Zuallerst: ganz toll besetzt, schön gezeichnete Figuren, interessante Gesichter.
Ich fand den Film in vielerlei Hinsicht gut gemacht. Erst mal wurde nicht versucht in 90 Minuten detailreich zu erklären, warum sie so weit kam. Er holte sie zunächst einmal da ab wo sie stand, eine sehr eingekapselte Frau, hochkontrolliert, die vor den einfachsten Dingen anfing zu kapitulieren – das Betreten einer Rolltreppe, die abwärts lief, Zusammenbrüche und dann sehr zeitnah das Aufnahmegespräch in der Klinik, in die sie sich natürlich, ganz Macherin selbst einwies – das muss doch kein Arzt entscheiden.
Beim Aufnahmegespräch ihr gegenüber eine Frau, die nicht etwa als erhoffte Dienstleisterin auftritt, die sie schnell mal eben gesund macht, sondern ihr gleich provokant die Flanke aufreißt. Dass sie dennoch dageblieben ist, zeigte ihre große Not. Die Dame hätte Mdme Institutsleiterin sonst eben mal so kurz abgefrühstückt wie den Herrn, der sie auf dem Kongress so charmant ankündigte.
Interessant auch die wechselnde Erzählperspektive. Zunächst als Draufsicht auf diese schwer angeschlagene Frau, dann durch ihre Augen. Die Wahrnehmung der Therapieform und der Insassen als etwas ihr unterlegenes, Verstrahltes. Die Menschen wurden nur so beleuchtet wie sie sie wahrnahm. Durchgeschossen, nicht so wie sie.
Die Hochseilgartenszene war auch bezeichnend – jeder, der Teambuilding kennt, weiß, dass es da auf Vertrauen und Zusammenarbeit ankommt, sowas scheint der Einzelkämpferin unbekannt. Neben der fehlenden Empathie verdeutlichte dieses doch ihre große Verschlossenheit und sicher auch Einsamkeit.
Wie sie dahin kam, wurde sehr schön in den Rückblenden erzählt. Offensichtlich fühlte sie sich nur außerhalb ihres Elternhauses wohl, draußen beim Klettern oder im Cabrio mit dem Wind im offenen Haar (hier war es zu verlockend eben mal Juliane Werding zu zitieren
). Die Eltern mögen auf den ersten Blick so erscheinen als seien sie der Tochter fürchterlich ungerecht gleichgültig, doch bei näherem Hinsehen entpuppen sie sich als Menschen, denen sie offensichtlich nie genügte und denen es sie nicht recht machen konnte, die aber dennoch volle Kontrolle über sie haben wollten. Dieses knappe "Wird ja auch Zeit" zeigt sowohl die schon fast stummen Vorwürfe, denen sie ausgesetzt gewesen sein muss als auch die Furcht der Tochter, dass nichts, was sie anschleppt, vor den Augen der Eltern Bestand haben würde. Also bitteschön, allein durch alles durchgekämpft.
Sehr gut fand ich, dass sie nicht fröhlich geheilt aus der Klinik turnte, mit Luppiabschlussparty und der abholenden fröhlich winkenden Freundin.
Sie hat nur einen ersten Schritt getan, u. a. dass man sich ein bisschen Ausgelassenheit und Blödheit gönnen darf, etwas vielleicht vordergründig Sinnfreies. Die ganze Geschichte über ist sie auch nie tiefer in ihr Gegenüber reingekrochen, die Wahrnehmung blieb nahezu oberflächlich, aber sie ließ sich zumindest ein. Auch dass sie ihre Freundin nie so richtig teilhaben ließ, zeigt, dass sie nicht völlig umgekrempelt worden ist, aber immerhin das Rüstzeug erhalten hat, daran zu arbeiten, weil sie an sich arbeitet.
So hat die Geschichte eigentlich keinen Abschluss, sondern mündet in einen Aufbruch.
Gerne hätte man mehr über die kleine süße Ritzerin erfahren, die zunächst am offensten, doch wohl innerlich am traurigsten war, doch das war aus der Perspektive der Toni nicht zu schaffen.
Niedlich fand ich die Szene beim Bäcker und in der Sauna.
Kann auch sein, dass ich nicht alles mitbekommen habe, denn ab und zu musste ich den Ton muten, weil ich von dem Gepfeife eigene Ohrgeräusche bekam.
So jetzt allerseits gute Nacht….