Weiter geht es.
"Meine Schwester," erwiderte Zoe. "Glaub ich zumindest." Damit hatte Carla nun wirklich nicht gerechnet. Ihre Beine gaben nach und sie setzte sich aufs Zoes Bett. Endlich bot sich ihr die Chance ihre Vergangenheit wieder aufzurollen. Doch Zoe nahm ihr sofort wieder die Hoffnung. "Ich suche sie schon seit Jahren,und hatte eigentlich schon aufgegeben sie zu finden und jetzt zeichnest du sie. Was soll das?" fragte Zoe mit der selben Verzweifelung die gerade stumm in Carla wehte. "Ich weiß es nicht Zoe. Ich weiß nicht was es zu bedeuten hat. Ich kann dir nicht helfen... Ich hatte eigentlich gehofft,daß du etwas weißt. Ich kann dir nicht weiterhelfen... Ich hab vergessen wer ich bin,und kenn nicht mal mich selbst," sagte Carla mit Tränen in den Augen. Zoe blickte sie ergriffen an und schloss Carla in die Arme. "Wie...? Du hast vergessen wer du bist?" fragte sie sanft und streichelte über Carlas Locken,die durch die Aufregung noch störrischer abzustehen schienen. Rndlich konnte Carla Zoe die ganze Geschichte erzählen. Sie ließ nichts aus und erwähnte den mysteriösen Unfall,bei der sie ihre ganze Familie verloren hatte und selbst ins Koma geriet und schließlich von Jules. Zoe lauschte aufmerksam Carlas Schilderungen und streichelte sie immer wieder tröstend,wenn Carla wieder von einem Heulkrampf unterbrochen wurde. Je mehr sie erfuhr desto ungläubiger verzog sie ihre Miene. Sie konnte kaum fassen,was ihr da zu Ohren kam. "Und du kannst dich an nichts erinnern?" Carla schüttelte den Kopf. "Ich glaub wir brauchen jetzt erst mal einen Drink. Lass uns in die Bar gehen in der ich arbeite," schlug Zoe vor. Carla wollte gerade einwilligen,aber dann fiel ihr ein,daß sie mit Jules verabredet war. Zoe reagierte sofort leicht säuerlich. "Wenn dir diese Kuh wichtiger ist," sagte sie und erhob sich vom Bett. "Zoe,ich hab sie gertsern schon versetzt,und sie hat soviel für mich getan... Ich kann..." "Ach komm,was hat sie schon für dich getan? Sie hat deine Situation doch nur ausgenutzt," fiel ihr Zoe ins Wort. "Sei bitte nicht ungerecht," forderte Carla nun auch etwas lauter. Zoe wuschelte sich grübelnd nach den richtigen Worten seufzend durch die Haare. "Carla ich gebe zu... Ich war irgendwie eifersüchtig auf sie oder vielleicht bin ich es noch,aber was ich dir jetzt sage,hat nichts damit zu tun." Zoe holte noch einmal tief Luft bevor sie fortfuhr. "Mit der stimmt doch was nicht. Ich kann mir einfach nicht vorstellen,daß sie nichts weiß. Sie belügt dich doch nach Strich und Faden. Lass die Finger von ihr... Wenn dir wirklich was an mir an uns liegt,dann ruf sie jetzt gleich an und sag ihr ab," schloss sie schließlich eindringlich. Carla seufzte. "Und was soll ich ihr sagen?" "Na die Wahrheit,daß sie sich zum Teufel scheren soll!" Carla griff nach ihrem Handy und wählte Jules Nummer. Nach zweimal Klingeln hob sie bereits ab. "Jules... Carla hier. Hör mal ich weiß unsere Verabredung für heute Abend,muss ich leider absagen." "Warum?" erklang eine traurige Stimme vom anderen Ende der Leitung. "Mir ist etwas dazwischen gekommen." Jules gab sich jedoch nicht damit zufrieden. "Carla,was ist los?" Carla seufzte und Zoe betrachtete sie mit einer Herausforderung im Blick,die Carla Angst einflösste. "Wir können uns nicht mehr sehen," sagte Carla mutig und legte auf. "War doch gar nicht so schwer," sagte Zoe,trat an Carla heran und legte einen Arm um sie. Carla zuckte mit den Schultern. "Ich weiß nicht,sie wird sich bestimmt nicht damit zufrieden geben," sagte Carla zweifelnd,ob sie das Richtige getan hatte. "Komm jetzt," sagte Zoe und nahm Carla bei der Hand. Als sie gegen sieben Uhr in der Bohemian Bar eintrafen,waren kaum Leute da. Die Bar wurde ihrem Namen voll gerecht. Ein Hauch von künstlerrischer Atmosphäre lag in der Luft und ein junger unbekannter Künstler stellte gerade seine Werke aus. Carla sah sich eine Weile um,da Zoe von allen begrüßt wurde und mit dem Barkeeper John herumblödelte. Carla beobachtete die beiden aus den Augenwinkeln und ein wenig Eifersucht keimte in ihr auf. John war der typische englische Mann,mit dem entsprechenden schwarzen Humor bestens ausgerüstet. Zoe kugelte sich vor Lachen. Doch erkannte in ihren Augen nicht mehr als tiefe freundschaftliche Liebe und so verbannte sie die bösen Gedanken und schloss John ebenfalls in ihr Herz. Zoe zeigte Carla mit einem Blick,daß sie sich an an einen der Tische setzen sollte. Carla wählte den ruhigsten in der Ecke aus und Zoe kam darauf auch schon mit zwei Bier in den Händen zu ihr an den Tisch. "Kilkenny?" fragte Zoe und erntete einen fragenden Blick von Carla. "Irisch. Ich hoff du magst es... Naja ist mein Lieblingsbier." Eigentlich stand Carla nicht der Sinn nach Bier,eher nach etwas stärkeren. Dennoch nahm sie einen großen Schluck. Es schmeckte gar nicht mal so übel,obwohl sie normalerweise Wein den Vorzug gab. Auch Zoe nahm einen großen Schluck. "Was wollen wir jetzt machen?" fragte Zoe und musste einen Rülpser unterdrücken. Carla zuckte mit den Schultern. "Was können wir schon tun? Du hast sie bis jetzt auch nicht gefunden. Woher weißt du überhaupt wie sie aussieht? Wenn du sie nicht kennst?" "Ich hab mal ein Foto von ihr gesehen bei meinen Vater. Aber als er gemerkt hat,daß ich es gesehen hab... naja... da hat er es verschwinden lassen. Darum hab ich sie gezeichnet,damit ich nicht vergesse wie sie ausgesehen hat." "Hast du ihm denn nicht ausgefragt?" fragte Carla. "Doch natürlich. Aber er ist mir nur ausgewichen. Er wollte nicht darüber reden... Ich weiß nicht ob sie wirklich meine Schwester ist. Mein Vater hat es weder abgestritten noch bestätigt. Naja ich seh ihr schon verdammt ähnlich,und warum sollte mein Vater sonst ein Foto von ihr haben.... Ach ich wollte eigentlich damit abschließen und jetzt hab ich sowieso noch mehr Angst sie zu finden." Carla blickte Zoe fragend an. "Aber du suchst sie doch schon seit Jahren?" Zoes Gesicht nahm einen verzweifelten Ausdruck an. "Ich überlege mir nur was du für eine Verbindung zu ihr hast." Sie holte noch einmal tief Luft bevor sie fortfuhr. "Was? Wenn sie deine Geliebte war...? Dann verlier ich dich." Carla griff nach Zoes Hand. "So ein Quatsch. Du verlierst mich doch nicht. Wenn sie meine Geliebte war,dann würde ich mich doch an sie erinnern." sagte Carla und strich zärtlich über Zoes Handrücken. "Aber das tust du doch. Du hast sie gezeichnet." Zoe hatte Recht. Carla geriet kräftig ins Grübeln. Sie war hin und hergerissen zwischen dem was sie für Zoe empfand und ihrer Vergangenheit. Als ob Zoe ihre Gedanken hatte lesen können,erhob sie sich vom Tisch. "Es war keine gute Idee hierher zu kommen. Ich muss gehen." Zoe machte sich zur Tür auf und Carla hechtete ihr hinterher. "Zoe,jetzt warte doch." Sie packte Zoe an den Schultern und drehte sie zu sich und erschauderte. Zoes Blick war voller Zerrissenheit und gleichzeitig von einer unbeschreiblichen Zärtlichkeit erfüllt. "Zoe... Du..." Carla seufzte,verzweifelt nach den richtigen Worten suchend. "Du bist mir sehr wichtig," schloss sie schließlich. "Das genügt mir nicht," sagte Zoe und wandte sich wieder von Carla ab. Bevor sie jedoch entgültig hinter der Tür verschwand,startete Carla einen zweiten Versuch sie zum Bleiben zu überreden und schrie aus vollen Hals. "ICH LIEBE DICH ZOE!" Zoe erstarrte augenblicklich und alle Gäste verstummten und richteten ihre Aufmerksamkeit auf die beiden Frauen. Obwohl keiner Deutsch sprach,hatten sie mitbekommen was sich hier abspielte. Erwartungsvoll betrachtete Carla Zoe,die immer noch in der Tür stand. Plötzlich fast ein wenig ruckartig wandte sie sich um. "Sag das bitte nur wenn du es auch wirklich so meinst." sagte sie bitter. Carla war enttäuscht. "Ich würde nie so etwas sagen,wenn ich es auch nicht wirklich meine. Wie kannst du nur so von mir denken?" fragte Carla verletzt und wollte nun ihrerseits die Bar verlassen. Zoe hielt sie zurück. "Tut mir leid. Ich wollte dich nicht verletzen." sagte Zoe mit einen Blick der Carla sofort das Blut in den Adern kochen ließ. Sie fielen sich in die Arme und küssten sich zärtlich. Erst als sie von John und seinen Kumpels frenetisch gefeiert wurden,lösten sie sich mit hochroten Kopf voneinander. "Uuuuuuuuuhhhhh... I thought you never get it," rief er hinter den Tresen hervor und lachte. "Shut up,John," rief Zoe zurück. "Ich glaub wir sollten besser woanders hingehen. Ich mag keine Zuschauer," sagte sie wieder an Carla gewandt. "Zu dir?" fragte Carla verführerisch. Doch Zoe stieg nicht darauf ein. "Wie wärs,wenn wir zu dir gehen? Ich möchte sehen wie du lebst." Carla schluckte und ein Ansturm von Unbehagen überfiel sie. "Naja ich weiß nicht. Jules könnte dort auftauchen." "Na und?" sagte Zoe frech. "Dann weiß sie wenigstens was Sache ist." Bevor Carla etwas einwenden konnte,hatte Zoe sie schon aus der Bar gezogen und rief ein Taxi herbei. Sie stiegen ein. "Die Adresse?" Carla nannte sie den Fahrer widerwillig. "Das ist ja ganz schön draussen," sagte Zoe bevor sie für den Rest der Fahrt schweigend aus dem Fenster blickte. Carla wurde immer nervöser desto näher sie dem Haus kamen. Vielleicht tat sie Jules Unrecht und sie wollte wirklich nicht mit Zoe in den Armen von ihr erwischt werden. Als sie beim Haus angekommen waren,stieg Carla als erste aus,nachdem sie den Fahrer bezahlt hatte. Zoe wollte ebenfalls aussteigen,aber Carla hinderte sie daran. "Zoe... Ich kann das nicht." Zoe war die Enttäuschung im Gesicht abzulesen. Sie äusserte sie jedoch mit Wut. "Na gut... Wenn du mich jetzt gehen läßt,brauchst du nicht widerzukommen. Entweder du läßt mich in dein Leben oder ich bleibe draußen. Alles oder nichts,Carla." Carla war wieder einmal hin und hergerissen. Sie war wirklich nahe daran Zoe gehen zu lassen. Im letzten Augenblick zog sie sie jedoch doch noch aus dem Taxi. "Du weißt wie du deinen Kopf durchsetzen kannst. Meine Güte," stöhnte sie jedoch schon wieder versöhnlicher gestimmt. Als sie das haus betraten staunte Zoe nicht schlecht. "Wow. Das ist ja echt der Hammer! Darf ich mich mal umsehen?" fragte sie aufgeregt. Carla nickte lächelnd. "Ich bin mal in der Küche und mach uns was zu Essen." Carla hatte in der Küche große Mühe überhaupt etwas Essbares zu finden. Sie war in letzter Zeit nicht zum Einkaufen gekommen und Rosa hatte zwei Wochen Ferien. Für eine Minestronesuppe reichte es gerade noch. Als sie fertig war rief sie Zoe zum Essen. Doch sie antwortete nicht. So machte sich Carla auf die Suche nach ihr. In der Bibliothek wurde sie schließlich fündig. Zoe war total vertieft in einem Buch auf der Chaisselonque sitzend. Erst als Carla sie leicht an der Schulter berührte,schaute sie auf und Carla erkannte Tränen in ihren Augen. "Zoe,was ist denn los?" fragte sie besorgt. "Nicht." "Warum bist du denn so traurig?" hakte Carla nach. Zoe wischte sich die Tränen ab. "Ich bin nicht traurig. Ich bin nur berührt von dieser Schönheit. der Worte," sagte sie und hielt Carla den Gedichtband von Erich Fried entgegen. Carla stach es sofort mitten ins Herz. Eine Erinnerung blitzte plötzlich auf.
So das war es für heute. Ich wünsche allen eine Gute Nacht lg Martina
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