Teil 8
Na super, elegant formuliert Gräfin. Da hätte ich ja auch gleich rausplöken können, ob sie auf Frauen steht. Carla schalt sich selbst und wartete gespannt auf Stellas Reaktion, vor der sie auch ein bisschen Angst hatte.
Stella legte ihr Besteck weg, was Ewigkeiten zu dauern schien, schluckte und sah Carla an. „Das ist nicht so einfach. Bestimmt denkst Du jetzt ich bin ein Ekel, dass ich so mit meiner Exfreundin spreche, aber –
FreundIN??? Hat sie gerade FreundIN gesagt??? Carlas Herz zersprang beinahe und ihr wurde ganz kribbelig zu Mute. Ihre Euphorie war restlos zurückgekehrt.
-es hatte seinen Grund. Wir haben uns vor gut acht Wochen getrennt, also zwei Wochen nachdem ich bei euch angefangen hatte. Sie wohnt in der Nähe von Hamburg und nach meinem Umzug war schon bald klar, dass wir keine Fernbeziehung führen wollten. Außerdem vermisste ich sie nicht. Wir haben dann einvernehmlich die Affäre beendet und jetzt ruft sie seit drei Wochen fast täglich an und meint es sich anders überlegt zu haben.“
Carla: „Und es gibt für dich wirklich kein zurück?“
Stella: „Nein, definitiv. Ich empfinde nichts mehr für sie und ich bin auch nicht mehr sicher, ob es mal mehr war.“
Stella war erstaunt, wie leicht es war Carla davon zu erzählen. Sie sprach normalerweise nie über Beziehungen, sie schätzte sich in dieser Hinsicht auch absolut verkorkst ein, weil all ihre Beziehungen früher oder später in die Brüche gingen.
Carla: „Hm. Tut mir leid, dass ich dich jetzt so damit überfallen habe, aber ich - “
Stella: „Schon gut. Und Du? Hast Du jemanden?“
Carla: „Nein. Das ist auch seit Sophia da ist alles nicht mehr so einfach. Und von lockeren Affären habe ich die Nase voll. Früher hatte ich ein paar, aber das war immer nur von kurzer Dauer – ohne Liebe geht es eben nicht lange gut.“
Stella: „Das kann ich sehr gut nachvollziehen. Liebe – ein großes Wort, findest Du nicht? Hast Du schon einmal für jemanden echte Liebe empfunden?“
Nun war es Stella, die in die Offensive ging.
Carla schluckte: „Ja einmal. Sie war meine große Liebe.“
Stella: „Und was ist passiert?“
Carla: „Sie ist gestorben Stella.“ Carla liefen ein paar Tränen über die Wangen. Sie wusste nicht, warum gerade jetzt das Gefühl so intensiv war. Da war der Schmerz um Hanna,
die Trauer um diesen Verlust und da war Stella und dieser wunderschöne aber sehr verwirrende Tag.
Stella streichelte Carlas Arm, mehr traute sie sich nicht und sagte:
„Scht, das tut mir leid, ich wusste ja nicht, wie weh es Dir noch tut.“
„Nein, ist schon gut, ich habe sie losgelassen, aber manchmal holt mich die Erinnerung eben doch noch ein.“ korrigierte Carla.
Stella hatte ein schlechtes Gewissen, in Carla eine so schreckliche Erinnerung ausgelöst zu haben, aber sie wollte die Chance, diese unglaubliche Frau näher kennen zu lernen, nicht entgehen lassen. Carla fing sich wieder und erwiderte Stellas Lächeln.
Stella: „Hab ich Dir eigentlich schon gesagt, dass das Beste ist, was ich seit Wochen gegessen habe?“
Carla prustete los: „Kein Wunder, so wie es hier drin aussieht hast Du seit Wochen gar nichts gegessen!“
Stella (gespielt empört): „Haha, da will man ein Kompliment machen und Frau Gräfin nimmt es nicht Ernst.“
Carla: „Soso, Frau Gräfin also. Als Deine Chefin finde ich, Du solltest Dich nicht überanstrengen. Was macht eigentlich Dein Fuß?“
Stella: „Ich merke nichts mehr, so lange ich sitze. Aber ich denke morgen kann ich wieder kommen. Das mit den Krücken muss ja auch irgendwie hinzukriegen sein.“
Carla grinste: „Gut, dann muss ich nur Justus sagen, dass er das Porzellan wegräumt und alle Vasen und zerbrechliche Gegenstände aus den Gängen entfernt, wenn Du wieder die Koordination verlierst.“
Stella: „Das wird wohl nicht nötig sein, hoffe ich.“
Carla: „Im Ernst, ich will Dich morgen nicht sehen. Zumindest nicht auf dem Schloss.“
Stella zog eine Augenbraue hoch: „Wo denn sonst?“
Carla: „Wie wäre es, wenn ich nach meinen Termin vorbeikomme und Dir beim Kistenauspacken helfe. Dann kannst Du zur Abwechslung mal Deine Chefin durch die Gegend scheuchen.“
Stella: „Habe ich das heute nicht schon genug getan?“
Carla wurde Ernst: „Stella, der Tag mit der war wunderbar, ehrlich. Ich meine ich hab das Gefühl, wir kennen uns schon eine lange Zeit und doch weiß ich so wenig über Dich. Trotzdem hatte ich heute so viel Spaß wie lange nicht“ Dass sie auch schon lange nicht mehr so emotional konfus war verschwieg sie an dieser Stelle.
Stella: „Nun das geht mir nicht anders. Vielleicht sollten wir morgen unsere Fragerunde fortsetzen. Aber nur unter der Bedingung, dass Du mich nicht wie eine Schwerkranke behandelst.“
Carla: „In Ordnung. Mein letzter Termin ist gegen 14 Uhr, das heißt, ich kann so etwa 16 Uhr hier sein, passt Dir das?“
Stella: „Klar, gewissermaßen kann ich ja hier nicht weg.“
Carla: „Gut, dann sollte ich mich mal auf den Weg machen, es ist sicher schon nach acht.“
Als die beiden auf die Uhr sahen, stellten sie fest, dass es schon weit nach zehn war.
Stella: „Man das hätte ich jetzt aber auch nicht gedacht. Es tut mit leid, ich wollte Dich doch gar nicht so lange beanspruchen.“
Carla: „Stella, hör endlich auf, Dich zu bedanken oder zu entschuldigen, ich bin hier, weil ich hier sein wollte!“ Carla kam der Gedanke, dass sie auch jetzt noch immer nicht gehen wollte, aber sie wusste, dass sie zu allererst begreifen musste, was da heute passiert war. Aber was auch immer es sein mochte, es fühlte sich verdammt gut an!
Stella lächelte und schluckte ein weiteres „danke“ hinunter. Sie stand auf, humpelte mit Carla an die Tür und sagte: „Ich würde trotzdem gerne noch einmal danke sagen. Du hast mich heute gerettet.“ Sie strahlte.
Carla freute sich über Stellas Worte und umarmte sie. „Gern geschehen. Bis morgen, gute Besserung und schlaf gut!“ Mit diesen Worten war sie aus der Tür. Stella stand noch eine Weile mit geöffneter Tür im Türrahmen und blickte in den dunklen Flur hinaus.
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