"Guten Morgen mein Engel",
Verschlafen reibt Carla sich die Augen. "Schon Morgen?"
"Schon ne ganze Weile…"
"Wie lange ist eine Weile?"
"So…zwei bis drei Stunden?"
"Stella, wie spät ist es?"
"Keine Sorge, du hast Zeit genug. Ich habe für dich in der Holding angerufen, du bist krank."
"Wenn du mir nicht sofort sagst, wie viel Uhr es ist, bin ich das vielleicht wirklich."
"Süße, entspann dich! Es ist halb neun, die Sonne scheint, die Vögel zwitschern, die Blumen blühen und dein Schatz ist gerade sehr verrückt nach dir."
Carla entfährt ein leises "Mhmm" als meine Hand- selbstverständlich unabsichtlich- zwischen ihren Beinen landet.
"Und ich bin also heute krank, ja?", fragt sie stockend.
"Heute…und morgen auch noch."
"Und wer macht meine Arbeit? Ich glaube nicht, dass Elisabeth-"
"Elisabeth war von meinem Anruf hellauf begeistert."
"Hast du ihr vorher irgendwie Drogen zukommen lassen?"
"Nein. Aber sie weiß was, was du nicht weißt."
"Und das wäre?"
"Gemach. Alles zu seiner Zeit. Jetzt bewegst du deinen süßen Hintern erst einmal unter die Dusche, du hast nämlich gestern Abend auch geschwitzt. Ich warte derweil mit dem Frühstück auf dich und den Rest des Tages wirst du mir wohl vertrauen müssen."
"Du weißt dass ich nichts mehr hasse, als Ungewissheit…außer Ansgar vielleicht."
"Vertrauen ist das Zauberwort."
"Schon gut. Ich hab verstanden. Ich geh duschen." Sie schwingt die Beine über die Bettkante, zieht sich das Shirt über den Kopf und verschwindet vollkommen nackt hinter der Badezimmertür.
Gut, denke ich mir, sie hat nichts gemerkt. Im Zweifel überspielen war ich schon immer irgendwie gut. Aber was bleibt mir anderes übrig? Ihr sagen, dass ihre Worte mich dazu gebracht haben, die halbe Nacht wach zu liegen? Nie im Leben. Sie kennt meinen Standpunkt. Vielleicht war sie gestern Abend einfach nur übermüdet. Wäre ja auch kein Wunder. Wir haben so lange über diesen blöden Papieren gesessen.
"Stella?" ruft Carla.
"Ja?", ruf ich zurück.
"War das Absicht?"
"Ähm…was?"
"Dass du keine Handtücher im Bad hast", steht sie plötzlich im Türrahmen. Patschnass und achselzuckend.
"Ooops, nein, das war keine Absicht. Tut mir leid." Schnell kram ich ein großes Badetuch aus dem Schrank und hülle sie in den flauschigen Stoff. "Besser so?""
"Viel besser. Und wenn du mich jetzt den ganzen Tag nicht loslässt, ist alles perfekt."
"Daraus wird leider nix."
"Aber ich dachte, ich bin heute krank? Also musst du dich um mich kümmern!"
"Vertrauen."
Sie seufzt. "Schon gut, schon gut." Blitzschnell schaltet sie um. "Wo ist mein versprochenes Frühstück?"
"Wenn Gräfin mir folgen würden?"
"So?"
"Bist du etwa zu spießig dich nur mit einem Handtuch bekleidet zu deiner Freundin an den Tresen zu setzen?"
"Ich und spießig?"
"Wer ist hier die Gräfin?", frage ich provokativ.
"Wer ist hier die lesbische Gräfin?"
"Okay, Argument akzeptiert."
"Schade eigentlich. Ich hatte noch so viele gute Argumente parat."
"Verrätst du mir jetzt was du mit mir vorhast?"
"Auch eine Gräfin muss sich in Geduld üben." Ich wende mich von ihr ab und suche in der untersten Schublade meiner Kommode nach meinem Lieblingsschal. "Würdest du dich bitte mal umdrehen?"
"Wohin?"
"Mit dem Gesicht zum Fenster."
"Was ist denn da?" Neugierig wie ein Kind stellt sie sich davor und schiebt den Vorhang zur Seite.
"Das hier!" Ich lege ihr den Schal vor die Augen und ziehe ihn fest zu.
"Stella, komm schon. DAS ist nicht fair!"
"Erzähl du mir nichts von Fairness, "Gräfin- ich –vögel- meine- Freundin- ohne- Vorwarnung"."
"Ich bin schon still."
"Danke."
"Nicht mal einen winzig kleinen Tipp?"
"Nein!"
"Grausam!"
"Gräfin Lahnstein", ich versuche so tadelnd wie möglich zu klingeln, "wenn Sie nicht augenblicklich ihre Quengelei einstellen, muss ich andere Seiten aufziehen!"
Sie deutet an, dass sie ihre Lippen verschließt und den Schlüssel wegwirft.
"Wirklich?", frage ich nach.
Sie setzt zu einer Antwort an, besinnt sich aber und nickt schließlich nur.
"Brav. Du musst dich noch ein klein wenig gedulden. Setz dich doch so lange aufs Sofa, ich hol dich gleich wieder ab."
Nach vier Stunden Autobahn, 15 Minuten Stau und einer halben Stunde Landstraße haben wir mein Ziel erreicht. "Du musst noch kurz warten, mein Liebling. Ich hol dich gleich ab, versprochen." Ich schnappe mir unser Gepäck- ich muss daran denken, Elisabeth zu danken, wenn wir wieder in Düsseldorf sind- und schlage die Kofferraumtür zu.
Brrr, es ist kalt hier draußen. Der nächste Plan führt uns auf jeden Fall in den Süden und nicht mehr in den Schnee. Schnell den Schlüssel unter dem Blumenkübel hervor geholt und aufgeschlossen. "Wow." Ich staune nicht schlecht. Das Prospekt hat wirklich nicht zu viel versprochen- eher zu wenig. "Super, der Kamin brennt schon! Schnell noch alles hergerichtet und dann ab zu Carla."
Binnen zehn Minuten liegen sechs Decken auf dem Boden verteilt vor dem Kamin, stehen Kerzen überall im Raum und ist der Champagner auf Eis gestellt.
"So, jetzt kannst du mitkommen. Ich hoffe, du bist nicht allzu sehr erfroren."
"Nur meine Fingerspitzen."
"Tauen gleich wieder auf, vertrau mir."
Ich führe sie über den schmalen Weg hin zu der Holzhütte und durch die Tür.
"Wann kann ich dieses Ding hier endlich abnehmen?"
"Gleich, Schatz." Ich nehme ihr den Mantel ab, hänge ihn zusammen mit meinem an die Kleiderhaken und stelle mich ganz dicht hinter sie. "So, nun meine Schöne", ich löse den Knoten der den Schal zusammen gehalten hat, "das hier ist für dich."
Carla blinzelt kurz und schnell hintereinander. Das Kaminfeuer ist wohl zu hell. Endlich leuchten ihre Augen.
"Hab ich zu viel versprochen?"
"Ich…sprachlos."
"Wow! Das ist selten."
_________________ “If you live to be a hundred, I want to live to be a hundred minus one day so I never have to live without you.” https://www.fanfiction.net/s/8764822/1/Two-In-A-Million
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