Ich weiß nicht so richtig, wo ich das sonst posten soll: Falls jemand von euch in der Nähe von Berlin, Hannover oder im Ruhrgebiet wohnt, kann ich nur wärmstens empfehlen in die
Ausstellung "manifesto" zu gehen. Ich habe sie mir schon zweimal angesehen und könnte glatt noch ein paar Mal reingehen, weil ich so begeistert und berührt davon bin:
Quelle: http://www.kultur24-berlin.deWorum es geht:Julian Rosefeldt ist ein international bekannter Videokünstler aus Berlin. Er hat bereits viele spannende Projekte gemacht, aber dieses hat mich bisher am meisten berührt. Meine Einführung klingt bestimmt "sautrocken", aber das ist die Ausstellung so gar nicht, im Gegenteil, wir haben sehr viel gelacht. Wer sich für Schauspiel, Film, Kunst, Politik oder Philosophie interessiert, wird sicher Spaß an dieser zum Nachdenken anregenden Ausstellung haben.
Bei diesem "Werk" hat sich Julian Rosefeldt intensiv dem Thema "Manifest" gewidmet, also (leidenschaftlichen) öffentlichen Erklärungen, wie zum Beispiel das kommunistische Manifest von Marx und Engels. Zu jener Zeit (Anfang des 20. Jahrhunderts) waren Manifeste geradezu "in" und sehr viele Menschen - Politiker, Philosophen, Künstler, Revolutionäre etc. - haben Manifeste verfasst, in denen sie gesellschaftliche Themen aufgreifen und zum Umdenken auffordern.
Die Leidenschaft und Radikalität der damaligen Reden ist faszinierend, aufwühlend und irritierend zugleich und Julian Rosefeldt fand, dass sie nicht einfach in den Geschichtsbüchern verschwinden dürfen. "Manifeste müssen gesprochen und dargestellt werden", meinte er, und hat deswegen 13 verschiedene Szenen bzw. Kontexte entworfen, in denen eine Person diese Manifeste spricht. Da sämtliche Manifeste von Männern verfasst waren, hat er bewusst eine weibliche Person ausgesucht, die die Texte sprechen sollte, nämlich Cate Blanchett.
Alle 13 Texte sind Originaltexte, aber der Künstler hat sie miteinander vermischt und jedes Manifest einem bestimmten Thema gewidmet. Das große Oberthema ist aber "was ist die gesellschaftliche Aufgabe der Kunst?" Dadurch dass Julian Rosefeldt diese historischen Texte in einen modernen Kontext gesetzt hat, wirken sie plötzlich lebendig und modern.
Cate Blanchett spielt folgende zwölf Rollen (siehe Foto):
Einen Obdachlosen, eine russische Ballettlehrerin, eine Managerin, eine Kranfahrerin, eine Mutter, eine Puppenspielerin, eine Börsenmaklerin, eine Wisseschaftlerin, eine Lehrerin, eine Rockerin, eine Nachrichtensprecherin und eine Trauerrednerin. (Die 13. Rolle wird nur aus dem Off gesprochen und ist ein Einführungsmanifest).
In diesen Rollen schleudert, flüstert, schimpft, sinniert oder säuselt Cate Blanchett dem Publikum ihre Wahrheiten entgegen. Insgesamt gibt es 13 Videos, die alle um die 10 Minuten gehen und dann wechselt man zum nächsten Video. Alle Videos sind in einem Raum, so dass es sowohl ein Gesamtkunstwerk ist als auch dreizehn einzelne Werke.
Etwas erschwerend ist, dass sämtliche Texte auf Englisch sind, so dass ich mir vorher das Buch zur Ausstellung besorgt hatte und die Texte gelesen hatte, um besser folgen zu können. Aber auch wenn man das nicht macht (und so wird es ja bei 98% der Ausstellungsbesucher_innen sein), kommt man gut mit, weil die Videos und auch das Spiel von Cate Blanchett so lebendig und ansprechend ist, dass es nicht schlimm ist, wenn man nicht viel versteht.
Ich war wirklich schwer begeistert und könnte noch stundenlang weiterschreiben, aber ich verschone euch mal davon und betone nur nochmal: Wer Interesse an Schauspielerei, Geschichte, Kunst und/oder Gesellschaftspolitik hat, sollte da unbedingt reingehen!
Berlin: 10.2.-10.7. (verlängert bis September 2016) - Museum "Hamburger Bahnhof"
Hannover: 5. Juni bis 29. Januar 2017 - Sprengel Museum
Ruhrgebiet: 12.8. - 24.9.16: auf der Ruhrtriennale P.S.: Die meisten Manifeste gibt es schon auf youtube, aber es existiert kein einziger Clip auf youtube, der wirklich lohnenswert ist, denn man versteht absolut nichts und hat auf den Clips immer auch noch die Störgeräusche von den anderen Ausstellungsvideos. Das macht alles keinen Sinn und schreckt höchstens ab. Daher hier nur kurz ein dreiminütiges Interview mit dem Künstler:
https://www.youtube.com/watch?v=NIgEXDmaN0Y