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 Betreff des Beitrags: Ohne Titel
BeitragVerfasst: 12.03.2011, 01:06 
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Ich hatte es ja gesagt...

„Justus, wenn Sie bitte so gut wären und Frau Linse bitte durchgeben, dass der junge Graf an einer Laktose-Intoleranz leidet. Sie soll bitte die Zutaten dementsprechend anpassen.“ Elisabeth überreichte dem Butler die Notiz von Ansgar, Hannes‘ Vater.
„Selbstverständlich, Gräfin Lahnstein. Kann ich sonst noch irgendetwas für Sie tun?“
„Nein danke, Justus. Das wäre dann alles.“
„Sehr wohl, Gräfin. Ich wünsche noch einen schönen Abend.“ Justus entfernte sich aus der Eingangshalle und Elisabeth blieb allein zurück. So allein wie sie hier stand, fühlte sie sich auch. Seit Johannes verstorben war, zerteilte sich die Familie immer mehr. Manchmal hatte sie das Gefühl, dass er als einziger die Familie zusammen halten konnte. Seit ein mysteriöser Unfall ihn aus dem Leben aller gerissen hatte, klaffte ein tiefes Loch in ihrer Brust. Nicht nur weil Johannes ihr jeden Tag fehlte, sondern auch weil die Familie sich auf alle Kontinente verteilte. Leonard und Sarah lebten in Boston, fernab von dem ganzen Wirrwarr über ihren Verwandtschaftsgrad, der sich am Ende zum Glück in Luft aufgelöst hatte. Carla war mit Stella auf Weltreise gegangen, hatte nach Susanne mit ihr erneut das Glück gefunden, sie geheiratet und lebte seither mit ihr und der- mittlerweile nicht mehr- kleinen Sophia seit vier Jahren in Shanghai. Lange hatte sie nichts mehr von ihnen gehört. Sie hoffte dass es ihnen gut ging. Und Ansgar. Er war zwar immer noch auf Königsbrunn. Hatte es nicht geschafft, ihr den gräflichen Namen abzusprechen oder sie des Schlosses zu verweisen, aber er war keine wirkliche Gesellschaft. Sie duldeten einander bei den Familienessen. Sie duldete zwangsläufig sogar Tanjas Anwesenheit, auch wenn sie diese abstruse Konstellation einer Ehe nicht verstand. Aber einsam war sie trotzdem. Sehr einsam.
Sie sah auf die Wanduhr. Noch keine acht Uhr. Es würde wieder ein langer Abend werden.

„Wohin soll‘s gehen?“, fragte ein mürrischer Taxifahrer. Kaum zu glauben, aber er hatte mit noch schlechterer Laune das ihr Gepäck in den Kofferraum gefrachtet, als er jetzt wieder hinterm Lenkrad saß.
„Schloss Königsbrunn, bitte.“
Er musterte sie über den Rückspiegel. Sollte sie ihm bekannt vorkommen? Er wischte sich den Schweiß von der Stirn. Es wollte heute einfach nicht abkühlen. Heute Mittag waren die Werte auf 36°C gestiegen. Rekordwert, für Mai!
„Könnten Sie die Klimaanlage ein wenig höher drehen? Hier hinten fühle ich mich, wie in einem Backofen.“ Sie war Hitze gewöhnt. Aber hier in Düsseldorf war es nicht heiß, es war schwül. Diese drückende Luft war direkt über ihren Körper hergefallen, als sie aus dem Flieger gestiegen war.
„Das geht aber auf den Preis.“
„Wenn ich hier hinten zerfließe, bevor ich ankomme, bekommen Sie gar kein Geld“, antwortete sie leicht genervt.
„Na dann“, entgegnete er schnell und schaltete den Rückwärtsgang ein um auszuparken.
Sie versuchte sich zurückzulehnen, ohne an den alten Ledersitzen der Rückbank festzukleben. Auch ihr lief der Schweiß in die Stirn. Ihr Körper hatte sich so sehr an das andere Klima gewöhnt, dass ihr Deutschland vorkam wie eine Saune mit frischem Aufguss.
„Was wollen Sie denn von den Grafen?“
„Wie bitte?“
„Na, dat Schloss. Da wohnen doch die von Lahnsteins.“
Sie antwortete erst nicht. Den blöden Taxifahrer ging es überhaupt nichts an. „Ich komme nach Hause“, sagte sie schließlich und spielte mit ihren Locken. Zwirbelte eine Strähne zwischen Zeigefinger und Daumen ihrer linken Hand.
„Natürlich! Sie sind die junge Gräfin. Mensch. Waren Sie nich in Tokio?“
„Shanghai.“
„Isset da nich so dolle?“
Sie schwieg wieder und starrte aus dem Fenster. Sie registrierte einige neue Geschäfte im Vorbeifahren. Darunter eine Modeboutique mit dem Namen ‚Micca‘, der in großen Lettern über dem Schaufenster prangte. Eine Mischung aus Miriam und Rebecca. Durch Elisabeth wusste sie, dass ihre Cousine sich nach einigen Misslungenen Versuchen doch einen Namen in der Branche gemacht hatte. Das war kurz nachdem sie offenkundig zu ihrer sexuellen Orientierung gestanden hatte. An den verwirrten Anruf konnte sie sich auch noch erinnern. „Oh Gott, Carla. Was ist, wenn ich lesbisch bin? Und was ist, wenn Miriam es nicht ist?“ Rebecca war halb durchgedreht. Wusste nicht hin, noch her. Ja oder nein. Wollte es versuchen, wagte den Schritt dann doch nicht. Soweit sie sich erinnerte, ging dieses ganze hin und her fast ein Jahr. Solange, bis Miriam Rebecca einfach vor die Wahl gestellt hatte: wenn du jetzt nicht dazu stehen kannst, dann brauchst du es dir in Zukunft nicht mal mehr überlegen- zumindest nicht bei mir. Und das hatte ihr geholfen. Eigentlich fand sie es schade, dass sie ihr nicht immer zur Seite hatte stehen können. Ihr eigenes Outing war ihr auch noch lebhaft in Erinnerung. Es war nicht leicht, wenn man in der Öffentlichkeit stand. Auch wenn sie schon einige Vorurteile und Hürden aus dem Weg geräumt hatte. Sie. Mit Hanna. Mit Susanne. Mit ihren kleinen oder größeren Affären. Mit Stella. Autsch, da war es wieder. Dieses Stechen. Wann würde es weggehen? Wann würde es endlich aufhören?

„So, das macht dann 35,70.“
Er war einen Umweg gefahren. Das wusste Carla. Dachte vermutlich, dass sie es sich leisten konnte. Sie konnte, daran sollte es nicht scheitern. Aber korrupte Menschen waren ihr zuwider. Ansgar reichte ihr, für den Rest ihres Lebens. „Stimmt so“, sagte sie, drückte ihm zwei Zwanziger in die Hand und verlangte dafür von ihm, dass er ihr das Gepäck auch die Treppe hinauf trug. Er tat es, aber auch erst, als sie ihn auf den Umweg aufmerksam machte. „Danke.“
„Jaja“, sagte der Taxifahrer nur und ließ sie oben auf der Treppe stehen.
Sie wusste nicht, ob sie einfach reingehen sollte. Sie sah auf die Uhr. Gerade mal kurz vor acht. Es würde noch niemand schlafen. Dabei würde sie viel lieber heimlich und ohne dass es jemand bemerkte einfach auf ihrer Suite verschwinden und dort bleiben.
Sie drehte den Schlüssel und trat ein. Ihre Lunge füllte sich mit Luft, als sie den wohlbekannten Geruch des Foyers einatmete. Zu Hause, dachte sie erneut.
„Sebastian, hast du doch etwas vergessen?“ Mit den Worten kam Elisabeth ins Foyer. „Träume ich?“
Carla stellte ihr Gepäck ab und versuchte zu lächeln.
„Carla? Was machst du hier? Bist du alleine? Wo ist Sophia? Wo ist Stella?“
„In Shanghai“, antwortete Carla. Für weitere Erklärungen war sie noch nicht bereit.
„Wie geht es dir? Wie lange bleibst du? Ich meine, komm her.“ Sie umarmte sie herzlich. Zu Carla hatte sie schon immer ein besonderes Verhältnis gehabt. Wie Mutter und Tochter, auch wenn sie sich nicht als solches bezeichneten. „Ich bin so froh, dass du da bist“, sagte Elisabeth.
„Ich auch, Elisabeth. Ich auch.“

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Verfasst: 12.03.2011, 01:06 


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 Betreff des Beitrags: Re: Ohne Titel
BeitragVerfasst: 12.03.2011, 01:51 
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Sarah v L. hat geschrieben:
... Darunter eine Modeboutique mit dem Namen ‚Micca‘ ...

süß, danke.

sabam

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ich werde mir vor deinem tor eine hütte bauen,
um meiner seele, die bei dir haust, nah zu sein.


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BeitragVerfasst: 12.03.2011, 13:52 
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Find deinen Anfang schon wieder sehr interessant.
Von mir aus kannst du gerne auch erstmal 3000 Anfänge schreiben, so lange es immer so tolle sind! :D
Nee, find einfach deinen Schreibstil gut, lässt sich immer schön lesen, also mehr davon...

LG sunny


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BeitragVerfasst: 12.03.2011, 15:47 
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Danke. Ich bin richtig erleichtert, dass ich hier meinen Kopf entleeren kann, mit dem was andere Menschen für Müll empfinden. Ich würde sonst glaube ich platzen...

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BeitragVerfasst: 12.03.2011, 16:19 
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„Guten Morgen.“ Carla kam ins Esszimmer und begegnete verwunderten und überraschten Blicken.
„Carla? Du hier?“
„Hallo Ansgar, ich freue mich auch, dich zu sehen.“
„Ansgar, wann ist sie angekommen? Und warum?“, giftete Tanja im Flüsterton. Sie bangte jetzt schon um den Chefsessel der Holding, den sie sich durch Erpressung mit ihrem Ehemann teilte.
„Oh, keine Angst. Ich habe nicht vor hier irgendwas zu verändern. Ich wollte einfach nur nach Hause kommen.“ Sie setzte sich an ihren alten Platz. Ihr Stuhl und die zwei neben ihr müssten im Grunde eine dicke Staubschicht tragen, so lange waren sie, Leonard und Sarah schon nicht mehr zu Hause gewesen. Leonard war selbst Vater eines süßen Zwillingspärchens geworden und sie kannte ihre Nichten nur von Fotos.
„Nun dann, willkommen“, begrüßte Ansgar seine Halbschwester.
„Möchtest du etwas frühstücken?“, fragte Elisabeth. Der Teller war gedeckt, das hatte sie heute Morgen schon veranlasst.
„Danke. Ich habe keinen Hunger. Ich wollte mich nur zu euch setzen.“
„Was hast du denn heute vor? Willst du in die Stadt? Rebecca würde sich freuen, wenn du sie in der Boutique besuchst.“
„Ich habe noch keine Pläne. Vielleicht gehe ich ein bisschen in den Park.“ Am liebsten wollte sie sich im Schloss verkriechen. Bloß nichts höre von Holding, von der Bank, von der Familie. „Aber vielleicht hast du Recht, ich sollte Rebecca besuchen.“ Seit die Beziehung von ihr und Miriam öffentlich gemacht wurde, war sie aus- und mit Miriam zusammen gezogen.
„Schwesterchen, du siehst gar nicht gut aus“, sagte Ansgar in seinem überheblichen Ton, der noch eine Beleidung folgen ließ- wie immer. Es hatte sich nichts geändert. „Und wo ist dein Frauchen? Hast du ihr verboten mitzukommen, aus Angst sie könnte sich wieder in die Küche verkriechen?“
„Ansgar. Es reicht. Ich habe dir nichts getan. Ich besitze nichts, was du haben willst. Werde doch bitte endlich erwachsen“, antwortete Carla und schob ihren Stuhl beim Aufstehen zurück. „Du entschuldigst mich, Elisabeth. Vielleicht können wir uns nachher auf einen Kaffee bei Charlie treffen?“
„Oh, das weißt du ja noch gar nicht. Charlie hat das ‚Schneiders‘ verkauft.“
„Was?“, Carla traute ihre Ohren nicht. Charlie und das ‚Schneiders‘ gehörten für sie schon immer zusammen.
„Ja, wir haben auch so reagiert. Aber sie hat gesagt, dass sie ihr ganzes Leben gearbeitet hat und sich jetzt nicht mehr für andere krumm machen will. Olli und Christian sind jetzt Inhaber, aber nur mit der Bedingung, dass es nicht irgendwann auch zu einem Club, einer Bar oder einer Disco wird“, antwortete Elisabeth. Bei dem letzten Satz musste sie unwillkürlich grinsen. Sie konnte sie Olli bei aller Liebe nicht als Restaurantbesitzer vorstellen. Das Schneiders und sein Herzstück ‚das NoLimits‘ standen im totalen Gegensatz zueinander.
„Ich erinnere mich noch sehr gut an Charlie und ihre Bedingungen.“
„Ich treffe mich nachher trotzdem gerne mit dir im ‚Schneiders‘.“
„Gut. Sagen wir, um vier?“
„Gerne.“
Carla ging hinauf in ihre Suite. Ansgar hatte einen wunden Punkt getroffen. Stella war zu Beginn ihres Kennenlernens ihre Angestellte gewesen. Als Schlossverwalterin war sie in ihr Leben getreten. Es war keine Liebe auf den ersten Blick, bei ihr vielleicht noch auf den Dritten. Bei Stella hingegen wohl eher auf den Hundertsten. Und ihr Anfang war alles andere als einfach gewesen. Erst dieses Versteckspiel. Dann das Getratsche der Angestellten und eines Teils der Familie. Tatsächlich war es ein Wunder gewesen, dass sie überhaupt so lange zusammen waren. Waren. Vergangenheit. Carla schluckte den Kloß im Hals herunter.

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BeitragVerfasst: 12.03.2011, 16:28 
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Sarah v L. hat geschrieben:
Danke. Ich bin richtig erleichtert, dass ich hier meinen Kopf entleeren kann, mit dem was andere Menschen für Müll empfinden. Ich würde sonst glaube ich platzen...


Wie gesagt, von mir aus immer nur zu mit dem entleeren und Müll ist das wirklich nicht...

Ich find die Geschichten hier im Forum mittlerweile wirklich interessanter als so manches Buch.


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BeitragVerfasst: 12.03.2011, 20:44 
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Sarah v L. hat geschrieben:
Ich bin richtig erleichtert, dass ich hier meinen Kopf entleeren kann, mit dem was andere Menschen für Müll empfinden

ich würde soviel dafür geben, dass ich auch sowas wie "müll" schreiben kann. alleine, das kann ich nicht und werde es niemals können.
lass ab deinen müll .-)
Sarah v L. hat geschrieben:
Tatsächlich war es ein Wunder gewesen, dass sie überhaupt so lange zusammen waren. Waren. Vergangenheit. Carla schluckte den Kloß im Hals herunter.

okay, stella in shanghai und sophia auch. warum sophia?

sabam

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 Betreff des Beitrags: Re: Ohne Titel
BeitragVerfasst: 12.03.2011, 21:32 
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Sarah v L. hat geschrieben:
Ich hatte es ja gesagt...


... und ich habs wieder sehr gern gelesen. :wink:


LG


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BeitragVerfasst: 13.03.2011, 16:02 
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:bigsuper:

Hoffe, aber hast auch noch Zeit, deine anderen Geschichten weiter zuschreiben ;)


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BeitragVerfasst: 14.03.2011, 20:22 
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Wow und noch eine neue tolle Geschichte, also von mir aus kannst Du alle 3000 Ideen schreiben. Du hast einen wunderbaren Schreibstil. Büdde ganz viel mehr davon. :wink:


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BeitragVerfasst: 15.03.2011, 15:26 
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Rebecca sah durch die Fensterscheibe eine großgewachsene Frau mit hellen blonden Locken. Solche Haare konnten nur zu einer Frau gehören. Sie stürmte hinter der Kasse hervor, hinaus aus der Tür. „Carla!“
Carla erschrak. Eine schöne Frau mit langen dunklen Haaren stand vor ihr und schaute sie freudenstrahlend an. Das Kind in ihr, welches bei ihrem Abschied von Königsbrunn noch deutlich zu erkennen gewesen war, war fort. „Hallo Rebecca.“
„Was machst du hier? Und wo ist Sophia?“
„Sie ist bei Stella in Shanghai.“
„Komm doch rein, ich zeige dir alles!“, sagte Rebecca überschwänglich, in der Annahme, Carla wäre auf einem Besuch hier. In der letzten email hatte sie davon gesprochen. „Du wirst Augen machen!“ Sie führte Carla in ihr eigenes kleines Reich und zeigte ihr alles.
Kurz nach Ende der Führung betrat eine weitere Frau den Laden. Rebecca bemerkte es erst gar nicht. Die Frau kam auf die beiden zu und umarmte Rebecca von hinten. „Hallo, schöne Frau. Flirten wir etwa?“
Rebecca drehte sich um. „Hallo mein Schatz.“ Sie gab Miriam einen langen innigen Kuss. Carla drehte sich derweil weg. Liebesglück tat ihr weh. „Du kennst doch Carla.“
„Natürlich. Diese Locken sind unverkennbar. Hallo.“
„Hallo Miriam.“ Sie umarmte sie herzlich. Sie war der Meinung, Miriam gehöre zu ihrer Familie. „Ooh, was sehe ich denn da?“
Rebecca wurde rot um die Nasenspitze. „Ja…wir dachten…jetzt oder nie.“
„Freut mich für euch“, antwortete Carla ehrlich und beglückwünschte die beiden. „Und wer ist der Vater?“
„Das wissen wir nicht. Und das wollen wir auch nicht wissen. Das ist unser Kind“, antwortete Miriam und Rebecca nickte beipflichtend.
„Es wird ein Mädchen. Kannst du dir das vorstellen? Ich, eine Mama?“
„Du bist sehr viel reifer geworden. Und ich denke, ihr habt euch das gut überlegt.“
„Mehr als gut. Wir haben lange darüber nachgedacht.“
„Dann war es bestimmt dir richtige Entscheidung.“
„Definitiv. Wir wollen noch vor der Geburt heiraten. Und ich wollte dich fragen, ob du meine Trauzeugin sein willst.“
Carla zögerte.
„Bitte. Wen könnte ich sonst fragen?“
„Gerne“, antwortete sie schließlich und versuchte dabei so erfreut wie möglich zu wirken.
„Toll!“ Rebecca fiel ihr um den Hals. „Komm, wir suchen einen Stoff für dein Kleid aus.“
„Oh oh Carla. Jetzt hast du dir was angetan. Rebecca will alle Kleider selbst nähen.“ Miriam lachte. Und auch Carla stimmte mit ein. Es war der erste Nachmittag seit langem, an dem sie aus vollem Herzen lachte und mit etwas, das ihrer alten Unbeschwertheit glich, lebte.

Hallo,

Sophia geht es gut.

Stella


Welch eine aufschlussreiche Mail. Carla starrte fassungslos auf den Monitor ihres MacBooks.
Elisabeth klopfte an ihre Tür und trat kurz darauf ein. „Wie war dein Tag?“
„Schön“, antwortete Carla. Es war aufrichtig.
„Rebecca hat angerufen. Möchtest du mir irgendetwas sagen?“, fragte Elisabeth.
„Ich weiß nicht, was du meinst.“
„Carla, Rebecca ist vielleicht immer noch ein wenig naiv, aber auf ihre Menschenkenntnis kann man vertrauen. Und auch mir ist nicht entgangen, dass du betrübt wirkst.“
Carla antwortete nicht. Drehte den Laptop in Elisabeths Richtung.
Sie erstarrte ob des sachlichen Umgangs. „Was ist passiert?“ Elisabeth setzte sich neben Carla auf ihr Bett.
„Wir haben alles kaputt gemacht, Elisabeth.“ Carla atmete tief ein. „Am Anfang war alles gut. Wirklich. Ich habe sie sehr geliebt, das tue ich immer noch. Ich habe nur einen Menschen bisher so geliebt.“
„Hanna.“
„Wir haben beide geglaubt, dass wir in Shanghai neu anfangen. Ohne Ansgar. Ohne die Holding. Alles lief wunderbar. Sophia fand schnell Freunde. Wir hatten sogar einen Privatlehrer ausfindig gemacht, der sie sowohl Deutsch als auch Chinesisch und Mandarin lehren konnte. Sie ist so sprachbegabt, das glaubst du nicht!“ Carla redete um den heißen Brei herum, schund Zeit.
„Carla. Was ist passiert?“, fragte Elisabeth erneut.
„Als Stella eine neue Stelle in einem Hotel als Verwalterin angenommen hatte, fing es an. Sie war ständig unterwegs. Oft blieb sie nächtelang weg ohne sich zu melden. Ich habe mich alleine gefühlt.“ Carla schluckte. Die Narbe riss wieder auf. „Ich habe diese Frau kennengelernt, Chinu. Ich hatte gehofft, wenn sie sieht, wie sehr ich sie liebe, tritt sie wieder kürzer. Ich wollte ihr ihren Herzenswunsch erfüllen. Ich habe nicht gesehen, dass ich nur noch Zeit mit der anderen verbracht habe. Sie musste zwangsläufig denken, dass ich sie betrüge.“
Elisabeth nahm Carlas Hand. Ihr schien es, als würde Carla zum ersten Mal darüber reden. Sie wusste nicht, wie Recht sie damit hatte.
„Sie hat nur noch mehr gearbeitet. Hat mich nicht mehr an sie herangelassen. Hat mir stattdessen Vorwürfe gemacht, ich würde eine Andere ihr vorziehen. Würde sie betrügen, aber das habe ich nicht. Ich schwöre dir, ich habe sie nicht hintergangen.“ Carla schluchzte. Dicke Tränen kullerten über ihre zarte Haut. „Und weil sie dachte ich hätte eine Affäre, hat sie mich betrogen.
Elisabeth riss die Augen auf.
„Sie hat versucht es zu verdrängen. Sie hat es mir nicht erzählt. Doch als sich herausgestellt hat, dass diese Frau eine Kunsthändlerin war und ich Stella mit Chinus Hilfe eine eigene kleine Galerie zum Geburtstag schenken wollte, habe ich begriffen. Ich bin aufgewacht und doch fing der Albtraum dann erst richtig an. Sie hat alles gebeichtet, Elisabeth. Ich dachte immer, wenn etwas dergleichen passiert, werde ich sie anschreien. Ich dachte, ich würde ausrasten. Doch ich habe nichts getan.“
„Du meinst nicht, dass ihr eine Lösung findet?“
Carla schüttelte den Kopf.
„Und warum bist du dann hergekommen?“
„Ich habe es nicht mehr ausgehalten.“
„Carla, das ist feige von dir.“
„Aber was soll ich denn tun? Sophia hat alles mitbekommen. Sie hat mich angeschrien, dass sie mich hasst. Sie denkt, dass es meine Schuld ist. Ich habe versucht mit ihr zu reden, aber sie glaubt mir nicht. Ich wollte einfach nur dort weg. Und hier bin ich.“

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BeitragVerfasst: 15.03.2011, 17:40 
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Puh.....


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BeitragVerfasst: 15.03.2011, 18:59 
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... auch puh ...


LG


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BeitragVerfasst: 15.03.2011, 19:50 
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Von mir auch puuuuuhhhhh
Hoffentlch kommt alles wieder gut.
Bin gespannt wie es weiter geht .
Ich finde deine Geschichte sehr gut aber deine anderen auch ich hoffe da geht es auch weiter-
lg
Martina


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