Meine tiefe Bewunderung und feurige Liebe für Virginia Woolf reicht zurück in meine Studierendenzeit, als ich sie als grandiose Schriftstellerin, als eine der wichtigsten Autor*innen der modernen englischen Erzählliteratur und als faszinierende, kluge, geistreiche Frau kennengelernt habe - und in der Folge so manche Hausarbeit über sie verfasst habe. Romane wie Mrs Dalloway, To the Lighthouse, Orlando – Essays wie A Room of One's Own (Ein Zimmer für sich allein, 1929) oder Three Guineas - soviel Geniales gab es zu entdecken und zu bewundern. Der intellektuelle Bloomsbury Kreis in London, zu dem sie und ihre Schwester Vanessa gehörten – ihre Liebe zu Frauen, all die Namen, all die Geschichten – und ihr dramatischer, trauriger Tod auch.
Virginia Woolf, geb. Stephen, 1882-1941
https://commons.wikimedia.org/wiki/Cate ... uselang=deVita Sackville-West habe ich durch die Beschäftigung mit Virginia Woolf kennengelernt – als ihre Geliebte, als Inspiration für den Roman "Orlando" (1928) - eine noble Aristokratin, auch sie liebte Frauen – auch sie war, wie Virginia, mit einem Mann verheiratet (Harold Nicolson war homosexuell), mit dem sie eine weitgehend asexuelle Liebe verband – Vita, die als Schriftstellerin zu ihrer Zeit viel erfolgreicher war als Virginia, wenn auch in einem ganz anderen Metier (heute kennt sie kaum noch jemand als Schriftstellerin). Eine große Tragödie für sie war, dass sie den Familiensitz Knole in Kent nicht erben durfte, weil die männliche Erbfolge galt. Obwohl sie das einzige Kind ihrer Eltern war, blieb sie außen vor. Sie bereiste die Welt, sie liebte Gärten – und sie hatte viele leidenschaftliche Beziehungen zu Frauen. Über ihre Liebesgeschichte mit Violet Keppel (Trefusis) haben wir ja schon in einem anderen Thread gesprochen und geschrieben.
Sie war anscheinend eine wirklich imposante, beeindruckende Erscheinung. Groß, schön, hinreißend.
Victoria Mary Sackville-West (1892-1962)
https://commons.wikimedia.org/wiki/Cate ... uselang=deAls sie sich 1922 bei einer Dinner Party kennenlernten, war Virginia Anfang 40 (geb. am 25. Januar 1882), Vita war Anfang 30 (geb. am 9. März 1892). Es gibt zeitgenössische Berichte über sie, die man mit Vorsicht genießen sollte – oder zumindest bedenken sollte, dass die, die über ihre Liebe urteilten und schrieben, auch Kinder ihrer Zeit waren – oder gar mit ihnen verwandt waren, so dass eine objektive Betrachtung nicht immer möglich war - dasselbe gilt für eine Betrachtung frei von Heteronormativität und frei von Vorurteilen über die Liebe zwischen zwei Frauen. (Aber das ist ja zum Teil heute leider auch noch so.)
Virginia und Vita haben sich insgesamt über viele Jahre hinweg fast 700 Briefe geschrieben, auch als ihre leidenschaftliche Beziehung sich schon in Freundschaft gewandelt hatte. Bis zu Virginias Tod 1941 hatte die Freundschaft Bestand.
"Diese beiden hochbegabten, schönen, witzigen und völlig unsentimentalen Frauen […] waren sich über weite Strecken lebensnotwendig und beflügelten sich gegenseitig zu ihren besten künstlerischen Produktionen. Sie liebten einander. […] [Sie haben] viel darüber gesagt, und man braucht nichts weiter zu tun, als ihre Äußerungen ernst zu nehmen." Das schreibt Susanne Amrain im Vorwort des (leider vergriffenen) Buchs "So geheim und vertraut – Virginia Woolf und Vita Sackville-West" (Suhrkamp 1994). Sie fährt fort mit:
Zitat:
"Ihre Liebe war kein kurzer Rausch und keine Episode, sondern eine lange, komplizierte und nicht selten quälende Geschichte. Wenn man sie erzählt und dabei die Protagonistinnen ausführlich selbst zu Wort kommen läßt, erscheint zumal Virginia Woolf in einem ganz neuen Licht: Mit Vita erlebte sie Phasen des leidenschaftlichen Verlangens, der Eifersucht, der Entfremdung und der Wiederbegegnung. Vita war, neben ihrer Schwester Vanessa und ihrem Mann Leonard, der einzige Mensch, den Virginia wirklich liebte."
Virginia litt Zeit ihres Lebens unter Depressionen und seelischen Erkrankungen – und sie hat sich am Ende das Leben genommen – aber sie war eben nicht nur eine "tragische Erscheinung". Grade mit Vita zusammen kam auch ihre ausgelassene, ihre lebensfrohe, leidenschaftliche Seite zutage.
Virginias Roman "Orlando", erschienen 1928, war (das sagte später Vitas Sohn Nigel Nicolson), "the longest and most charming love letter in literature" (der längste und charmanteste Liebesbrief in der Literatur). Erzählt wird die Geschichte von Orlando, der/die über 400 Jahre hinweg immer wieder das Geschlecht wechselt, mal als Mann, mal als Frau durch die Weltgeschichte zieht. Es ist natürlich nicht nur ein "Liebesbrief" an Vita, auch wenn es vorgeblich eine fiktive Biographie sein soll - hier geht es natürlich auch um Genderrollen, die Stellung der Frau in der Gesellschaft und ihren Zugang zu Macht, Einfluss und Bildung. (Das Buch war übrigens ein großer Erfolg für Virginia, ihr am besten verkauftes Buch bis dahin).
Es gibt eine (schon etwas ältere) Verfilmung mit Tilda Swinton, die habt ihr vielleicht gesehen? Oder hat hier jemand zufällig sogar das Buch gelesen?
Ich bin gespannt, ob der geplante Film über die beiden meine Erwartungen erfüllen kann. Ich werde das auf jeden Fall neugierig verfolgen und das Beste hoffen. Es ist wirklich an der Zeit, dass den beiden ein Film gewidmet wird, finde ich.
So. Jetzt ihr.