich ausgesehen und Rebecca hatte ihn nicht noch mit ihren Problemen belasten wollen, die er ohnehin nicht lösen konnte, genauso wenig, wie sie selbst. Sie stand auf, steckte das Foto in die Handtasche und beschloss, dass es ein guter Tag war, um sich einfach mal gehen zu lassen. Sie hatte es satt immer nur zu funktionieren, sie wollte einmal alles vergessen und die quälenden Gedanken abschalten, die sie inzwischen völlig mürbe gemacht hatten. Ohne zu zögern packte sie ihre Sachen zusammen und eilte aus dem Modelabel.

Ein paar Stunden später fand Rebecca sich in einem etwas düsterem Club wieder, nachdem sie zuvor im No Limits gewesen war, wo Olli sie jedoch mit seiner übertriebenen Fürsorge in die Flucht geschlagen hatte. Hier fühlte sie sich weniger beobachtet und außerdem passte die Atmosphäre, die in den dunklen Räumen herrschte, bestens zu ihrer Stimmung. Sie bestellte sich einen weiteren Drink, den sie jedoch eher lustlos als genüsslich zu sich nahm „wow, bist Du gerade vom Himmel gefallen, oder warum habe ich Dich hier noch nie gesehen?“ fragte eine junge Frau, und setzte sich zu der Gräfin. Rebecca blickte zur Seite, musterte die Unbekannte und lachte trocken „ich will Dich ja nicht deprimieren, aber der Spruch war wirklich verdammt schlecht“ bemerkte sie und widmete sich wieder ihrem Getränk. Die rothaarige Schöne ließ sich nicht beirren und versuchte es erneut „okay, aber Du darfst mich trotzdem auf einen Drink einladen, wenn Du möchtest“ erwiderte sie leicht provokant, aber mit einem unschuldigen Lächeln im Gesicht. Rebecca wandte sich ihr erneut zu und zog eine Augenbraue hoch „verträgst Du denn was, oder kippst Du mir nach einem Glas um?“ wollte sie wissen, denn ihr Gegenüber war recht zierlich, noch zierlicher als sie selbst „mach Dir mal keine Sorgen, ich vertrage ne ganze Menge. Die Frage ist eher, ob Du mithalten kannst.“ Wieder lächelte sie auf diese unschuldige Art, die ihr etwas mädchenhaftes verlieh und Rebecca befand, dass sie ziemlich süß war „okay, dann hoffen wir mal, dass Du Dich nicht übernimmst“ erwiderte sie amüsiert und bestellte zwei weitere Getränke. Im Laufe des Abends entwickelte sich ein heftiger Flirt, das nahm Rebecca trotz ihres steigenden Pegels sehr gut wahr, und obwohl sie es genoss, zog sie sich irgendwann aus der Affäre und suchte leicht schwankend die Toilette auf. Nachdem sie sich erleichtert hatte, wusch sie sich die Hände und befeuchtete ihr heißes Gesicht mit ein wenig Wasser. Als sie wieder auf und in den Spiegel sah, stand Lea hinter ihr und blickte ihr über den Spiegel direkt in die Augen „was ist jetzt, gehen wir zu Dir, oder zu mir?“ fragte sie selbstbewusst und als gäbe es keinen Zweifel daran, dass sie kriegen würde, was sie wollte.

Das Erwachen am nächsten Morgen war in vielerlei Hinsicht böse. Ein gewaltiger Brummschädel und ein flaues Gefühl in der Magengegend waren die ersten Empfindungen von Rebecca, als sie langsam ihre schweren Augen öffnete. Ein gequälter Laut entwich ihrer trockenen Kehle, der einem Brummen gleichkam, und als es ihr endlich gelang ihre Augen länger als ein paar Sekunden aufzuhalten, folgte der nächste Schreck, denn sie wusste nicht, wo sie war. Rebecca schloss die Augen wieder und versuchte sich an etwas zu erinnern, doch als sie das leise Atmen neben sich hörte, bemühte sie sich nicht weiter, sondern blickte vorsichtig zur Seite, wo sie den schlafenden Rotschopf entdeckte, dessen Name ihr in diesem Moment wieder einfiel. Die Gräfin schlug die Hände vors Gesicht und zwang sich selbst zur Ruhe, aber alles was ihr in den Sinn kam, war die Flucht zu ergreifen und das möglichst schnell. Sie verließ vorsichtig das Bett, peinlich darauf bedacht keine falsche Bewegung zu machen, doch als sie aufstehen wollte, versagte ihr Kreislauf und es gelang ihr gerade noch rechtzeitig sich abzustützen. Sie atmete ein paar Mal tief durch, suchte leise ihre Sachen zusammen und schlich förmlich aus dem Schlafzimmer. Erst als sie in der Diele stand, traute sie sich wieder normal zu atmen und zog schnell ihre Sachen an. Rebecca kam sich vor wie ein Schuft, der sich einfach davon stahl, aber sie hatte weder die Lust, noch die Energie sich Lea zu erklären, falls diese sich etwas erhoffte, was sie ihr definitiv nicht geben konnte. Sie entdeckte einen kleinen Block und hinterließ eine kurze Nachricht, zumindest so viel Anstand musste sein, dachte sie, überprüfte noch einmal, ob sie all ihre Sachen mitgenommen hatte und verließ still und heimlich die fremde Wohnung.

Als sie einige Zeit später ihre Suite betrat, schleuderte sie Schuhe, Jacke und Handtasche auf den Boden und ließ sich erschöpft auf das Sofa fallen. Dabei fiel ihr Blick auf den Inhalt der Tasche, der sich auf dem Parkett ausgebreitet hatte, darunter auch das Foto von Marlene und ihr, das wie ein stummer Vorwurf vor ihr lag. Rebecca hob es mit unruhiger Hand auf, starrte es aufgewühlt an und fing an zu weinen „verdammte Scheiße“ sagte sie, legte es auf den Tisch und lief ins Badezimmer, um auch die letzten Spuren ihres nächtlichen Treibens auszulöschen.


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BeitragVerfasst: 27.07.2015, 17:25 
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Kapitel 8: Die Macht der Gefühle

Für Marlene ging an diesem Tag etwas in Erfüllung, von dem sie bis vor kurzem nicht einmal zu träumen gewagt hätte. Dank Jacob war sie ab heute offizielle Teilhaberin der L.A. Vocal School, die bisher ausschließlich von ihm selbst geleitet worden war, doch der große Zulauf der letzten Jahre machte es erforderlich, dass der erfolgreiche Coach sich Unterstützung suchte, und so entpuppte sich Marlenes Neuanfang in L. A. auch für ihn zu einem wahren Glücksfall. Marlene selbst wäre auch mit einer Festanstellung mehr als zufrieden gewesen, aber als Jacob ihr das Angebot gemacht hatte bei ihm einzusteigen und eine Beteiligung zu erwerben, schien ihr Glück perfekt. Es war ein großer Schritt, aber nach fünf Monaten intensivster Zusammenarbeit, hatte sie keine Zweifel mehr, dass sie ihren Platz gefunden und damit einen echten Joker gezogen hatte. Die Beteiligung gab ihr eine gewisse Sicherheit, aber sie war auch nicht so groß, dass sie ihr gefährlich werden konnte, und außerdem konnte sie jederzeit aussteigen, das hatte Jacob ihr zugesichert. Sie kamen gerade vom Notar, Marlene wollte unbedingt mit ihrem Freund anstoßen und da Jacob ganz in der Nähe wohnte, gingen sie zu ihm, um eine Flasche Champagner zu köpfen. „Ich kann das immer noch nicht wirklich glauben...“ sagte sie, während er die Gläser füllte „was jetzt genau?“ hakte er grinsend nach und reichte ihr anschließend das prickelnde Getränk „dass das alles tatsächlich passiert...dass ich immer noch hier bin, dass wir beide ab jetzt gemeinsam die Vocal School rocken und dass ich endlich wieder das machen kann, was mich glücklich macht“ erklärte sie gelöst, und ihre Augen strahlten schöner, als in all der Zeit, die sie nun schon in L. A. war. Jacob ließ sich von ihrer guten Laune anstecken und stieß mit ihr an „und das alles hast Du nur Dir selbst zu verdanken. Du hast Dich von Anfang an voll rein gekniet, obwohl Du ganz schön mit Deinem Heimweh und der Trennung von Deiner Freundin zu kämpfen hattest. Aber Du hast einfach weitergemacht, hast aufgehört nach hinten zu blicken und dafür bist Du zu recht belohnt worden. Du hast mir praktisch gar keine andere Wahl gelassen, als Dich an die Vocal School zu binden, wir wüssten ja jetzt schon nicht mehr, was wir ohne Dich tun sollten“ lobte er ihr Arrangement und trieb ihr damit eine leichte Röte ins Gesicht „Du sollst nicht immer so übertreiben“ warf sie ihm lachend vor und trank etwas von ihrem Champagner. Jacob tat es ihr gleich und als ihre Blicke sich kurz darauf trafen, veränderte sich die Stimmung und er kam ihr plötzlich sehr nah „Du bist eine wundervolle Frau, Marlene. Wundervoll und unglaublich schön“ sagte er leise und nahm ihr das Champagner Glas aus der Hand. Die Blondine wusste nicht wie ihr geschah, als er sie an sich zog und kurz darauf seine warmen Lippen auf die ihren trafen, um sich zu einem gefühlsvollen Kuss zu vereinen. Sie schloss überrascht die Augen, versuchte die sanften Berührungen zu genießen, erwiderte sogar den Kuss, doch dann passierte etwas Unerwartetes. Marlene öffnete erschrocken die Augen und löste sich sanft von ihrem Freund, der sie unsicher ansah „habe ich was falsch gemacht? Es tut mit leid, ich wollte Dich nicht überrumpeln, aber ich konnte einfach nicht anders...“ erklärte er leicht verlegen. Marlene schüttelte den Kopf „Du musst Dich nicht entschuldigen, es ist nur...Wir sind jetzt Geschäftspartner und ich habe schon einmal erlebt, wohin es führen kann, wenn man Privates und Geschäftliches vermischt. Und außerdem...“ sie sprach den Satz nicht zu Ende, weshalb er nachhakte „sag es ruhig“ ermutigte er sie und schaffte etwas Abstand zwischen ihnen, damit es ihr leichter fiel. Marlene atmete tief ein und stieß dann die Luft geräuschvoll aus „ich glaube, ich bin noch nicht so weit...trotz des Abstandes...und trotz meines neuen Lebens hier...aber Rebecca...es sitzt einfach noch zu tief“ versuchte sie sich zu erklären. Jacob kam erneut auf sie zu, umfasste sanft ihre Oberarme und blickte ihr verständnisvoll in die Augen „das ist okay, Du musst es mir nicht erklären. Du bestimmst das Tempo, und Du entscheidest, ob Du es kannst und möchtest. Du weißt, dass ich Dich unheimlich gern habe, aber ich versichere Dir, dass nichts davon Einfluss auf unsere Zusammenarbeit haben wird. So ein Typ bin ich nicht, ich kann das trennen und egal, wie Du Dich am Ende entscheidest, ich werde es akzeptieren, das verspreche ich Dir. Ist jetzt wieder alles in Ordnung zwischen uns?“ wollte er wissen „ja, das ist es. Ich danke Dir, Jacob. Du bist wirklich...keine Ahnung, Du bist einfach unglaublich“ erwiderte sie zutiefst erleichtert und war froh, dass sie sich mit einem guten Gefühl voneinander verabschieden konnten.

Doch auch, als sie schließlich in ihrem Appartement war, gelang es Marlene nicht sich zu entspannen. Nicht nur der Kuss mit Jacob beschäftigte sie, auch ihre immer häufiger aufkommenden Gedanken an Rebecca wühlten sie auf und ließen sie nicht mehr richtig zur Ruhe kommen. Was hatte es zu bedeuten, dass sie ausgerechnet während des Kusses, der sich auch noch gut angefühlt hatte, an Rebecca denken musste? Und wieso träumte sie in letzter Zeit wieder verstärkt von der Gräfin, obwohl sie seit Wochen nichts mehr von ihr gehört hatte. Nachdem Marlene vor über zwei Monaten die Briefe von Rebecca gelesen und ihr kurz darauf zurück geschrieben hatte, war der Kontakt zum Erliegen gekommen und sie fragte sich, was der Grund dafür war. Sie ging an ihren Laptop und checkte ihre Nachrichten, aber außer ein paar Werbemails war nichts eingegangen. Sie nutzte die Gelegenheit um ins Internet zu gehen, wo sie die bekannten Düsseldorfer Nachrichtenblätter, sowie die Boulevardpresse durchforstete und es wunderte sie nicht, dass sie ausgerechnet im Archiv des „Düsseldorfer Kurier“ fündig wurde. Hier gab es einige Artikel über die Lahnsteins, sie fand sogar einen älteren, der sich mit der Trennung von Rebecca und ihr befasste, doch den wollte sie nicht lesen. Stattdessen scrollte sie weiter, bis sie bei den aktuelleren Berichten angekommen war und bekam einen regelrechten Schock, als sie ein Bild entdeckte, welches Rebecca zusammen mit einer relativ jung aussehenden, rothaarigen Frau zeigte „Meine Nacht mit Rebecca von Lahnstein“ lautete die Überschrift des Artikels, der Marlene aus mehreren Gründen einen unangenehmen Stich versetzte. Nicht nur, dass Rebecca ihr fremd vorkam auf dem Bild, was vielleicht daran lag, dass sie abgekämpft und fertig aussah, es fühlte sich plötzlich so an, als habe sich etwas Entscheidendes verändert. Marlene glaubte zwar nicht, dass die Frau eine ernsthafte Rolle im Leben von Rebecca spielte, denn so wie der Artikel aufgebaut war, hatte diese Lea einfach eine Chance gesehen einmal in den Schlagzeilen zu stehen und nebenher ein bisschen Geld zu verdienen, aber das war es auch nicht, was Marlene zu schaffen machte. Vielleicht aber erklärte es, warum Rebecca sich nicht mehr gemeldet hatte. Möglicherweise hatte sie es falsch verstanden, dass sie so lange keine Antwort auf ihre Briefe erhalten hatte, und war nun auch dazu übergegangen ihr Leben in die Hand zu nehmen und es weiterzuleben. Genau darum hatte Marlene sie schließlich gebeten, und wie es aussah, war Rebecca jetzt soweit. Die Blondine schaltete den Laptop aus und versuchte ihre Gefühle zu sortieren. Eigentlich gab es keinen Grund für ihre Unsicherheit, Rebecca und sie waren seit fast einem halben Jahr getrennt, sie lebte jetzt in Los Angeles, während Rebeccas Leben in Düsseldorf stattfand und das würde sich so schnell auch nicht mehr ändern. Es war klar gewesen, dass es irgendwann so kommen würde, schließlich waren sie beide noch jung, und gerade Rebecca zog durch ihre Bekanntheit eine Menge Menschen an, die nur allzu gerne mit einer erfolgreichen und attraktiven Frau wie ihr zusammen sein wollten. Soweit ihr Verstand, aber dass es sie derart treffen würde, auch nach einem halben Jahr, stimmte Marlene nachdenklich, denn sie hatte geglaubt schon weiter zu sein. Sie betrachtete traurig das Foto auf der Kommode, vielleicht war es wirklich an der Zeit, dass sie beide endgültig losließen und ihr Leben nicht mehr von der jeweils anderen beeinflusst wurde. „So schwer kann das doch nicht sein“ murmelte sie und schnappte sich die Zeitung, in der auch aktuelle Immobilienanzeigen waren. Das Appartement wurde auf Dauer zu klein und vielleicht war es an der Zeit, dass auch sie den nächsten Schritt ging und eine schöne Wohnung für sich suchte. Während sie die Anzeigen studierte, dachte sie wieder an Rebecca und hoffte, dass es ihr gut ging, aber sie glaubte zu spüren, dass dem nicht so war, und vielleicht war das auch der Grund für ihre plötzliche Unruhe. Wieder einmal wusste sie nicht, was sie tun sollte, denn bislang war sie gut damit gefahren ihren Gefühlen nicht einfach nachzugeben und weiter ihren Weg zu gehen. Marlene seufzte schwer und widmete sich wieder den Wohnungsanzeigen, auch wenn sie sich kaum darauf konzentrieren konnte.


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BeitragVerfasst: 27.07.2015, 17:27 
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Kapitel 9: Zeichen

Auch ein paar Tage später hing Rebecca ihr kleiner Absturz noch nach, denn natürlich war er nicht unentdeckt geblieben, nachdem Lea netterweise mit ihrem Erlebnis zum Düsseldorfer Kurier gelaufen war. Die Gräfin schwor sich nie wieder mehr zu trinken, als gut für sie war, jedenfalls nicht in der Öffentlichkeit, und außerdem würde sie Lea den Hals umdrehen, sollte sie ihr noch einmal begegnen, was sie allerdings nicht hoffte. Es klopfte an der Tür und der Butler betrat den Raum, um ihr wunschgemäß das Abendessen auf die Suite zu bringen, doch Rebecca verspürte keinen Appetit und bat ihn, es wieder mitzunehmen „aber Sie müssen doch etwas zu sich nehmen, Gräfin. Ich kann Frau Linse auch bitten Ihnen etwas anderes zu zaubern. Vielleicht haben Sie ja einen speziellen Wunsch“ bot er fürsorglich an „danke, Justus, das ist sehr lieb von Ihnen, aber wirklich nicht nötig.“ Der Butler versuchte sich seine Enttäuschung nicht anmerken zu lassen und ging zur Tür, als ihm einfiel, dass er ja noch etwas anderes abzugeben hatte „ach, das hätte ich beinahe vergessen, Gräfin. Der ist vorhin für Sie abgegeben worden“ erklärte er und reichte ihr einen Brief „scheint eine ziemlich beschwerliche Reise hinter sich zu haben, seinem Aussehen nach zu urteilen“ fügte er geheimnisvoll hinzu. Rebecca nahm den Brief entgegen und runzelte skeptisch die Stirn „das ist ja...der kommt aus Los Angeles! Wissen Sie, was das heißt?“ verkündete sie aufgeregt und drückte den Brief an sich, als sei er ein wertvoller Schatz „er ist von Gräfin Marlene“ vermutete er, obwohl er es natürlich längst wusste „wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf...ich finde es wundervoll, dass man heute noch Briefe auf diese altmodische Art austauscht, und nicht bloß über das Internet.“ Rebecca nickte geistesabwesend, doch sie hörte längst nicht mehr was er sagte, was auch Justus schließlich bemerkte und lächelnd die Suite verließ, um sie nicht länger zu stören. Die junge Gräfin öffnete mit leicht zitterigen Händen den Umschlag und nahm mehrere Blätter heraus. Mit klopfendem Herzen faltete sie das Papier auseinander und war glücklich, als sie Marlenes fein geschwungene Handschrift erkannte. Schon die ersten Zeilen machten sie jedoch stutzig, denn Marlene bedankte sich für ihre Briefe und entschuldigte sich dafür, dass sie erst nach drei Monaten den Mut gefunden hatte sie zu lesen und ihr zu antworten „drei Monate?“ murmelte Rebecca und betrachtete irritiert das Datum. Marlene hatte ihr bereits Anfang August geschrieben, also vor knapp drei Monaten, was bedeutete, dass der Brief schon seit Ewigkeiten unterwegs war, offensichtlich war er fehl geleitet worden. Die Gräfin schüttelte fassungslos den Kopf, sie hatte so lange gewartet und schon geglaubt, dass sie nie wieder etwas von ihrer Freundin hören würde, dabei hatte bloß die verdammte Post versagt. „Von wegen altmodisch ist gut, bei einer E-Mail wäre das nicht passiert“ dachte Rebecca und nahm sich vor, Justus genau das zu sagen, wenn sie ihn das nächste mal sah. Sie widmete sich wieder dem Brief, erfuhr jede Menge über Marlenes neues Leben in L. A., und konnte anhand ihrer Worte spüren, wie gut es ihr ging. Aber Marlene schrieb auch, dass es schwer gewesen war, besonders in den ersten Wochen und dass sie erst jetzt die Kraft gefunden hatte, wieder Kontakt zu ihr aufzunehmen. Auf der letzten Seite des Briefes ging sie schließlich auf das ein, was Rebecca ihr in all den Wochen geschrieben hatte...

...Deine Worte stimmen mich nachdenklich, denn sie erinnern mich an etwas, das ich selbst vor nicht allzu langer Zeit erlebt habe. Du bist dabei Dich zurückzuziehen, Rebecca, und was noch schlimmer ist, Du scheinst innerlich bereits aufgegeben zu haben. Jedenfalls klingt es so, und ich kenne Dich gut genug, um das beurteilen zu können, und um mir deshalb sorgen zu machen. Was ist es, dass Dich dazu veranlasst aufgeben zu wollen? Ist es tatsächlich nur wegen Deiner Familie? Ich weiß, wie sehr Du unter den ewigen Streitereien und Zerwürfnissen leidest, und ich kann Dich verstehen. Aber ganz ehrlich, Rebecca, wie lange geht das nun schon so, und wie oft willst Du noch an den Punkt kommen, an dem Du einsehen musst, dass die anderen sich nicht so verhalten, wie Du es Dir erhoffst. Es mag hart klingen, aber so sind sie nun mal, und sie werden sich auch nicht mehr ändern, jedenfalls nicht in dem Maße, wie Du es vielleicht erwartest. Dennoch sind und bleiben sie Deine Familie, aber manchmal ist es trotzdem erforderlich, sich zu distanzieren und sei es nur, um einen gesunden Abstand voneinander zu finden, der es einem ermöglicht, auch wieder die guten Seiten zu erkennen. Du fühlst Dich fehl am Platz, vermisst die Rückendeckung in Deiner Familie und Du siehst keinen Sinn mehr in dem was Du tust? Dann unternehme etwas dagegen, das ist alles was ich Dir raten kann. Du hast es schon einmal geschafft, erinnerst Du Dich? Damals warst Du auch schwer enttäuscht und hast die Konsequenzen daraus gezogen. Vielleicht ist es an der Zeit einfach mal auszubrechen, auch für Dich, und herauszufinden, ob Dein Platz wirklich noch bei LCL ist, oder auf Schloss Königsbrunn. Natürlich ist mir bewusst, dass auch unsere Trennung und all das, was zwischen uns passiert ist, dazu beigetragen hat, dass Du jetzt alles anzweifelst und in Frage stellst. Das ist normal und es ist gut so, denn es zeigt, dass sich etwas in uns bewegt und alles ist besser als Stillstand, denn nichts ist schlimmer als dauerhaft stehen zu bleiben. Nutze es, Rebecca, nutze die Unruhe in Dir und lenke sie wieder in die richtige Richtung. Ich habe es getan und es hat mich nicht nur gesunden lassen, es hat mir gezeigt, wie viel Kraft und Leben noch in mir steckt, und was ich damit alles erreichen kann. Du kannst das auch, Rebecca. Das weiß ich, weil ich Dich kenne und weil Du es warst, die mich gelehrt hat, dass man nur glücklich und frei sein kann, wenn man aufhört so zu sein, wie andere es erwarten. Wenn man das geschafft hat, ist fast alles möglich und ich wünsche mir, dass auch Du das erkennen und Deinen Weg gehen wirst.

Deine Briefe zu lesen hat mir sehr geholfen, sie haben mich berührt und sie haben mir gezeigt, wie sehr unsere Leben noch immer miteinander verbunden sind, auch wenn wir sie getrennt voneinander leben. Ich denke wieder gerne zurück an unsere gemeinsame Zeit, denn ich weiß, dass ich ohne sie nicht zu dem Menschen geworden wäre, der ich heute bin und dafür bin ich unendlich dankbar. Du hast so Vieles in mir bewegt, tust es immer noch und es tut gut zu wissen, dass Du immer ein Teil von mir und meinem Leben sein wirst. Was auch immer passiert, Rebecca, vergiss nicht, dass auch Du niemals alleine sein wirst und hab keine Angst davor, etwas zu verändern. Veränderungen sind unausweichlich, aber es liegt in unserer eigenen Hand etwas aus ihnen zu machen und unserem Glück dadurch ein Stückchen näher zu kommen.

Deine Marlene

Nachdem Rebecca den Brief ein zweites Mal gelesen hatte, schloss sie einen Moment die Augen und dachte zurück an die letzten Wochen, die in vielerlei Hinsicht ein Rückschritt gewesen waren, das wusste sie. Sie dachte an ihren Ausrutscher und verfluchte sich insgeheim dafür, obwohl sie nichts Unrechtes getan hatte, aber es fühlte sich dennoch nicht gut an. Natürlich waren Marlene und sie nicht mehr zusammen und es gab genug Menschen, die sich auf diese Art über eine verflossene Liebe hinweg trösteten, aber sie selbst zählte eigentlich nicht dazu, das wusste sie noch aus der Zeit in der sie versucht hatte, sich Marlene aus dem Kopf zu schlagen. Es hatte schon damals nicht funktioniert, weil es nichts weiter war, als der Versuch sein Herz auszutricksen. Ein mehr als kläglicher Versuch, zumindest diese Erkenntnis hatte das Ganze mit sich gebracht. Sie dachte an ihre Familie und ihren Platz in selbiger, was sie zu einer weiteren Erkenntnis brachte, nämlich zu der, dass es scheinbar keinen Platz mehr für sie gab. Jedenfalls keinen, der ihr besonders gut gefielt und der sie wirklich zufrieden stimmen konnte. Sie las noch einmal den letzten Absatz des Briefes, genau das war es, was auch sie fühlte, wenn sie an Marlene dachte. Sie waren vielleicht nicht mehr zusammen, aber die besondere Verbindung zwischen ihnen existierte nach wie vor, was Rebecca überglücklich machte und ihr Tränen der Erleichterung in die Augen trieb. Es war richtig gewesen Marlene die Briefe zu schicken, sie an ihren Gedanken und ihrem Leben teilhaben zu lassen, denn nun ließ auch Marlene sie wieder in ihr Leben und teile es mit ihr. Aber sie hatte noch etwas anderes getan, etwas, dass vielleicht noch viel wichtiger war. Rebecca griff nach ihrem Handy und verfasste eine Nachricht, denn kein Brief konnte schnell genug sein, um die verloren gegangene Zeit wieder aufzuholen, und außerdem wollte sie sicher gehen, dass sie Marlene auch erreichte. Sie schickte die SMS ab, ließ sich auf ihrem Bett nach hinten fallen und blickte lächelnd an die Decke. Manchmal, so dachte sie, brauchte es nur ein Zeichen. Die Probleme gingen deshalb zwar nicht weg, aber sie erschienen plötzlich nicht mehr unüberwindbar, sondern lösbar.


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BeitragVerfasst: 27.07.2015, 17:55 
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Kapitel 10: Fern und doch so nah

In Los Angeles strahlte die Sonne und es herrschten die für Oktober gewohnt angenehmen Temperaturen, doch Marlenes Stimmung war seit Tagen getrübt, was auch Jacob nicht verborgen blieb, der sich nach einigem Zögern dazu entschloss, der Sache auf den Grund zu gehen „was ist denn los mit Dir? Hat Dir diese Wohnung auch nicht gefallen? Also ehrlich gesagt verstehe ich es nicht, denn etwas viel Besseres kannst Du für das Geld nicht bekommen, und ich fand die Wohnung mehr als nur schön“ erklärte er verwundert über ihre Zurückhaltung. Marlene sah ihn entschuldigend an, sie wusste selbst nicht, was mit ihr los war, oder besser gesagt, sie verstand es nicht „ich weiß, es tut mir leid...aber irgendwie kann ich das gerade nicht entscheiden. Vielleicht ist es doch noch zu früh dafür“ versuchte sie sich herauszureden, doch Jacob kannte sie inzwischen zu gut, um ihr das zu glauben „nimm es mir bitte nicht übel, aber das ist doch Unsinn, Marlene, und das weißt Du auch. Du hast Dich bereits für ein Leben in L. A. entschieden, bist bei mir eingestiegen und jetzt soll es an einer Wohnung plötzlich scheitern? Kann es sein, dass ich das Problem bin? Oder vielmehr die Tatsache, dass ich Dir zu nahe getreten bin? Wenn ich Dich damit verunsichert habe, dann tut mir das leid, aber Du musst Dir deshalb wirklich keine Sorgen machen, ich habe meine Gefühle im Griff und ich erwarte nach wie vor nichts von Dir, was das anbelangt.“
Marlene schaute ihn überrascht an, seine Offenheit erstaunte sie immer wieder, aber sie schätzte diese Eigenschaft an ihrem Freund, der ihr wirklich sehr ans Herz gewachsen war „nein, Jacob, das hat nichts mit Dir zu tun, wirklich nicht. Im Grunde weiß ich es selbst nicht genau, aber seit einiger Zeit gehen mir gewisse Dinge durch den Kopf, die mich einfach nicht mehr loslassen, und ich merke plötzlich, wie schnell die Zeit verflogen ist und was alles passiert ist. Das alles ist wirklich großartig, aber jetzt, wo ich zum ersten mal ein wenig zur Ruhe komme, da spüre ich auf einmal, dass ich...“ sie stockte und druckste herum, aber er ließ nicht locker „was spürst Du? Dass Du doch noch Heimweh hast?“ vermutete er, und lag damit zumindest nicht völlig daneben. Marlene seufze, sie wusste nicht, ob es richtig war mit ihm darüber zu sprechen, nachdem sie sich schon sehr nahe gekommen waren „vergiss es, es ist nicht so wild. Ich bin wohl einfach ein bisschen erschöpft, was ja nicht ungewöhnlich ist, schließlich waren es aufregende Monate. Vielleicht unterbrechen wir die Wohnungssuche einfach erst mal, bis mir wieder danach ist...ich möchte nicht länger Deine Zeit verschwenden“ erklärte sie schlechten Gewissens, da sie genau dies in den letzten Tagen gemacht hatte „okay, wie Du meinst, das ist kein Problem. Aber Du weißt hoffentlich, dass Du über alles mit mir reden kannst und dass ich die Zeit, die ich mit Dir verbringe, niemals als Verschwendung ansehen würde“ ließ er sie wissen, und sie wusste, dass er es ehrlich meinte. Sie gingen zusammen zu seinem Auto, wo Marlene ihr Handy zur Hand nahm, um den nächsten Termin abzusagen, doch dann entdeckte sie, dass sie eine SMS bekommen hatte und traute ihren Augen kaum, als sie sah, dass die Nachricht von Rebecca war.

Liebe Marlene,
ich habe heute erst Deinen Brief erhalten, den Du mir schon vor so langer Zeit geschrieben hast, und ich kann Dir gar nicht sagen, wie sehr ich mich darüber gefreut habe. Ich bin so froh, dass es Dir gut geht und dass ich noch immer einen Platz in Deinem Leben habe, obwohl gut 10.000 Kilometer zwischen uns liegen. Du weißt es vielleicht nicht, aber Dein Brief hat etwas geschafft, was mir selbst in den letzten Monaten nicht gelungen ist, er hat mir die Augen geöffnet. Ich hoffe, dass es Dir weiterhin gut geht und dass Du noch immer daran glaubst, dass wir uns irgendwann wiedersehen. Mir geht es, dank DIR, schon wieder besser und ich glaube, ich weiß jetzt, was ich ändern muss, damit es auch so bleibt.
Deine Rebecca
PS. Ich plane übrigens die Post zu verklagen, oder hältst Du das für übertrieben?
:wink:

Marlene lachte vor Erleichterung auf, die Worte von Rebecca zeigten nicht nur, dass es ihr tatsächlich besser ging, sie machte sogar wieder Scherze, was bei Rebecca immer ein gutes Zeichen war, denn so war sie nur, wenn sie gerade gelöst und frei von Druck war. Auch von Marlene fiel eine ganze Ladung Ballast ab, nachdem ein paar quälende Fragen sich in Luft aufgelöst hatten und sie nicht länger im Ungewissen tappte, was den abgebrochenen Kontakt zwischen ihnen anging. „Was ist los? Gute Nachrichten?“ erkundigte Jacob sich, der über ihren plötzlichen Stimmungsumschwung verwundert war „viel mehr als das“ erwiderte die Blondine lächelnd und blickte ihn von der Seite an „ich glaube, wir sagen den Termin doch nicht ab und schauen uns die letzte Wohnung auch noch an. Es sei denn natürlich, Du hast keine Lust mehr, was ich verstehen könnte.“ Jacob schüttelte den Kopf „von mir aus gerne, aber muss ich das verstehen? Wer oder was hat Dich denn so plötzlich umgestimmt?“ fragte er irritiert und Marlene beschloss, dass er es ruhig wissen konnte „Rebecca hat sich gerade bei mir gemeldet“ sagte sie, als sei das Erklärung genug. Jacob zog die Stirn kraus und spürte einen Hauch von Eifersucht, weil eine einzige Nachricht von Rebecca offenbar genügte, um den tagelangen Trübsinn von Marlene zu vertreiben, wohingegen er mit seinen Bemühungen gescheitert war „ich dachte, Ihr hättet den Kontakt verloren“ bemerkte er möglichst neutral „es war bloß ein Missverständnis“ entgegnete sie hörbar erleichtert und wandte ihr Gesicht zum Fenster „das freut mich für Euch“ erwiderte er knapp, bevor er sich wieder aufs Fahren konzentrierte. Marlene dagegen konnte sich das erste Mal seit Tagen wieder entspannen, sie schaute verträumt nach draußen und richtete ihren Blick zum Himmel, als würde in diesem Moment eine magische Anziehungskraft von ihm ausgehen, der sie sich nicht entziehen konnte.

Zur selben Zeit war es in Deutschland bereits dunkel, doch Rebecca konnte nicht einschlafen, da sie noch immer zu aufgewühlt war, weshalb sie schließlich aufstand, um einen Schluck Wasser zu trinken. Natürlich dachte sie unentwegt an Marlene, aber diesmal war es anders als sonst, denn in diesem Moment machte es sie nicht traurig, es verlieh ihr vielmehr eine ungeheure Kraft, die sie in dieser Form schon lange nicht mehr gespürt hatte. Nachdem sie genug getrunken hatte, wollte sie eigentlich zurück ins Bett gehen, doch stattdessen blieb sie vor dem Fenster stehen und blickte hinaus in die Nacht. Der Himmel wurde nur von wenigen Sternen erleuchtet, und schien auch sonst nicht anders auszusehen als sonst, doch Rebecca konnte trotzdem nicht aufhören ihn anzusehen, fast so, als würde er sie magisch anziehen, weil er ihr etwas mitzuteilen hatte. Sie musste über ihre ungewöhnlichen Gedanken schmunzeln, manchmal fragte sie sich wirklich, ob sie noch ganz normal war, aber am Ende kam sie zu dem Entschluss, dass normal auch langweilig bedeuteten konnte und dass es vielleicht ganz gut war, ein bisschen verrückt zu sein. Sie blieb noch eine Weile am Fenster stehen und fragte sich, was Marlene in diesem Moment wohl machte. Ob sie auch gerade an sie dachte? Rebecca wusste es nicht, aber sie selbst fühlte sich ihrer Freundin so nah, wie schon lange nicht mehr, und die Träumerin in ihr hoffte, dass es Marlene genauso ging. Mit diesem schönen Gedanken, der dafür sorgte, dass ihr warm ums Herz wurde, ging sie zurück ins Bett und schlief kurze Zeit später tief und fest ein.


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BeitragVerfasst: 27.07.2015, 17:57 
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Kapitel 11: Veränderungen

Innerhalb der nächsten Wochen gelang es Rebecca zunehmend aus ihrem festgefahren Trott auszubrechen und ihre Zeit wieder vermehrt für Dinge zu nutzen, die ihr Freude machten. Doch erst, als sie auch ihr Arbeitspensum bei LCL deutlich reduzierte, wurden andere auf die Veränderung aufmerksam, allen voran Tanja, die es sich natürlich nicht nehmen ließ, die Gräfin gewohnt freundlich auf ihre Pflichten als Chefdesignerin hinzuweisen „Rebecca“ sagte sie, und es klang nicht gerade fröhlich „wann hast Du eigentlich entschieden nur noch Dienst nach Plan zu machen, und wie kommst Du darauf, dass ich mir das länger als eine gewisse Zeit lang ansehe? Du bist Chefdesignerin und es gibt massenhaft zu tun, was macht das bitte für einen Eindruck auf die restlichen Mitarbeiter? Ich erwarte, dass Du Dich ab sofort wieder mehr engagierst, verstanden? Ansonsten bekommst Du eine Abmahnung, und es ist mir völlig egal, ob Du eine von Lahnstein bist! Wer seinen Job nur halbherzig macht, hat hier nichts verloren und kann gehen. Ist das angekommen?“
Die junge Gräfin ließ den Ausbruch über sich ergehen und gab sich ungerührt „okay“ erwiderte sie nur und widmete sich wieder den Stoffen, die vor ihr auf dem Tisch lagen. Tanja war anzumerken, dass sie mit einer anderen Reaktion gerechnet hatte „gut, dann ist das ja geklärt. Und Rebecca, ich meine das ernst. Falls Du glauben solltest, dass Du hier weiterhin einen Sonderstatus genießt, vergiss das besser ganz schnell. Die Zeiten sind vorbei, denn jetzt habe ich hier wieder das Sagen, und ich lasse mir von niemandem mehr auf der Nase herum tanzen“ verlieh sie ihrer Aussage noch einmal Nachdruck, was Rebecca dazu veranlasse zu grinsen, denn sie wusste genau, warum Tanja derart biestig war „das würde ich doch niemals denken, Tanja. Ach, übrigens, was ich Dich noch fragen wollte...wie läuft es eigentlich mit Frida? Also Sebastian ist ja völlig aus dem Häuschen, dass sie für ein paar Wochen berufsbedingt in Düsseldorf ist. Und der kleine Carl ist wirklich ein süßer Fratz, findest Du nicht? Ich finde ja, dass er Sebastian ziemlich ähnlich sieht.“ Sie lächelte süffisant, als sie sah, dass Tanjas Gesichtszüge für einen Moment entglitten, doch die Blondine fing sich schnell wieder und schaute sie düster an „treib es nicht zu weit“ zischte sie und stapfte wütend davon. Rebecca genoss ihren kleinen Triumph, viel zu lange war es her, dass sie sich stark genug gefühlt hatte, um es mit ihrer Chefin aufzunehmen, aber nun sah sie dem Ganzen entspannt entgegen, denn sie wusste etwas, was noch kein anderer aus ihrer Familie ahnte. Sie betrachtete ihren Arbeitsplatz, nickte zufrieden und kümmerte sich um das, was noch erledigt werden musste, ehe sie aufs Schloss fahren würde, um mit ihrer Familie zu essen.


Zwei Stunden später war es soweit, die komplette Familie mit Ausnahme von Ansgar, der sich einen Virus eingefangen hatte und bis auf weiteres ans Bett gebunden war, hatte sich am Lahnstein Esstisch eingefunden und beendete gerade den Hauptgang. Es fanden die üblichen, etwas spitzfindigen Gespräche statt und Tanja ließ es sich nicht nehmen, auch vor den anderen noch einmal zu demonstrieren, dass sie bei LCL alles im Griff hatte „wie ich vorhin erkennen konnte, hast Du Dir unser Gespräch zu Herzen genommen, und offenbar eingesehen, dass Dein Verhalten der letzten Zeit nicht angemessen war. Die Stoffproben, die Du zusammengestellt hast, gefallen mir jedenfalls sehr gut, das ist genau das, was ich mir vorgestellt hatte“ erklärte sie großspurig an Rebecca gewandt, die diese Vorlage gerne annahm und den Moment nutzte, um sich zu revanchieren. Sie legte die Arme locker neben ihren Teller auf den Tisch und lächelte der anderen freundlich zu „gern geschehen. Betrachte es als Abschiedsgeschenk“ erwiderte sie und nahm voller Genugtuung die verwirrten Gesichter zur Kenntnis, die sich ihr nach und nach zu wandten. Sebastian war der erste, der auf ihre kryptische Aussage reagierte „was genau hat das zu bedeuten? Das klingt fast so, als hättest Du vor LCL zu verlassen. Aber das hast Du doch sicher nicht damit gemeint, oder?“ frage er hörbar verwundert „natürlich nicht, Deine Schwester probt nur gerade ihren üblichen Zwergen Aufstand gegen mich, weil sie sich nicht der Tatsache beugen will, dass ihre Zeiten als Chefin der Kreativ-Abteilung vorbei sind. Egal was Du diesmal für Forderungen stellst, Rebecca, vergiss es. Es wird keine kreative Freiheit mehr geben, jedenfalls nicht, solange ich Chefin von LCL bin“ stellte sie klar und schob sich genüsslich das letzte Stück Filet in den Mund. „Vielleicht lassen wir Rebecca einfach mal ausreden, bevor wir anfangen wild herum zu spekulieren“ schlug Hagen vor, der es hasste, wenn alle einfach drauf los redeten, ohne Sinn und Verstand „hm, komisch...ich höre schon wieder diese Stimmen. Müssen aus dem Jenseits kommen“ bemerkte Tanja zynisch, die den ältesten Lahnstein Sohn am liebsten höchst persönlich wieder genau dort hin befördern würde, da er mit seinem Auftauchen bislang nur für Ärger gesorgt hatte. Rebecca ignorierte ihren Kommentar und nickte Hagen kaum merklich zu, bevor sie zu einer Erklärung ansetzte „ich denke, Ihr habt das schon ganz richtig verstanden. Es handelt sich weder um einen Aufstand, noch um irgendwelche Forderungen von meiner Seite. Im Gegenteil, ich habe endlich eingesehen, dass es keinen Sinn mehr macht und bin daher Tanjas Wunsch nachgekommen, meine Sachen zu packen und zu gehen. Die Kollegen habe ich soweit eingearbeitet, dass Ihr vorerst keine Probleme bekommen solltet, aber es sollte natürlich trotzdem möglichst schnell ein neuer Chefdesigner eingestellt werden. Meine Kündigungsfrist betrachte ich aufgrund meiner zahlreichen Überstunden und meines nicht genommenen Urlaubs als abgegolten“ stellte sie fest und trank danach etwas von ihrem Wein. Es brach eine hitzige Diskussion aus, die in erster Linie von Tanja befeuert wurde, die sich sowohl mit Hagen, als auch mit Elisabeth heftige Wortgefechte lieferte, bis Sebastian auf den Tisch haute, weil es ihm zu bunt wurde „Schluss jetzt! Das führt doch zu nichts und außerdem sollten wir lieber überlegen, wie wir mit dieser Neuigkeit umgehen“ sagte er genervt und wandte sich wieder an seine Schwester „Du klingst nicht so, als würdest Du Dich noch einmal umstimmen lassen, aber wärst Du wenigstens dazu bereit uns für den Übergang zur Verfügung zu stehen, falls mal ein Engpass vorliegen sollte?“
Rebecca nahm sich Zeit für ihre Antwort, obwohl es nichts mehr zu überlegen gab, aber sie fand es ganz angenehm, dass zur Abwechslung mal sie im Mittelpunkt stand „grundsätzlich würde ich das sogar tun, aber ich fürchte daraus wird leider nichts“ erwiderte sie bedeutungsschwer, woraufhin Tanja sie äußerst heftig anfuhr „spiel Dich gefälligst nicht so auf, wir sind nicht auf Dich angewiesen! Ich finde an jeder Straßenecke einen besseren Designer als Dich. Und lass Dir eines gesagt sein, Rebecca, diesmal gibt es kein zurück. Also erwarte bloß nicht, dass ich Dich wieder einstelle, wenn Du angekrochen kommst, weil Du leider feststellen musstest, dass der Name Lahnstein allein Dir nicht Tür und Tor öffnet.“
Es war ungewöhnlich still im Saal, bis Tristan plötzlich anfing zu lachen und die Blicke der anderen auf sich zog „was denn? Ich finde das irrsinnig komisch und sehr unterhaltsam“ merkte er an und richtete seinen Blick auf die Blondine, die ihm gegenüber saß „ich meine, dass ausgerechnet Du das sagst, Tanja, wo der Name Lahnstein Dir nicht nur Tür und Tor geöffnet hat, er hat Dir sogar so gut gefallen, dass Du gleich mehrere von uns geehelicht hast. Und um ihn auch ja nie wieder abgeben zu müssen, hast Du gleich noch für zwei Nachkommen gesorgt...also wenn DAS alles nicht für unseren Namen spricht, dann weiß ich auch nicht“ erklärte er sarkastisch. Sebastian funkelte seinen Bruder böse an „sehr Witzig, Tristan, und außerordentlich hilfreich noch dazu. Vielleicht solltest Du Dich besser ganz raus halten, wenn doch nur Mist dabei herum kommt“ motzte er ihn an, während Rebecca, die neben Tristan saß, diesen anschaute und sich ein Grinsen nicht verkneifen konnte. Es war das erste Mal, dass die beiden wieder zusammen über etwas lachten, was auch Tristan in diesem Moment klar wurde, der ihr verstohlen zu zwinkerte „okay, wenn wir dann bitte wieder zurück zum Thema kommen könnten...warum genau ist es nicht möglich, dass Du bei Problemen zur Verfügung stehst? Hast Du bereits eine neue Verpflichtung?“ wollte Sebastian wissen, der mehr als bedient war. Rebecca riss sich wieder zusammen und nannte ihrer Familie den Grund „nein, es gibt noch keine neue Stelle, aber ich werde für unbestimmte Zeit verreisen. Morgen im Laufe des Tages breche ich auf. Und bevor Ihr fragt...ich weiß selbst noch nicht wohin, ich weiß nur, dass ich mal hier raus muss, etwas Neues sehen und einfach mal an nichts anderes denken, als an mich. Es wird Zeit für ein paar Veränderungen in meinem Leben, denn so wie es sich entwickelt, gefällt es mir nicht mehr und außerdem braucht jeder kreative Kopf auch mal eine Schaffenspause, damit wieder Raum für neue Ideen entstehen kann. Genau diesen Luxus werde ich mir jetzt gönnen, denn ich kann es mir erlauben...außerdem hat LCL ja Tanja, und mehr braucht es schließlich nicht, um erfolgreich zu sein, habe ich mir sagen lassen“ erklärte sie leicht ironisch und rückte ihren Stuhl ab „und jetzt entschuldigt mich bitte, ich habe noch ein paar Dinge zu regeln, bevor ich abreise.“ Die restlichen Lahnsteins blieben verdattert zurück, Hagen tauschte einen kuren Blick mit Elisabeth, woraufhin beide sich zurückzogen, Tristan grinste noch immer und Sebastian war endgültig bedient, als seine Freundin ihn wenig freundlich aufforderte, ihr in die gemeinsame Suite zu folgen, wo er sich mit Sicherheit noch jede Menge unschöne Dinge würde anhören müssen.


Rebecca war gerade dabei zu packen, als es leise an der Tür klopfte „kann ich kurz rein kommen?“ fragte Tristan und gesellte sich zu der Gräfin, als diese ihre Zustimmung gegeben hatte „Du machst also wirklich ernst und haust einfach ab?“ Rebecca stopfte die letzten Sachen in ihren Koffer und machte ihn zu „hast Du etwa daran gezweifelt?“ erwiderte sie, woraufhin er mit den Schultern zuckte „keine Ahnung, obwohl...nein, eigentlich nicht. So warst Du ja schon immer“ sagte er und setzte sich auf ihr Bett. Die Gräfin versuchte den Reißverschluss zu zu machen, gab dieses Unterfangen jedoch nach einer Weile auf „was meinst Du damit? Ist das jetzt gut, oder schlecht?“ wollte sie wissen und setzte sich neben ihn „gut, denke ich. Du tust wenigstens etwas und lässt Dir nicht einfach länger auf der Nase herum tanzen“ bemerkte er und es klang fast ein bisschen wehmütig. Rebecca sah ihren Bruder von der Seite an, sie hatte nach langer Zeit wieder das Gefühl, dass hier wirklich Tristan neben ihr saß, der Tristan, den sie immer gemocht hatte, trotz seiner Macken „Du kannst das auch, jederzeit. Du musst es einfach nur tun. Ich habe allerdings auch meine Zeit gebraucht diesmal, es ist so unglaublich viel passiert in den letzten Monaten“ gestand sie ihm „Du meinst wegen Marlene?“ Er blickte ihr direkt in die Augen, und diesmal erkannte Rebecca das Bedauern in ihnen, was sie damals vergeblich gesucht hatte „nicht nur, aber auch. Sie fehlt mir immer noch schrecklich. Aber es ist die gesamte Situation hier, alles dreht sich im Kreis...ich will das einfach nicht mehr“ ließ sie ihn wissen „kann ich verstehen. Aber ich wollte mich wenigstens von Dir verabschieden...unser Streit, und wie wir zuletzt miteinander umgegangen sind...so sollten wir nicht auseinandergehen, Rebecca. Ich habe diesen Fehler einmal gemacht, damals bei unserem Vater...und das brauche ich kein zweites Mal“ sagte er hörbar traurig. Die Gräfin war gerührt „ich möchte das auch nicht, und ich bin sehr froh, dass Du extra noch mal hergekommen bist“ erklärte sie und schloss ihn in die Arme „mir ging es damals nicht nur um die Sache mit Marlene, aber Du hast so unglaublich gleichgültig gewirkt, als wäre ich Dir vollkommen egal, und das hat mich einfach sehr verletzt.“ Tristan löste sich von ihr und nickte „inzwischen weiß ich das und es tut mir leid, dass ich so ein Arsch war. Aber was mich ehrlich gesagt brennend interessiert...hast Du wirklich kein Ziel, oder hast Du das nur behauptet?“ hakte er nach und Rebecca ahnte, worauf er hinaus wollte „Du denkst, dass ich nach L. A. gehe, zu Marlene? Oh, ich wünschte wirklich es wäre so, aber leider nein...Aber es gibt in der Tat ein vorläufiges Ziel und wenn Du es für Dich behältst, dann verrate ich es Dir.“ Als er erneut nickte, verriet sie es ihm und Tristan half ihr noch dabei den Koffer zu schließen, bevor er sich vorläufig von ihr verabschiedete „was ist denn jetzt mit Dir? Was hast DU vor?“ rief Rebecca ihm zu, als er an der Tür angekommen war „ich weiß nicht genau, aber vielleicht nehme ich mir ja auch eine Auszeit. Helena würde sich bestimmt über einen Besuch freuen, oder was meinst Du?“ entgegnete er „ganz bestimmt sogar“ bestätigte Rebecca lächelnd und auch Tristan lächelte, als er die Suite seiner Schwester verließ.


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BeitragVerfasst: 27.07.2015, 17:58 
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Kapitel 12: Der richtige Moment

Auch Mitte Dezember herrschten milde Temperaturen in Los Angeles, die selten unter die 15 Grad Marke fielen, weshalb Marlene sich eines ihrer eleganten Kleider aus dem Schrank nahm, um sich für den heutigen Abend in Schale zu werfen. In ihrer neuen Wohnung, die einen großen Balkon hatte, knapp 80 Quadratmeter umfasste und die inzwischen komplett eingerichtet war, hatte sie sich nicht nur bestens eingelebt, sie fühlte sich auch rundum wohl. Wenn man bedachte, wie das Jahr angefangen hatte, und wie sehr es in den letzten acht Monaten auf den Kopf gestellt worden war, konnte sie sich wahrlich nicht beschweren und sie vermochte sich inzwischen nicht mal mehr auszumalen, was aus ihr geworden wäre, wenn sie damals nicht den Schritt gegangen und nach Los Angeles aufgebrochen wäre. Marlene ging ins Badezimmer, um sich ein wenig Puder aufzulegen und um ihre Haare hochzustecken, denn sie wusste, dass Jacob diese Frisur besonders mochte, das hatte er irgendwann einmal recht beiläufig erwähnt, aber sie hatte es sich trotzdem gemerkt. Nachdem sie fertig war, begutachtete sie sich noch einmal ausgiebig im Spiegel und befand, dass sie zufrieden mit dem Ergebnis war „gar nicht mal so schlecht“ urteilte sie grinsend und ging zurück in die Küche, wo sie sich noch ein Glas Wasser einschenkte. Langsam wurde Marlene doch etwas nervös, denn obwohl sie Jacob fast täglich sah und auch schon öfter mit ihm ausgegangen war, so war es diesmal etwas anderes, denn heute hatte sie ein Date und nicht bloß eine Verabredung mit einem Freund. Sie hatte lange gezögert und sich immer wieder gefragt, ob es richtig war sich auf ein mögliches Abenteuer mit ihm einzulassen, denn wenn es schief ging, dann wären die Auswirkungen unter Umständen schlimmer, als sie beide das zum jetzigen Zeitpunkt absehen konnten. Doch dann sagte sie sich wieder, dass Jacob ihr ohnehin schon viel näher stand, als ein Freund es üblicherweise tat, denn er kannte sie inzwischen sehr gut und er wusste fast immer, wie er mit ihr umgehen musste, was nicht gerade selbstverständlich war. Er brachte sie zum Lachen, hörte ihr zu, unterstützte sie nach Kräften und er war unglaublich charmant. Dass er bei all dem auch noch gut aussah machte es fast schon unheimlich, aber egal wie sehr Marlene auch nach Gründen suchte, die gegen eine Beziehung mit ihm sprachen, sie fand keine, abgesehen von einem, der womöglich sogar entscheidend war, aber selbst diese Angst hatte Jacob ihr genommen. Dass ihr Herz nicht gänzlich frei war, wusste er, sie hatte es ihm gesagt als sie das letzte Mal über Rebecca gesprochen hatten. Jacob hatte wissen wollen, ob Marlene ihre Ex-Freundin noch immer liebte, und sie hatte dies bejaht, weil es die Wahrheit war. Kurioserweise hatte er es verstanden, oder zumindest akzeptierte er diese Tatsache und sah sie nicht als Hindernis, da er der Meinung war, dass ein Herz Platz für mehr als nur einen Menschen bot. Nichts desto trotz war Marlene weiter zurückhaltend geblieben, Jacob hatte sie nicht bedrängt, aber er ließ sie dennoch spüren, wie wichtig sie ihm war und er schaffte es, ihr dadurch immer mehr von ihrer Unsicherheit und Angst zu nehmen, die sie bislang davon abgehalten hatten, sich auf ihn einzulassen. War sie wirklich schon soweit? Genügten knapp neun Monate Trennung, um bereit für etwas Neues zu sein? Gab es überhaupt eine zeitliche Begrenzung und wenn ja, wo lag diese? Bislang war Marlene buchstäblich von einer Beziehung in die nächste gestolpert, aber ihre Liebe zu Rebecca war noch einmal etwas ganz anderes gewesen, und entsprechend schwer fiel es ihr auch damit abzuschließen. Dennoch konnte sie nicht ewig so weitermachen, selbst wenn sie es wollte, denn insgeheim sehnte sie sich nach der Nähe eines Partners, nach der Intimität einer Beziehung und nach einem Menschen bei dem sie sich fallen lassen konnte. Sie wusste nicht, ob Jacob derjenige war, bei dem sie all das fand, aber sie fühlte sich geborgen in seiner Nähe und sie vertraute ihm. Marlene war nicht so naiv zu glauben, dass das allein ausreichte, um dauerhaft glücklich zu sein, diesen Fehler hatte sie schon einmal gemacht, damals bei Tristan, und sie hatte nicht vor ihn zu wiederholen. Aber sie wollte Jacob und sich wenigstens eine ehrliche Chance geben, denn erst wenn sie bereit war sich ganz ihm gegenüber zu öffnen, konnte sie herausfinden, ob da mehr war, als nur Freundschaft. Ihr Herz war bislang alles andere als sicher, was es wollte, aber vielleicht war jetzt der richtige Moment gekommen, um es herauszufinden.

Rund 4.000 Kilometer Luftlinie entfernt, betrat Rebecca ihre New Yorker Wohnung und legte als erstes ihren Motorrad Helm, sowie ihre Lederjacke ab, bevor sie sich die Schuhe auszog und an den Kühlschrank ging, um eine Flasche Wasser heraus zu nehmen. Sie hatte eine große Tour hinter sich, war fast fünf Stunden unterwegs gewesen und fühlte sich so gut, wie schon lange nicht mehr. Es war voraussichtlich die letzte Fahrt in diesem Jahr gewesen, denn es stand ein Wetterumschwung bevor und wenn der Winter erst einmal richtig in New York eingekehrt war, dann blieb er in der Regel auch eine ganze Weile. Bislang war er ungewöhnlich mild gewesen, doch bereits heute konnte man spüren, dass es sich deutlich abkühlte und für morgen war sogar der erste Schnee voraus gesagt worden. Deshalb hatte Rebecca die Möglichkeit genutzt und sich heute noch einmal eine Machine geliehen, die sich als absoluter Traum herausgestellt hatte. Seit sie vor einigen Wochen nach New York gekommen war, hatte sie es sich zur Angewohnheit gemacht, regelmäßig Motorräder zu mieten und mit diesen die zahlreichen Routen auszuprobieren, die sich ihr boten. Überhaupt hatte sie seither unglaublich viel unternommen, war ständig unterwegs gewesen und hatte natürlich auch ein paar alte Kontakte aktiviert, um langsam aber sicher wieder Fuß in der Modebranche zu fassen, denn allzu lange durfte sie sich nicht zurückziehen, wenn sie wollte, dass ihr Name nicht vergessen wurde. Rebecca verspürte durchaus die Lust sich neuen beruflichen Herausforderungen zu stellen, und sie hatte auch bereits zwei ganz gute Angebote vorliegen, aber noch zögerte sie eines davon anzunehmen, denn das würde bedeuten, dass sie sich festlegen und damit vorerst in New York sesshaft werden müsste. Im Prinzip war dies kein Problem für die Gräfin, die nicht vorhatte allzu schnell nach Düsseldorf zurückzukehren, aber darum ging es auch gar nicht. Rebecca kämpfte mit etwas ganz anderem, denn noch immer schwirrte Marlene ihr im Kopf herum und die Frage, wann sie sich endlich wiedersehen würden und was diese Begegnung für Folgen haben könnte. Acht Monate war es nun schon her, dass sie sich zuletzt gesehen hatten, der Kontakt reichte noch immer nicht über ein paar gelegentliche Nachrichten hinaus, weil sie beide noch immer nicht wussten, was der richtige Weg und welches das richtige Maß war, einander zu begegnen, ohne sich dabei zu blockieren. Rebecca war nicht sicher, ob sie es inzwischen wusste, sie war sich nur über eines im Klaren, dass sie Marlene unbedingt wiedersehen wollte, ganz egal, was das am Ende für sie beide bedeutete. Sie spürte tief in sich drin, dass es wichtig war, denn zwischen ihnen war noch längst nicht alles gesagt, zu Vieles war unausgesprochen geblieben, als sie sich damals voneinander hatten verabschieden müssen, obwohl es ihnen beinahe das Herz zerrissen hatte. Sie würde niemals damit abschließen können und keine Ruhe finden, solange es keine Gewissheit gab und auch nur das kleinste bisschen Hoffnung bestand, dass Marlene und sie doch noch eine Chance hatten gemeinsam glücklich zu werden. Vielleicht war ja jetzt genug Zeit vergangen, aber wie sollte sie da sicher sein? Konnte sie Marlene einfach so um ein Treffen bitten? Und was war, wenn sie nein sagte? Rebecca hatte sich all diese Fragen schon unzählige Male gestellt, doch eine Antwort würde sie auch diesmal nicht bekommen. Sie setzte sich an den Tisch in der Küche, klappte ihren Laptop auf und rief die Internetseite der Gesangsschule auf, bei der Marlene arbeitete. Sie wusste selbst nicht so genau, wonach sie eigentlich suchte, doch dann sprang ihr etwas ins Auge, das ihre Aufmerksamkeit erregte. Die L. A. Vocal School veranstaltete in diesem Jahr ein großes Weihnachts-Singen, zu dem herzlich eingeladen wurde, und plötzlich wusste Rebecca, was sie zu tun hatte. Sie wechselte auf eine andere Seite, machte ein paar Eingaben und glich anschließend noch einmal das Datum der Veranstaltung mit ihren ausgewählten Flugdaten ab. „L. A., ich komme“ murmelte sie und bestätigte schnell die Buchung, ehe sie es sich noch einmal anders überlegen konnte. Rebecca hatte keine Ahnung, ob sie das Richtige tat und wie Marlene darauf reagieren würde, aber sie hatte das Gefühl, dass der richtige Moment gekommen war, um es herauszufinden.


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BeitragVerfasst: 27.07.2015, 20:14 
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Kapitel 13: Das Ende der Hoffnung

Rebecca war mit großer Verspätung in Los Angeles gelandet und fluchte schon eine ganze Weile vor sich hin, weil sie mit Sicherheit die komplette Veranstaltung verpasst hatte und nicht mal mehr sicher sein konnte, Marlene überhaupt noch vor Ort anzutreffen. Natürlich hatte sie auch für diesen Fall vorgesorgt und in Erfahrung gebracht, wo ihre Freundin wohnte, aber Marlene gleich zuhause zu überfallen erschien ihr dann doch ein wenig unverfroren. Sie fragte sich ohnehin die ganze Zeit, ob es nicht doch besser gewesen wäre, Marlene von ihrem Vorhaben zu unterrichten und hatte Angst, dass sie die andere mit ihrem Auftauchen überfordern würde. Am Ende wäre sie womöglich sauer und das lang ersehnte Treffen würde in einer Katastrophe enden, was so ziemlich das Letzte war, was Rebecca wollte, doch nun war es eh zu spät für derartige Zweifel. Sie stieg aus dem Taxi, welches sie direkt bis vor die Tür der L. A. Vocal School gebracht hatte, gab dem Fahrer sein Geld und blieb unsicher vor dem großen Gebäude stehen. Es war ein ziemlich altes Haus, aber es schien in einem sehr gutem Zustand zu sein und strahlte eine gewisse Anmut aus, was wiederum perfekt zu Marlene passte, dachte die Gräfin, deren Herz zunehmend schneller schlug, je näher sie der anderen kam „okay, Rebecca...ganz ruhig, es wird bestimmt alles gut“ sagte sie leise zu sich selbst, doch auch das änderte natürlich nicht das Geringste an ihrer Aufregung, die an Intensität kaum zu übertreffen war.

Marlene und Jacob saßen in der ersten Reihe des großen Saales, dessen Mittelpunkt die Bühne mit den stimmgewaltigen jungen Leuten war, die zum Abschluss noch einmal alles gaben und das Publikum mit ihrer Interpretation von „Jingle bell rock“ begeisterten. Als sie den Song beendet und noch zwei Zugaben gegeben hatten, gingen auch Jacob und Marlene auf die Bühne, um noch ein paar Worte an ihre Schüler zu richten und um das Buffet zu eröffnen, welches im Anschluss an das Singen stattfand. Sie wünschten den Besuchern ein frohes Weihnachtsfest, bedankten sich bei allen Beteiligten für die Unterstützung und tolle Zusammenarbeit und stürzten sich schließlich selbst ins Getümmel „das war einfach großartig, oder? Unglaublich, wie gut sie alle waren“ schwärmte Marlene noch immer, die mächtig stolz auf die Leistung ihrer Schützlinge war. Jacob lachte und reichte ihr einen Teller „jetzt iss erst mal etwas, sonst kippst Du mir noch um. Aber Du hast Recht, sie waren toll...wenn auch nicht ganz so umwerfend wie Du, wenn ich mir diese Bemerkung erlauben darf“ erklärte er mit einem verschmitzten Lächeln im Gesicht. Die Blondine hob gespielt tadelnd den Finger „eigentlich nicht, aber ich weiß ja inzwischen, dass Du ein unverbesserlicher Charmeur bist, und von daher nehme ich es Dir nicht übel“ flötete sie und machte sich über das Essen her, denn sie hatte vor lauter Aufregung gar nicht bemerkt, wie hungrig sie eigentlich war. Jacob beobachtete in der Zwischenzeit das Treiben der vielen Menschen, die sich alle prächtig zu amüsieren schienen „das machen wir nächstes Jahr wieder, oder? Du hast das wirklich super organisiert und einmal mehr bewiesen, wie wertvoll Du für uns bist“ bemerkte er gut gelaunt und legte seine Arme um Marlenes Hüften „ich würde Dich jetzt gerne küssen...aber ich bin nicht sicher, ob ich darf...“ fügte er leise hinzu und blickte ihr neckisch in die Augen. Marlene lächelte amüsiert „Du könntest es ja einfach mal testen, oder hat Dich der Mut verlassen?“ erwiderte sie einem Impuls folgend, und war nicht überrascht, als Jacob kurz darauf seinen Mut bewies und ihre Lippen mit den seinen verschloss.

Als Rebecca sich erfolgreich einen Weg durch die vielen Menschen gebahnt hatte und am Ende tatsächlich die vertraute Statue von Marlene erblickte, die mit dem Rücken zu ihr stand, konnte sie ihr Glück kaum fassen, doch leider währte es nicht lang. Die junge Gräfin traute ihren Augen kaum und blieb abrupt stehen, als sie sah, dass der Mann, mit dem die Blondine sich gerade noch unterhalten hatte, plötzlich seine Arme um sie legte und ihr einen innigen Kuss gab. Einfach so, direkt vor Rebeccas Augen, deren ganze Hoffnung in diesem Augenblick zusammenbrach, wie ein Kartenhaus, das sie bis dahin mühsam aufrecht erhalten hatte. Für den Bruchteil einer Sekunde versuchte sie sich einzureden, dass es sich um eine andere Frau handeln musste und nicht um ihre Marlene, die sie so lange nicht gesehen und nach der sie sich so furchtbar gesehnt hatte in den letzten Monaten, doch Rebecca wusste es besser. Sie würde Marlene unter tausend anderen wiedererkennen, ganz egal, wie lange sie einander nicht mehr gesehen hatten, denn sie überstrahlte einfach alles und zog Rebecca an, wie ein Magnet. Überfordert mit der Situation und ihren Gefühlen, wandte die Gräfin sich ab und lief so schnell es ging zum Ausgang, wo sie mit einer jungen Frau zusammenstieß „sorry" sagte sie hektisch, blieb aber nicht stehen, sondern ging einfach weiter, bis sie am Ende des Saales angekommen war. Sie drehte sich nicht noch einmal um, denn sie hatte Angst davor, Marlene in die Augen zu sehen und in ihnen erkennen zu müssen, dass es vorbei war. Endgültig. Noch einmal würde sie einen Abschied nicht ertragen, das war ihr soeben bewusst geworden, und so verließ Rebecca traurig das Gebäude. Sie hatte einfach zu lange gewartet, war zu spät gekommen und nun hatte sie Marlene für immer verloren.

„Was ist? Suchst Du jemanden?“ fragte Jacob Marlene, die sich etwas ruckartig umgedreht hatte und ihren Blick unruhig durch den Raum gleiten ließ „ich weiß nicht...mir war nur plötzlich so...“ murmelte sie und entfernte sich ein paar Schritte „ich bin gleich wieder da.“ Sie lief quer durch die Ansammlung von Menschen, bis sie den Ausgang erreicht hatte, wo sie sich schließlich wieder umdrehte. Marlene schüttelte den Kopf und fragte sich, was bloß in sie gefahren war, als sie etwas auf dem Boden entdeckte. Sie ging darauf zu, hob es auf und betrachtete es nachdenklich „sieht ziemlich teuer aus" dachte sie und nahm das Tuch an sich, falls jemand es vermissen und danach fragen sollte. Sie überlegte einen Moment und ging dann nach draußen, wo sie gerade noch jemanden um die Ecke biegen sah, doch ansonsten war weit und breit niemand zu sehen. Marlene seufzte „was mache ich hier eigentlich?" flüsterte sie, während sie erneut das seidene Tuch betrachtete, dessen Duft ihr auf sonderbare Weise vertraut erschien „Du spinnst, Marlene von Lahnstein" tadelte sie sich selbst, bevor sie zurück ins Gebäude ging, wo Jacob sicher schon auf sie wartete.


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BeitragVerfasst: 27.07.2015, 20:15 
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Kapitel 14: Wenn das Schicksal es will

Nachdem Rebecca einige Stunden ziellos durch die Straßen von L. A. geirrt war, war sie nicht nur erschöpft, sondern auch kurz davor zu verzweifeln, denn sie brachte es einfach nicht fertig sich in einen Flieger nach New York zu setzen, und damit sang und klanglos zu verschwinden. Trotz ihrer Enttäuschung und der ausweglosen Situation hielt sie etwas davon ab, sich ihrem Schicksal zu beugen, mit dem sie alles andere als einverstanden war. Was hinderte sie daran zu Marlene zu gehen und ihr zu sagen, dass sie es einfach nicht länger ausgehalten hatte? Schließlich war es Marlene gewesen, die davon gesprochen hatte, dass sie sich irgendwann wiedersehen würden und nun war Rebecca hier. Aber sie war nicht hergekommen, um sich vor einer Konfrontation zu drücken, nein, das war nicht der Plan gewesen und genau genommen gab es auch keinen Grund dafür. Selbst wenn zwischen Marlene und diesem Kerl etwas lief, musste das schließlich noch lange nichts bedeuten, das wusste die Gräfin aus eigener Erfahrung. Aber wie sollte sie das herausfinden, wenn sie einfach den Rückzug antrat, ohne mit Marlene gesprochen zu haben? Rebecca stieß geräuschvoll die Luft aus und versuchte ihre überkochenden Gefühle zu bändigen „was mache ich hier eigentlich?“ murmelte sie, während sie zu dem Entschluss kam, dass sie nicht stundenlang im Flieger gesessen und ihre Zeit mit monatelangem Warten verbracht hatte, nur um ihre Freundin einmal kurz von hinten zu sehen. Rebecca schüttelte den Kopf, setzte sich ihren Rucksack wieder auf und hielt nach einem Taxi Ausschau, um sich zu Marlenes Wohnung fahren zu lassen. „Wenn das Schicksal es wirklich so will, dann kann ich nichts dagegen tun“ dachte die Gräfin „aber ich werde nicht eher gehen, bis ich es herausgefunden und alles versucht habe, was in meiner Macht steht.“

Marlene und Jacob waren unterdessen zum gemütlichen Teil des Abends übergegangen, den sie in seiner Wohnung bei einem Glas Rotwein ausklingen ließen, während sie sich über die Geschehnisse des Tages unterhielten. Als Marlene sich an die Schulter fasste und einen Moment lang die Augen schloss, stellte Jacob sein Glas ab und rutschte näher zu ihr heran „kleine Massage gefällig?“ bot er lächelnd an, was die Blondine gerne annahm. Kaum hatte er angefangen ihren Nacken und Schulterbereich zu massieren, entspannte Marlene sich und seufzte erleichtert „meine Güte, was hast Du nur getrieben, dass Du derart verspannt bist? Oder belastet Dich etwas? Ich habe schon die ganze Zeit das Gefühl, dass Dich etwas beschäftigt...“ stellte er fest, während er seine Massage am oberen Schulterbereich intensivierte. Marlene fühlte sich ertappt und wunderte sich einmal mehr, wie aufmerksam ihr Freund war, der fast immer merkte, wenn sich ihre Stimmung änderte, selbst dann, wenn sie versuchte sich nichts anmerken zu lassen „nein, mich belastet nichts, Du musst Dir keine Gedanken machen. Es ist nur...ach, ich weiß auch nicht, wahrscheinlich bin ich einfach nur müde und deshalb ein bisschen neben der Spur“ erklärte sie und hoffte, dass er sich damit zufrieden geben würde, denn sie wusste nicht, wie sie ihm hätte begreiflich machen sollen, was sie doch selbst nicht verstand. Jacob blickte zu dem Seidentuch, das auf dem Tisch lag „ist das neu? Das habe ich noch nie an Dir gesehen“ bemerkte er, woraufhin sie leicht den Kopf schüttelte „das habe ich vorhin gefunden. Ich dachte, dass vielleicht jemand danach fragt...aber wahrscheinlich hat derjenige noch gar nicht gemerkt, dass er es verloren hat“ erwiderte sie, wobei ihr unweigerlich wieder der vertraute Duft in die Nase stieg, den sie an dem Tuch wahrgenommen hatte. Langsam glaubte sie wirklich, dass sie anfing zu spinnen, aber egal wie oft sie sich genau das sagte, es änderte nichts an dem unerklärlichen Gefühl, welches sie seit heute Nachmittag begleitete und das ihr keine Ruhe mehr ließ, so unsinnig es auch war. Das konnte sie Jacob natürlich nicht erzählen, weshalb sie versuchte nicht weiter darüber nachzudenken „hm, dann behalte es doch einfach, es sieht ziemlich schick aus und passt wunderbar zu Deinen Augen“ ließ er sie wissen und küsste sanft ihren Nacken, nachdem er mit der Massage fertig war „danke“ sagte Marlene leise, die aufgrund der zarten Berührung eine leichte Gänsehaut bekam. „Gern geschehen“ flüsterte Jacob und schaute ihr fragend in die Augen, als sie sich wieder zu ihm umgedreht hatte „wenn Du möchtest, kannst Du heute Nacht bei mir bleiben. Du siehst wirklich sehr müde aus und könntest Dir den Weg nach Hause ersparen. Außerdem fände ich es sehr schön neben Dir einschlafen und wieder aufwachen zu dürfen. Aber natürlich nur, wenn Du das auch möchtest“ erklärte er und lächelte auf diese charmante Art, die Marlene so an ihm mochte. Danach beugte er sich zu ihr und gab ihr einen zaghaften, sehr sanften Kuss, der jedoch schnell intensiver wurde „ich will Dich nicht drängen, Marlene, aber ich...“ sagte er anschließend und schaute ihr fest in die Augen „ich empfinde inzwischen wirklich sehr viel für Dich und ich vermisse Dich, wenn Du nicht bei mir bist. Du weißt doch längst, dass ich verliebt in Dich bin, aber wenn es um Deine Gefühle geht, muss ich gestehen, dass ich mir einfach nicht sicher bin. Deshalb weiß ich nicht so genau, wie weit ich gehen kann, ohne Dich zu verschrecken....“ gab er zu und wirkte im Gegensatz zu sonst sehr unsicher und auch verletzlich, was Marlene augenblicklich ein schlechtes Gewissen bescherte, da sie ihn in der Tat ziemlich im Unklaren gelassen hatte, was ihre Gefühle anging. Sie lächelte etwas verlegen und legte ihre Hand in seine, während sie nach den richtigen Worten suchte, um das auszudrücken, was in ihr vorging.

Als sie das Treppenhaus betrat und langsam die Stufen hinauf ging, schien jeder weitere Schritt dafür zu sorgen, dass auch das Chaos in ihrem Kopf langsam abnahm. Noch bevor sie oben angekommen war, erlosch das Licht, woraufhin sie noch vorsichtiger einen Fuß vor den anderen setzte, bis sie schließlich in der dritten Etage angekommen war. Sie ging auf die Tür zu und kramte ihren Schlüssel aus der Handtasche, als sie über etwas stolperte „verdammter Mist“ fluchte sie leise, streckte ihre Hand nach dem Schalter aus und machte das Licht wieder an. Einen Moment lang glaubte sie zu halluzinieren und befürchtete schon, nun endgültig den Verstand verloren zu haben, doch was sie sah, war keine Einbildung. Es fühlte sich an, als würde die Welt mit einem Male Kopf stehen, nichts von alledem was sie gerade noch beschäftigt hatte, war mehr wichtig und die Gefühle, die mit voller Wucht über Marlene herein brachen, raubten ihr schier den Atem. Sie verspürte den Drang zu schreien, doch sie brachte keinen Ton heraus, alles was sie tun konnte war da zu stehen und sie anzusehen. Vor lauter Schreck ließ sie ihren Schlüssel fallen und starrte weiter ungläubig vor sich auf den Boden, wo Rebecca an die Wand gelehnt saß, die jetzt ihre Augen öffnete und ebenfalls erschrocken nach oben blickte. Sie war beim Warten auf Marlene eingeschlafen, und auch sie hatte Mühe ihre Sprache wieder zu finden, jetzt wo die andere plötzlich vor ihr stand. Sofort setzte das Herzklopfen wieder ein und nichts, rein gar nichts war mehr wichtig, außer SIE. Da stand sie vor ihr, ENDLICH, und war wunderschön wie eh und je, ihr blonder Engel. Ihr Gesicht drückte all das aus, was auch Rebecca empfand, doch im Gegensatz zu ihr, hatte Marlene keine Ahnung gehabt, was sie erwartete, weshalb sie die Gräfin noch immer ansah, als wäre sie ein Gespenst, oder eine Erscheinung, an die sie nicht so recht glauben wollte „das gibt es doch nicht...“ entfuhr es ihr schließlich, während die Brünette aufstand, um ihr endlich in die Augen sehen zu können. Es waren die selben blauen Augen, in die sie schon so oft gesehen hatte, doch diesmal war es anders, denn es kam einer Erlösung gleich und dem Gefühl endlich wieder dort zu sein, wo sie sein wollte „Marlene, ich...“ stammelte sie überfordert, da fiel die Blondine ihr bereits um den Hals und drückte sie fest an sich. Rebecca lachte erleichtert auf und erwiderte die intensive Umarmung, während ihr gleichzeitig Tränen der Freude über die Wangen liefen. Auch Marlene weinte jetzt und nahm lächelnd das Gesicht der Gräfin zwischen die Hände „es ist so unglaublich schön Dich zu sehen“ flüsterte sie und lehnte ihre Stirn gegen die von Rebecca. Es war einer der innigsten Momente im Leben der beiden Frauen, die auch noch im Flur stehen blieben, als das Licht längst erloschen war, und die einander festhielten, als wollten sie sich nie wieder loslassen.


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