Sind alle in den Sommerferien oder warum gibt es so wenig Feedback?
Naja, auf jeden Fall hier der neue Teil, viel Spass.
Kapitel 8
„Anni!!!“
Der Schrei hallte durch die dunkle Nacht. Jasmin drehte sich um und was sie sah, liess sie nach Luft schnappen. Anni lag auf der Strasse, reglos und blutend. Jasmin war wie erstarrt, ihr Herz setzte einen Schlag aus und sie konnte sich nicht rühren. Der Fahrer des Wagens, ein Mann mittleren Alters, war bereits ausgestiegen und beugte sich über Anni. Dann zog er sein Handy aus der Tasche. Nun erwachte auch Jasmin aus ihrer Starre, rappelte sich auf und lief zu Anni. Sie liess sich neben ihr auf die Knie sinken.
„Anni, kannst du mich hören?“ Sie wagte nicht, Anni gross zu bewegen, deshalb strich sie ihr nur sanft über die Wange. Über dem rechten Auge hatte Anni eine klaffende Wunde, die stark blutete.
„Anni, hey, komm schon, mach die Augen auf.“ Vorsichtig tätschelte Jasmin ihre Wange.
„Ja, wir brauchen einen Krankenwagen, eine Person wurde angefahren….“ Jasmin konnte hinter sich hören, wie der Autofahrer die Sanitäter bestellte. Der Mann steckte sein Handy weg und kniete sich neben Jasmin.
„Alles ok mit Ihnen?“
„Ja ja, mir geht es gut. Wann kommt der Krankenwagen?“
„Sie haben gesagt, er sollte in fünf Minuten da sein. Sie ist mir einfach vor den Wagen gerannt, ich konnte nicht mehr reagieren.“
„Nein, ich bin Ihnen vor das Auto gelaufen, sie hat mich gerettet.“ Jasmin wandte sich wieder Anni zu. Nun begannen ihre Augenlider zu zucken und Anni öffnete mühsam die Augen. Sie blickte direkt in Jasmin’s Augen, welche sie besorgt anblickten.
„Jasmin…“ Es war mehr ein Flüstern.
„Anni, wie fühlst du dich?“ Anni’s Lider senkten sich bereits wieder. Ihr Atem ging flach und bei jedem Atemzug verzog sie schmerzhaft ihr Gesicht.
„Hey Anni, bleib wach, bleib bei mir.“ Wieder tätschelte sie sanft die Wange, was Anni mit einem Brummeln und einem Stirnrunzeln quittierte. Aber sie öffnete nochmals die Augen. „Der Krankenwagen ist gleich hier.“ Und wie um Jasmins‘ Worte zu unterstützen, war in der Ferne die Sirene der Sanitäter zu hören.
„Halte durch, ja?“
Immer wieder verlor Anni kurz das Bewusstsein. Keine Minute später traf der Krankenwagen ein. Ein Sanitäter und seine Kollegin stiegen aus und knieten sich zu Anni, um sie zu untersuchen. Jasmin trat einen Schritt zurück, um ihnen Platz zu machen. Sie schlang die Arme um sich, da sie fröstelte, weniger aufgrund der Temperatur als mehr aus Angst um Anni. Erst da bemerkte sie, dass ihre Hände aufgeschürft und die Hose an beiden Knien aufgerissen waren von ihrem eigenen Sturz. Aber sie spürte die brennenden Handflächen kaum. Anni hatte die Augen bereits wieder geschlossen und schien weggetreten. Mit geübten Handgriffen wurde sie untersucht. Dann legte ihr die Sanitäterin eine Infusion mit Schmerzmittel sowie zur Sicherheit eine Halskrause. Die Wunde an der Stirn wurde mit einem Pflaster abgedeckt.
„Wie heisst ihre Freundin?“ fragte nun die Sanitäterin.
„Anni, also eigentlich Andrea, aber sie wird von allen nur Anni genannt.“
„Ok, dann also Anni.“ Sie wandte sich wieder an ihren Kollegen und besprach sich kurz mit ihm. In der Zwischenzeit war auch die Polizei eingetroffen und befragte den Autofahrer. Auch Jasmin musste ihre Version der Geschichte zu Protokoll geben. Die Personalien wurden aufgenommen und der Hergang rekonstruiert. Die ganze Zeit über behielt Jasmin jedoch Anni und die Sanitäter im Auge. Diese wurde nun vorsichtig auf die Bahre gelegt und zum Krankenauto geschoben.
„Wo bringen Sie sie hin?“ fragte Jasmin.
„Ins Jeremias-Krankenhaus.“
Jasmin blickte sich zu den Polizisten um. „Brauchen Sie mich noch?“ Diese schüttelten den Kopf. „Kann ich im Krankenwagen mitfahren?“
Die Sanitäterin nickte. „Natürlich, wir haben noch Platz für eine Person. Wenn die Bahre drin ist, können Sie einsteigen, ok?“
„Danke, vielen Dank!“
„Dann können wir uns auch gleich noch Ihre Hände ansehen.“
„Meine Hände?“ Jasmin blickte auf die erwähnten Körperteile. An manchen Stellen blutete es, was sie gar nicht bemerkt hatte. „Ach, das ist nur halb so schlimm, es tut gar nicht weh“, meinte sie.
„Ja, das kommt vom Schock. Aber sobald dieser nachlässt, werden die Schmerzen kommen.“
Mittlerweile war die Bahre mit Anni in den Krankenwagen geschoben worden.
„Also los, alles einsteigen“, rief der Sanitäter.
Jasmin kletterte in den Wagen und setzte sich auf einen ihr zugewiesener Hocker. Die Sanitäterin setzte sich neben Jasmin und fing an, Jasmin‘s Hände zu desinfizieren, mit einer Salbe einzureiben und anschliessend mit einem leichten Verband zu verbinden. Der Sanitäter war vorne beim Fahrer eingestiegen und nun setzte sich der Krankenwagen in Bewegung.
„Wie heissen Sie?“
„Jasmin.“
„Freut mich Jasmin, ich bin Nicole. So, deine Hände sind soweit ok.“
„Danke.“ Jasmin blickte auf und musterte Nicole nun genauer. Lange, blonde Haare, blaue Augen, ein hübsches Gesicht, nicht viel älter als sie selbst.
„Nichts zu danken, das ist mein Job. Deine Freundin Anni hatte grosses Glück. Es scheint nichts gebrochen zu sein. Aber genauer können wir dies erst nach der Untersuchung im Krankenhaus sagen.“
„Woher weisst du, dass sie meine Freundin ist?“
„Du hast sie mit so viel Liebe und Zuneigung angesehen, da war es relativ einfach, Eins und Eins zusammenzuzählen. Toller Fang!“
„Wir haben gerade erst heute zueinander gefunden. Und nun das!“ Mit einem Mal konnte Jasmin die Tränen nicht mehr zurückhalten. Bisher war sie stark gewesen, hatte unter Schock einfach funktioniert. Aber wenn sie nun auf Anni blickte, die eine Infusion im Arm hatte, die Augen geschlossen, da wirkte sie so verletzlich, dass es Jasmin das Herz brach. Sie wischte sich mit dem Handrücken die Tränen weg. Nicole drückte leicht ihre Schulter.
„Hey, das wird schon wieder. Wie gesagt, sie hatte Glück im Unglück.“
Jasmin nickte nur, ihre Stimme versagte ihr im Moment. Der Rest der Fahrt verlief schweigend. Jasmin hielt Anni’s rechte Hand umklammert und strich ihr immer wieder sanft über die Wange.
***
Im Krankenhaus angekommen, wurde Anni von den Sanitätern direkt in einen Untersuchungsraum gebracht. Dort wurden Informationen mit dem Arzt ausgetauscht, dann begannen die genauen Untersuchungen. Jasmin musste draussen bleiben. Bevor die Sanitäter wieder verschwanden, verabschiedete sich Nicole noch kurz bei Jasmin.
„Ich wünsche euch alles Gute für die Zukunft.“ Dankbar blickte sie Jasmin an.
„Vielen Dank für alles!“ Dann war sie auch schon weg, ein weiterer Notruf war eingegangen. So blieb Jasmin alleine zurück. Nun begann das grosse Warten. Sie versuchte, Nele auf dem Handy zu erreichen und obwohl es bereits nach 23:00 Uhr war, nahm diese sofort ab.
„Hey, wie ist es gelaufen? Hat unser Plan funktioniert?“ Nele hatte bereits ungeduldig auf einen Anruf von Jasmin gewartet. Bei diesen Worten brach Jasmin erneut in Tränen aus.
„Kannst du ins Jeremias-Krankenhaus kommen? Wir… also Anni hatte einen Unfall. Sie wird gerade untersucht.“
„Was??? Ich bin sofort da.“ Und schon hatte Nele aufgelegt. Jasmin steckte ihr Handy weg, setzte sich auf einen Stuhl, legte den Kopf in ihre Hände und versuchte, ihre Tränen zu stoppen.
***
Kurze Zeit später betrat Nele die Notaufnahme des Krankenhauses.
„Jasmin?“ Fragend blickte sie um sich. Dann entdeckte sie ihre Freundin, die auf einem typischen-unbequemen Plastikstuhl sass und das Gesicht in den Händen vergraben hatte.
„Jasmin.“ Mit wenigen Schritten war sie bei Jasmin angelangt. Jasmin stand auf und wurde auch schon von Nele in den Arm genommen.
„Hey Süsse, was ist den passiert?“
„Gott sei Dank bist du da.“
„Was ist mit Anni?“
„Sie wird noch immer untersucht.“
Nele löste sich von Jasmin und schob sie auf Armeslänge von sich weg. „Und wie geht’s es dir?“ Sie blickte auf die verbundenen Hände sowie die aufgerissenen Knien.
„Ach nur ein paar Kratzer, nicht schlimm.“ Jasmin winkte ab.
„Jetzt erzähl mir mal, was passiert ist.“
Nele setzte sich auf einen Stuhl neben Jasmin. Diese begann nun zu erzählen, wie es im Mauerwerk gelaufen war und dass Anni ihr nochmals eine Chance geben wollte. Und dass sie dann später nach Hause gehen wollten. Der kleine Zwischenfall in der Seitenstrasse liess sie aus.
„Wir haben rumgealbert und haben ein kleines Wettrennen nach Hause gemacht. Da habe ich nicht auf den Verkehr geachtet und bin einfach blindlings auf die Strasse gerannt. Anni muss von hinten das Auto gesehen haben, denn plötzlich spürte ich einen Stoss und ich bin auf der anderen Strassenseite gelandet. So wurde jedoch Anni zur Zielscheibe und vom Auto erfasst. Ich habe dann nur den Aufprall gehört. Sie hat mich gerettet. Sie hat…“, Jasmin versagte die Stimme, „sie hat ihr Leben riskiert, um meins zu retten.“
„Na, das hört sich doch ganz nach unserer Anni an. Taff wie immer und keine Gedanken an die Konsequenzen verschwenden.“ Jasmin brachte ein halbes Lächeln zustande.
„Ich will sie nicht verlieren. Nicht jetzt, wo wir gerade erst zusammengefunden haben.“
„Hey, du weisst doch, Anni ist hart im Nehmen. Sie wird wieder gesund.“
„Und wenn nicht?“ Jasmin schüttelte verzweifelt den Kopf.
„So etwas darfst du gar nicht denken“, versuchte Nele sie zu beruhigen.
„Und warum dauert das denn so lange?“
„Die Untersuchungen brauchen halt seine Zeit.“ In diesem Moment ging die Türe zum Untersuchungszimmer auf und ein Arzt trat hinaus. Jasmin war sofort auf den Beinen.
„Wie geht es Anni? Ist sie schwer verletzt? Kann ich zu ihr?“
„Nun mal ganz langsam, eins nach dem anderen. Darf ich fragen, wer Sie sind?“
„Ich heisse Jasmin Flemming, ich bin ihre Freundin.“
„Eigentlich darf ich nur gegenüber Familienangehörigen Auskunft geben.“ Der Arzt schaute skeptisch.
„Sie hat keine Angehörigen hier. Ich bin ihre Freundin, also, ich bin mit ihr zusammen.“ Nele hielt sich diskret zurück. Sie wusste, dass Jasmin momentan die Einzige war, die Neuigkeiten über Anni erhalten würde.
„Na gut, dann will ich mal eine Ausnahme machen.“ Der Arzt schaute kurz in die Patientenakte, dann wandte er sich wieder an Jasmin. „Frau Brehme hatte grosses Glück. Die Wunde über dem rechten Auge ist nicht sehr tief, wir mussten nicht nähen, sondern konnten die Wunde kleben. Es sollte höchstens eine kleine Narbe zurückbleiben. Im Weiteren hat Frau Brehme eine leichte Gehirnerschütterung sowie zwei geprellte Rippen. Dies ist zwar schmerzhaft, aber heilt grundsätzlich von selbst. Bezüglich der Gehirnerschütterung braucht sie nun ein paar Tage Bettruhe. Es kann zu Übelkeit, Kopfschmerzen oder Schwindelanfällen kommen. Deshalb behalten wir sie auch über Nacht noch hier. Brüche oder innere Verletzungen hat sie keine erlitten. Der eine oder andere blaue Fleck wird sie aber schon davontragen.“ Jasmin atmete erleichtert aus.
„Puuhh, mir fällt ein riesiger Stein vom Herzen. Kann ich jetzt noch zu ihr?“
„Sie schläft jetzt zwar aufgrund der Schmerz- und Beruhigungsmittel, aber Sie können trotzdem kurz zu ihr. Aber wirklich nur fünf Minuten, ok?“ Der Arzt sah sie streng an.
„Natürlich, versprochen.“ Jasmin drehte sich zu Nele um.
„Kannst du mir was anderes zum Anziehen holen? Ich möchte gerne aus diesen kaputten Sachen raus.“
„Klar, kein Problem. Geh du schon mal zu Anni, ich komme dann später nochmals. Bis dann.“ Nele umarmte Jasmin kurz zum Abschied, dann verschwand sie.
„Ich sehe morgen nochmals nach Frau Brehme.“ Mit diesen Worten wandte sich der Arzt zum Gehen. Jasmin atmete tief durch, dann klopfte sie leise an die Tür und öffnete diese. Das Zimmer war nur schwach beleuchtet. Anni lag im Bett und schlief. Sie sah klein und verletzlich aus. Man hatte ihr eines dieser ollen Krankenhaushemden angezogen. Über ihrem rechten Auge klebte ein frisches, weisses Pflaster über der Wunde. Zudem hatte sie noch immer die Infusion im Arm. Jasmin trat näher ans Bett, beugte sich über Anni, fuhr mit zittrigen Fingern sanft über das Pflaster und küsste sie zärtlich auf die Stirn. „Was machst du bloss für Sachen? Immer den Helden spielen, was?“ Sie zog einen Stuhl näher heran und setzte sich. Lange Zeit beobachtete sie Anni einfach, wie ihr Brustkorb sich bei jedem Atemzug hob und senkte. Eine Welle der Zuneigung und Liebe durchströmte sie, als sie daran dachte, dass Anni ohne lange zu überlegen ihr Leben für das ihrige riskiert hatte. Wieso hatte sie nur so lange gebraucht um zu merken, was sie für Anni empfand? Sie hatte Angst gehabt, ja, aber wovor eigentlich genau? Vor ihren Gefühlen für eine Frau? Oder eher vor den Reaktionen der Leute? Wahrscheinlich von allem etwas. Aber jetzt waren diese Zweifel endgültig beseitigt. Anni war die Person, mit der sie zusammen sein wollte. Sie war so glücklich gewesen, dass Anni ihr nochmals eine Chance gab und nun hatte sie sie fast verloren. Dieser Gedanke führte zu einem beklemmenden Gefühl in ihrer Brust. „Du musst wieder gesund werden, hörst du?“ Unbemerkt rann Jasmin eine Träne über die Wange. „Ich würde es nicht ertragen, dich jetzt zu verlieren. Ich liebe dich.“ Sie strich ihr sanft über die Haare. Es klopfte und Jasmin blickte auf. Eine Krankenschwester schaute hinein und meinte, es sei nun Zeit, die Patientin in Ruhe schlafen zu lassen. Schweren Herzens stand Jasmin auf und verliess das Zimmer. Draussen wartete bereits Nele mit frischen Klamotten. Jasmin verschwand kurz auf der Toilette um sich umzuziehen. Dann kehrte sie zu Nele zurück, welche auf einem Stuhl sass und wartete. Jasmin setzte sich neben sie und flüsterte: „Nele, hör zu, ich denke nicht daran, Anni heute Nacht alleine hier zu lassen.“
„Du kommst also nicht mit nach Hause?“
„Nein, ich bleibe hier bei Anni. Der Arzt und die Schwester denken, ich sei gegangen. Ich schleiche mich wieder in ihr Zimmer und bleibe über Nacht bei ihr.“
„Kann ich gut verstehen. Ok, dann lass dich nicht erwischen. Ich komme morgen wieder vorbei. Gute Nacht.“
„Tschüss Nele und danke für alles.“
„Kein Problem, dafür sind Freunde doch da.“
Jasmin blickte sich nochmals kurz um, doch zu dieser späten Stunde war niemand zu sehen. Dann schlüpfte sie wieder in Anni’s Zimmer und setzte sich auf den Stuhl neben ihrem Bett. Sie war zu Tode erschöpft. Die letzten Stunden glichen einer emotionalen Achterbahnfahrt. Sie wollte sich nur kurz ein wenig ausruhen und legte den Kopf auf die Matratze. Schon nach wenigen Minuten fielen ihr die Augen zu und Jasmin war eingeschlafen.