Hallo ihr Lieben !Hier kommt also die zweite HGMM-Geschichte. Nachdem ich mein Experiment mit der ersten Geschichte abgeschlossen hatte, war ich überzeugt, dieses Pairing hinter mir zu lassen und habe feierlich alle benötigten Unterlagen ins Altpapier wandern lassen. Und dann kam es plötzlich über mich, dass ich plötzlich nochmal ausprobieren wollte, wie wohl eine Geschichte aussehen könnte, wenn Hermine noch Schülerin in Hogwarts ist. (Nicht dass es nicht schon Hunderte von Geschichten gäbe, die genau das beschreiben, aber ich wollte es gern anders machen). Also habe ich diese Geschichte geschrieben. Anders als die erste Geschichte habe ich diese hier einfach so runtergeschrieben, weshalb ich bitte, den ein oder anderen Fehler zu verzeien . More than a FeelingZusammenfassung:
Hermine findet im Gebüsch des Hogwarts-Geländes ein bewusstloses Mädchen. Schon bald muss sie feststellen, dass mit diesem Mädchen etwas ganz und gar nicht stimmt. Kapitel 1Mai 1999Die altmodische Klingel über der Tür von Flourish & Blotts bimmelte schrill in Hermine Grangers Ohren, als sie mit der neuesten Auflage von
Geschichte der Zauberei den Laden verließ. In weniger als vier Wochen würden die UTZs beginnen, und sie hatte noch jede Menge Stoff zu lernen, bevor sie einigermaßen zuversichtlich in die Prüfungen gehen konnte. Nicht dass Hermine nicht jetzt schon exzellent vorbereitet war, aber aus ihrer Sicht gab es noch viel zu tun.
Durch die Suche nach den Horkruxen und den Kampf gegen Voldemort hatte Hermine ein ganzes Schuljahr verloren und sie vermisste ihre Freunde Harry und Ron schmerzlich. Die beiden hatten sich dagegen entschieden, wieder nach Hogwarts zurückzukehren, und Harry schrieb begeisterte Briefe über seine Ausbildung als Auror. Auch Ron war offenbar froh, die Schulzeit endlich hinter sich zu haben, allerdings schien ihm die Arbeit im Ministerium nicht sonderlich zu liegen. Er träumte davon, irgendwann einmal beim Scherzartikelladen seines Bruders George einzusteigen.
Anders als ihre beiden Freunde sah Hermine ihrem Abschied von Hogwarts mit Sorge entgegen. Die Schule war längst ihr Zuhause geworden und die Zukunft lag vor ihr wie ein beängstigender, unergründlicher See. Sie würde Entscheidungen fällen müssen, Prioritäten setzen müssen, und sie fühlte sich dazu noch nicht bereit. Und als wären die Fragezeichen bezüglich ihrer beruflichen Laufbahn nicht schon zahlreich genug, hatte Ron ihr auch noch einen Heiratsantrag gemacht und wartete seit Monaten auf eine Antwort.
Seit einem Jahr waren sie nun zusammen und Ron gab sich alle Mühe, Hermine ein guter Freund zu sein. Sie verbrachte gern Zeit mit ihm, besonders weil seine direkte Art ihn oft aus ihrer Melancholie herausriss. Im Gegensatz zu Ron träumte Hermine noch oft von den Schrecken des Krieges und von den Menschen, die ihn nicht überlebt hatten. Von Albus Dumbledore, Fred, Tonks, Lupin, Mad Eye Moody, Cedric Diggory und nicht zuletzt von dem Hauselfen Dobby.
Manchmal waren die Bilder so übermächtig, dass sie Hermine am Lernen hinderten und selbst ihre Bücher konnten ihr dann keinen Trost spenden. Immerhin war sie jetzt mit Ginny in derselben Klasse, und auch Neville, Luna und andere Freunde hatten sich entschieden, das siebte Schuljahr nachzuholen. Sie war also nicht allein, aber im Vergleich zu den anderen fiel es Hermine besonders schwer, mit der Vergangenheit fertigzuwerden.
Die anderen Schüler in ihrer Klasse hatten nicht ein Jahr lang permanent in Lebensgefahr geschwebt oder mit Voldemorts Nagini gekämpft, oder waren von Belatrix Lestrange mit dem
Cruciatus-Fluch belegt worden. Ähnlich wie Hermine schien auch Harry oft geistesabwesend, aber seine Ausbildung zum Auror half ihm, sich auf die Gegenwart zu konzentrieren. Er steckte seine ganze Kraft in seine Ausbildung, die ihn dermaßen forderte, dass er kaum zum Nachdenken kam.
Nachdem Hogwarts im letzten Sommer mühsam wieder aufgebaut worden war, schienen alle Schüler und Lehrer entschlossen gewesen zu sein, die grausame Vergangenheit hinter sich zu lassen. Der Schulbetrieb war wieder aufgenommen worden und allmählich war wieder Normalität in Hogwarts eingezogen. Lediglich Hermines ehemalige Lehrerin für Verwandlung, Minerva McGonagall, bemerkte offenbar, dass es Hermine nicht gut ging. Sie warf ihr zuweilen einen besorgten Blick zu, aber als Schulleiterin hatte sie nun kaum noch persönlichen Kontakt zu den Schülern. Folglich hatte Hermine in den letzten Monaten kaum ein paar Worte mit ihr gesprochen.
Während des Wiederaufbaus von Hogwarts war das noch anders gewesen. Damals hatten sie oft Seite an Seite gearbeitet, hatten gemeinsam mit anderen die Trümmer weggeräumt und die alten Gemäuer wieder hergestellt. Zum Teil hatte Professor McGonagall dabei Magie verwendet, von der Hermine noch nie etwas gehört hatte, und die Lehrerin hatte ihr geduldig verschiedene Zaubersprüche beigebracht, mit denen Hermine ihr Arbeit abnehmen konnte.
Es war ein seltsames Gefühl gewesen, ausgerechnet mit der Professorin, die Hermine schon immer aus der Ferne zutiefst bewundert hatte, plötzlich so eng zusammenzuarbeiten. Es stellte sich heraus, dass auch eine Minerva McGonagall nicht 24 Stunden des Tages ihre Fassade als strenge Hauslehrerin von Gryffindor aufrechterhalten konnte. So manches Mal hatte Hermine sie hadern und zweifeln, fluchen und stöhnen sehen, und manchmal hatte sie einfach irgendwo auf den Trümmern gesessen und ins Leere gestarrt.
Trotzdem hatte die Zeit des Wiederaufbaus Hermines Bewunderung für die Lehrerin nur noch mehr verstärkt. Sie bekam hautnah mit, wie Professor McGonagall für das Wohl der Schule und ihrer Schüler kämpfte, wie sie jeden Tag ihr Letztes gab, und wie sie immer wieder überraschende Entscheidungen traf, die sich später als genau richtig herausstellten. Mehr als jeder andere stellte Professor McGonagall ihr eigenes Entsetzen und ihre Trauer zurück, um ihrer Verantwortung als neue Schulleiterin gerecht zu werden.
Nicht ein einziges Mal hatten Hermine und Professor McGonagall über die vergangenen Erlebnisse gesprochen und dennoch war durch die gemeinsame Arbeit ein unsichtbares Band zwischen ihnen entstanden. Auch bei anderen Lehrern und Schülern führte das gemeinsame Arbeiten an demselben Ziel zu einer Nähe, die unter normalen Umständen weder möglich noch angemessen gewesen wäre. Doch als der Schulbetrieb im September 1998 wieder aufgenommen wurde, schien all das wie weggeblasen.
Sowohl den Lehrern als auch den Schülern war bewusst, dass sie zu ihren alten Rollen zurückkehren mussten, damit der Schulbetrieb reibungslos funktionieren konnte. Auch Hermine fügte sich selbstverständlich wieder in ihre Rolle als Schülern ein, aber es blieb eine stille Wehmut in ihr zurück. Sie vermisste die entstandene Nähe zu der Schulleiterin, die nun wieder streng und unerreichbar über den Schulbetrieb wachte. Lediglich die besorgten Blicke, die Professor McGonagall ihr von Zeit zu Zeit zuwarf, zeugten davon, dass sie Hermine besser verstand als so manche Freunde und Klassenkameraden um sie herum.
Hermine warf einen flüchtigen Blick auf das neue Titelbild von
Geschichte der Zauberei, bevor sie das Buch in ihrer Tasche verschwinden ließ. Die ursprüngliche Autorin Bathilda Bagshot war, wie Hermine nur zu gut wusste, nicht mehr in der Lage gewesen, die Neuauflage des Buches zu vollenden, was schließlich ein Neffe von ihr übernommen hatte. Im letzten Kapitel wurden Harry, Ron und Hermine mehrfach erwähnt, und auf der vorletzten Seite war sogar ein großes Foto von ihnen zu sehen.
Das Kapitel, das Bathilda Bagshots Neffe hinzugefügt hatte, war gründlich recherchiert und gut geschrieben, aber Hermine wusste aus eigener Erfahrung, dass einige Ereignisse anders verlaufen waren als in dem Buch beschrieben. Aber so würden sie nun in die Geschichte eingehen, und Generationen nach Hermine würden auswendig lernen, was Harry, Ron und sie angeblich getan hatten, als sie auf der Suche nach den Horkruxen waren.
Die Sonne war schon untergegangen, als Hermine vor das Gelände von Hogwarts apparierte. Es war noch hell genug, um ohne zusätzliches Licht zum Schloss zurück zu gelangen, und Hermine ging absichtlich einen kleinen Umweg, weil die Luft noch so mild war. Die schmalen Pfade waren mit Fackeln beleuchtet und die Umrisse des Schlosses sahen aus der Ferne aus wie eine mittelalterliche Burg.
Ein dumpfes Geräusch ließ Hermine plötzlich zusammenschrecken und sie schlich, den Zauberstab gezückt, in das Gebüsch nahe dem Verbotenen Wald, wo das Geräusch hergekommen war. Es hatte sich angehört, als sei ein Körper aus größerer Höhe auf dem Boden aufgeschlagen, aber Hermine konnte in der Dämmerung nicht genug erkennen.
„Lumus“, flüsterte sie leise, während sie den Boden nach einem Tier absuchte.
Als ihr Fuß gegen ein Hindernis stieß, sah sie die Umrisse eines Kindes auf dem Boden liegen. Hermine hielt ihren Zauberstab näher an das Gesicht des etwa zwölfjährigen Mädchens und stellte fest, dass es bewusstlos war. Ihrer Gryffindor-Uniform zufolge, musste es sich um eine Hogwarts-Schülerin handeln, allerdings konnte Hermine sich nicht erinnern, sie jemals gesehen zu haben.
Beunruhigt hielt Hermine einen Finger an den Hals des Mädchens und registrierte erschrocken, wie schwach der Puls war. Das Kind musste auf der Stelle in den Krankenflügel, um die Nacht zu überleben.
„Wingardium Leviosa“, raunte Hermine und dirigierte den schwebenden Körper des Mädchens so schnell sie konnte zur Schule. Auf den ersten Blick konnte sie keine äußeren Verletzungen an ihm erkennen, aber erst eine gründliche Untersuchung würde Aufschluss geben, ob es wirklich unverletzt war.
Madam Pomfrey kam Hermine eilig entgegen, als diese den Krankenflügel betrat. „Was ist passiert, Miss Granger?“, fragte sie besorgt und tastete sofort den Puls der jungen Patientin.
„Ich habe das Mädchen in einem Gebüsch gefunden“, berichtete Hermine und half Madam Pomfrey, den schlaffen Körper in eines der Krankenbetten zu legen. Da die anderen Betten leer waren, entschieden sie sich für den Platz, der am weitesten entfernt von der Tür war. „Vorher habe ich so etwas wie einen dumpfen Aufschlag gehört“, fügte Hermine hinzu, während sie dem Mädchen die Schuhe auszog. „So als wäre es aus größerer Höhe gefallen.“
„Das ist unwahrscheinlich“, sagte Madam Pomfrey nachdenklich, als sie das Kind näher untersuchte. „Sie scheint keinerlei Knochenbrüche, Prellungen oder ähnliches zu haben…“ Sie hob vorsichtig ein Augenlid des Mädchens an. „Offenkundig befindet sie sich in einer Art Koma.“
„In einem Koma?“ Hermine schüttelte verwirrt den Kopf. Warum sollte jemand urplötzlich in ein Koma fallen? Das ergab keinen Sinn.
Madam Pomfrey traf einige magische Vorkehrungen, um basale Gehirnfunktionen wie Atmung und Herzschlag sicherzustellten. Dann zog sie dem Kind seine Gryffindor-Uniform aus und streifte ihm stattdessen ein Nachthemd über. „Ich informiere die Schulleiterin“, sagte sie anschließend und war schon auf dem Weg aus dem Zimmer. „Bleiben Sie hier, falls irgendetwas Unerwartetes passiert.“
Mit einem leisen Seufzer stellte Hermine ihre Tasche ab und setzte sich vorsichtig auf die Bettkante. Obgleich sie sich sicher war, das Mädchen noch nie gesehen zu haben, kam es ihr vage bekannt vor. Vielleicht lag es daran, dass die Form des Gesichts und etwas an der schlanken Figur sie an Professor McGonagall erinnerten.
Hermine schüttelte den Kopf, um die irritierenden Gedanken aus ihrem Kopf zu vertreiben. Es war mehr als albern, dass sie dauernd irgendetwas an ihre Schulleiterin erinnerte. Mal war es eine Geste, mal eine Bemerkung, mal ein Lied-Vers. Und nun auch noch ein zwölfjähriges Mädchen, das dazu noch bewusstlos war.
Nichtsdestotrotz wanderte Hermines Hand unwillkürlich zum Gesicht des Kindes und hob vorsichtig das Augenlid, so wie es eben Madam Pomfrey getan hatte. Die Augen des Mädchens hatten dasselbe Grün wie Professor McGonagalls.
Hermine wich erschrocken zurück und betrachtete die schlafende Gestalt des Kindes. Auch die schmalen Hände ähnelten denen der Schulleiterin, aber ehe Hermine näher darüber nachdenken konnte, hörte sie Schritte im Flur.
Kurz darauf wurde die Tür zum Krankenflügel aufgestoßen und Professor McGonagall näherte sich mit schnellen Schritten dem Krankenbett. „Sie haben das Mädchen gefunden, Miss Granger?“, fragte sie, während Madam Pomfrey ihr eilig ins Zimmer folgte.
„Ja, sie lag im Gebüsch in der Nähe vom Verbotenen Wald“, antwortete Hermine und hielt inne, als sie die tiefe Falte auf Professor McGonagalls Stirn bemerkte.
„Das ist keine unserer Schülerinnen“, sagte Professor McGonagall nachdenklich. „Ich kenne alle Schüler von Hogwarts, und ich habe dieses Mädchen noch nie gesehen.“
„Vielleicht kommt sie aus der Nachbarschaft und jemand hat sie in diese Uniform gesteckt?“ schlug Hermine vor.
„Dann müsste sie jemand vermissen, und mir ist nichts dergleichen gemeldet worden“, widersprach Professor McGonagall stirnrunzelnd. „Wir werden das trotzdem überprüfen“, fügte sie hinzu und wandte sich an Madam Pomfrey. „Gibt es Hinweise auf die Ursache des Komas, Poppy?“
„Ich werde das Mädchen noch näher untersuchen müssen“, erklärte Madam Pomfrey ungewohnt vorsichtig. Offenbar spürte sie, dass Professor McGonagall nicht besonders gut aufgelegt war. „Aber zum jetzigen Zeitpunkt würde ich eine magische Ursache vermuten. Das Mädchen weist keinerlei äußere Verletzungen auf.“
Professor McGonagall nickte wortlos. „Sie sieht Ihnen ähnlich, Miss Granger“, sagte sie plötzlich.
„Was?“ Hermine war überzeugt, die Schulleiterin falsch verstanden zu haben. „Mir?“
„Ja, Ihnen“, wiederholte Professor McGonagall schroff, als hätte Hermine eine Frage in ihrem Unterricht falsch beantwortet.
„Ich muss Professor McGonagall zustimmen“, bestätigte Madam Pomfrey, um einen sanfteren Ton bemüht. „Schauen Sie doch, Miss Granger.“ Sie wies auf die buschigen braunen Haare des Kindes. „Und auch die Augenbrauen und die Stirnpartie… und der Mund…“
Hermine folgte widerstrebend Madam Pomfreys Blick. „Ich finde eher, sie hat Ähnlichkeit mit… Professor McGonagall…“
Stille trat ein.
Keine der drei Frauen rührte sich, bis Madam Pomfrey schließlich einen Schritt auf das Bett zutrat und die Bettdecke höher über die Schultern des Mädchens zog. „Ich fürchte, ich muss auch Ihnen recht geben, Miss Granger“, sagte sie in bemüht neutralem Tonfall.
Professor McGonagall starrte auf die junge Patientin. „Unsinn“, murmelte sie und wandte sich zum Gehen. „Ich werde gleich die Uniformen der Gryffindors überprüfen lassen“, erklärte sie, schon an der Tür. „Ich denke, ich kann mich darauf verlassen, dass Sie niemanden über die Anwesenheit des Mädchens informieren?“
Mit diesen Worten verließ sie das Zimmer und ließ eine verwirrte Hermine zurück. Wieso wollte Professor McGonagall keine offizielle Meldung machen? Würde eine Eule ans Ministerium nicht die Chancen erhöhen, dass sich die Eltern des Mädchens melden konnten?
Auch Madam Pomfrey war überrascht über Professor McGonagalls Entscheidung. „Das wird sich bestimmt rasch aufklären, Miss Granger“, versicherte sie und tätschelte Hermines Schulter. „Machen Sie sich keine Sorgen, meine Liebe.“
Hermine nickte geistesabwesend. „Hat das Mädchen einen Zauberstab bei sich?“, fragte sie, obwohl sie sich nicht sicher war, ob sie die Antwort wissen wollte.
Madam Pomfrey hob die Gryffindor-Uniform vom Boden auf und tastete den schwarzen Umhang ab. Nach einigem Suchen zog sie einen dunkelbraunen Zauberstab hervor. „Das Holz scheint aus Tanne zu sein“, murmelte sie. „Oder Fichte?“
Hermine hörte ihr kaum zu. Sie hatte genug Zeit in der Gesellschaft von Garrick Ollivander verbracht, um zu erkennen, dass der Kern dieses Stabs aus Drachenherzfaser bestand – jenem Kern, der auch Hermines und Professor McGonagalls Zauberstab im Innern zusammenhielt.
„Ich muss einem Erstklässler jetzt dringend seinen Trank verabreichen“, verkündete Madam Pomfrey. „Sie können gern noch bleiben, aber bitte nicht allzu lange. Das Kind braucht dringend Ruhe.“
Hermine nickte und fühlte sich seltsam betäubt, als sie sich erneut auf die Bettkante der bewusstlosen Patientin setzte. Sie lag ganz friedlich da, als würde sie nur schlafen. Ihre Gesichtszüge waren entspannt und fast schien es, als ob sie lächelte. Hermine fühlte eine Welle der Zuneigung für dieses verletzliche Wesen und sie strich dem Mädchen sanft über die Wange, bevor sie sich einen Ruck gab und den Krankenflügel verließ.
Zehn Minuten später saß Hermine in der Bibliothek, vor sich einen Stapel Fachbücher, die sich mit Stammbäumen und Vererbungslehre beschäftigten. Vielleicht waren Professor McGonagall und sie ja auf eine verrückte Weise verwandt? In einem der Bücher waren die Stammbäume von mehr als hundert Zaubererfamilien bis tief ins Mittelalter hinein aufgeführt.
Als Hermine sich in die verschiedenen Chronologien vertiefte, stellte sie erstaunt fest, dass Professor McGonagalls Vater ein Muggel gewesen war. Vielleicht hatte ihre ehemalige Hauslehrerin deshalb immer so gut verstanden, wie anders Hermine sich oft mit ihrem sozialen Hintergrund als Kind von Muggeln fühlte.
Professor McGonagall hatte nie über ihr Privatleben gesprochen und die Tatsache, dass eine der mächtigsten Hexen der Welt ebenfalls muggelstämmig war, hatte etwas sehr Tröstendes. Zwar hatte Hermine Voldemorts irre Ideen von der Reinblütigkeit nie geglaubt, aber trotzdem fühlte sie sich unter Menschen, die seit Generationen aus Zaubererfamilien kamen, oft fremd und minderwertig.
Nach zwei Stunden legte Hermine frustriert die Bücher zur Seite. Wie nicht anders zu erwarten, gab es nicht den geringsten Hinweis auf eine nahe oder entfernte Verwandtschaft zwischen ihr und der Schulleiterin. Wieso sah die kleine Patientin ihnen beiden dann so ähnlich? Hermine kannte keinen Zauberspruch, mit dem man einen Menschen so verändern konnte, dass er einem anderen Menschen dauerhaft ähnlich sah. Höchstens einem Metamorphmagus würde dies über längere Zeit gelingen, doch diese Fähigkeit würde durch das Koma außer Kraft gesetzt.
Und wenn eine Art Vielsafttrank die Ursache für die Ähnlichkeit war? Aber mit diesem konnte man lediglich das Aussehen eines anderen menschlichen Körpers kopieren. Und selbst wenn es möglich wäre, die äußeren Eigenschaften von zwei Personen zu kopieren und zu vermischen, würde dabei eine Mischung aus Hermine und Professor McGonagall herauskommen und nicht etwa ein kleines Mädchen, das ihnen beiden in vielerlei Hinsicht ähnlich war.
Mit einem Seufzer zog Hermine ein Buch mit dem Titel
Fortschritte in der Vererbungstheorie aus dem Regal und kämpfte sich durch wissenschaftliche Formeln und eine Reihe von Studien. Der Autor Oliver Peakes hatte als junger Erwachsener in einem Labor von Muggeln gearbeitet und über die Manipulation von Erbmaterial geforscht. Die Muggel hatten bereits vor Jahren damit begonnen, nicht nur die DNA von Pflanzen, sondern auch von Säugetieren zu manipulieren, um den Nutzen der Tiere für die Muggel zu vergrößern.
Oliver Peakes war überzeugt davon, dass es mithilfe von Magie möglich sein müsste, sogar menschliche DNA zu manipulieren. Auf diese Weise könnten zwei oder noch mehr Zauberer bzw. Hexen gemeinsam Erben erzeugen, ohne dass dafür Geschlechtsverkehr nötig sei. Hermine war keineswegs verwundert, als sie las, dass das Ministerium für Zauberei die weitere Erforschung dieser Theorie strikt ablehnte. Das Ministerium bestritt nicht, dass das von Oliver Peakes beschriebene Vorgehen möglich war, aber es äußerte starke ethische Bedenken und fürchtete einen möglichen Missbrauch des Verfahrens.
Doch was war, wenn Oliver Peakes oder jemand anderes heimlich Experimente zur Manipulation von Erbmaterial durchführte? Was war, wenn die DNA von Professor McGonagall und ihr ohne ihr Wissen dazu benutzt wurde? Doch warum ausgerechnet die Schulleiterin und sie? Und wann hätte das geschehen sollen? Wenn das Mädchen jetzt ungefähr zwölf Jahre alt war, musste es zu einem Zeitpunkt geboren sein, als Hermine und Professor McGonagall sich noch gar nicht gekannt hatten. Oder war das Mädchen vielleicht jünger als ihr Äußeres preisgab? In ihrem Krankenbett wirkte sie völlig normal und auch ihre medizinischen Daten unterschieden sich durch nichts von anderen Menschen.
„Miss Granger?“
Die hohe Stimme von Irma Pince riss Hermine aus ihren Gedanken. „Die Schulleiterin wünscht Sie zu sprechen“, informierte die Bibliothekarin sie, während sie versuchte, einen diskreten Blick auf Hermines Bücherstapel zu werfen.
„Ich komme sofort.“ Mit einem hastig ausgeführten Schwebezauber platzierte Hermine alle Bücher wieder in ihren Regalen, um alle Spuren ihrer Recherche zu beseitigen. Dann machte sie sich auf den Weg zum Wasserspeier.
Gerade fragte sie sich, wie sie wohl an dem steinernen Wächter vorbeikommen sollte, da machte der Wasserspeier ihr ohne Passwort Platz. Verwundert bestieg sie die Wendeltreppe und wurde nach oben zum Büro der Schulleiterin transportiert. Die Wendeltreppe hatte den Krieg wie durch ein Wunder überstanden, auch wenn sie seit dem letzten Jahr deutlich mehr schleifende Geräusche von sich gab.
Professor McGonagalls Bürotür stand offen, aber Hermine fand sie nicht an ihrem Schreibtisch. „Professor?“ Hermine wagte kaum, die Schulleiterin zu stören, als sie sie am Fenster entdeckte. Sie schien tief in Gedanken zu sein. „Sie haben mich rufen lassen?“
„Miss Granger.“ Professor McGonagall drehte sich zu ihr um und gebot ihr, auf einem Sessel vor dem Kamin Platz zu nehmen. „Ich nehme an, Sie haben schon zu recherchieren begonnen?“, fragte sie, als sie sich in den Sessel neben sie setzte.
Hermine lief tiefrot an. „Ich dachte, ich könnte vielleicht helfen…“ Wahrscheinlich fand Professor McGonagall es ziemlich albern, dass sie die angebliche Ähnlichkeit des Kindes mit ihnen überhaupt ernst nahm.
„Haben Sie eventuell eine Schwester oder einen Bruder, von denen wir in Hogwarts nichts wissen, Miss Granger?“, fragte Professor McGonagall, ohne auf Hermines Antwort näher einzugehen.
Hermine schüttelte den Kopf. „Meine Mutter hatte nur eine Schwester, die leider ertrunken ist, als sie acht Jahre alt war. Mein Vater war Einzelkind.“
„Vielleicht eine verschollene Cousine oder ein heimlicher Cousin?“
Abermals schüttelte Hermine den Kopf und es entstand eine längere Pause. Schließlich hielt Hermine, der die verschiedenen Theorien im Kopf herumschwirrten, es nicht mehr aus. „Ich habe mir erlaubt, eine Stammbaum-Recherche unserer beider Familien vorzunehmen“, erzählte sie nun doch. „Und ich habe keinen Hinweis darauf gefunden, dass sich Ihre und meine Verwandten zu irgendeinem Zeitpunkt vermischt haben. Vielmehr könnte ich mir vorstellen, dass unsere DNA bewusst vereint worden ist…“
„Sie gehen davon aus, dass das Mädchen eine Art genetisches Experiment ist?“, unterbrach Professor McGonagall sie ungeduldig. „Selbst wenn Oliver Peakes große Pläne auf diesem Gebiet zu haben scheint, die ich im Übrigen höchst fragwürdig finde, waren wir zumindest vor zwölf Jahren noch weit davon entfernt, menschliches Erbmaterial beeinflussen zu können, geschweige denn, die DNA von zwei Frauen zu vermischen.“
„Vielleicht war es ein inoffizielles Experiment?“ Hermine fand es nicht auszuschließen, dass in der Vergangenheit Untersuchungen stattgefunden hatten, von denen das Ministerium keine Ahnung hatte. „Allerdings sehe ich kein Motiv“, gab sie zu.
„Ein Motiv gäbe es vielleicht schon.“ Professor McGonagall schaute stirnrunzelnd in das flackernde Kaminfeuer. Im Schloss war es noch empfindlich kalt, auch wenn draußen der Frühling ausgebrochen war. „Vielleicht der Versuch, die Fähigkeiten von zwei großen Hexen zu vereinen? Allerdings wusste vor zwölf Jahren niemand, nicht einmal Sie selbst, dass Sie eine Hexe sind.“
Hermine starrte sie überrascht an. Meinte Professor McGonagall das ernst? Hielt sie Hermine tatsächlich für so begabt, dass sie es für ein ernstzunehmendes Motiv hielt, ihre Gene zu vereinen?
Professor McGonagall lächelte, als sie ihr Erröten bemerkte. „Seien Sie nicht so bescheiden, Miss Granger. Wir beide wissen, dass ich recht habe. Sie haben eine großartige Zukunft vor sich.“
Hermine bemühte sich, das Lächeln der Schulleiterin zu erwidern, aber es gelang ihr nicht. Professor McGonagall konnte nicht wissen, wie sehr sich Hermine mit ihren Gedanken um die Zukunft quälte. Womöglich würde sie es zu gar nichts bringen, weil sie sich niemals entscheiden konnte.
„Ist alles in Ordnung mit Ihnen, Miss Granger?“, fragte Professor McGonagall besorgt.
„Ja, natürlich.“ Hermine richtete sich tapfer in ihrem Sessel auf. „Übrigens habe ich den Zauberstab des Mädchens untersucht. Sein Kern ist aus Drachenherzfaser.“
„Hmm.“ Die tiefe Falte auf Professor McGonagalls Stirn kam wieder zurück. „Vielleicht sollten wir einfach abwarten, bis das Mädchen aus dem Koma erwacht ist“, sagte sie schließlich. „Es hat wenig Sinn, sich in Spekulationen zu verlieren.“
„Ja, natürlich.“ Hermine fand es bewundernswert, mit welcher Ruhe Professor McGonagall über etwas redete, das von immenser Wichtigkeit für sie beide sein könnte. Wie konnte sie bei diesen Aussichten einen so klaren Kopf bewahren?
Erstaunlicherweise war die Stille, die sich zwischen ihnen ausbreitete, nicht unangenehm. Vielleicht lag es daran, dass sie wochenlang Seite an Seite die Trümmer von Hogwarts weggeräumt hatten und dabei oft wenig gesprochen hatten. Professor McGonagall saß bewegungslos in ihrem Sessel und sah weiter unverwandt ins Kaminfeuer. Ihr Gesicht hatte inzwischen einen besorgten, fast ängstlichen Ausdruck angenommen und Hermine fragte sich, worüber sie wohl nachdachte. Möglicherweise hatte es mit dem zu tun, was Hermine auch insgeheim beunruhigte. Bisher hatte sie noch nicht gewagt, diesen Gedanken wirklich zu Ende zu denken.
„Ihnen ist sicher bewusst, dass es auch eine ganz andere Erklärung geben könnte…“, begann Hermine so zaghaft, dass sie fürchtete, das Klopfen ihres Herzens würde ihre Worte übertönen.
„Natürlich.“ Professor McGonagall nickte, ohne aufzusehen.
„Und?“, fragte Hermine, als die Schulleiterin ihre Bemerkung nicht weiter ausführte.
„Und was?“ Professor McGonagall hob abrupt den Kopf. „Das ist natürlich Unsinn!“
„Warum?“ Die Selbstverständlichkeit, mit der Professor McGonagall ihre Idee abwies, verletzte Hermine. Ihre ganze Schulzeit hindurch hatte sie ihre Zuneigung für ihre Hauslehrerin als bloße Schwärmerei abgetan, aber was war, wenn mehr daraus würde? Was war, wenn ihre Gefühle über ihre Schulzeit hinaus bestehen und sich verändern und wachsen würden? Und was war, wenn sie nicht so einseitig waren, wie sie immer geglaubt hatte?
„Das fragen Sie mich allen Ernstes?“ Professor McGonagall sah Hermine an, als hätte sie den Verstand verloren. „Sie sind eine Schülerin von mir, Miss Granger!“
„Ich werde nicht mein Leben lang Ihre Schülerin sein, Professor.“ Hermine bemühte sich vergeblich, sich von ihrer brüsken Art nicht verletzten zu lassen. „In vier Wochen werde ich Hogwarts verlassen.“
„Dann werden Sie eben meine ehemalige Schülerin sein“, erwiderte Professor McGonagall zornig. „Ich werde dieses Thema nicht mit Ihnen diskutieren.“
Hermine begriff, dass es wenig Zweck hatte, mit Professor McGonagall über diese Theorie zu sprechen. Aber je länger sie über alle Möglichkeiten nachdachte, desto wahrscheinlicher schien es ihr, dass das Mädchen aus der Zukunft kam. Vielleicht war in einem Jahrzehnt möglich, was heute noch utopisch schien? Es war nicht vollkommen auszuschließen, dass das Kind eine Art Tochter von ihnen war und mit einem Zeitumkehrer in die Vergangenheit gereist war. Diese Theorie würde sowohl das ominöse Koma der kleinen Patientin erklären als auch die Tatsache, dass sie offenbar eine wirkliche Gryffindor-Schülerin war, obgleich sie hier nicht zur Schule ging.
„Ich denke, wir sollten unser Gespräch jetzt beenden, Miss Granger.“ Professor McGonagall machte eine vage Handbewegung. „Ich werde Sie über die Gesundheit der Patientin auf dem Laufenden halten.“
Hermine erhob sich niedergeschlagen. Auch wenn sie das Ansinnen verstehen konnte, sich nicht in Spekulationen zu verlieren, hätte sie sich etwas mehr Entgegenkommen von der Schulleiterin gewünscht. Schließlich ging sie diese Angelegenheit gleichermaßen an. „Gute Nacht, Professor McGonagall“, sagte sie förmlich und schritt zur Tür, ohne sich noch einmal umzudrehen.
„Gute Nacht, Miss Granger“, hörte sie die gedämpfte Stimme der Schulleiterin, als sie schon auf der Wendeltreppe nach unten fuhr.