Für einen kurzen Moment ist alles still. Kein Laut dringt an mein Ohr. Keine Bewegung füllt den Raum mit Leben. Und nur wenn ich ganz genau lausche kann ich Stellas Atem hören. Ein seltsam warmes Gefühl umgibt mit, Geborgenheit und Liebe umspiele meine Sinne und meinen Körper.
Plötzlich schrecke ich hoch. Nur ein Traum. Nicht unangenehm, aber trotzdem zum Glück nur ein Traum.
„Ist alles in okay mit dir?“, fragt Stella verschlafen. Ich hab sie wohl geweckt.
„Ja, alles in Ordnung.“
„So schaust du aber nicht aus.“
„Ich hatte nur einen sehr merkwürdigen Traum.“
„Na dann. Was war es denn? Hattest du Spaß mit einem Mann?“, witzelt sie.
Also manchmal ist sie schon sehr direkt. „NEIN! Um Himmels Willen! Er war einfach nur sehr seltsam, okay!?!“, fahre ich sie an- unfairer Weise.
„Hab schon verstanden. Ich lass dich jetzt allein. Vielleicht hast du dich ja abreagiert, wenn ich aus der Dusche komme…“ Sie schwingt die Beine über die Bettkante und verschwindet munter im Badezimmer.
Wow, das war mal Ansage! Selten erlebt, dass eine Frau sich mir gegenüber so verhält. Carla, was sitzt du hier noch rum? Entweder du gehst zu ihr unter die Dusche, oder du haust ab. Entweder du gibst nach oder du lässt nicht so mit dir reden.
Nach etwa fünf Minuten habe ich mich doch tatsächlich dazu entschieden, zu gehen. Erstens finde ich keine Antwort auf die Frage, was ich hier noch soll und zweitens kann es nur noch peinlich werden. Also quäle ich mich aus dem Bett und suche meine Sachen zusammen. Irgendwie hatte sie es gestern sehr eilig mich ein weiteres Mal zu entkleiden. Meine Klamotten liegen im kompletten Zimmer verstreut. Was nicht schlimm ist und irgendwie auch zu meinen leicht schmerzenden Schultern passt, die auf dem Weg vom Flur ins Schlafzimmer gegen die eine oder andere Tür oder Wand gestoßen sind.
„Wo willst du hin?“
Erschrocken zucke ich zusammen. Erwischt. Verdammt! „Ach, ich dachte nur, ich geh mich schnell frisch machen…“
„Du solltest dir überlegen, ob du das mit dem Lügen nicht lieber Leuten überlässt, die es besser können.“
„So offensichtlich?“
„Für mich schon. Keine Ahnung wie es um den Rest der Menschheit bestimmt ist.“
„Okay“, sage ich nur. Dämlich, ich weiß.
„Wieso wolltest du weg?“
„Weil das hier nur schief gehen kann.“
„Und wieso? Ich meine, du bist erwachsen. Und ich meine mich zu erinnern, dass ich auch älter als 3x7 bin. Noch dazu denke ich, dass klar ist, dass das hier nicht mehr als Spaß ist. Keine Liebesgeständnisse, kein „du fehlst mir“ und kein anderes Geseusel. Warum also auf den Spaß verzichten?“
„Weil es schiefgehen kann?“
„Klingt nach Erfahrung…“
Ich nicke. „War nicht schön.“
„Glaub ich dir. Aber ich verspüre grad wirklich nicht den Bedarf nach einer neuen Beziehung oder danach, mich wieder kopflos in irgendwas zu stürzen.“
„Das kann sich ändern.“
„So, du meinst also, keiner kann der werten Gräfin von Lahnstein widerstehen und verfällt ihr irgendwann.“
„Sowas kommt vor. Mal ganz davon abgesehen, dass die Gräfin auch irgendwem verfallen kann…“, gebe ich zu bedenken.
„Gut, dann setzten wir einen Vertrag auf in dem wir festhalten, dass hier niemand irgendwem verfällt.“
„Und das soll funktionieren?“
„Verträge sind bindend“, pfeift sie.
Ich überlege ob aus mir die pure Naivität spricht, weil ich mich auf das Spiel einlassen will, oder ob sie Recht hat und wir zwei normale Erwachsene Spaß haben können. „Also verbringen wir den Rest der Zeit in London gemeinsam“, sage ich schließlich.
„Einverstanden“, stimmt Stella zu und fragt gleich darauf: „Mündlich oder schriftlich?“
„Was?“
„Der Vertrag?“
„Spinner!“
„Wollte ja nur sicher gehen. Was machen wir heute?“
„Keine Ahnung was du machst, aber ich treffe mich gleich mit dem Kunsthändler.“
„Meinst du, ich kann da mitkommen? Immerhin ist mein Liebesurlaub ja nun keiner mehr und mein Terminplaner extrem leer.“
„Gib doch zu, dass du mir nur dabei zusehen möchtest, wie ich versuche diesen sturen Bock davon zu überzeugen mir doch wenigstens ein bisschen entgegen zu kommen.“
„Nein, ich dachte eher, dass wir danach ein bisschen durch London bummeln. Und entweder es wird ein Frustshoppen, oder neues Partyoutfit für heute Abend, weil das Mädchen am Fenster endlich dir gehört. Ich meine, wir sind schließlich nicht jeden Tag in London.“
„Okay, das ist ein sehr guter Vorschlag. Einverstanden. Ich hol dich um zwei ab, okay?“
„Gerne!“
Ich schnappe mir den Rest meiner Sachen und schließe mit einem Lächeln auf den Lippen ihre Tür hinter mir. Das kann noch was werden…
_________________ “If you live to be a hundred, I want to live to be a hundred minus one day so I never have to live without you.” https://www.fanfiction.net/s/8764822/1/Two-In-A-Million
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