So, es geht weiter.
Teil 36
Die Beiden gehen in die Klasse.
„Guten Morgen. Ich hoffe, ihr seid alle wieder gut zu Hause angekommen. Um uns den Einstieg in den Unterricht zu erleichtern, werden wir heute mal einen Film gucken.“, sagt Ruth und beginnt mit den Vorbereitungen, während Alex schon mal nach hinten geht und zwei Stühle bereitstellt. „Der Film heißt Aimee und Jaguar und spielt in Deutschland zur Zeit des 2.Weltkrieges, worum es geht, werdet ihr ja selbst sehen. Macht euch bitte Notizen, was über die Einstellungen der damaligen Zeit gezeigt wird.“ Ruth legt den Film ein, aber nichts passiert. „Immer der gleiche Mist, warum gehen die Geräte nie?“
„Soll ich dir helfen?“, ruft Alex ihr von hinten zu.
„Aber immer doch.“, Alex geht nach vorne, schnappt sich die Fernbedienung und drückt auf allerhand Knöpfe. Dann wackelt sie an allen Kabeln und endlich tut sich was.
„Super, was würde ich nur ohne dich machen?“
„Anderthalb Stunden auf einen schwarzen Bildschirm gucken?“, Alex legt die Fernbedienung hin und die Beiden gehen nach hinten. „Macht mal einer das Licht aus und die Vorhänge zu?“ Die Schülerinnen beginnen den Raum zu verdunkeln und endlich beginnt der Film. Ruth hat ihren Stuhl extra nah an Alex gerückt. „Du kannst auch gerne auf meinem Schoß sitzen.“, raunt Alex Ruth zu.
„Du weißt gar nicht, wie gerne ich das tun würde.“, Ruth rutscht noch ein bisschen näher, so dass Alex den Arm um sie legen muss, damit ihr Arm nicht abgequetscht wird.
„Rück mir nicht so auf die Pelle. Ich will den Film sehen.“
„Also ich sehe auch so gut. Außerdem brauche ich deine Nähe und es ist dunkel, also sieht uns auch keiner.“
„Ist ja gut, bleib wo du bist, aber jetzt sei leise.“
Der Film läuft so vor sich hin, bis es endlich zum ersten Kuss kommt.
„Urghs, was ist das denn für ein Film?“, schalt es da auf einmal durch die Klasse.
Alex und Ruth setzen sich sofort anständig hin und gucken sich an. Dann steht Alex auf, stoppt den Film und macht das Licht an.
„Okay, wer möchte etwas los werden?“, sie guckt in die Runde, doch keiner traut sich, „Ach, jetzt habt ihr die Hosen voll? Gerade im Dunklen hatte ich das Gefühl, dass auf jeden Fall eine von euch ganz dringend was loswerden möchte. Also?“
„Ich hab nur gefragt, was das denn für ein Film ist?“, sagt Sandra kleinlaut.
„Und warum?“
„Na ja, da knutschen zwei Frauen rum, igitt.“
„Ah, jetzt kommen wir der Sache doch schon näher. Warum ist das denn igitt?“
„Weil das nicht richtig ist und Sie sollten uns so einen Film auch gar nicht zeigen.“
„Was ist denn richtig? Was ist normal? Und warum sollten wir euch so einen Film nicht zeigen? Vielleicht erinnerst du dich daran, dass nicht nur Juden verfolgt wurden, sondern auch Homosexuelle.“
„Ach, lassen wir es doch einfach. Meine Meinung scheint eine andere zu sein, als Ihre.“, sagt Sandra trotzig.
„Allerdings, ich sehe nämlich nichts verwerfliches, unnormales oder falsches darin, wenn zwei Menschen sich lieben. Egal, ob Mann und Frau oder Frau und Frau oder Mann und Mann. Wo die Liebe hinfällt, da bleibt sie liegen. Das wirst auch du noch erfahren Sandra, zumindest hoffe ich es für dich. Die Liebe ist nicht immer einfach, aber wenn man sie gefunden hat, sollte man sie festhalten, egal, was für ein Geschlecht das Gegenüber hat.“
Ruth guckte Alex von hinten zu und seufzte leise. Am liebsten wäre sie nach vorne gegangen und hätte den Schülerinnen gezeigt, was wahre Liebe ist.
„Darf ich ihrer Ansprache entnehmen, dass Sie die Liebe bereits gefunden haben?“, fragte Sandra herausfordernd.
„Ja, habe ich.“, Alex vermied jeden Blickkontakt zu Ruth, denn jeder Blick würde jetzt alles verraten.
„Und welches Geschlecht hat Ihre Liebe?“
Jetzt wurde es Mandy aber zu bunt, sie musste Alex einfach helfen: „Sandra, das geht dich doch gar nichts an. Und außerdem ist das doch völlig uninteressant.“
Sandra: „Mich würde es schon interessieren, ob ich von einer Lesbe unterrichtet werde.“
Mandy: „Und selbst wenn, kommst du dann nicht mehr?“
Sandra: „Doch, aber meinen Eltern würde das gar nicht gefallen.“
Alex: „Was geht es denn deine Eltern an, was ich in meiner Freizeit mache oder mit wem ich zusammen bin? Ändert doch nichts an meiner fachlichen Kompetenz.“
Sandra: „Das würde einiges ändern, schließlich haben Sie mich schon im Bikini gesehen.“
Alex: „Und hattest du das Gefühl, ich springe dich an? Keine Angst, kleine Mädchen sind nicht mein Geschmack.“
Sandra: „Da bin ich jetzt aber beruhigt. Also stehen Sie jetzt auf Frauen?“
Alex überlegte sich kurz, was sie jetzt sagen sollte. Einerseits wollte sie nicht, dass ihre Beziehung zu Ruth öffentlich wurde, andererseits wollte sie sie aber auch nicht verleugnen. Also sagte sie schließlich: „Ich verliebe mich in erster Linie in Menschen. Und jetzt wollen wir mal aufhören über mein Privatleben zu sprechen. Hat sonst noch jemand was auf dem Herzen oder kann ich den Film wieder anmachen?“
Das unverständliche Gemurmel nahm sie mal als Anlass, den Film wieder zu starten. Und geht zu Ruth zurück. Als die Stunde endlich zu Ende ist, gehen Alex und Ruth ins Lehrerzimmer.
„Sag mal, habe ich zu viel gesagt?“
„Nein, was hättest du denn sagen sollen? Ich fand es gut, dass du gesagt hast, dass du dich in Menschen verliebst.“
„Ja, ich bin eben niemand der seine Gefühle verleugnen kann.“
„Mir ist es auch schwer gefallen, nicht zu zeigen, dass ich dich liebe.“
„Ich hab extra nicht zu dir hingeguckt, sonst hätte es kein Halten mehr gegeben und wir wären aufgeflogen.“
„Ich mag dieses Versteck-Spiel nicht.“
„Ich auch nicht. Aber ich würde auch so nicht vor der Klasse mit dir rumknutschen.“
„Stimmt auch wieder. Wobei ich es nach deiner Auslassung über die Liebe fast getan hätte.“
„Das musste einfach mal gesagt werden. Immer diese verdrehten Weltansichten. Was kann ich dafür, dass du eine Frau bist und ich dich liebe?“
„Gar nichts und das ist auch gut so, weil ich dich auch liebe.“, Ruth beugt sich zu Alex und küsst sie…
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